Eintracht Frankfurt - FC St. Pauli

2. Bundesliga 1997/1998 - 14. Spieltag

4:2 (3:0)

Termin: Mo 24.11.1997 19:15
Zuschauer: 14.000
Schiedsrichter: Rainer Werthmann
Tore: 1:0 Thomas Sobotzik (10.), 2:0 Alexander Schur (16.), 3:0 Ralf Weber (31., Foulelfmeter), 3:1 Marcus Marin (50.), 4:1 Dirk Wolf (85.), 4:2 Dirk Dammann (88.)

 

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Eintracht Frankfurt FC St. Pauli

 


  • Klaus Thomforde
  • Dirk Dammann
  • Holger Stanislawski
  • Karl Werner
  • Torsten Chmielewski
  • Matthias Scherz
  • Stephan Hanke
  • Carsten Pröpper
  • André Trulsen
  • Juri Sawitschew
  • Cem Karaca

 

Wechsel

Wechsel

  • Marcus Marin für Matthias Scherz (39.)
  • Jens Scharping für Marcus Marin (73.)
  • Michael Mason für Holger Stanislawski (80.)

Trainer

Trainer

  • Eckhard Krautzun



 

Eine rauschende halbe Stunde mit einem befreienden Sieg

Selten hatten sie eine Länderspielpause so herbei gesehnt wie nach der Niederlage gegen Fürth, bei der die Mannschaft teilweise auf dem Zahnfleisch gekrochen ist. So verzichtet der Trainer auf ein Testspiel und nutzt die Zeit für regenerative Maßnahmen und taktische Schulungen, während zumindest das mediale Umfeld unruhig wird. So titelt das kicker-Sportmagazin “Zerbricht die Eintracht?“ und spricht von einem “drastischen Einbruch“, während der Verwaltungsrat der Eintracht die wenig hilfreiche Empfehlung ausspricht, doch vier bis fünf Spieler zu verkaufen, um Geld für die vom Trainer geforderten Verstärkungen zu bekommen, nachdem eine Verpflichtung von Gaudino am Widerstand der Mannschaft und den finanziellen Rahmenbedingungen bereits gescheitert ist.

Als seien dies nicht genug Probleme, fällt nun auch noch Olaf Janßen bis zur Rückrunde aus, da er sich in Basel an der Achillessehne operieren lassen muss. Auch Weber und Bindewald konnten zehn Tage lang wegen kleinerer Blessuren nicht trainieren, sind aber immerhin pünktlich zum wichtigen Heimspiel gegen St. Pauli wieder einsatzfähig. “Beide sind von Beginn an dabei und sollen Gas geben, solange die Kraft reicht“, beschwört Horst Ehrmantraut und setzt vor dem Spiel vor allem auf psychologische Aufbauarbeit: “Wir müssen die Köpfe frei bekommen von dieser Serie, denn auch in diesen sechs Spielen waren wir überwiegend gut, leider nur nicht erfolgreich.“ Um dies zu ändern, setzt er wieder auf Sobotzik als zweite Sturmspitze neben Epp, so dass Weber im offensiven Mittelfeld agiert, Wolf als linker Verteidiger beginnt und Kutschera neben Schur den zweiten Abräumer spielt.

Während es bei der Eintracht nach dem Medienecho nur um das “zerbrechen“ geht, sind sie in St. Pauli schon einen großen Schritt weiter. “Chaos Tage beim Kiez-Club“ titeln die Gazetten, zudem soll es zwischen Manager und Trainer Krautzun ordentlich krachen, da sich Helmut Schulte allzu oft “in mannschaftliche Belange einmische“ und “dabei einen rüden Umgangston pflege“. Der allerdings angebracht zu sein scheint, denn nach zuvor mageren vierzehn Punkten konnte sich der Bundesligaabsteiger zuletzt nur durch ein mehr als schmeichelhaftes 2:1 gegen Jena mit zwei Toren in der Schlussminute aus der Abstiegszone befreien. Dennoch predigt der Trainer Selbstbewusstsein vor dem Spiel in Frankfurt: “Wir werden uns nicht verstecken, sondern selbstbewusst auftreten. Wenn wir schnell zu unserem Rhythmus finden, energisch gegen die Eintracht spielen und kämpfen, dann ist einiges für uns drin.“

