Eintracht Frankfurt - Schalke 04 |
Bundesliga 1998/1999 - 16. Spieltag
1:2 (0:2)
Termin: Sa 05.12.1998 15:30
Zuschauer: 33.000
Schiedsrichter: Georg Dardenne
Tore: 0:1 Marco van Hoogdalem (21.), 0:2 Sven Kmetsch (38.), 1:2 Jan-Aage Fjörtoft (80.)
Eintracht Frankfurt | Schalke 04 |
|
|
Wechsel
|
Wechsel
|
Trainer |
Trainer
|
Der “hinnerfozzische“ Rausschmiss des Trainers Das Neun-Punkte-Spiel geht in die Hose… “Die Zusammenarbeit läuft gut, wie das unter Profis üblich ist. Wir unterhalten uns", gnoddert Gernot Rohr kurz angebunden zu seinem aktuellen Verhältnis mit dem Trainer, nachdem am Samstag zumindest offiziell der Burgfriede zwischen Verein und Horst Ehrmantraut verkündet wurde, an den eigentlich keiner glauben mag. Um sich ein wenig aus der Buhmann-Ecke zu bringen, verkündet der technische Direktor, dass er bereits vor ein paar Wochen Anthony Yeboah zur Eintracht holen wollte, der HSV ihn aber nicht freigegeben hat. Horst Ehrmantraut plagen indes ganz andere Sorgen “vor dem wichtigsten Spiel der Vorrunde“ bzw. dem “Neun-Punkte-Spiel“ (Alexander Schur). Denn neben Epp, der sich im Training das Knie verdreht hat, fallen auch Kapitän Weber mit Knöchelproblemen und Brinkmann aus, den eine Zahnvereiterung plagt. Entgegen seiner Planungen lässt er seine Mannschaft nur mit Fjørtoft als Sturmspitze beginnen und setzt auf Zampach sowie Gebhardt auf den Außenbahnen, um anzukündigen, dass “die Spieler unbedingt pressen wollen. Denn so einen Ausrutscher wie gegen Bremen dürfen wir uns nicht noch einmal erlauben." Dies gilt auch für die Gäste aus Schalke, die nach der ernüchternden 1:4-Niederlage in Kaiserslautern auf einen Abstiegsplatz gerutscht sind. "Es wäre vermessen, weiterhin vom UEFA-Cup zu reden", erklärt Rudi Assauer, der das Wort “Krise“ aber tunlichst vermeidet. Anders als in Frankfurt gibt es vom Manager allerdings ein glasklares Bekenntnis zum Trainer: "Huub lebt für den Fußball, er ist positiv verrückt, er ist ein Glücksfall für diesen Klub. Warum sollte ich diesen Mann entlassen?" Doch ein Sieg aus den letzten zehn Spielen ist trotz der Verletzungsmisere einfach zu wenig und so fordert Kapitän Andreas Müller: “Jetzt muss es richtig knallen.“ Damit liegt er auf einer Linie mit Huub Stevens, der Kampf und Einsatz fordert: "Es ist jetzt wichtig, die richtigen Ergebnisse herauszuspielen, schöner Fußball allein bringt nichts." Dazu wählt er eine offensive Aufstellung mit Eijkelkamp neben Max im Sturm, die von Nemec und Mulder unterstützt werden. Zudem verdrängt Routinier Oliver Reck wieder Mathias Schober im Tor, was der Trainer ihm erst am Mittag mitteilt: "Oliver ist 33 Jahre alt, Du nur 22. Er gibt lautere Anweisungen, seine Erfahrung hilft uns jetzt." Pressing hatte Horst Ehrmantraut angekündigt, doch auf dem Platz sind es die Gäste, die die Eintracht mit schnellen Kombinationen fast überrollen. Van Kerckhoven auf der linken Außenbahn kann von Zampach ebenso wenig gestoppt werden wie Mulder hinter den Spitzen durch Pedersen oder Schur, während Houbtchev Lücken stopft und so kaum für eine gelungene Spieleröffnung sorgen