Eintracht Frankfurt - Bayern München |
Bundesliga 1998/1999 - 10. Spieltag
1:0 (1:0)
Termin: Sa 31.10.1998 15:30
Zuschauer: 58.500
Schiedsrichter: Markus Weber (Bergkamen)
Tore: 1:0 Thomas Sobotzik (32.)
Eintracht Frankfurt | Bayern München |
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Ein Sieg zur absolut rechten Zeit … …doch Moment, beim Radiosender FFH läuft bereits am Freitag die Live-Reportage des Spiels, dass aufgrund des Wetters kurzfristig um einen Tag vorverlegt wurde. Der Schreck ist groß, einige machen sich sofort auf dem Weg ins Stadion, die Drähte laufen heiß und legen – wie könnte es anders sein – die Telefonzentrale am Riederwald lahm. Andere zerreißen vor Wut oder Enttäuschung ihre Karten. Schnell stellt sich raus, der Radiosender wollte nur witzig sein, was wohl nicht jeder so empfindet. Der “Live-Reporter“ übrigens ist Oliver Forster, der ab der Saison 2013/14 Leiter des Bereichs Medien- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Eintracht werden soll, bevor Trainer Armin Veh ihn ablehnt… Neue Gerüchte um des Trainers Ablösung und ein neuer namens Pedersen Am Riederwald haben unterdessen die Worte des Präsidenten keine lange Halbwertzeit. Trotz seiner Aussage, dass sich “die Trainerfrage für uns nicht stellt“, sickert schnell durch, dass im Fall einer Niederlage gegen die Bayern bereits für Samstagabend eine Krisensitzung des Präsidiums durch Vizepräsident Dr. Lämmerhirdt anberaumt worden ist, in der es einzig um die Trainerfrage geht. "In einer Notsituation würde ich mich der Verantwortung nicht entziehen, wenn das Präsidium so entscheiden sollte", antwortet Gernot Rohr, der ebenfalls Sitz und Stimme im Präsidium hat, nur vielsagend auf die Frage, ob er die Mannschaft im Fall der Fälle als Interimstrainer betreuen würde. Zudem machen Gerüchte die Runde, dass Reinhold Fanz, dem Trainer von Hannover 96, bereits ein von Teilen des Präsidiums und Verwaltungsrat abgesegneter Vorvertrag mit der Zusage vorgelegt wurde, dass er Nachfolger von “Hotte“ wird. “Total deplatziert“, kann da Horst Ehrmantraut nur schimpfen, “wenn das tatsächlich so sein sollte, dann wären wir arm dran. Man kann das Wohl und Wehe eines Trainers nicht an einem Spiel gegen die Bayern festmachen. Entweder der Verein bekennt sich zu meiner Arbeit, oder man trennt sich. Entweder sagt er, die Arbeit ist gut, oder die Arbeit ist schlecht." Reibereien gibt es aber nicht nur im Präsidium und Verwaltungsrat, sondern auch mal wieder bei der Eintracht Marketing und Service GmbH. Nach tagelangen Diskussionen um seine bezahlte Tätigkeit als Prokurist der GmbH und als ehrenamtliches Mitglied im Wahlausschuss tritt Klaus Lötzbeier kurz vor dem Spiel gegen die Bayern von seinem gut bezahlten Posten zurück, obwohl Geschäftsführer Dr. Lämmerhirdt betont, es gäbe keinen Interessenkonflikt, da die Gesellschaft eigenständig sei. Lötzbeier folgt damit dem Beispiel von Präsident Heller, der ebenfalls auf einen bezahlten Job bei der Eintracht verzichtet hatte und nach der Inthronisierung von Gernot Rohr als technischer Direktor seine Arbeit bei der AOK Thüringen wieder aufgenommen hat. Bei all den Streitereien geht fast unter, dass immerhin bei den Neuzugängen in dieser Woche überraschend Nägel mit Köpfen gemacht wurden. Denn Gernot Rohr verpflichtet fast im Alleingang für eine Ablösesumme von 750.000 Mark den 29-jährigen Abwehrspieler Tore Pedersen von den Blackburn Rovers, den er bereits im Vorjahr nach Bordeaux holen wollte. Auch für Ehrmantraut ist Pedersen allerdings kein Unbekannter, denn der Norweger spielte zuvor mit Sobotzik bei St. Pauli und wird