Hansa Rostock - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1998/1999 - 11. Spieltag

2:2 (1:1)

Termin: Sa 07.11.1998 15:30
Zuschauer: 11.000
Schiedsrichter: Jürgen Jansen (Essen)
Tore: 0:1 Tore Pedersen (26.), 1:1 Uwe Ehlers (44.), 2:1 Timo Lange (86.), 2:2 Bernd Schneider (87.)

 

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Hansa Rostock Eintracht Frankfurt

     

  • Martin Pieckenhagen
  • Jens Dowe
  • Uwe Ehlers
  • Hilmar Weilandt
  • Timo Lange
  • Igor Pamic (67.)
  • Marko Rehmer
  • Radwan Yasser
  • Thomas Gansauge
  • Slawomir Majak
  • Oliver Neuville

 

 

Wechsel

  • Marco Zallmann für Thomas Gansauge (46.)
  • Miroslav Bicanic für Uwe Ehlers (71.)

Wechsel

Trainer

  • Ewald Lienen

Trainer

 

Nach der Wirtshausschlägerei die Chance vertan

"So ein Spiel möchte ich nicht noch mal erleben, danach fühlte ich mich innerlich zerstört.“ Nur kurz blickt Horst Ehrmantraut zurück auf die letzte Auswärtsniederlage in Wolfsburg, bevor er mit seiner Mannschaft den Lear-Jet besteigt, der den Eintracht-Tross nach Rostock an die Ostsee fliegt. Erinnerungen an jenes Spiel im Mai 1992 verbieten sich allerdings, zumal nur noch Bindewald und Weber aus dem damaligen Kader dabei sind. Der Trainer gibt sich vielmehr kämpferisch: “Wir sind jetzt personell besser besetzt als in Wolfsburg. Daher fahren wir nicht nach Rostock, um ein Unentschieden zu erreichen. Wir spielen auf Sieg." Und zwar wie schon gegen die Bayern ohne Marco Gebhardt im Kader, was diesen schwer wurmt, auch wenn er sich inzwischen mit Horst Ehrmantraut ausgesprochen hat und dieser betont, dass es eine “schwere Entscheidung gewesen sei.“ Aber der Trainer vertraut voll der Mannschaft, die den aktuellen Tabellenführer mit 1:0 geschlagen hat, so dass Weber auf der linken Seite neben Sobotzik und Bernd Schneider beginnen wird und Yang als einzige Sturmspitze spielt.

Nach dem überraschenden Rang sechs in der Vorsaison geht es nach den schmerzlichen Abgängen von Barbarez, Baumgart und Groth auch für den Tabellennachbarn aus Rostock nur um den Klassenerhalt. Doch im Gegensatz zum Frankfurter Umfeld ist es an der Ostsee ruhig, der Trainer sitzt fest im Sattel, auch wenn sie zuletzt gegen Schalke (2:2) und in Kaiserslautern (2:3) jeweils eine 2:0-Führung verspielt hatten. "Ich hätte nichts dagegen, wenn wir auch gegen die Eintracht wieder mit zwei Toren führen würden", sagt Ewald Lienen unbeeindruckt, "ich fände es allerdings besser, wenn wir anschließend auch gewinnen. Es geht einfach darum, Spiele, die man dominiert, auch für sich zu entscheiden. Dazu müssen wir die in der Bundesliga nötige Aggressivität zeigen, aber auf faire Art und Weise." Den letzten Nebensatz scheint Pamic, der neben Neuville im Sturm beginnt, überhört zu haben, wie sich zeigen wird.

Tatsächlich beginnt Hansa couragiert und setzt die Eintracht bereits in der Anfangsphase gehörig unter Druck. Schnell läuft die Kugel über Dowe und den weit aufgerückten Ehlers, während Bindewald und Kutschera Probleme haben, die beiden Spitzen in den Griff zu bekommen. Doch zum Glück können weder Neuville noch Pamic ihre Chancen in der Anfangsviertelstunde nutzen. Danach fängt sich die Frankfurter Defensive und die Eintracht tastet sich vorsichtig in die Hälfte der Gastgeber, wo Marko Rehmer und Ehlers weder Sobotzik noch Bernd Schneider einen Fußbreit Platz lassen. Den hat dafür Brinkmann in der 26. Spielminute, nachdem ein Angriff der Gastgeber abgefangen wird. Der 29-Jährige tankt sich auf der rechten Außenbahn durch und flankt in den Strafraum, wo Yang zwar eng bewacht, aber der mitgelaufene Pedersen von Pamic nur halbherzig bedrängt wird, so dass der Norweger den Ball an Torhüter Pieckenhagen vorbei zur 1:0-Führung ins Netz köpfen kann (26.).

