Fortuna Köln - Eintracht Frankfurt

2. Bundesliga 1997/1998 - 17. Spieltag

1:2 (1:0)

Termin: So 14.12.1997 15:00
Zuschauer: 6.000
Schiedsrichter: Michael Weiner (Hildesheim)
Tore: 1:0 Thomas Brdaric (32.), 1:1 Ralf Weber (70.), 1:2 Thomas Epp (82.)

 

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Fortuna Köln Eintracht Frankfurt

  • Andreas Wessels
  • Oliver Westerbeek
  • René Hahn
  • Matthias Mink
  • Olaf Renn
  • Ivica Grlic (66.)
  • Hans-Jörg Schneider
  • Charles Akonnor
  • Marco Zernicke
  • Rainer Krieg
  • Thomas Brdaric

 


 

Wechsel

  • Ales Turk für Rainer Krieg (71.)
  • Hajrudin Catic für René Hahn (86.)

Wechsel

Trainer

  • Bernd Schuster

Trainer

 

“Der weiße Brasilianer“ kommt zum Geburtstag des Trainers

“Meine Damen und Herren, ich möchte niemandem zu nahe treten. Aber ob bei uns der Trainer auf der Bank sitzt oder der Busfahrer, das ist ungefähr das Gleiche.“ Die Ansprache von Ansgar Brinkmann auf der Weihnachtsfeier des Oberligisten BV Cloppenburg vor ein paar Wochen hat gesessen. Prompt wird er vom gewichtigen Clubmäzen Albert Sprehe in die Zweite Bezirksligamannschaft strafversetzt. “In die Niederungen der Kreisklasse, eine über der Thekenliga“, erzählt Brinkmann. Scheinbar die Endstation für den 28-jährigen Stürmer, der zuvor bei Preußen Münster, in Gütersloh und beim SC Verl kickte. Doch Trainer Karl-Heinz Körbel vom Zweitligaschlusslicht FSV Zwickau bekundet Interesse an Brinkmann und der Vertrag ist bereits aufgesetzt, aber nach einem Telefonat mit Eintracht-Präsident Heller, bei dem er laut des Präsidenten “bereits den Füllhalter in der Hand“ hat, entscheidet er sich um. So erscheint der “weiße Brasilianer“ einen Tag nach Horst Ehrmantrauts 42. Geburtstag in Frankfurt und verkündet: "Ich bin froh, dass es so kurzfristig geklappt hat. Es ist ein Geschenk, hier Fußball spielen zu dürfen“, um selbstbewusst zu ergänzen: “Ich will die Mannschaft nicht ergänzen, ich will sie verstärken!“

Brinkmann unterzeichnet einen Zweieinhalbjahres-Kontrakt als Vertragsamateur, der die Eintracht nach Auskunft des Präsidenten weder finanziell zu stark belastet noch gegen die Auflagen des DFB verstößt, da die Finanzierung durch einen externen Sponsoren erfolgte: "Wir haben eine Lösung gefunden, die den Verein nur minimal belastet. Das Risiko ist gleich Null. Zudem haben wir ja Adrian Dashi nach Verl abgegeben.“ Tatsächlich erhält Brinkmann vom DFB sofort die notwendige Spielgenehmigung, so dass er bereits beim Auswärtsspiel in Köln im Kader stehen wird, auch wenn sein “Fitnesszustand noch nicht optimal ist.“ Der Trainer jedenfalls ist hoch erfreut über das Geburtstagsgeschenk: "Es entwickeln sich im Laufe der Spielzeit Gedanken, welchen Typ von Spieler man gerade braucht. In unserer Situation habe ich mir gesagt, so einen Typen benötigen wir jetzt." Mitleid mit dem Zwickauer Trainer hat er nicht: “Wenn Körbel sauer ist, kann uns das nicht interessieren. Wir mussten uns schnell entscheiden"

Doch nicht Brinkmann ist es oder Wolf, der als zweite Spitze neben Epp in Köln agiert, sondern Roberto Levy, der ehemalige Junioren-Nationalspieler vom FSV, wird erstmals von Beginn an stürmen. Unterstützt wird er von Sobotzik, der wieder im Mittelfeld neben den Außen Gebhardt und Zampach aufläuft. Obwohl ein Sieg beim heimschwachen Tabellenzehnten nach den zuletzt so mut- und kraftlosen Auftritten gegen Mainz und Zwickau schön wäre, um in der Nähe der Aufstiegsränge zu bleiben, betont der Trainer, dass sich die Spieler durch diesen Anspruch nicht blockieren sollen: "Es war in der vergangenen Woche das Allerschwierigste, den Jungs klarzumachen, dass sie diesen Druck nicht annehmen dürfen, sondern sich den Kopf freihalten sollen."

