Eintracht Frankfurt - 1. FC Nürnberg

Bundesliga 1998/1999 - 6. Spieltag

3:2 (1:1)

Termin: So 27.09.1998 18:00
Zuschauer: 24.000
Schiedsrichter: Fröhlich (Berlin)
Tore: 1:0 Ralf Weber (20.), 1:1 Andrej Polunin (30.), 2:1 Christoph Westerthaler (77.), 2:2 Sasa Ciric (86.), 3:2 Ralf Weber (87.)

 

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt 1. FC Nürnberg

 

 

Wechsel

Wechsel

  • Niklas Skoog für Thomas Richter (79.)
  • Markus Kurth für Jochen Weigl (79.)
  • Armin Störzenhofecker für Andrej Polunin (79.)

Trainer

Trainer

 

Der erste Saisonsieg, Gernot Rohr ante Portas

Es stürmt am Riederwald…

…nachdem Horst Ehrmantraut die unverhohlene Kritik an der taktischen Ausrichtung von Vizepräsident Dr. Lämmerhirdt schroff abbügelt und der Präsident versucht, die Brandherde zu löschen. Man habe dies bereits intern beredet und geklärt, berichtet Rolf Heller, woraufhin Horst Ehrmantraut nur kurz: “Mit mir nicht“ entgegnet und dem Vizepräsidenten Ahnungslosigkeit unterstellt. Als sei dies nicht stürmisch genug, meldet sich auch die “Sport-Bild“ ungefragt zu Wort, in dem sie Bernd Hölzenbein zitiert, der meint, die Eintracht sei ein potentieller Absteiger und das Präsidium handele chaotisch. “Das stimmt so nicht“, ärgert sich der frühere Manager der Eintracht: "Ich war richtig erschrocken, als ich diesen Artikel las, ich habe seit Monaten nicht mehr mit Sport-Bild geredet.“ Richtig sei allerdings, dass er diese Einschätzung "irgendwann mal nach einem Fußballspiel mit Journalisten" getroffen habe und ergänzt, nachdem das Kicker-Sportmagazin berichtet, das einige ihn wieder gerne als Manager bei der Eintracht sehen würden: "Ich dränge mich nicht wieder nach einem Amt, wie mir von einigen unterstellt wird, aber wenn mich jemand aus dem Verein ansprechen würde, in irgendeiner Funktion behilflich zu sein, würde ich mich nicht querstellen. Aber man will ja keinen Solz, Nickel, Kraus, Grabowski oder Hölzenbein."

Eigentlich will man auch keinen Manager, hatte Rolf Heller noch Ende August verkündet, doch es sickert durch, das sich der Präsident und Schatzmeister Patella ausgerechnet in der Stadt auf der anderen Mainseite in einem italienischen Restaurant mit Gernot Rohr getroffen haben, der zuletzt bei Girondins Bordeaux als Trainer und Jugendkoordinator tätig war. Am Abend wird er mit Rolf Heller das Spiel besuchen, berichtet der “Kicker“ und spekuliert: “Wird er als Sportlicher Leiter der Eintracht gehandelt? Oder vielleicht sogar als Coach? Die Brandherde werden so sicher nicht kleiner…“

Zwei Punkte aus fünf Spielen sind zu wenig, erklärt unterdessen Horst Ehrmantraut, der sich der Kritik an seiner Person stellt und kämpferisch nachlegt: "Das stört den Trainer, die Spieler und das Präsidium. Die Partie gegen Nürnberg ist entsprechend wichtig, wir wollen den nötigen Druck entwickeln, um zu gewinnen. Aber selbst bei einem Ausrutscher hätten wir noch genügend Möglichkeiten, um die Zähler für den Klassenerhalt zu sichern." Ernsthafte Konsequenzen droht er bei einer Niederlage nur seinem weißen Gartenstuhl an: "Das Ding hat seine letzte Chance am Sonntag. Geht es schief, feuere ich ihn mit dem Schlusspfiff weg." Viele Gedanken hat er sich auch über die Startaufstellung gemacht und sogar mit seinen Leistungsträgern gesprochen. Das Ergebnis ist, dass Bindewald und Kutschera als Manndecker agieren, Houbtchev vor der Abwehr spielt und Weber sich neben Schur im defensiven Mittelfeld mit Wiesinger auseinandersetzen soll. Brinkmann und Gebhardt bilden das Flügelpärchen hinter dem Sturmduo mit Yang und Epp. Ohne den gesperrten Sobotzik übernimmt Schneider die Position hinter den Spitzen, während Pisont ebenso wie Westerthaler auf der Bank Platz nimmt.

