Eintracht Frankfurt - 1860 München

Bundesliga 1998/1999 - 2. Spieltag

2:3 (1:1)

Termin: Sa 22.08.1998 15:30
Zuschauer: 37.500
Schiedsrichter: Hartmut Strampe (Handorf)
Tore: 1:0 Alexander Schur (10.), 1:1 Daniel Borimirov (35.), 2:1 Ralf Weber (54.), 2:2 Abderrahim Ouakili (61.), 2:3 Bernhard Winkler (76., Foulelfmeter)

 

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt 1860 München

 

     

  • Michael Hofmann
  • Marco Kurz
  • Gerald Vanenburg
  • Roman Tyce
  • Ned Zelic
  • Horst Heldt
  • Markus Schroth
  • Bernhard Winkler
  • Harald Cerny
  • Holger Greilich
  • Daniel Borimirov

 

Wechsel

Wechsel

  • Abderrahim Ouakili für Harald Cerny (56.)
  • Miroslav Stevic für Gerald Vanenburg (58.)
  • Michél Maginzu-Dinzey für Holger Greilich (64.)

Trainer

Trainer

 

 

Schnell an die Grenzen gestoßen

Der Ruf nach einem Manager wird laut…

Kaum ist der Präsident – wie immer zu einem ungünstigen Zeitpunkt – in Paris zu einem Kurzurlaub, da rumort es schon am Riederwald. Dietrich Weise tritt aus Ärger darüber, dass seine Kritik an der neu gegründeten Marketing-GmbH und der Nachwuchsarbeit weder im Präsidium noch im Verwaltungsrat Gehör findet, zurück. Die Gremien wiederum sind nicht amüsiert über die Zusammensetzung des Kaders und – hinter vorgehaltener Hand – dem dafür verantwortlichen Trainer. "Das Thema Manager wird der erste Tagesordnungspunkt bei unserer nächsten Sitzung mit dem Präsidium sein", verkündet Bernd Ehinger, der neue Vorsitzende des Verwaltungsrates und deutet damit öffentlich indirekt an, dass die Position des sportlichen Leiters bei Rolf Heller nicht in den richtigen Händen liegt. Zumal gerade jetzt noch nach Neuzugängen Ausschau gehalten werden sollte.

Doch auch über die Höhe der Investitionen gibt es nur unklare Aussagen. Präsident Heller hatte erklärt, für Verstärkungen stünden bis zu sechs Millionen Mark zur Verfügung, Schatzmeister Patella hält hingegen höchstens 3,5 Millionen für machbar. “Rüssmann in Mönchengladbach und Assauer in Schalke, das sind kompetente Jungs. Und als Team mit ihrem Trainer bilden sie eine gute Basis für den Verein“, macht auch Horst Ehrmantraut kein Hehl mehr daraus, dass er einen im Profifußball erfahrenen Manager mit offenen Armen empfangen würde: "Als Trainer hat man heutzutage doch nicht mehr die Zeit, in der Welt herumzufliegen und sich Spieler zu suchen." Ein Kandidat wäre derzeit Rolf Dohmen, ehemaliger Profi des Karlsruher SC. Der 46-Jährige arbeitet seit vielen Jahren in der PR-Abteilung eines Sportartikelherstellers und die Eintracht habe bereits mehrfach mit ihm gesprochen, schreibt das kicker-Sportmagazin. Nur gehandelt hat sie bislang nicht. Dies geschieht dafür auf Initiative von Vizepräsident Dr. Lämmerhirdt hinsichtlich der Fanzeitung “Fan geht vor“, deren Verkauf im Fanshop kurzfristig gestoppt wird. Grund ist der Abdruck eines Comics des Satiremagazins "Titanic", in dem Hitler als Bayern-Fan und mit Knüppeln bewaffnete Eintracht-Fans zu sehen sind, da man sich der vermittelnden Botschaft in keiner Weise anschließen könne…