Dem Anspruch des Präsidenten nicht gerecht geworden ist bislang die Fortuna. Tristesse ist Trumpf kurz vor dem 50-jährigen Vereinsjubiläum. Dabei hatte sich Clubpräsident Hans "Jean" Löring so sehr gewünscht, endlich aus dem Schatten des großen FC hervorzutreten, als er im Sommer dem einstigen Weltstar Bernd Schuster sein erste Engagement als Trainer verschaffte. Doch außer mit seinem Leibwächter, der ihn stets umgibt und dem inzwischen gescheiterten Versuch, mit einer Vierer-Abwehr zu spielen, hat er noch keine Spuren hinterlassen, auch wenn Löring trotz der Nähe zu den Abstiegsrängen sagt: "Über den Trainer wird bei uns kein böses Wort gesprochen." Auch das Zuschauerinteresse in Köln ist trotz Schusters gering, meist sind es beschauliche 3000 Zuschauer, wenn nicht gerade die Fortuna aus Düsseldorf oder eben Eintracht Frankfurt ins Südstadion kommen. "Allein der Name von Frankfurt muss die Kräfte so mobilisieren wie Bayern oder Dortmund", beschwört Bernd Schuster indes seine Mannschaft, die nach dem zweimaligen Spielausfall bei Carl-Zeiss Jena immerhin ausgeruht sein sollte. Wie zuletzt vertraut er im Sturm auf Rainer Krieg, der einst beim SV Bernbach spielte, und Brdaric, so dass für den Ex-Frankfurter Edgar Schmitt einmal mehr nur ein Platz auf der Ersatzbank reserviert ist.

Vor der Rekordkulisse von 6000 Zuschauern, von denen gut 1500 aus Frankfurt sind, legt die Eintracht von Beginn an los wie die Feuerwehr und drückt die Kölner weit in die eigene Hälfte zurück. Kaum eine Minute ist gespielt, da zieht Weber aus gut zwanzig Metern volley mit seinem schwächeren rechten Fuß ab und setzt den Ball nur um Zentimeter über die Latte. Weiter ist er kaum zu bremsen und spielt Gebhardt auf links in den Lauf. Der geht mit einem Haken in den Strafraum und zieht ab, doch Torhüter Wessels kann den platzierten Schuss um den langen Pfosten lenken (4.). Es bleibt ein Spiel auf ein Tor, bei dem nun auch noch der Routinier im Kasten Nerven zeigt und Sobotzik anschießt, jedoch das Glück hat, dass der zu überrascht ist, um den Ball zu stoppen, so dass der 33-Jährige sie im Nachfassen unter Kontrolle bekommt (11.).

Nachdem Schur einen Schuss aus dem Halbfeld knapp neben das Tor setzt, melden sich auch die Hausherren einmal zu Wort. Kapitän Schneider ist es, der aus 17 Metern abzieht und der Ball ein paar Zentimeter am linken Pfosten vorbeirauscht (17.). Danach lässt der Druck der Frankfurter etwas nach, zumal Levy neben dem quirligen Epp deutlich abfällt und sich von seinem bissigen Widersacher Mink heftig abkochen lässt. Viele Ballverluste und Stockfehler sind das Lehrgeld, was der 20-Jährige heute zahlen muss, während auf der anderen Seite auch Torhüter Nikolov einmal patzt, als er eine Flanke zu kurz nach vorne faustet. Doch er hat Glück, dass Akonnor der Ball bei der Direktabnahme über den Spann rutscht und neben dem Kasten landet (26.). Noch ist die Eintracht überlegen, auch wenn Köln immer bissiger wird. Zampach setzt sich endlich einmal auf der rechten Außenbahn durch und flankt in die Mitte. Genau zu Epp, der den Ball per Seitfallzieher nimmt, aber seinen Meister in Wessels findet (31.). Kurz darauf gibt es auf der anderen Seite die dritte Ecke für Köln, die Krieg mit dem Kopf erwischt. Nikolov ist geschlagen und Gebhardt kann die Kugel gerade noch so von der Linie kratzen. Doch aus dem Hintergrund kommt Brdaric und zimmert sie aus sechs Metern zur überraschenden Führung für die Fortuna in die Maschen (32.).

