![]() |
Fortuna Köln - Eintracht
Frankfurt |
![]() |
2. Bundesliga 1997/1998 - 17. Spieltag
1:2 (1:0)
Termin: So 14.12.1997 15:00
Zuschauer: 6.000
Schiedsrichter: Michael Weiner (Hildesheim)
Tore: 1:0 Thomas Brdaric (32.), 1:1 Ralf Weber (70.), 1:2 Thomas Epp (82.)
Fortuna Köln | Eintracht Frankfurt |
|
|
Wechsel
|
Wechsel
|
Trainer
|
Trainer |
“Der weiße Brasilianer“ kommt zum Geburtstag des Trainers “Meine Damen und Herren, ich möchte niemandem zu nahe treten. Aber ob bei uns der Trainer auf der Bank sitzt oder der Busfahrer, das ist ungefähr das Gleiche.“ Die Ansprache von Ansgar Brinkmann auf der Weihnachtsfeier des Oberligisten BV Cloppenburg vor ein paar Wochen hat gesessen. Prompt wird er vom gewichtigen Clubmäzen Albert Sprehe in die Zweite Bezirksligamannschaft strafversetzt. “In die Niederungen der Kreisklasse, eine über der Thekenliga“, erzählt Brinkmann. Scheinbar die Endstation für den 28-jährigen Stürmer, der zuvor bei Preußen Münster, in Gütersloh und beim SC Verl kickte. Doch Trainer Karl-Heinz Körbel vom Zweitligaschlusslicht FSV Zwickau bekundet Interesse an Brinkmann und der Vertrag ist bereits aufgesetzt, aber nach einem Telefonat mit Eintracht-Präsident Heller, bei dem er laut des Präsidenten “bereits den Füllhalter in der Hand“ hat, entscheidet er sich um. So erscheint der “weiße Brasilianer“ einen Tag nach Horst Ehrmantrauts 42. Geburtstag in Frankfurt und verkündet: "Ich bin froh, dass es so kurzfristig geklappt hat. Es ist ein Geschenk, hier Fußball spielen zu dürfen“, um selbstbewusst zu ergänzen: “Ich will die Mannschaft nicht ergänzen, ich will sie verstärken!“
Doch nicht Brinkmann ist es oder Wolf, der als zweite Spitze neben Epp in Köln agiert, sondern Roberto Levy, der ehemalige Junioren-Nationalspieler vom FSV, wird erstmals von Beginn an stürmen. Unterstützt wird er von Sobotzik, der wieder im Mittelfeld neben den Außen Gebhardt und Zampach aufläuft. Obwohl ein Sieg beim heimschwachen Tabellenzehnten nach den zuletzt so mut- und kraftlosen Auftritten gegen Mainz und Zwickau schön wäre, um in der Nähe der Aufstiegsränge zu bleiben, betont der Trainer, dass sich die Spieler durch diesen Anspruch nicht blockieren sollen: "Es war in der vergangenen Woche das Allerschwierigste, den Jungs klarzumachen, dass sie diesen Druck nicht annehmen dürfen, sondern sich den Kopf freihalten sollen."
