Hertha BSC Berlin - Eintracht Frankfurt |
Bundesliga 1998/1999 - 5. Spieltag
3:1 (1:1)
Termin: Fr 18.09.1998 20:00
Zuschauer: 45.000
Schiedsrichter: Bernhard Zerr (Ottersweier)
Tore: 0:1 Chen Yang (14.), 1:1 Michael Preetz (27.), 2:1 Michael Preetz (55.), 3:1 Alphonse Tchami (81.)
Hertha BSC Berlin | Eintracht Frankfurt |
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Eine spektakuläre Halbzeit reicht nicht "In Berlin stehe ich ohne Abwehr da, das wird schwer", klagt Horst Ehrmantraut zwar unter der Woche, doch kurzfristig ist Entspannung in Sicht, denn Kutschera hat seine Prellung aus dem Stuttgart-Spiel soweit überstanden, dass er bei der Hertha im Gegensatz zum gelb-rot gesperrten Bindewald einsatzbereit ist. Daher fordert der Trainer von seiner Mannschaft “mehr Mut und mehr Wagnis in der Offensive. Die Anpassung an die erste Liga ist vollzogen, wir müssen jetzt in die Aktion kommen und kreativ spielen.“ Etwas plastischer fordert Alexander Schur den ersten Sieg: “Wir müssen voll draufgehen, dann werden wir gewinnen.“ Allerdings sehr zum Ärger von Epp und Westerthaler erneut nur mit Yang als Spitze und dem offensiven Mittelfeldtrio mit Schneider, Pisont und Sobotzik, während in der Abwehr Kaymak anstelle von “Zico“ als Manndecker agiert. Den dritten Sieg im heimischen Olympia-Stadion fordert auch Berlins Trainer Jürgen Röber, verspricht den Zuschauern aber sogleich, dass es keinen Hurra-Angriffsfußball wie noch in der letzten Saison geben wird: “Gegen eine verstärkte Abwehr heißt es kühlen Kopf zu bewahren. Dabei müssen wir geduldig spielen.“ Geduld ist keine Tugend, die die Film- und Sportrechteagentur UFA hat, die bereits über 25 Millionen Mark in den Verein gesteckt hat, um die Hertha ins internationale Geschäft zu hieven. Dafür wurden zu Beginn der Saison über 5 Millionen Mark in Neuzugänge wie Spielmacher Dariusz Wosz (VfL Bochum), René Tretschok (Köln) und Mittelstürmer Piotr Reiss (Lech Posen) gesteckt, um dieses Ziel zu erreichen, was der Investor durch die andauernden Machtspielchen zwischen Präsident Zermalat, Manager Dieter Hoeneß und dem mächtigen Aufsichtsratsvorsitzenden Robert Schwan allerdings gefährdet sieht. “Ein großes Problem wurde vornehm gelöst“, meint Schwan daraufhin, der im April nach einer Heimniederlage Trainer Röber im Zorn noch auf der Ehrentribüne entließ, aber vom Manager zurück gepfiffen wurde, vielsagend vor dem richtungsweisenden Spiel gegen die Eintracht, denn Präsident Zermalat trat tags zuvor zurück. Dem Trainer ist dies egal, er wählt eine offensive Variante gegen die Frankfurter mit Preetz und Tchami im Sturm sowie den offensiven Thom, Dardai und Wosz im zentralen Mittelfeld. Eine stürmische Aufstellung bei der Hertha, offensive Worte bei der Eintracht. Tatsächlich hält das Spiel, was es versprochen hat. Kaum drei Minuten sind gespielt, da setzt sich Thom auf der rechten Seite durch und flankt in die Mitte, wo Tchami das Kopfballduell gegen Kaymak gewinnt. Doch Oka Nikolov kann den Kopfball mit einer Blitzreaktion zur Ecke lenken. Aber auch die Eintracht versteckt sich trotz enger Deckung der Gastgeber nicht, blitzschnell überbrücken sie bei Ballbesitz das Mittelfeld und erspielen sich sogleich eine gute Möglichkeit durch Sobotzik, der Yang in Szene setzt. Der Chinese überlistet Torhüter Kiraly mit einem Heber, aber Sixten Veit kann die Kugel in letzter Sekunde noch von der Linie kratzen (6.). Weiter wogt das Spiel hin und her, auch weil die Abwehrreihen beider Teams zwar eng stehen, aber nicht konsequent genug stören. So können sich nur fünf Minuten später Preetz und Tchami in den Strafraum spielen, behindern sich aber frei vor Nikolov so effizient, dass der Torhüter die gute Möglichkeit vereiteln kann. Die 44.000 Zuschauer johlen noch über die Unfähigkeit ihrer Stürmer, da wird es plötzlich still in den Reihen der Hertha-Anhänger. Denn Schur schickt Yang auf die Reise, der Herzog versetzt und auf halbrechts in den Strafraum rennt. Rekdal zögert, nicht aber der 24-jährige Chinese, der den Ball aus der Drehung zum 1:0 für die Eintracht ins rechte kurze Toreck zimmert (14.). Drei Minuten später hätte Bernd Schneider gar das zweite Tor erzielen müssen, doch sein Hammer aus gut zwanzig Metern klatscht nur gegen die Latte. Es ist ein klasse Spiel der