Es gibt gesenkte Köpfe bei den Frankfurtern, die jetzt kaum noch einen durchdachten Spielzug initiieren, während Köln sich auf die Verwaltung der 1:0-Führung beschränkt, mit der es in die Pause geht. Horst Ehrmantraut reagiert und bringt für den überfordert wirkenden Levy den Geburtstagsneuzugang, Ansgar Brinkmann. Mit Erfolg, wie es scheint, denn wie zu Beginn des Spiels drückt jetzt die Eintracht und Brinkmann, der sofort mitspielt, als wäre er seit Saisonbeginn dabei, hat einen großen Anteil daran. Zunächst scheitert er mit dem rechten Fuß an Torhüter Wessels (51.), kaum zwei Minuten später ist es Epp, der nach Doppelpass mit seinem neuen Sturmkollegen am 33-jährigen Torhüter scheitert und schließlich Weber, der nach Pass von Brinkmann den Ball aus zwölf Metern neben den Kasten setzt (58.).

Langsam erwacht aber Köln wieder aus seiner Lethargie, hält jetzt konsequenter dagegen und hat sogleich eine gute Chance zum Kontern. Aber zum Glück grübelt Brdaric nach schönem Pass in die Gasse zu lange, ob er mit seinem schwächeren rechten Fuß einfach abziehen soll, so dass die Situation geklärt werden kann. Es bleibt spannend, bis Grlic mal wieder eine Dummheit begeht. Nachdem bereits am letzten Spieltag eine Kartensperre absitzen musste, verstrickt er sich nun in ein Duell mit Schur und streckt ihn mit einem Kopfstoß zu Boden. Schiedsrichter Weiner hat es gesehen und zeigt dem 22-Jährigen völlig zu Recht die Rote Karte, auch wenn es der zeternde Bernd Schuster am Seitenrand so gar nicht wahr haben kann (66.). Der Eintracht ist es recht, sie greift weiter an und lässt den Fortunen keine Luft mehr zum Schnappen übrig. Selbst Bindewald geht mit nach vorne und passt zu Gebhardt, der den Ball in die Mitte zu Weber spielt. Der nimmt aus 18 Metern Maß und haut das Leder flach zum hochverdienten 1: 1 in die Maschen (70.).

Bernd Schuster reagiert sofort und bringt mit Turk für Krieg einen weiteren Verteidiger, was die Gäste jedoch wenig beeindruckt. Zampach tanzt sich auf der rechten Außenbahn nach vorne und passt flach und scharf in den Fünfmeterraum, wo Brinkmann zur Stelle ist, die Kugel jedoch aus drei Metern fast ebenso viele Meter über die Latte bolzt und sich ungläubig an den Kopf greift. “Was für zwei Riesendinger von ihm. Aber er hat so gespielt, als ob er mit der Mannschaft verwachsen wäre“, stöhnt und lobt Horst Ehrmanntraut gleichzeitig, während das kicker-Sportmagazin titelt: “Tolles Debüt von Brinkmann.“ In der Tat, er ist schnell, trickreich und stets anspielbereit, obwohl er selbst meint: "Ich will und muss mehr machen. Heute habe ich praktisch ohne Training bei null angefangen, im neuen Jahr muss es zumindest bei sechzig Prozent weitergehen."

Die Eintracht jedenfalls kämpft und rackert weiterhin zu 100 Prozent und wird tatsächlich belohnt. Wieder ist es Gebhardt, der sich auf der linken Außenbahn durchsetzt und eine butterweiche Flanke in den Strafraum schlenzt. Genau richtig für Epp, der seine richtig gute Leistung heute mit einem tollen Flugkopfball krönt, der zum 2:1 für die Eintracht im Tor landet (82.). Jubelnd rennt der 29-Jährige zum Frankfurter Fanblock und lässt sich für sein zweites Saisontor – das erste schoss er am ersten Spieltag gegen Düsseldorf - so ausgiebig feiern, dass er die gelbe Karte kassiert, was ihm ziemlich egal ist: "Ein tolles Gefühl, das war mehr als nur eine Genugtuung. Es war doch klar, dass ich zu den Fans rüber musste. Nachher hätten sie noch gedacht, ein anderer hätte das Tor gemacht. Aber ich bin es gewesen, der wieder getroffen hat", was auch den Trainer glücklich macht: "Gerade für Thomas Epp freut es mich ganz besonders, ich habe immer an ihn geglaubt und ihm den Rücken gestärkt."

Köln versucht, kann aber nicht mehr dagegen halten, so dass die Frankfurter die Schlussminuten souverän über die Runden bringen und sich danach ausgiebig von den Fans feiern lassen, die wiederum besonders den Trainer hochleben lassen. Denn da Gütersloh und Nürnberg nur unentschieden spielten, rutscht die Eintracht punktgleich mit dem FC hinter Herbstmeister Freiburg auf Rang Zwei, auf den sie bis zum Beginn der Rückrunde am 16. Februar überwintern wird. “Auf dieses Tabellenbild habe ich ganz besonders genüsslich geschaut", meint Eintracht-Präsident Rolf Heller freudestrahlend.