Vor der Rekordkulisse von 6000 Zuschauern, von denen
gut 1500 aus Frankfurt sind, legt die Eintracht von Beginn an los
wie die Feuerwehr und drückt die Kölner weit in die eigene
Hälfte zurück. Kaum eine Minute ist gespielt, da zieht Weber
aus gut zwanzig Metern volley mit seinem Nachdem Schur einen Schuss aus dem Halbfeld knapp neben das Tor setzt, melden sich auch die Hausherren einmal zu Wort. Kapitän Schneider ist es, der aus 17 Metern abzieht und der Ball ein paar Zentimeter am linken Pfosten vorbeirauscht (17.). Danach lässt der Druck der Frankfurter etwas nach, zumal Levy neben dem quirligen Epp deutlich abfällt und sich von seinem bissigen Widersacher Mink heftig abkochen lässt. Viele Ballverluste und Stockfehler sind das Lehrgeld, was der 20-Jährige heute zahlen muss, während auf der anderen Seite auch Torhüter Nikolov einmal patzt, als er eine Flanke zu kurz nach vorne faustet. Doch er hat Glück, dass Akonnor der Ball bei der Direktabnahme über den Spann rutscht und neben dem Kasten landet (26.). Noch ist die Eintracht überlegen, auch wenn Köln immer bissiger wird. Zampach setzt sich endlich einmal auf der rechten Außenbahn durch und flankt in die Mitte. Genau zu Epp, der den Ball per Seitfallzieher nimmt, aber seinen Meister in Wessels findet (31.). Kurz darauf gibt es auf der anderen Seite die dritte Ecke für Köln, die Krieg mit dem Kopf erwischt. Nikolov ist geschlagen und Gebhardt kann die Kugel gerade noch so von der Linie kratzen. Doch aus dem Hintergrund kommt Brdaric und zimmert sie aus sechs Metern zur überraschenden Führung für die Fortuna in die Maschen (32.). Es gibt gesenkte Köpfe bei den Frankfurtern, die jetzt kaum noch einen durchdachten Spielzug initiieren, während Köln sich auf die Verwaltung der 1:0-Führung beschränkt, mit der es in die Pause geht. Horst Ehrmantraut reagiert und bringt für den überfordert wirkenden Levy den Geburtstagsneuzugang, Ansgar Brinkmann. Mit Erfolg, wie es scheint, denn wie zu Beginn des Spiels drückt jetzt die Eintracht und Brinkmann, der sofort mitspielt, als wäre er seit Saisonbeginn dabei, hat einen großen Anteil daran. Zunächst scheitert er mit dem rechten Fuß an Torhüter Wessels (51.), kaum zwei Minuten später ist es Epp, der nach Doppelpass mit seinem neuen Sturmkollegen am 33-jährigen Torhüter scheitert und schließlich Weber, der nach Pass von Brinkmann den Ball aus zwölf Metern neben den Kasten setzt (58.). Langsam erwacht aber Köln wieder aus seiner
Lethargie, hält jetzt konsequenter dagegen und hat sogleich eine
gute Chance zum Kontern. Aber zum Glück grübelt Brdaric
nach schönem Pass in die Gasse zu lange, ob er mit seinem schwächeren
rechten Fuß einfach Bernd Schuster reagiert sofort und bringt mit Turk für Krieg einen weiteren Verteidiger, was die Gäste jedoch wenig beeindruckt. Zampach tanzt sich auf der rechten Außenbahn nach vorne und passt flach und scharf in den Fünfmeterraum, wo Brinkmann zur Stelle ist, die Kugel jedoch aus drei Metern fast ebenso viele Meter über die Latte bolzt und sich ungläubig an den Kopf greift. “Was für zwei Riesendinger von ihm. Aber er hat so gespielt, als ob er mit der Mannschaft verwachsen wäre“, stöhnt und lobt Horst Ehrmanntraut gleichzeitig, während das kicker-Sportmagazin titelt: “Tolles Debüt von Brinkmann.“ In der Tat, er ist schnell, trickreich und stets anspielbereit, obwohl er selbst meint: "Ich will und muss mehr machen. Heute habe ich praktisch ohne Training bei null angefangen, im neuen Jahr muss es zumindest bei sechzig Prozent weitergehen."