kann. Dafür muss Nikolov vollen Einsatz zeigen, denn Eijkelkamp spielt mit Kutschera Katz und Maus und auch Max kann sich nur allzu oft gegen Bindewald durchsetzen, so dass die Gäste in der Anfangsviertelstunde bereits fünf gute Gelegenheiten zur Führung haben, diese aber vergeben. Die Eintracht kann sich kaum aus der eigenen Hälfte befreien, zumal Kmetsch und Eigenrauch Sobotzik sowie Bernd Schneider in enge Manndeckung nehmen, so dass ein geordneter Spielaufbau kaum möglich ist. “Ich sehe dies als Anerkennung unserer bisherigen Leistungen“, meint Sobotzik zwar, ergänzt aber: “das wird natürlich zum Handicap, wenn nicht schnell und genau genug nach vorne gespielt wird.“ Was genau das Problem von Houbtchev und Co ist…
In der 20. Spielminute setzt sich wieder Eijkelkamp im Strafraum durch und zieht aus elf Metern ab. Nikolov kann abwehren, doch der Ball prallt nach vorne, um von Bindewalds Schienbein zurück zum Torhüter zu springen, der ihn fängt. “Dardenne“, flucht Horst Ehrmantraut nur, denn der Schiedsrichter sieht in dieser Aktion einen absichtlichen Rückpass und entscheidet auf indirekten Freistoß kurz vor dem Fünfmeterraum. “Das war ein Versehen und mit Sicherheit kein absichtlicher Rückpass von mir“, ärgert sich Bindewald, doch es nützt ja nichts. Zehn Mann auf der Torlinie bilden die Mauer hinter Nikolov, doch sie kann nicht verhindern, dass van Hoogdalem die Kugel nach dem Anschubsen hoch unter die Latte zur 1:0-Führung für Schalke ballert (21.). Schalke setzt nach und die Eintracht wirkt weiterhin überfordert gegen die schnell und direkt spielenden Gäste. Kutschera versucht sich zwar mit einem Tritt, Respekt bei Eijkelkamp zu verschaffen, doch der Stürmer verpasst Kutsche als Antwort einen Ellbogencheck und wirbelt weiter ungeniert am Strafraumrand. "Wir waren nicht aggressiv genug", schüttelt Bindewald den Kopf, der ebenso wenig wie Houbtchev oder Schur eingreift, als sich Mulder, Nemec und Eijkelkamp durch die Mitte nach vorne spielen. Der Ball landet beim mitlaufenden Kmetsch, der ihn zum 2:0 für Schalke in die Maschen jagt (38.). Eine Führung, die in dieser Höhe verdient ist, wie auch Horst Ehrmantraut eingesteht: "Wenn man gesehen hat, wie etwa Mulder oder Eijkelkamp den Ball aus der Luft annehmen konnten, dass der wie Pattex am Fuß klebte, obwohl ein Gegenspieler hinter ihnen war, dann ist das schon sehenswert. Es war noch nie so deutlich wie heute, dass unser Kader in bestimmten Situationen nicht mithalten kann." In der zweiten Halbzeit zieht sich Schalke in die eigene Hälfte zurück, was den Frankfurtern ebenfalls wenig behagt. Schneider und Sobotzik, der eigentlich vom Trainer als zweite Sturmspitze aufgestellt wurde, wirken bisweilen genervt von der Aggressivität, mit der sie bewacht werden und von den Außenbahnen ist weiterhin nichts Effektives zu sehen. "Dadurch kam Fjørtoft gar nicht zu seinen Chancen, über die Außenbahnen müssen wir uns perspektivisch Gedanken machen. Aber das ist eine reine Finanzfrage", stöhnt Horst Ehrmantraut, der Westerthaler und Pisont für Zampach und den ebenso schwachen Pedersen bringt (56.).