Keine Rücksicht auf die Schwiegermutter…

Genug des Hintergrundrauschens, genug der “Geschichten“ aus dem Hintergrund, die natürlich auch Horst Ehrmantraut nach der Auftaktniederlage in Duisburg zu Ohren gekommen ist. Auf die Fans kann er sich verlassen und so erhofft er sich “positive Energie für seine Mannschaft, damit sich diese gegen 1860 München zerfetzt.“ Während er über die Taktik im ersten Heimspiel nachdenkt, lässt er vermehrt Standards proben: "Davon werden wir als Heimmannschaft vermutlich mehr bekommen als der Gegner." Überraschend ist in jedem Fall die Aufstellung, die der Trainer wählt. Denn nicht mit zwei Stürmern, sondern nur mit Yang sowie Mittelfeldmann Bernd Schneider, der bei Bedarf nach vorne stoßen soll, will er die Heimpremiere bestreiten. Weber rückt dafür neben Sobotzik ins zentrale Mittelfeld und Brinkmann anstelle von Zampach auf die rechte Außenbahn, während Bindewald für den Kapitän aus der Abwehr auf die linke Seite rutscht. So gibt Uwe Schneider neben Libero Houbtchev und Kutschera sein Debüt als Manndecker.

Zwischen 1978 und 1982 spielte er 173 Mal für die Eintracht, auch zusammen mit Horst Ehrmantraut, mit dem er gemeinsam den Trainerschein gemacht hat. Doch all dies interessiert ihn heute ebenso wenig wie die Tatsache, dass seine Schwiegermutter als bekennender Eintracht-Fan das Spiel im Waldstadion verfolgt. “Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen“, grantelt Werner Lorant nur, denn nach der 1:2-Auftaktniederlage gegen den amtierenden Deutschen Meister aus Kaiserslautern sind die Löwen bereits im Zugzwang. Nach Platz 13 in der Vorsaison soll es endlich wieder aufwärts gehen mit den Sechzigern, meint nicht nur Clubchef Wildmoser, sondern auch der Trainer: “Ein UEFA-Cup-Platz liegt mit unserem guten Kader im Bereich des Möglichen.“ In dem es bereits knistert, denn Mittelfeldmotor Stevic fühlt sich ungerecht behandelt, nachdem er beim Auftakt zur Halbzeit vom Feld musste. Konsequenzen nach seiner öffentlichen Kritik schließt er nicht aus, “zumal ich solche Enttäuschungen vom Trainer gewohnt bin.“ Tatsächlich ist Lorant “beinhart“ und lässt den WM-Teilnehmer Stevic auf der Bank schmollen. Tyce beginnt für ihn im linken Mittelfeld und Libero Vanenburg diesmal vor der Abwehr.

Es ist eine tolle Stimmung im Waldstadion, auf der Gegentribüne wird eine Choreographie für den offiziell verletzten Güntensperger präsentiert, doch zunächst legen die Gäste stürmisch los. Kaum 30 Sekunden sind gespielt, da kann Schroth fast mühelos Kutschera und Houbtchev stehenlassen, um im Strafraum abzuziehen. Doch Nikolov ist zur Stelle und kann den Rückstand mit einem tollen Fußreflex verhindern. Au Backe, München macht Druck und die Eintracht sieht zu, obwohl sie sich tief in die eigene Hälfte zurückzieht. Immerhin haben sie die Flügel bislang einigermaßen im Griff, Bindewald liefert sich giftige Duelle mit Cerny und auch Heldt ist bei Brinkmann bislang in guten Händen. Aber die Mitte…, immer wieder kann sich Vanenburg einschalten und stürzt die Abwehr des Aufsteigers von einer Verwirrung in die nächste.

Immerhin können sie nach knapp zehn Minuten ein erstes kleines Zeichen setzen, als Yang an Greilich vorbei geht und abzieht, doch der Schuss des Chinesen kann zur Ecke geklärt werden. Sobotzik schlenzt das Leder vor den Fünfmeterraum, Borimirov träumt fröhlich und Schur steigt hoch, um die Kugel vorbei an Torhüter Hoffmann zur überraschenden 1:0-Führung ins Netz zu köpfen (10.). Werner Lorant tobt am Seitenrand, offenkundig ist er wütend auf Borimirov und schickt sofort Ouakili zum Warmmachen.


