Eintracht Frankfurt - Bayer Leverkusen

Bundesliga 1998/1999 - 8. Spieltag

2:3 (2:0)

Termin: Sa 17.10.1998 15:30
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter: Wolfgang Stark (Landshut)
Tore: 1:0 Chen Yang (23.), 2:0 Alexander Schur (28.), 2:1 Ulf Kirsten (54.), 2:2 Niko Kovac (75.), 2:3 Thomas Reichenberger (85.)

 

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Bayer Leverkusen

 

     

  • Adam Matysek
  • Markus Happe
  • Jörg Reeb
  • Jens Nowotny
  • Robert Kovac
  • Zé Roberto
  • Carsten Ramelow
  • Ulf Kirsten
  • Emerson
  • Paulo Rink
  • Stefan Beinlich

 

Wechsel

Wechsel

  • Niko Kovac für Robert Kovac (73.)
  • Thomas Reichenberger für Paulo Rink (79.)
  • Zoran Mamic für Emerson (83.)

Trainer

Trainer

 

 

Erst hui, dann pfui - Die zwei Gesichter der Eintracht…

"Auch Leverkusen ist wieder ein dicker Brocken. Wir haben 1,5 Millionen in die Mannschaft investiert, Bayer hat für Zé Roberto alleine zwölf Millionen hingelegt. Normalerweise dürften wir gegen die überhaupt nicht antreten", erklärt Horst Ehrmantraut vor dem Heimspiel gegen den aktuellen Tabellendritten, der auswärts zuletzt im April gegen die Bayern verloren hatte. Doch Bange machen gilt nicht, ergänzt der Trainer: "Wir haben nur eine Chance, wenn wir locker und befreit aufspielen. Wir werden uns keineswegs verstecken, denn die Jungs wollen nach vorne spielen." Verzichten muss er heute auf Zampach, der sich beim Training einen Anriss einen Außenbandes zugezogen hat, so dass Brinkmann diese Position übernimmt und sich um Zé Roberto kümmern soll. Auf der linken Seite spielt Gebhardt, der für Kaymak in die Mannschaft kommt, so dass Weber neben Schneider in die Mitte hinter die beiden Sturmspitzen Epp und Yang rutscht.

Nach Rang drei im Vorjahr wollen es Manager Rainer Calmund und Trainer Christoph Daum in dieser Saison wissen und haben wie schon in der Vorsaison ordentlich Geld hingelegt für den offensiven Mittelfeldspieler Zé Roberto sowie den Gütersloher Torwart Matysek, der Rüdiger Vollborn abgelöst hat. Der Saisonstart war eher rumpelnd bei der Werkself, aber allmählich läuft es rund. Siegen gegen Dortmund und Schalke folgte zuletzt ein Unentschieden gegen Kaiserslautern. Doch der Rückstand auf die beiden Münchener Vereine ist zu groß für den Geschmack des Trainers, der in Frankfurt Angriffsfußball sehen will und fordert: “Ein Punkt ist zu wenig.“ Hierfür stellt er sein Team auf drei Positionen um, Neuzugang Reeb von Arminia Bielefeld agiert anstelle von Zivkovic auf der rechten Außenbahn, Emerson spielt für Heintze im Mittelfeld und der gegen Kaiserslautern noch verletzte Kirsten stürmt wieder zusammen mit Rink.

Der Vorverkauf läuft schleppend, doch immerhin kommen 30.000 Zuschauer, die zunächst die schwarz-rote Choreographie auf der oberen Gegentribüne bestaunen, um sich kurz darauf die Augen zu reiben. Denn die Eintracht spielt von Beginn an offensiv und frech, während Leverkusen dem Treiben auf dem Platz zunächst fast hilflos zuschaut. Vor allem Bernd Schneider sprüht nur so vor Spielfreude und lässt Ramelow regelmäßig wie einen Schulbub stehen. Bei Ballbesitz für die Werkself gibt es ebenfalls kein Durchkommen, Zé Roberto ist beim “weißen Brasilianer“ abgemeldet und die Stürmer hängen ratlos in der Luft. “Frühes Pressing“ hatte Horst Ehrmantraut angekündigt und genau dies passt den Gästen gar nicht. So beißt sich Yang im Halbfeld an Kovac fest, der den Chinesen nicht abschütteln kann und stattdessen einen riskanten Rückpass auf seinen Torhüter wählt. Epp spritzt dazwischen und will auf dem Weg zur scheinbar sicheren Führung Matysek ausspielen, doch er rutscht aus und verliert den Ball (15.).