Aber es bleibt dabei, der Spielaufbau bleibt ideenlos und der Angriff ist entsprechend kaum vorhanden, wie auch Fjørtoft feststellt: "Dabei versucht der Trainer alles. Nur mitspielen kann er nicht. Dafür ist er zu alt und auch beim Fünf-gegen-zwei-Spiel im Training zu schlecht." Immerhin, er verliert scheinbar den Humor nicht angesichts der ständig fortschreitenden Demontage des Trainers, die auch auf die Mannschaft abzufärben scheint. Sie spielen nicht gegen ihn, aber sie wirken verunsichert und nicht frei im Kopf, während Schalke die Führung lässig verwalten kann, bei den Kontermöglichkeiten allerdings ebenfalls leichtfertig agiert. In der 74. Minute bringt der Trainer mit Nwosu für Gebhardt den dritten Stürmer ins Spiel, der sich in das Strafraumgewühl stürzt. Mit Erfolg, denn einen eigentlich harmlosen Kopfball kann “Pannen-Olli“ Reck nicht festhalten, so dass die Kugel Fjørtoft vor die Füße rollt, der sie zum 1:2-Anschluss in die Maschen pfeffert (80.). “Wir hatten schon die drei Punkte in der Hand und mussten am Ende wieder zittern, dass wir noch zwei verlieren“, ärgert sich Huub Stevens über die zuvor leichtfertig vergebenen Konterchancen, doch er kann sich schnell beruhigen, denn kritisch wird es nur noch in der Schlussminute, als Kmetsch das Leder im Strafraumgetümmel an die Hand springt. Sofort bestürmen die Frankfurter den Schiedsrichter, doch Dardenne verweigert den Strafstoß zu Recht, so dass die Eintracht die dritte Niederlage in Folge kassiert und einen wütenden Trainer zurück lässt: “Ich bin sauer über die von uns abgelieferte Qualität, wir haben fast alles vermissen lassen, was eine Heimmannschaft bringen muss. Wir haben zweimal in unseren Heimspielen die große Chance nicht wahrgenommen, den Abstand zu vergrößern oder wenigstens aufrecht zu erhalten. Das tut extrem weh." In der Tat, nach drei Niederlagen in Folge ist der Vorsprung auf die Abstiegsränge wieder auf einen Zähler zusammen geschmolzen. Vor den letzten beiden Spielen in diesem Jahr liegt die Eintracht auf Platz 15.
“Wir können mit der Arbeit von Ehrmantraut außerordentlich zufrieden sein. Jeder, der mehr verlangt hat als jetzt Platz 13, ist ein Phantast. Als Mensch ist er schwierig, aber welcher Trainer ist das nicht? Wenn ich alles für bare Münze nehmen würde, was geredet wird oder in der Zeitung steht... ", meint Präsident Heller nach der Rückkehr von seiner zehntägigen Asienreise vielsagend und ergänzt, dass eine sofortige Entlassung des Trainers nie zur Debatte gestanden habe: "Es ging und geht lediglich um die Frage der Vertragsverlängerung." Auch die Worte des eingeblendeten Gernot Rohr, der von einer “bedauerlichen Niederlage gegen einen Mitkonkurrenten“ spricht, die “eine Katastrophe hätte werden können, wenn Schalke nur die Hälfte seiner Chancen genutzt hätte", lässt dem Präsidenten nichts entlocken außer der Tatsache, dass am Montag eine “turnusgemäße“ Sitzung von Präsidium und Verwaltungsrat stattfinde, in der es um hauptsächlich um “die Planung der 100-Jahr-Feier“ gehe. "Horst Ehrmantraut hat nur minimale Chancen, weiter Trainer bei der Eintracht zu sein", folgert Udo Lattek daraufhin messerscharf…
Kurz nur ist die Pressemitteilung am Dienstagvormittag, die für viel Aufruhr sorgt, zumal am Sonntag noch offiziell verkündet wurde, dass die turnusgemäße Sitzung “auf Dienstagabend verschoben“ sei:
“Eintracht Frankfurt hat Horst Ehrmantraut von seinen Pflichten als Trainer freigestellt. Diese Entscheidung fällte das Präsidium und der Verwaltungsrat einstimmig am Montagabend. Präsident Heller erläuterte am Vormittag auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz die Gründe für die Trennung, dankte aber auch dem Trainer für die in den vergangenen zwei Jahren geleistete Arbeit. Der bisherige Co-Trainer Bernhard Lippert übernimmt übergangsweise das Training der Profis, bis ein Nachfolger benannt wird.“ Rumms. Das hat nicht nur bei Horst Ehrmantraut gesessen, der von seiner Entlassung erst kurz vor dem Vormittagstraining erfährt, als er ins Präsidiumszimmer bestellt wird. “Als er es gegen 9.30 Uhr verließ, hatte er Tränen in den Augen, ging anschließend zu seinem Assistenten Bernhard Lippert, teilte ihm seine überraschende Beurlaubung mit, sprach danach zur Mannschaft und verabschiedete sich von jedem Spieler persönlich. Sein letzter und größter Herzenswunsch: "Jungs, kämpft weiter, damit ihr das große Ziel, den Klassenverbleib, schafft", schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung am Tag darauf. (tr)