Kopfballduell:
Chen Yang, Marco Kurz

Soviel vorweg, die Führung setzt bei der Eintracht keine Kräfte wach. Im Gegenteil, Schurs Kopfball bleibt die erste und einzige Torchance in dieser Halbzeit, in der die Löwen das Spiel immer mehr beherrschen. Ängstlich wirken die Frankfurter, fast eingeschüchtert schauen sie auf den Ball, statt auf die rochierenden Löwen, die sich immer wieder ihre Wege in der Mitte suchen. Horst Ehrmantraut springt im Minutentakt von seinem Gartenstuhl auf und gestikuliert wild: "Am liebsten hätte ich wie im Basketball eine Auszeit genommen..." und auch Weber raunzt immer wieder kopfschüttelnd durch die eigenen Reihen: "So kannst du nichts gewinnen, wir konnten kaum einmal den Ball in den eigenen Reihen kontrollieren". Immerhin, noch hält die Führung, obwohl die Löwen sich bislang vier, fünf große Möglichkeiten gegen die nicht eben sattelfest wirkende Abwehr herausspielen.

Es läuft die 35. Spielminute, wieder fliegt ein hoher Ball in den Frankfurter Strafraum. Kutschera segelt am Ball vorbei, so dass Schroth ihn zurück auf Winkler legen kann, der Uwe Schneider mit einem Haken düpiert und flach abzieht. Nikolov ist blitzschnell unten, kann das Leder aber nur nach vorne abwehren, wo Borimirov es mit links zum Ausgleich in die Maschen haut. “Das schmerzt, unsere Abwehr ist immer einen Schritt zu langsam und zieht beim klassischen Stellen einer 1:1-Situation den Kürzeren", schimpft der sichtlich irritierte Trainer, als es mit dem Unentschieden in die Kabinen geht.

Auch im zweiten Abschnitt bleiben die Löwen feldüberlegen, aber immer wieder schleichen sich jetzt Lässigkeiten in ihr Spiel ein, die es der Eintracht erlauben, zu Kontern zu kommen. So wie in der 54. Spielminute, als Sobotzik nach einem Münchener Ballverlust plötzlich Platz hat und die Kugel genau in die Gasse der weit aufgerückten Abwehr spielt, wo Weber startet. Keiner kann ihn auf dem Weg in den Strafraum aufhalten, wo der Kapitän Torhüter Hoffmann mit einem platzierten Schuss zur 2:1-Führung überwindet.

Werner Lorant reagiert sofort und bringt mit Ouakili sowie Stevic für Cerny und Vanenburg frische Kräfte, die die Offensive verstärken sollen. Mit Erfolg, denn nur sieben Minuten nach der Führung legt Schroth den Ball in den Lauf von Ouakili, der weder von Sobotzik noch von Uwe Schneider oder Houbtchev aufgehalten werden kann und die Kugel eiskalt zum 2:2 ins Netz schlenzt (61.). "Wir hatten zu viele Aussetzer, unser allgemeines Abwehrverhalten muss besser werden", stellt Schur selbstkritisch fest. In der Tat, das Zweikampfverhalten der Eintracht stimmt nicht, "zu weit" stehen sie von ihren Gegenspielern entfernt, zu sehr agieren sie im Raum, einzig "fixiert auf den Ballführenden", stellt Horst Ehrmantraut fest. Und das ändert sich nicht, kaum zwei Minuten nach dem Ausgleich erreicht ein langer Ball Winkler im Halbfeld, der jetzt mutterseelenallein Richtung Strafraum streben kann. Zum Glück scheint ihm so viel Platz gar nicht zu behagen, er versucht den Ball aus elf Metern in die rechte Ecke zu schieben und verzieht. “Eine Tausendprozentige“, geht es dem Löwen-Kapitän durch den Kopf, der fassungslos in die Knie geht und sich an den Kopf greift.