Dank eines Sieges in Bremen und zuletzt drei Unentschieden reisen die Franken hingegen relativ entspannt an den Main. Was war das noch für ein Gezeter in der Sommerpause, als Präsident Roth und Aufstiegs-Trainer Magath wegen der Ausrichtung des Clubs und den geplanten Spielereinkäufen so heftig aneinander gerieten, dass “der Magier“ entnervt das Handtuch warf. Nur sechs Tage nach dem umstrittenen Rücktritt unterschrieb am 23. Juli ein neuer Mann, der vom Präsidenten in höchsten Tönen gelobt wird: "Wir brauchten in dieser Situation einen Mann mit Bundesliga-Erfahrung. Willi Reimann hat bei uns einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. Er ist ein harter Trainer, aber auch ein väterlicher Typ gegenüber den Spielern." Dies scheint zu fruchten, denn mit dem 3 Millionen-Einkauf Kuka von Kaiserslautern sowie Sasa Ciric haben sie im Gegensatz zur Eintracht einen treffsicheren Sturm, der im Mittelfeld von Polunin und Wiesinger unterstützt wird. Nur im Tor muss der Trainer umdisponieren, da sich Hilfiker bei der Pokalniederlage in Wolfsburg einen Muskelfaserriss zugezogen hat, so dass der 21-jährige Darius Kampa den Kasten hütet.

Nur 24.000 Zuschauer finden sich an diesem Sonntagabend im Waldstadion ein, obwohl das Spiel einen weit besseren Besuch verdient hätte. Aber die, die immer da sind, begrüßen die Frankfurter mit einer schwarz-weiß verhüllten Gegentribüne und werden dafür belohnt. Denn die Eintracht gibt von Beginn an ordentlich Gas und drückt die Franken mit frühem Pressing, Zweikampfstärke und schnellem Spiel in die eigenen Hälfte. Das sieht gut aus, wie Epp und Yang ständig rotieren und auch auf den Flügeln Betrieb herrscht. So spielen Brinkmann und Houbtchev in der 20. Minute Bürger einen Knoten in die Beine, so dass der Libero von rechts platziert in den Strafraum flanken kann. Perfekt für Weber am langen Pfosten, der die Kugel unhaltbar für Kampa zum 1:0 ins linke Toreck köpft.

Und sie legen nach, überrennen den Club förmlich. Aber die alte Schwäche bleibt, sie treffen einfach den Kasten nicht. So semmelt Epp seinen Volleyschuss daneben, Bernd Schneider setzt einen Schuss gegen die Latte und Yang schießt freistehend über das Tor. “Wir haben den Frankfurtern völlig das Feld überlassen“, ärgert sich Willi Reimann am Seitenrand, aber auch Horst Ehrmantraut ist genervt über die erste halbe Stunde des Spiels: "Wir hatten sechs hundertprozentige Chancen."
Die mangelnde Chancenverwertung rächt sich ausgerechnet in der Drangphase, als Gebhardt auf der linken Außenbahn in der eigenen Hälfte das Leder an Kuka verliert. Der spielt den Ball in den Strafraum, wo Polunin keine Mühe hat, den Ausgleich zu erzielen (30.).

Plötzlich “ist der Faden bei uns gerissen", stellt Horst Ehrmantraut fest, während sich die Stockfehler häufen, die Abwehr heftig zu flattern beginnt und die Franken immer besser ins Spiel finden. Gut nur, dass Kuka und Polunin mit ihren Torchancen ebenso verschwenderisch umgehen wie zuvor die Frankfurter. Kurz vor der Pause muss dann auch noch Yang vom Platz, der nach einem Kopfballduell eine klaffende Wunde davon trägt, die genäht werden muss. "Die Risswunde an der linken Augenbraue ist verdammt tief", stöhnt der Trainer und bringt Stojak für den 24-Jährigen (45.).

In der zweiten Hälfte verflacht die Partie, die Gastgeber haben sich ein wenig gefangen, während beim Club der Schwung der letzten Minuten in der Kabine geblieben ist. Immerhin kann Stojak mit einem Schuss von der Strafraumgrenze Torhüter Kampa prüfen, ansonsten bleiben Chancen auf beiden Seiten Mangelware, zumal jetzt auch Epp mit einer Adduktorenverletzung vom Platz muss und Pisont kommt (54.). Das Tempo des ersten Abschnitts fordert seinen Tribut, stellt Kapitän Weber fest: "Nach einer Stunde hat mich das Jan-Ullrich-Syndrom erwischt. Ich hatte wohl in den Tagen vor dem Spiel zu wenig getrunken und plötzlich leichte Krampfansätze." Noch sieht es nicht danach aus, aber die Schlussphase hat es in sich…

Denn in der 78. Spielminute zeigen sie sich endlich wieder. Über Schur, der sich im Halbfeld durchwuselt und einen wunderschönen Pass in den Lauf von Westerthaler legt, der für Gebhardt ins Spiel kam. Der Österreicher fackelt nicht lange und haut den Ball zur 2:1-Führung in die Maschen. Das Waldstadion steht Kopf, kaum vier Minuten später setzt Schneider zu einem Dribbling an, erst zwei, dann drei und schließlich vier Nürnberger lässt er einfach stehen auf seinem Weg in den Strafraum, aber aus 10 Metern Entfernung setzt er das Leder über den Kasten (82.). Das hätte es doch sein müssen, doch stattdessen schlägt Nürnberg zurück. Ciric ist es, der in der zweiten Halbzeit ein ständiger Unruheherd ist. Ansatzlos zieht er aus 20 Metern einfach ab und zimmert den Ball zum 2:2 in die Maschen (85.).