Erste (Presse-) Stimmen zur Entlassung von Horst Ehrmantraut Ansgar Brinkmann: "Unser Trainer hat immer mit offenem Visier gekämpft. Der Verein und ich persönlich haben ihm sehr viel zu verdanken. Ich werde mir das Schöne bewahren. Und davon gab es reichlich." Ex-Bundestrainer Berti Vogts: "Die Arbeit von Ehrmantraut wurde total verkannt. Der Weg der Eintracht geht nach unten." Jürgen Grabowski: “Ich kann diese Entscheidung nicht nachvollziehen, denn er hat erstklassig gearbeitet, die Mannschaft aus dem Keller der 2. Liga in die Bundesliga gebracht und maßgeblich dazu beigetragen, dass der seit 1996 extrem schlechte Ruf der Eintracht wieder aufpoliert worden ist. Bernd Hölzenbein: “Ich glaube nicht, dass der nächste Trainer so einen Zugriff auf die Mannschaft haben wird wie Ehrmantraut, auch wenn ich gewiss nicht dessen Freund bin.“ Dietrich Weise: “Die Entscheidung kam nicht überraschend, nur der Zeitpunkt war es. Gernot Rohr spielt da eine unglückliche Rolle, aber so lange sich der Verein im engsten Umfeld von Personen beeinflussen lässt, die seit Jahrzehnten mitreden wollen, wird mit der Eintracht kein Staat zu machen sein.“ Kicker-Sportmagazin: “Am Zeitgeist hat sich wenig geändert bei der Eintracht in den letzten 40 Jahren. Wie viele seiner Vorgänger lässt sich auch das heutige Präsidium beraten von denen, die schon 1959 dabei gewesen waren. Die alten Seilschaften haben nun dazu beigetragen, dass der schon lange um den Hals von Horst Ehrmantraut gezogene Strick zugezogen worden ist. Istvan Sztani findet ebenso Gehör wie Otto Müller, wie viele praxisfremde Mitglieder des Verwaltungsrats. Sie reden von früher und haben vom heute keine Ahnung.“ Frankfurter Neue Presse: “Ehrmantraut ist gescheitert an Intriganten, die sich an seiner geradlinigen, aber unbequemen Art störten, die nie so richtig wahrhaben konnten, dass dieser kleine, unscheinbare, immer im Trainingsanzug auftretende Mann der Vater des Erfolges war und sich auch nicht von seinen Vorgesetzten hereinreden lassen wollte. Heller und seine präsidialen Mitstreiter haben sich Rohr ausgeliefert. Der letzte starke Mann war Jupp Heynckes. Danach ging es mit der Eintracht steil bergab.“ Frankfurter Rundschau: “Die Entlassung des unbequemen, knorrigen Trainers ordentlich zu begründen, wird den Herren in der Chefetage schwerfallen, sofern sie sich überhaupt die Mühe machten, objektive Gründe zu suchen. Er passte ihnen einfach nicht mehr in den Kram und hat eben auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die meisten im Präsidium zwar für ganz nett, aber eben für pure Amateure hielt.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung: “Man wollte Ehrmantraut demütigen und deshalb wurde dieser Entlassungstermin gewählt. Der Urlaub des Präsidenten passte genau in dieses Konzept, weil er nachträglich als Begründung dienen konnte, warum man Ehrmantraut nicht gleich entließ. Dies ist natürlich allein deshalb fadenscheinig, weil Heller ja in dieser schweren Krise hätte heimreisen können. Das Ganze zeigt, welch niederträchtiger oder auf Gut frankforterisch "hinnerfozzischer" Geist in den Entscheidungsgremien des Vereins herrscht.“ Darmstädter Echo: “Das Mobbing am Main hat funktioniert. Manager Gernot Rohr ließ selten eine Chance verstreichen, um die Autorität des Trainers zu untergraben. Wer, wie Rohr, vor laufender Fernsehkamera verkündet, die Mehrzahl der Spieler stünde nicht mehr zu Ehrmantraut, gehört wegen Vereinsschädigung abgemahnt. Neben Rohr zündelten weitere Präsidiumsmitglieder und wichtigtuende Berater im Umfeld des Führungszirkels dazu. Der Trainer wurde mit System und Hinterlist entmachtet.“
|