Weiter bestimmt die Hausherren das Geschehen, während Leverkusen den Ball nur bieder kreisen lässt und es viel zu selten über die Außenpositionen versucht. Die Mitte aber hält dicht und so kann die Eintracht nach einem Ballverlust der Gäste wieder kontern. Über Bernd Schneider, der Ramelow einfach stehen lässt und nach vorne sprintet, um den Ball genau in den Lauf von Yang zu legen, der ebenfalls schneller ist als Kovac. Aus zwölf Metern bleibt der 24-Jährige eiskalt und schlenzt das Leder mit dem rechten Außenrist an Torhüter Matysek vorbei zur 1:0-Führung ins Netz (24.). Christoph Daum tobt am Seitenrand, doch seine Mannschaft lässt sich nicht aus ihrer Lethargie wecken, während die Frankfurter weiter Dampf machen. Wieder geht es über die rechte Seite mit Brinkmann, der von Zé Roberto unsanft gestoppt wird. Der Gefoulte führt selbst aus und schlenzt die Kugel wunderschön vor den Fünfmeterraum, wo Schur höher springt als Nowotny und sie artistisch unter die Latte köpft. Zum hochverdienten 2:0 in der 28. Spielminute.


Thomas Epp

Das Waldstadion steht Kopf, die Eintracht bietet weiter Fußball vom Feinsten, der selbst die Lederhüte auf den VIP-Plätzen zum klammheimlichen Zunge schnalzen bringt. Wieder rollt ein schneller Angriff über Schneider nach vorne. Er könnte es selbst machen, entscheidet sich aber in Bedrängnis für einen Rückpass zu Weber, dessen Schuss geblockt werden kann (38.). Auch Yang schießt kurz darauf zu unplatziert, während sich Matysek kurz vor der Pause noch einmal auszeichnen kann. Nach einem Solo in die Mitte legt Brinkmann den Ball quer auf Gebhardt, der freie Schussbahn hat. Doch mit einer Blitzreaktion kann der Torhüter die Kugel um den Pfosten lenken (44.). "Wir hätten in der ersten Halbzeit auch 0:4 zurückliegen können", schimpft Christoph Daum, während die Spieler beim Gang in die Kabine für ihren, so Horst Ehrmantraut “Fußball vom Feinsten“ mit Standing Ovation begleitet werden.

"Wir wollen genauso weiterspielen, wollen den Gegner mit Pressing unter Druck setzen“, gibt der Trainer seinen Jungs mit auf den Weg und verzichtet darauf, Houbtchev hinter die Abwehr zu ziehen: "Es ist nicht das Naturell dieser Mannschaft, nur defensiv zu agieren. Das wäre das Schlimmste, was wir hätten machen können." Doch irgendwie haben sie Angst vor der eigenen Courage, als sie wieder auf den Platz schlurfen. "Ich hatte in der Pause ein mulmiges Gefühl", gibt etwa Bernd Schneider zu, während Christoph Daum seine Mannschaft heiß macht und fordert, dass mehr über die rechte Seite kommen soll, die er als Schwachpunkt bei den Frankfurtern ausgemacht hat.