nach nur zwei Trainingseinheiten mit der Mannschaft in der Startaufstellung gegen den aktuellen Tabellenführer stehen. “Er wird sich schnell an unser taktisches System gewöhnen, heute hat er eine klare Aufgabe am Mann“, meint der Trainer vielsagend… …denn Pedersen soll sich auf der linken Abwehrseite um Basler kümmern, während Bindewald und Kutschera die Kreise von Jancker und Salihamidzic einengen werden. "Das wird gigantisch schwer, denn wir müssen punkten. Wir brauchen die Zähler, um aus unserer misslichen Lage rauszukommen“, beschwört der Trainer und appelliert an seine Spieler: "Wir dürfen keine Angst zeigen, sondern müssen mit einer gewissen Frechheit ins Spiel gehen. Wir müssen als Team bestehen, jeder muss über sich hinauswachsen, wenn wir eine Chance haben wollen." Gut nur, dass Weber neben Schur wieder im defensiven Mittelfeld beginnen kann und dass auch Sobotzik nach seiner fünf Spieltage währenden Sperre fit und einsatzbereit ist, so dass er zusammen mit Schneider und Brinkmann die einzige Sturmspitze Yang mit Bällen versorgen kann, während Pisont, Zampach und Kaymak auf die Bank müssen. Keine Angst vor dem souveränen Tabellenführer, der bislang acht Siege und ein Unentschieden einfahren konnte und zuletzt am 8. März auf Schalke verloren hatte. Das ist sicher leichter gesagt, als getan. Aber vielleicht haben sie ja Glück, dass die Bayern nach ihrem 4:2-Pokalsieg gegen Duisburg vor drei Tagen ihre Konzentration bereits auf die kommenden “Megaspiele“ (Oliver Kahn) richten, denn am Mittwoch geht es in der Champions League zum FC Barcelona und danach wartet das Derby gegen den Tabellenzweiten der Bundesliga, 1860 München. Dies wird wohl nicht geschehen, wenn es nach Ottmar Hitzfeld geht, der zu Saisonbeginn Trapattoni ablöste und das schaffen soll, was ihm 1997 mit Dortmund gelang. Die Meisterschale und den Champions League-Pokal in die bayerische Landeshauptstadt holen. Für den Zwischenstopp in Frankfurt kann er dabei neben den Gladbacher Neuzugang Stefan Effenberg wieder auf Matthäus, Basler und Strunz zurückgreifen, muss aber auf den gelbgesperrten Elber verzichten, für den Jancker beginnen wird. “Wir hätten das Waldstadion gut dreimal füllen können“, reibt sich Schatzmeister Patella angesichts des vollen Hauses die Hände, muss zunächst aber einen artigen Diener machen: “Es lebe der FC Bayern“, ruft er in das Mikrophon, um sich dafür zu bedanken, dass der Verein vor zwei Jahren zu einem Freundschaftsspiel gegen die Eintracht antrat, als diese nicht nur finanziell am Boden lag. Nicht mit dem nach einem Landregen richtig glitschigen Boden in Berührung kommen wollen scheinbar auch die Bayern, die das Spiel mit geradezu aufreizender Lässigkeit beginnen. Lässig schieben sie sich die Kugel im Mittelfeld hin und her, um darauf zu warten, dass die Eintracht die Initiative übernimmt. Die zeigt jedoch viel zu großen Respekt und versucht sich ebenfalls zunächst in Ballkontrolle, so dass es in der ersten halben Stunde zu keinen Torchancen kommt. Das Spiel plätschert so vor sich hin, Bernd Hölzenbein witzelt bereits über den extrem pomadig spielenden Effenberg: “Der spielt so, als wäre er heute Morgen um 5 Uhr in eine Polizeikontrolle geraten“. Das scheint der Gescholtene gehört zu haben und lässt sich zu einem rüden Foul an Schur im Halbfeld hinreißen, für das er die gelbe Karte kassiert. Aus dem rechten Halbfeld schlenzt Brinkmann das Leder in den Strafraum, wo Weber es mit dem Kopf verlängert. Genau richtig für Sobotzik, der die Kugel aus fünf Metern an Torhüter Kahn vorbei ins Tor spitzelt. Zur 1:0-Führung für die Eintracht (32.)!