Reicht es schon wieder nicht für den so dringend benötigten Dreier? Sie kämpfen und drücken den Club tief in die eigenen Hälfte. Brinkmann zündet auf rechts den Turbo und stoppt auf Höhe der Strafraumlinie. “Hey, Bernd, geh mal eben drei Schritte zur Seite, das Ding hau ich jetzt rein", ruft er nach eigener Angabe, um den Ball genau dorthin zu flanken, "wo ich ihn auch hin haben wollte, auf Webis Kopf nämlich." Der Kapitän steigt hoch, "um den Ball aufzulegen". Doch niemand ist da, während sich das Leder wohl zur Überraschung aller ins Netz senkt. Zur 3:2-Führung in der 87. Spielminute. Endlos langsam verrinnen jetzt die Minuten, doch dann ist er da, der Schlusspfiff. Horst Ehrmantraut reißt die Arme hoch und verschwindet schnell in den Katakomben, während sich die Mannschaft ausgiebig feiern lässt. Mit jetzt fünf Punkten gibt die Eintracht die rote Laterne an Wolfsburg ab, um auf Rang 15 zu klettern.


Stimmen zum Spiel

Horst Ehrmantraut: "Mehr Risiko konnten wir nicht spielen. Bei einer solch wichtigen Partie ohne Libero, diese Entscheidung war nicht einfach. Ein Kompliment an meine Jungs, dass sie bis zur letzten Minute gekämpft haben. In Gladbach und Berlin sowie gegen den VfB haben wir besser gespielt. Doch das ist die ausgleichende Gerechtigkeit. Trotzdem war der Sieg verdient. Ein Fernsehsender hat ein Chancenverhältnis von 21:9 für uns errechnet."

Christoph Westerthaler: "Wir hatten in der zweiten Liga ein System, das tadellos funktioniert hat. Es ist gut, dass wir wieder mit zwei Stürmern und einem Spielmacher agieren und nicht mit drei Spielmachern."

Gaetano Patella: “Endlich ist Fortuna zu uns zurückgekommen ist. Jetzt sieht die Welt schon besser aus, wo wir den verdammten letzten Platz verlassen haben.

Gernot Rohr, noch Zaungast: "Da steckt Potential drin. Geist und Moral waren hervorragend. Die Gruppe steht, neue Spieler könnten aber weitere kleine Pluspunkte sein."

“Auf der soeben beendeten Sitzung des Verwaltungsrates wurde zwischen den Mitgliedern des Gremiums und des Präsidiums von Eintracht Frankfurt Übereinstimmung darüber erzielt, dass Gernot Rohr mit sofortiger Wirkung die neugeschaffene Position des Technischen Direktors bei Eintracht Frankfurt übernimmt. Darüber hinaus wurde Rohr auf Vorschlag des Präsidiums vom Verwaltungsrat als Mitglied des Präsidiums bestellt. Er übernimmt damit die vakante fünfte Präsidiumsposition. Der 44-jährige Rohr, der nach 21 Jahren Aufenthalt in Frankreich, während der er für Girondins Bordeaux als Spieler, Trainer, Sportdirektor und zuletzt als Jugendkoordinator tätig gewesen ist, wird mit allen sportlichen Kompetenzen ausgestattet.“, vermeldet am späten Mittwochabend die Pressestelle der Eintracht, während die Agenturen fieberhaft die ersten Reaktionen sammeln.

"Wer die Sonne in Südfrankreich gegen den deutschen Regen eintauscht, dem muss die Sache viel bedeuten und der muss gute Perspektiven sehen. Ich betrachte meine neue Aufgabe bei Eintracht Frankfurt als große Herausforderung und bin sehr motiviert. Ich habe hier Menschen gefunden, die zu meiner Mentalität passen. Menschen, die arbeiten und sich nicht für die Größten halten", erklärt Gernot Rohr auf der eilig anberaumten Pressekonferenz.

Überall herrscht Begeisterung über den Glücksgriff der Eintracht, der auch beim DFB als Jugendkoordinator im Gespräch war. Beim Verband zeigt man sich als guter “Verlierer“, wie DFB-Sprecher Nowak betont: "Wichtig ist nur, dass wir im deutschen Fußball viele so kompetente Menschen wie Rohr haben. Davon profitieren alle." Dies meinen auch die regionalen Medien in ihren ersten Reaktionen, so wie Klaus Veit von der FNP am 2. Oktober: “Zunächst der eminent wichtige Sieg über Nürnberg, dann die Chance für Ralf Weber, bald wieder das Nationaltrikot überzustreifen. Und nun, als vorläufige Krönung, die Verpflichtung von Gernot Rohr als Technischer Direktor (...). Gernot Rohr ist nicht nur ein Glücksgriff für die Eintracht, sondern auch für Rolf Heller. Dem Präsidenten, 1996 selbst als Glücksfall zum Verein gekommen, drohte zuletzt die Gefahr, im Haifischbecken der obersten deutschen Spielklasse zerfleischt zu werden.“

Soviel sei gewiss, die Meinungen werden sich ändern … (tr)

 

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