Noch bestimmt die Eintracht das Geschehen, sie kombinieren schön im Mittelfeld, aber der Zug zum Tor fehlt, während bei Leverkusen Novotny, Happe und Robert Kovac wesentlich früher dazwischen gehen, als noch im ersten Abschnitt. Und die Idee mit der rechten Außenbahn scheint zu fruchten, denn Reeb setzt sich immer häufiger gegen Gebhardt durch. In der 54. Spielminute leider mit Erfolg, als der ehemalige Bielefelder den 26-Jährigen mit einem schnellen Hacken versetzt und das Leder kurz vor der rechten Eckfahne hoch vor den Fünfmeterraum flankt. Bindewald ist nicht nah genug bei Kirsten, der sich nicht zweimal bitten lässt und das Leder zum 1:2 ins rechte Toreck köpft (54.).

“Was nutzt unser schönes Spiel, wenn wir für unsere Fehler so knallhart bestraft werden“, ärgert sich Brinkmann, während Horst Ehrmantraut das nahende Unheil so beschreibt: “Das schnelle Gegentor war der Genickbruch, die Ordnung hat nicht mehr gestimmt, wir standen zu weit weg vom Gegner und kamen nicht mehr in die Zweikämpfe.“ Tatsächlich übernimmt jetzt Leverkusen das Kommando, während bei der Eintracht kaum noch ein Pass ankommt. Es ist keiner da, der Ruhe reinbringt, immer hektischer wird die Kugel weggeschlagen, während die Flankenläufe von Reeb für helle Aufregung im Frankfurter Strafraum sorgen. Doch der Trainer wechselt nicht. Bringt nicht Kaymak, um Gebhardt zu entlasten oder neue Ordnung im immer unsicherer wirkenden Abwehrverbund zu sorgen. Stattdessen kommt Flick für Schur, um neuen Schwung rein zu bringen, doch erneut brennt es kurz darauf auf der rechten Seite. Wieder düpiert Reeb Gephardt, der immerhin nachsetzt und in die drohende Flanke grätscht. Doch er trifft die Kugel so unglücklich, dass sie beim gerade erst für seinen Bruder eingewechselten Nico Kovac landet, der sie mit rechts zum 2:2 im Tor von Nikolov versenkt (75.).

"Ich kann den Jungen doch nicht nach dem ersten Stellungsfehler gleich hinausnehmen. Klar, dass Ihr Journalisten das jetzt sagt. Aber das ist zu billig", schimpft Horst Ehrmantraut nach dem Spiel über die Kritik an seiner späten Auswechslung des völlig überforderten Gephardt, für den Pisont ins Spiel kommt. Der allerdings bekommt nach der Partie ordentlich sein Fett weg vom Trainer… Unterdessen rückt Oka Nikolov immer mehr in den Blickpunkt und seine Kameraden können sich bei ihm bedanken, denn nur er hält die Eintracht gegen die unverzagt nach vorne stürmende Werkself im Spiel. "Da wechselst du tausendmal ein oder aus, und es passiert nichts. Und dann so etwas", wird Christoph Daum gleich sagen, nachdem er den Ex-Wehener Thomas Reichenberger für Rink bringt. Denn nur fünf Minuten später ist der 24-Jährige, der im Januar 2000 zur Eintracht kommen wird, zur Stelle, nachdem Flick den Ball im Halbfeld verliert und Mamic ihn in den Strafraum flankt. Mit links haut er die Kugel zur 3:2-Führung für Leverkusen in die Maschen (85.).

Entsetzen macht sich breit im Waldstadion, Wut, Enttäuschung, Trauer. Alle machen sich ihren Emotionen Luft, als Schiedsrichter Stark das inzwischen schlimme Treiben auf dem Platz beendet. Als schwacher Trost bleibt nur, dass die Mannschaften im Tabellenkeller bis auf Wolfsburg ebenfalls nicht punkten konnten, so dass die Eintracht mit 6 Punkten auf Rang 15 bleibt.


Verbale Zündeleien mit den VIPs

Sie sind berühmt-berüchtigt, der Block 8 und die Gänge vor den VIP-Räumen. "Dort ist die Atmosphäre tödlich, jeder zieht über jeden her, gibt unqualifizierte Kommentare ab und ist negativ eingestellt.", erzählt Marion Ehrmantraut, die Gattin des Trainers. So ist es auch diesmal nach dem Schlusspfiff, wo Mitglieder des Präsidiums und des Verwaltungsrates mit aufgeregten Fans und Sponsoren lebhaft diskutieren. Einmal mehr ist es Vizepräsident Dr. Lämmerhirdt, der eifrig zündelt und Spekulationen nährt, in dem er den Namen Felix Magath ins Spiel bringt und sich auch eine Übergangslösung mit dem technischen Direktor vorstellen könne.