Köln versucht, kann aber nicht mehr dagegen halten, so dass die Frankfurter die Schlussminuten souverän über die Runden bringen und sich danach ausgiebig von den Fans feiern lassen, die wiederum besonders den Trainer hochleben lassen. Denn da Gütersloh und Nürnberg nur unentschieden spielten, rutscht die Eintracht punktgleich mit dem FC hinter Herbstmeister Freiburg auf Rang Zwei, auf den sie bis zum Beginn der Rückrunde am 16. Februar überwintern wird. “Auf dieses Tabellenbild habe ich ganz besonders genüsslich geschaut", meint Eintracht-Präsident Rolf Heller freudestrahlend. Nachdem der Trainer ihnen Hausaufgaben mitgibt, weil "die Jungs vortrainiert sein müssen, wenn wir uns am 2. Januar wieder treffen", schickt Horst Ehrmantraut die Spieler am nächsten Tag in den Urlaub, damit sie sich über Weihnachten "zurücklehnen, abschalten, ausruhen und regenerieren“ können, denn die Hinrunde hat nicht nur “Kraft, sondern auch Gehirnzellen gekostet. Von den Jungs gibt jeder sein letztes Hemd für die Eintracht, denn wir sind nicht die alles überragende Zweitliga-Mannschaft, wir müssen uns alles ganz hart erarbeiten. Auch ich werde einmal abschalten, Ruhe suchen, ein paar Tage nach Berlin fahren und ab und mal bei der Pferderennbahn vorbeischauen.“
Horst Ehrmantraut: "Die Art und Weise, wie dieser Sieg zustande gekommen ist, stimmt uns für die Zukunft zuversichtlich, es war ein moralisch stärkender Sieg. Ich bin stolz auf meine Mannschaft, sie hat sich nie aufgegeben. Der Erfolg ist auch aufgrund der größeren Chancenanteile verdient." Bernd Schusters Sicht der Dinge: "Der Schiedsrichter hat uns den Sieg genommen. Eine Halbzeitbilanz kann ich da nicht ziehen. Ich muss heute Abend zu Hause erst mal heulen." Ansgar Brinkmann: "Diese Mannschaft hat Moral bewiesen. Hier ist Leben drin.“ Die Berichterstattung der letzten Tage über ihn findet er hingegen unfair: "Ich bin gleich in eine Schublade gesteckt worden. Ich bin sicher keiner aus dem Kirchenchor, aber ich bin auch kein Alkoholiker. Im Übrigen ist es für mich endlich einmal an der Zeit, zwei, drei Jahre sachlich-fachlich zu arbeiten. Ich glaube, man hat heute gesehen, dass ich in den Profi-Fußball gehöre." Rolf Heller zu den Vertragsverhandlungen mit Peter Houbtchev und dem Trainer: “Er hat bei uns einen Zweijahresvertrag mit Option abgeschlossen und sich bei der Vertragsgestaltung als außerordentlich vernünftig gezeigt. Mit Horst Ehrmantraut werde ich vielleicht morgen, vielleicht im nächsten Jahr reden."
An 15 von 17 Spieltagen war der aktuelle Tabellenvierte Uerdingen auf einem der drei Aufstiegsränge, jeweils 12 Mal waren die Eintracht sowie Spitzenreiter Freiburg unter den Top Drei, Gütersloh an 9 Spieltagen und der Tabellenfünfte Nürnberg nicht ein einziges Mal. Die meisten Tore erzielten Freiburg (34), Mainz (30) und Düsseldorf (29), die besten Torschützen waren Markus Beierle (Stuttgarter Kickers) und Abderrahim Ouakili (Mainz) mit jeweils 10 Treffern. Bei der Eintracht (25 Tore) erzielten Weber (7), Sobotzik (5) und der seit dem 7. Spieltag verletzte Güntensperger (3) die meisten Tore. Den besten Notenschnitt im Kicker-Sportmagazin mit zehn und mehr Einsätzen hatten der verletzte Janßen (2,5/11 Spiele), Weber (2,8/15 Spiele) und Houbtchev (2,9), der ebenso wie Bindewald, Epp, Kutschera, Sobotzik, Zampach und Nikolov auf 17 Hinrundeneinsätze kam. Mit einem Zuschauerschnitt von 16.000 kalkulierte die Eintracht, 19.760 waren es tatsächlich nach den 8 Heimspielen der Hinrunde und damit der höchst Schnitt aller Zweitligisten. Die Auguren des Kicker-Sportmagazins bescheinigen der Eintracht ein mit Weber, Sobotzik und Janßen herausragendes Mittelfeld mit individuell starker aber nicht immer geschlossen wirkender Abwehr. Schwächen macht sie nach dem Ausfall von Güntensperger im Sturm aus, dem die Durchschlagskraft fehlt und eine zu schwach besetzte Ersatzbank. Dennoch prophezeien sie der Eintracht den Aufstieg, sofern sie von Verletzungen verschont bleibt. (tr)
|
© text, artwork & code by fg