Doch dazu bekommen die Gäste zunächst keine Gelegenheit, denn die Eintracht legt an diesem Montagabend vor 14.100 Zuschauern konzentriert und hochgradig engagiert los, um die Hamburger bereits in den Anfangsminuten nach Lust und Laune zu überlaufen. Vor allem Sobotzik wirkt gegen seine alten Mitspieler wie aufgedreht. Einen ersten Freistoß führt er selbst aus, um ihn mustergültig auf Epp zu schlenzen, der allerdings um Zentimeter neben den Kasten von Thomforde köpft (4.). Aber nicht nur im Spiel nach vorne, auch in den Zweikämpfen zeigen sie sich wesentlich bissiger als St. Pauli. So erkämpft sich Weber gegen Karaca den Ball bereits in der gegnerischen Hälfte und setzt Epp auf der rechten Seite ein, der Trulsen mal eben stehen lässt und den Ball prima in den Strafraum flankt. Genau zu Sobotzik, der ihn zum 1:0 in die Maschen köpft (10.).

Das Tor gibt zusätzliches Selbstvertrauen, während St. Pauli überfordert wirkt angesichts der Geschwindigkeit des Frankfurter Spiels. Wieder ist es Epp, der zwei Abwehrspieler bindet, als es Schur nach vorne zieht. Genau darauf hat Sobotzik gewartet, der mit einem glänzenden Pass die gesamte Abwehr düpiert und die Kugel dem jetzt freistehenden Schur in den Lauf schiebt. Eiskalt verwandelt der zum 2:0 in der 16. Spielminute. “Thomas macht eine überragende Partie“, lobt der Trainer und ergänzt freudestrahlend: "Das war sehr feiner Fußball. Ständig wurden die Außen mit einbezogen, viel Druck gemacht und gut kombiniert." So ist es und so geht es zunächst auch weiter. Diesmal dauert es bis zur 29. Minute, als der enorm aktive Epp Dammann austänzelt und in den Strafraum zieht. Doch der 31-jährige Verteidiger kennt keine Gnade und haut ihn von hinten von den Beinen, so dass Schiedsrichter Werthmann sofort auf den Elfmeterpunkt zeigt. Weber läuft an und haut den Ball flach und hart zum 3:0 in die Maschen (30.).

Nachdem Sobotzik und kurz darauf Wolf mit ihren Distanzschüssen nur knapp das Tor verfehlen, muss Epp plötzlich mit Knieproblemen vom Platz und kommt Mehic in die Partie, die jetzt deutlich an Fahrt verliert (34.). Im Gefühl der sicheren Führung schleichen sich erste kleine Konzentrationsfehler ein und die Gäste kommen kommt besser ins Spiel, zumal mit Marin für Scherz bereits nach 36 Minuten ein dritter Angreifer auf dem Platz steht. Dennoch gibt es für Torhüter Nikolov bis zur Pause herzlich wenig zu tun, in die die Eintracht mit stehenden Ovationen der Zuschauer verabschiedet wird.