“Die Leute waren sehr aufgebracht, haben gemeint, jetzt müsse ein neuer Trainer her. So einer wie Magath“, verteidigt sich der Vizepräsident, “da habe ich Ihnen gesagt, um sie zu beruhigen, dass wir uns diese Woche hinsetzen und die Situation analysieren. Denn immer nur unglücklich verloren ist auch verloren.“ Während der technische Direktor Rohr sehr laut schweigt, schiebt Dr. Lämmerhirdt am nächsten Tag kleinlaut, dafür aber wohlfeil formuliert nach: “Ein Abrücken des Präsidiums vom Trainer ist im Moment nicht festzustellen."

Es ist wohl die Ruhe vor dem Sturm, ahnt auch Horst Ehrmantraut: "Wenn gewisse Herren im Präsidium etwas zu kritisieren haben, sollen sie auf mich zukommen. Ich weiß was ich geleistet habe und was ich leisten kann. Bei der Eintracht entsteht etwas, wir müssen die Lage ruhig, nüchtern und sachlich erörtern. Wir wollen doch nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen, als Trainer, sportliche Leitung und Präsidium gegeneinander gearbeitet haben. Das wäre der Exodus für Eintracht Frankfurt.“ An dem wohl bereits fleißig gearbeitet wird, wie die Frankfurter Neue Presse erst am 11. Dezember berichtet: “…Bereits in der Woche vor der Niederlage beim VfL Wolfsburg hatte Rohr, damals gerade rund drei Wochen in Frankfurt, auf dem Gut Neuhof zwei Journalisten der Zeitschrift "Sport-Bild" am Ende eines Interviews gesagt: "Meine Herren, machen Sie bitte jetzt ihr Diktiergerät aus. Ich sage ihnen, Horst Ehrmantraut hat hier keine Zukunft." (tr)


Stimmen zum Spiel

Horst Ehrmantraut: "So grausam kann Fußball sein. Wir waren lange Zeit die bessere Mannschaft, haben aber faktisch wieder null Punkte. "Dass es so schlimm kommen musste, ist kaum zu fassen, auch für mich nicht. Das Ergebnis ist extrem traurig."

Christoph Daum, Trainer Leverkusen: “Die erste Halbzeit hat Frankfurt gewonnen, die zweite wir.“

Manager Gernot Rohr: "Jetzt habe ich die zwei Gesichter der Eintracht gesehen. Aber ich ziehe das Positive aus dem Spiel, für mich ist das Glas weiterhin halbvoll."

Horst Ehrmantraut redet sich in Rage, Pisont bekommt es ab: "Dass ich den Ungarn gebracht habe, da ärgere ich mich am meisten drüber. Keine einzige Szene hat der Junge gehabt, spielt zwei Länderspiele, spielt stark, und hier, wo er sein Geld verdient, und das nicht zu schlecht, bringt er keinen einzigen Pass an, verdammt noch mal. Da krieg ich die Vollkrise. Da reißen sich die anderen den Arsch auf, und der kommt rein und kriegt noch nicht einmal einen Pass über fünf Meter zum Mitspieler. Abartig."

Zwei Tage später relativiert der Trainer seine Aussagen: “Pisont wird auch in Wolfsburg zum Kader zählen. Das Problem ist doch, dass er seine Möglichkeiten bei Weitem nicht ausschöpft. Er kann die Kritik ab, ich wollte ihn wachrütteln.“

Gernot Rohr zu dem Ausbruch: "Das kommentiere ich lieber nicht öffentlich. Ob ich nach so einem Spiel ähnlich reagiert hätte, beantworte ich auch nicht, aber in der Hitze des Gefechts rutscht einem schon mal was raus."

 

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