Jetzt reagiert auch Horst Ehrmantraut und bringt Pisont für Bernd Schneider, der sich im Mittelfeld sichtlich aufgerieben hat. Chen Yang, der vorne weitgehend auf sich alleine gestellt war, bekommt allerdings keine Unterstützung sondern wird durch Westerthaler ausgewechselt (69.). Pisont nimmt die Rolle des Spielgestalters sogleich an und zeigt mit dem emsigen Sobotzik einige schöne Angriffsversuche, die aber meist im Münchener Halbfeld versanden. Konsequenter bleiben die Sechziger, die in der 74. Minute erneut zu einem Konter ansetzen. Ouakili strebt verfolgt von Kutschera von der rechten Außenbahn in den Strafraum, wo ihn der Ex-Löwe so ungestüm rempelt, dass er zu Fall kommt und Schiedsrichter Strampe gar nicht anders kann, als auf den ominösen Punkt zu zeigen. "Er muss doch einfach nur neben herlaufen und wegbleiben", ärgert sich Ehrmantraut maßlos über seinen Verteidiger, während Heldt zu Winkler geht und ihm anbietet, “den Elfmeter für ihn zu schießen.“ “Der Horst braucht mich nicht aufzubauen“, meint der Löwen-Kapitän, greift sich die Kugel und verwandelt sicher zum 3:2 für die Gäste (75.).

Der Frankfurter Trainer grübelt kurz am Seitenrand und reagiert. Endlich kommt mit Stojak für Sobotzik ein zweiter Stürmer in die Partie. Doch es ist zu spät, die Münchener machen konsequent die Räume dicht, während die Eintracht zunehmend kopflos auf den Ausgleich drängt. Fast hätte es sogar gereicht, doch Stojaks Hammer in der Schlussminute landet nicht im Tor, sondern klatscht gegen den Rücken von Mazingu-Dinzey und kann geklärt werden. So bleibt der Schlussspurt ohne Erfolg, als Schiedsrichter Strampe zur Pfeife greift, ist der Frust groß im Waldstadion nach der hundertsten Bundesliga-Heimniederlage. Während die Mitaufsteiger aus Nürnberg und Freiburg bereits vier Punkte einsammeln konnten, hat die Eintracht ebenso wie Bochum und Werder Bremen noch keinen einzigen Zähler nach dem zweiten Spieltag.


Stimmen zum Spiel

Horst Ehrmantraut: "Der Kopf war leer und die Beine schwer. Damit konnte ich nicht rechnen, dass uns das, was uns in der letzten Saison stark gemacht hat, nun solche Probleme bereitet. Ich mache es den Jungs doch so einfach wie möglich. Jeder erhält eine klare Zuordnung, aber sie stehen zu sehr im Raum und zeigen nicht die nötige Konsequenz, die Jungs waren teilweise total verklemmt."

Rolf Heller: "Wir stoßen jetzt in der Bundesliga natürlich an unsere Grenzen. Die Lage ist ernst, aber ich werde nicht in Panik verfallen. Selbst bei Niederlagen in Gladbach und beim nächsten Heimspiel würde sich die Trainerfrage nicht stellen."

Alexander Kutschera: "Unsere Misere liegt nicht nur bei den Manndeckern und der Abwehr allgemein. Die ganze Mannschaft ist in der Abwehrarbeit gefordert."

Alexander Schur: "So kann es einfach nicht weitergehen, wir müssen uns ganz schnell Gedanken machen, was wir überhaupt spielen wollen. Wir müssen wieder zu dem kommen, was uns stark gemacht hat, Zweikampfstärke, mannschaftliche Geschlossenheit und Zusammenhalt.“


Klatsch des Spieltages

Schon immer berüchtigt ist die Stimmung im Opernhaus der Münchener Bayern. Damit dies mal besser wird, wenden sich Kapitän Thomas Helmer und der ehemalige Torhüter Raimond Aumann, der jetzt Fanbeauftragter ist, mit einem Flugblatt an die eigenen Fans, doch bitte im Heimspiel gegen den MSV ab der 75. Spielminute lautstark zu applaudieren. Immerhin eine Minute halten sie durch, schreibt das Kicker-Sportmagazin… (tr)

 

 

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