Rostock schüttelt sich kurz und macht weiter unbeirrt Druck. So kann Neuville nur vier Minuten später von der Strafraumgrenze aus abziehen, trifft aber zum Glück nur den Pfosten. Sie wirken nicht ganz sattelfest, Horst Ehrmantraut macht gar einen “ersten Bruch im Spiel aus“. Zu leicht kommen die Gastgeber in Strafraumnähe, lassen dann aber die Entschlossenheit ebenso missen wie die Eintracht das Offensivspiel vermissen lässt. Zu viele Stockfehler bei Sobotzik und Schneider unterbinden die Gegenstöße meist im Ansatz, zumal Yang bei Gansauge völlig abgemeldet ist. Dazu humpelt jetzt Kapitän Weber und muss bereits nach 37 Minuten vom Platz, so dass Zampach auf die linke Seite rückt. "Wir waren nicht mehr konzentriert, die Ordnung ging verloren", schimpft unterdessen Horst Ehrmantraut, der die kommenden Minuten ungläubig mit dem Kopf schüttelnd verfolgt. In der 44. Spielminute gibt es noch einmal eine Ecke für Rostock. Der Ball fliegt halbhoch in den Strafraum, es herrscht Konfusion, bis die Kugel bei Ehlers landet, der mit rechts abzieht. Zampach versucht noch auf der Linie zu retten, doch zu spät. Das Leder zappelt zum hoch verdienten Ausgleich in den Maschen, mit dem es in die Pause geht. Die Horst Ehrmantraut lautstark nutzen wird…

Mit den richtigen Worten des Trainers im Ohr übernimmt die Eintracht in der zweiten Halbzeit die Kontrolle über das Spiel, es gibt kaum noch ein Durchkommen für die Rostocker Sturmspitzen. Doch das Spiel nach vorne bleibt auch bei den Gästen mau, so dass Torchancen zunächst absolute Mangelware sind. Zumindest bis zur 65. Spielminute, als Zampach nach Zuspiel von Schur den Turbo zündet und erst Lange ausspielt, um mit einem kurzen Haken an Rehmer vorbei zu gehen. Doch anstatt in die Mitte zu Yang oder Brinkmann zu passen, entscheidet sich der Rechtsfuß für einen Heber mit links über den hinaus stürzenden Pieckenhagen, der leider gründlich in die Hosen geht (65.).

Nur zwei Minuten später muss auch Nikolov Kopf und Kragen riskieren, als er sich dem durchgebrochenen Majak entgegenwirft, um zur Ecke zu klären, die nichts einbringt. Dafür zeigt jetzt Pamic, was er unter der vom Trainer geforderten “nötigen Aggressivität“ versteht. Nachdem er bereits Kutschera im ersten Abschnitt im Gesicht getroffen hatte, haut er den aus dem Strafraum trabenden Schur mit einer perfekten Rückhand hinters Ohr, so dass der mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden sinkt. "Da muss vor dem Spiel was im Privatleben passiert sein. Der hat auf mich eingeschlagen wie ein Bauarbeiter. Das hatte Wirtshausniveau, ein klarer Platzverweis", schimpft Schur, während Schiedsrichter Janßen tatsächlich keine Sekunde zögert und Pamic mit Rot zum Duschen schickt (68.). “Ich habe kein Verständnis dafür, dass ein so erfolgreicher Spieler damit der Mannschaft schadet“, flucht selbst Ewald Lienen, der kurz darauf Bicanic für Ehlers einwechselt, während Timo Lange eine Trotzreaktion bei den Mitspielern ausmacht: “Nach der Herausnahme von Pamic haben wir uns den Arsch aufgerissen.“