Nachdem der Trainer ihnen Hausaufgaben mitgibt, weil "die Jungs vortrainiert sein müssen, wenn wir uns am 2. Januar wieder treffen", schickt Horst Ehrmantraut die Spieler am nächsten Tag in den Urlaub, damit sie sich über Weihnachten "zurücklehnen, abschalten, ausruhen und regenerieren“ können, denn die Hinrunde hat nicht nur “Kraft, sondern auch Gehirnzellen gekostet. Von den Jungs gibt jeder sein letztes Hemd für die Eintracht, denn wir sind nicht die alles überragende Zweitliga-Mannschaft, wir müssen uns alles ganz hart erarbeiten. Auch ich werde einmal abschalten, Ruhe suchen, ein paar Tage nach Berlin fahren und ab und mal bei der Pferderennbahn vorbeischauen.“


Stimmen zum Spiel

Horst Ehrmantraut: "Die Art und Weise, wie dieser Sieg zustande gekommen ist, stimmt uns für die Zukunft zuversichtlich, es war ein moralisch stärkender Sieg. Ich bin stolz auf meine Mannschaft, sie hat sich nie aufgegeben. Der Erfolg ist auch aufgrund der größeren Chancenanteile verdient."

Bernd Schusters Sicht der Dinge: "Der Schiedsrichter hat uns den Sieg genommen. Eine Halbzeitbilanz kann ich da nicht ziehen. Ich muss heute Abend zu Hause erst mal heulen."

Ansgar Brinkmann: "Diese Mannschaft hat Moral bewiesen. Hier ist Leben drin.“ Die Berichterstattung der letzten Tage über ihn findet er hingegen unfair: "Ich bin gleich in eine Schublade gesteckt worden. Ich bin sicher keiner aus dem Kirchenchor, aber ich bin auch kein Alkoholiker. Im Übrigen ist es für mich endlich einmal an der Zeit, zwei, drei Jahre sachlich-fachlich zu arbeiten. Ich glaube, man hat heute gesehen, dass ich in den Profi-Fußball gehöre."

Rolf Heller zu den Vertragsverhandlungen mit Peter Houbtchev und dem Trainer: “Er hat bei uns einen Zweijahresvertrag mit Option abgeschlossen und sich bei der Vertragsgestaltung als außerordentlich vernünftig gezeigt. Mit Horst Ehrmantraut werde ich vielleicht morgen, vielleicht im nächsten Jahr reden."


Hinrundensplitter

An 15 von 17 Spieltagen war der aktuelle Tabellenvierte Uerdingen auf einem der drei Aufstiegsränge, jeweils 12 Mal waren die Eintracht sowie Spitzenreiter Freiburg unter den Top Drei, Gütersloh an 9 Spieltagen und der Tabellenfünfte Nürnberg nicht ein einziges Mal.

Die meisten Tore erzielten Freiburg (34), Mainz (30) und Düsseldorf (29), die besten Torschützen waren Markus Beierle (Stuttgarter Kickers) und Abderrahim Ouakili (Mainz) mit jeweils 10 Treffern. Bei der Eintracht (25 Tore) erzielten Weber (7), Sobotzik (5) und der seit dem 7. Spieltag verletzte Güntensperger (3) die meisten Tore.

Den besten Notenschnitt im Kicker-Sportmagazin mit zehn und mehr Einsätzen hatten der verletzte Janßen (2,5/11 Spiele), Weber (2,8/15 Spiele) und Houbtchev (2,9), der ebenso wie Bindewald, Epp, Kutschera, Sobotzik, Zampach und Nikolov auf 17 Hinrundeneinsätze kam. Mit einem Zuschauerschnitt von 16.000 kalkulierte die Eintracht, 19.760 waren es tatsächlich nach den 8 Heimspielen der Hinrunde und damit der höchst Schnitt aller Zweitligisten.

Die Auguren des Kicker-Sportmagazins bescheinigen der Eintracht ein mit Weber, Sobotzik und Janßen herausragendes Mittelfeld mit individuell starker aber nicht immer geschlossen wirkender Abwehr. Schwächen macht sie nach dem Ausfall von Güntensperger im Sturm aus, dem die Durchschlagskraft fehlt und eine zu schwach besetzte Ersatzbank. Dennoch prophezeien sie der Eintracht den Aufstieg, sofern sie von Verletzungen verschont bleibt. (tr)


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