Auch wenn die Bayern sofort versuchen, den Druck zu erhöhen, spielt erst einmal die Eintracht. Immer wieder geht es über Spielmacher Schneider sowie die glänzend aufspielenden Sobotzik und Weber nach vorne, der sich bereits wundert: "Sie haben uns relativ viel Spielraum gelassen.“ Torchancen erspielen sie sich zwar keine hochkarätigen, aber immerhin halten sie die Bayern damit erfolgreich vom eigenen Strafraum fern. Und wenn der Tabellenführer einmal kommt, dann haben die Manndecker Jancker und Salihamidzic im Griff, während Basler bei Pedersen gar völlig abgemeldet ist. So geht es mit der knappen Führung in die Pause und im Waldstadion dominieren die Skeptiker. Schließlich haben die Bayern in Duisburg zur Pause 0:2 zurückgelegen, um 4:2 zu gewinnen und die Eintracht führte im letzten Heimspiel auch mit 2:0 gegen Leverkusen. Doch in der Kabine macht Kapitän Weber sich und seinen Kollegen zur Pause Mut, noch bevor Ehrmantraut das Wort erhebt: "Das lassen wir uns nicht mehr nehmen." Während sich Präsident Beckenbauer in der Pause “endlich ein spielerisches Feuerwerk“ bei inzwischen wieder strömendem Regen wünscht, reagiert Ottmar Hitzfeld, nachdem bereits Linke für Babbel in die Partie kam. Er bringt mit Daei für Manndecker Kuffour einen weiteren Stürmer, so dass Jeremies ins defensive Mittelfeld rutscht und Matthäus in die Abwehr zurückgeht. Tatsächlich erhöhen sie den Druck und schnüren die Eintracht in der eigenen Hälfte ein. Aber mit viel Kampf und Einsatz können sie sich bislang erfolgreich erwehren oder haben das Quäntchen Glück. Wie in der 54. Minute, als Salihamidzic sich im Gestocher vor dem Fünfmeterraum durchsetzt, den Ball aber nicht an Nikolov vorbei schießen kann. Die Bayern drücken, die Frankfurter rackern. Gerade Jancker liefert sich bissige Zweikämpfe mit Kutschera, dem der Stürmer bereits kurz vor der Pause eine mitgegeben hatte. Nun reicht es ihm erneut und er fährt dem 30-Jährigen so heftig in die Beine, das Schiedsrichter Weber Jancker gelbrot zeigt und unter dem Jubel der Zuschauer zum Duschen schickt (61.). Jetzt wird es für die Bayern noch schwerer, sich Überzahlsituationen im Mittelfeld zu erspielen, zumal Matthäus gar nicht daran denkt, seine Libero-Position aufzugeben. Lediglich Daei kann einmal frei gespielt werden, scheitert aber mit seinem Schuss an Nikolov (65.). Nachdem bei der Eintracht Zampach für Brinkmann kam, reagiert der Bayern-Trainer erneut und bringt mit Zickler für Salihamidzic einen neuen Stürmer. Doch auch dies bringt nicht viel, denn immer wieder kann sich die Eintracht aus der Umklammerung befreien und ihrerseits kontern. Auch ein Verdienst des Kapitäns, der vom Kicker-Sportmagazin in die “Elf des Tages“ gewählt wird: “Er war das kämpferische Vorbild, sowohl gegen Strunz als auch später gegen Effenberg klarer Zweikampfsieger und trug immer wieder das Spiel nach vorne.“ Allerdings endet die Frankfurter Herrlichkeit mal wieder am gegnerischen Strafraum, woran auch die Einwechslungen von Pisont für Pedersen und Westerthaler für Yang nichts ändern (79.). So bleibt es spannend, die Uhr tickt, Präsident Heller hält es schon lange nicht mehr auf der Ehrentribüne, Oliver Kahn rennt als Aushilfsstürmer vor den Frankfurter Strafraum herum und Horst Ehrmantraut hüpft wie ein Rumpelstilzchen vor seinem Plastikstuhl herum, während der Rest der knapp 60.000 Zuschauer den Schlusspfiff herbei sehnt.
Dann ist es endlich soweit, Torhüter Nikolov lässt sich auf den Boden fallen, der Präsident stürmt auf den Rasen, während die Mannschaft nach einigen ausgelassenen Tänzchen endlich wieder zu einer Ehrenrunde antritt und das Publikum lautstark “Ehrmantraut, Ehrmantraut“ schreit. Von Dr. Lämmerhirdt und auch von Gernot Rohr ist wenig zu sehen, zu beschäftigt scheinen sie damit zu sein, die Präsidiumssitzung auf einen späteren Termin zu verlegen. Denn nach dem Sieg gegen den Tabellenführer und dem Verlassen der Abstiegsränge ist nicht gut Trainer entlassen…(tr)
Stimmen zum Spiel Horst Ehrmantraut: "Der Sieg ist gigantisch schön, aber nicht weil der Gegner Bayern München heißt, sondern wegen der drei Punkte. Spielerisch waren wir nicht gut, taktisch dafür sehr gut und kämpferisch am Limit. Heute hat jeder gesehen, dass hier eine enge Verbindung zwischen Mannschaft und Trainer besteht. Wir sind nicht die Eintracht von vor 10 Jahren. Hier beginnt erst etwas und das möchte ich zu einem guten Ende führen.“ Ottmar Hitzfeld: “Wir haben nicht zu der Leistung gefunden, zu der wir normalerweise fähig sind und das lag hauptsächlich an der Eintracht. Sie zeigten den größeren Willen." Bernd Hölzenbein: “Ein Freund von Horst Ehrmantraut bin ich gewiss nicht. Aber Fakt ist, dass kein anderer als der Horst Zugang zu dieser Mannschaft findet und der Klassenerhalt nur mit ihm gepackt werden kann.“ Thomas Sobotzik: "Wir haben versucht, sie so gut wie möglich zu beschäftigen, das ist uns ganz gut gelungen." Alexander Schur: “Es gab viele Umstellungen nach der Niederlage in Wolfsburg. Die Maßnahmen waren richtig und gut, die Order von der Seitenlinie waren sehr klar. Aber es ist ein normaler Sieg gegen eine heute sehr schwache Bayern-Mannschaft, den wir nicht überbewerten sollten. Das nächste Spiel in Rostock wird viel schwerer.“
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