In der Tat, plötzlich übernimmt Rostock trotz Unterzahl das Geschehen auf dem Platz, weil die Eintracht nicht mehr konsequent genug deckt und in den Zweikämpfen meist den Kürzeren zieht. Und bei Ballbesitz? Lediglich Bernd Schneider versucht, dem Spiel Struktur zu geben, allerdings bekommt er kaum Unterstützung, zumal Sobotzik seine Form des Bayern-Spiels in Frankfurt gelassen hat. "Wir sind viel zu lange mit dem Ball gelaufen, irgendwann landete er dann bei den Rostockern. Wir haben sie nicht aggressiv gestellt und die Konterhaltung hat auch nicht gestimmt. Es fehlte die Cleverness, im richtigen Moment den tödlichen Pass zu spielen", schimpft Horst Ehrmantraut, während Dowe am glänzend reagierenden Nikolov scheitert und Majak den Nachschuss in die Wolken hämmert. Überhaupt ist der Frankfurter Torhüter heute der beste Mann auf dem Platz, schreibt das kicker-Sportmagazin: “Der Mazedonier verhinderte mit reaktionsschnellen Paraden und klugem Winkelverkürzen weitere Rostocker Treffer.“


Nikolov, Torschütze Lange

Im Gegensatz zu seinem Torhüter braucht Chen Yang offensichtlich eine Pause, so dass er endlich erlöst und durch Westerthaler abgelöst wird (76.). "Er ist ausgebrannt, körperlich und mental müde, das sieht man seinem Spiel an", meint Horst Ehrmantraut, der ihn sowieso nur noch in der kommenden Woche einsetzen kann, bevor er zu den Asienspielen muss. Aber auch vom eingewechselten Österreicher ist wenig zu sehen, zu sehr lassen sich die Frankfurter vom kick’n‘rush anstecken, ohne allerdings die zahlenmäßige Überlegenheit zu nutzen. Was sich in der 86. Spielminute rächt, als Lange nach einem weiten Pass an die Kugel kommt, Houbtchev stehen lässt und sich mit einer Energieleistung in den Strafraum tankt. Auch Nikolov umkurvt er geschickt, um den Ball zum 2:1 für Rostock in die Maschen zu hauen. Das kann doch nicht wahr sein, selbst der sonst so ruhige Bindewald schreit seinen Frust in den Himmel: "Ich war so wütend, weil das alles hier nicht nötig gewesen wäre, weil wir uns nämlich verkrochen haben, als wir einer mehr waren."

Jetzt endlich spielen sie wieder nach vorne, kaum eine Minute nach dem Rückstand gibt es die achte Ecke für die Eintracht. Alle rennen sie Richtung Sechzehner, selbst Oka Nikolov steht im Strafraum der Rostocker, als Brinkmann das Leder in die Mitte zirkelt. Was für ein Gewühl, aber irgendwie landet die Kugel beim freistehenden Bernd Schneider, der sie zum 2:2 ins verwaiste rechte Toreck schießt (87.). “Verdammt, das ist filmreif, wir hatten doch fünfzehn 95- bis 100-prozentige Chancen, die wir nicht verwertet haben“, schlägt Trainer Lienen fassungslos die Hand über dem Kopf zusammen. Schon wieder kassieren die Gastgeber den späten Ausgleich nach einer Führung.

Und so bleibt es auch nach neunzig Minuten, welche die Frankfurter zunächst ebenso hadernd wie die Rostocker zurücklässt. "Ich bin total verärgert, wir hatten hier die große Chance, drei Punkte zu gewinnen“, schimpft Bindewald, während der Trainer minutenlang auf seinem Gartenstuhl verharrt, um dann schnurstracks in die Katakomben zu sausen. Immerhin, mit 10 Punkten bleiben sie auf Rang 15, da Bremen ebenfalls nur ein Unentschieden holt und Mönchengladbach gar eine 1:7-Packung bei den wiedererstarkten Wolfsburger einstecken muss. Nachdem es bereits in der Vorwoche eine deftige 2:8-Klatsche gegen Leverkusen gab, muss Trainer Friedel Rausch am nächsten Tag seinen Stuhl am Niederrhein räumen.


Stimmen zum Spiel

Horst Ehrmantraut: "Unmittelbar nach Schlusspfiff habe ich mich sehr, sehr darüber geärgert, wie wir uns verkauft haben. Wir hatten hier die Riesen-Möglichkeit zu gewinnen, doch am Ende konnten wir ja noch froh sein, nicht verloren zu haben. Immerhin haben wir Rostock auf einen Punkt Distanz gehalten. Daraus müssen wir positive Energie für Mittwoch schöpfen. Denn für uns ist jedes Spiel ein brutaler Kampf."

Bernd Ehinger, Verwaltungsratsvorsitzender, der in Vertretung für Präsident Heller sowie die sich auf Spielersuche befindlichen Rohr und Patella angereist ist: "Hier fahre ich nie mehr ohne meinen Hausarzt hin. Aber das wichtigste ist, dass es nicht beim Rückstand geblieben ist." (tr)

 

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