Im zweiten Abschnitt werden die Hamburger aggressiver, gewinnen plötzlich mehr Zweikämpfe und bedrängen die Frankfurter, die nun immer mehr Unsicherheiten zeigen. "Wir haben die zweite Halbzeit mit einem Filmriss begonnen", schüttelt Horst Ehrmantraut den Kopf, während St. Pauli das Spiel bestimmt und zudem das Glück des Tüchtigen hat. Denn ein Freistoß von Hanke aus knapp dreißig Metern wird im Strafraum von Marin abgefälscht, so dass die Kugel unhaltbar für Oka Nikolov in der anderen Ecke zum 1:3 landet (50.). Kurz wirken die Gastgeber vogelwild und versuchen trotz der sich häufenden Ballverluste, wieder ihr schnelles Spiel aus der Anfangsphase aufzuziehen. Doch St. Pauli greift jetzt wesentlich früher an und kann sich das Leder allzu schnell wieder erobern. So brennt es im Frankfurter Strafraum, als Karaca im Strafraum abzieht, Nikolov den Ball aber an die Latte lenken kann, um den Nachschuss des 21-jährigen Türken glänzend um den Pfosten zu lenken (61.). Auch bei der folgenden Ecke können die Verteidiger nicht retten, so dass es ein heilloses Gewühl im Fünfmeterraum gibt und nur Nikolov die Übersicht behält, um zu klären (62.).

Vier Minuten später muss Kutschera verletzt raus, so dass Schur jetzt weiter hinten spielt, während der eingewechselte Levy im Mittelfeld agiert und sich sogleich mit guten Szenen einführt. Denn nachdem Marin ebenfalls verletzt ausgewechselt werden muss und Scharping ins Spiel kommt, setzt sich der 20-Jährige beim Kopfballduell herrlich durch, köpft den Ball aber leider nur an den Pfosten (73.). Trotzdem lobt ihn der Trainer ausdrücklich: "Als er von den Amateuren zu den Profis gekommen war, hat er noch gar nicht gewusst, was es heißt, Profi zu sein. Aber er kann es packen.“

Überhaupt scheint die zwischenzeitliche Konfusion bei der Eintracht endlich beendet zu sein. Energischer stellen sie sich nun den Angriffen der Gäste entgegen und kommen ihrerseits wieder zu Chancen. So in der 85. Spielminute, als ein Ball im eigenen Strafraum abgefangen wird und es über Bindewald, Levy und einem herrlichen Doppelpass zwischen Houbtchev und Wolf schnell nach vorne geht. Wolf legt scheinbar all seinen Frust der letzten Monate in seinen Schuss und zimmert ihn aus gut zwanzig Metern zum 4:1 in die Maschen, um für seinen aus Sicht des gestrengen Schiedsrichter übertriebenen Torjubel die gelbe Karte zu kassieren.

Eher ein Schönheitsfehler passiert drei Minuten später, als Dammann nach einem Missverständnis zwischen Nikolov und Bindewald an den Ball kommt und ihn zum 2:4 versenkt (88.). Denn nachdem Levy mit seinem Schuss am gegnerischen Pfosten scheitert, ist es vollbracht. Die Zuschauer jubeln, die Spieler liegen sich in den Armen. Endlich ist der so lang ersehnte Dreier unter Dach und Fach. Damit bleibt die Eintracht auf Rang Vier mit einem Zähler Rückstand auf Freiburg und zweien auf Gütersloh, die ihre Spiele jeweils bereits am Wochenende gewonnen hatten, während Nürnberg nach sechs Siegen in Folge zuhause überraschend gegen Düsseldorf verliert. St. Pauli hingegen verliert seinen Trainer. Drei Tage nach der Niederlage in Frankfurt tritt Eckhard Krautzun zurück und sein Co-Trainer Kleppinger übernimmt die Mannschaft. (tr)


Stimmen zum Spiel

Horst Ehrmantraut: "Das war ein ungemein wichtiger Sieg nach all dem Druck. Nun freue ich mich auf das Spiel in Mainz, so ein Derby hat doch etwas. Die stehen unter Druck. Da müssen wir uns etwas Gutes überlegen."

Präsident Rolf Heller: "Das war der bisher wichtigste Sieg dieser Saison. Bei einer Niederlage wären wir unter großen Druck geraten, gerade was die Verpflichtung von neuen Spielern anbelangt. So aber hat sich das ganze Stimmungsbild geändert"

Thomas Sobotzik: "Ich hoffe, dass sich jetzt wieder eine Eigendynamik entwickelt und wir eine kleine Positivserie starten."

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