Eintracht, bei der Pisont geschickt die Fäden zieht, Weber sich immer wieder nach vorne einschaltet und kurz darauf Pech hat, dass sein Kopfball knapp neben den Kasten segelt. Aber die Hertha hält unverdrossen dagegen und will die unglückliche 3:4-Niederlage in Kaiserslautern vergessen machen. Immer wieder setzen sie früh nach und provozieren so Fehlpässe der Frankfurter, wie in der 27. Minute, als Kutschera einen Rückpass von Schur nur noch zur Ecke klären kann, um schlimmeres zu vermeiden. Thom tritt die Ecke von links vor den kurzen Pfosten, wo sich Preetz energisch durchsetzt und die Kugel per Kopfballaufsetzer dem am linken Pfosten stehenden Pisont durch die Hosenträger zum 1:1 köpft. Hertha drückt weiter und die Frankfurter Abwehr gerät kurzzeitig arg ins Wanken, aber mit ihren Kontern bleiben sie brandgefährlich. Diesmal über die linke Seite mit Weber, der die Kugel prima in die Mitte zu Brinkmann legt. Der strebt in den Strafraum und umkurvt Torhüter Kiraly, tritt dann aber mit seinem linken Fuß über den Ball, um nur auf dem Hosenboden zu landen (35.). So ein Ärger, auch Sobotzik semmelt das Leder nach einem tollen Solo nur knapp über die Latte (43.), während auf der anderen Seite Nikolov vollen Einsatz zeigen muss, um Herzogs Kopfball noch über das Tor zu lenken (45.). So geht eine tolle Halbzeit, bei der gut und gerne sieben Tore hätten fallen können, mit dem 1:1 zu Ende.
“Eine andere Mannschaft hätte unser heilloses Durcheinander in der Hintermannschaft sicherlich bestraft“, schimpft Jürgen Röber in der Halbzeitpause und stellt seine Abwehr um. Veit soll sich jetzt um Yang kümmern, während es Herzog mit Schneider zu tun bekommt und Rekdal hinter den Manndeckern agiert. Doch der Sturmdrang der Frankfurter lässt auch ohne Umstellung merklich nach, die Beine werden ein wenig schwer nach der spektakulären ersten Halbzeit. Immer häufiger rennen sie nun hinterher, während Mandreko und Thom die Flügel bearbeiten und eine Flanke nach der anderen in den Frankfurter Strafraum setzen. Mit schnellem Erfolg leider, als sich Thom im Rücken von Brinkmann nach einem langen Pass frei laufen kann und die Kugel vor dem ins Leere grätschenden Kaymak kurz vor der Torauslinie erreicht. Er täuscht einen Schuss ins kurze Eck an, spielt aber zurück auf Preetz, der keine Mühe hat, das Leder aus fünf Metern zum 2:1 im linken Toreck zu versenken (55.). Horst Ehrmantraut reagiert sofort und bringt Gebhardt für den heute schwachen Brinkmann, doch der Schock des Rückstands sitzt tief. Immer hektischer agieren die Frankfurter und lassen sich jetzt auch noch auf Spielereien ein. So reißt sich Sobotzik nach einem Foul von Wosz unter Einsatz seines Ellbogens vom ihm “hakelnden“ Preetz so heftig los, dass Schiedsrichter Zerr sofort die Rote Karte zückt und Sobotzik zum Duschen schickt (63.). “Als ich mich von Preetz lösen wollte, hielt er mich fest. Es tut mir leid, ich wollte ihn nicht treffen“, meint der reuige Sünder, der damit seinen ersten Platzverweis kassiert. Gnade kennt auch das DFB-Sportgericht nicht, dass Sobotzik wegen einer “Tätlichkeit nach vorangegangener sportwidriger Handlung des Gegners" mit einer Sperre bis einschließlich 25. Oktober – längstens für fünf Pflichtspiele – belegt.
Der Trainer reagiert auf die Unterzahl und bringt Epp für Pisont, um Libero Houbtchev nach vorne zu beordern. Sie wollen die Partie drehen, eröffnen den Herthanern damit aber riesige Lücken zum Kontern, die glücklicherweise weder Tretschok noch Tchami nutzen können. Doch nachdem Westerthaler für den erschöpften Yang rein kommt, sprintet Thom einmal mehr die rechte Außenbahn entlang, um kurz vor dem Strafraum auf den startenden Tchami zu spielen. Diesmal lässt sich der Kameruner die Gelegenheit nicht entgehen, ist im Duell mit Kaymak einen Tick schneller und grätscht die Kugel zum 3:1 ins linke Toreck (77.). Damit ist das Spiel gelaufen, die Frankfurter kommen gegen die sich nun weit zurückziehenden Berliner zu keiner weiteren Torchance mehr, um den Platz als Verlierer und neues Tabellenschlusslicht zu verlassen. Das Schlusswort hat Thomas Sobotzik: “Hätten wir zur Pause geführt, wäre es sicherlich anders ausgegangen. Aber mit unseren Chancen sind wir ja sträflich umgegangen.“ (tr)
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