SV Groß-Bieberau - Eintracht Frankfurt

Freundschaftsspiel 1997/1998

2:9 (1:5)

Termin: 01.07.1997
Zuschauer: 2.000
Schiedsrichter:
Tore: 1. Halbzeit: 0:1 Rajmond Agbemanyole (9.), 1:1 Ralf Weber (11.), Sascha Amstätter, Thomas Sobotzik, Istvan Pisont (2); 2. Halbzeit: Hakan Cengiz (3), Antonio da Silva, Thomas Krömmelbein (Groß-Bieberau)

 

Einweihung des Rasenplatzes

>> Spielbericht <<

SV Groß-Bieberau Eintracht Frankfurt

     

  • Thomas Krömmelbein
  • Rajmond Agbemanyole

 

1. Halbzeit

 

Wechsel

2. Halbzeit

Trainer

Trainer

 

Aufgalopp in die Saison des Horst Ehrmantraut

Prolog: Alles muss raus, alles wird umgekrempelt

Kaum zu glauben, 28 Spieler haben die Eintracht innerhalb der letzten zwölf Monate verlassen und die Tränen bei der Verabschiedung von Maurizio Gaudino, der nun für den von Jörg Berger trainierten FC Basel spielt, sind vielen noch in Erinnerung. Lediglich Patrick Glöckner hat einen gültigen Vertrag für die neue Spielzeit, doch der Mann mit dem Zopf wird kurz vor Trainingsbeginn an die Stuttgarter Kickers verliehen. Denn Präsident Heller, Schatzmeister Patella und Trainer Ehrmantraut haben bereits seit Beginn der letzten Rückrunde an einer neuen Mannschaft gearbeitet. Und dies trotz der Geraunes in der Boulevardpresse und bei Teilen des Verwaltungsrates, die dem Trainer einen Wechsel nahelegen wollten und angeblich bereits mit Ronnie Borchers Kontakte geknüpft hatten. Doch Mitte Mai gab es endlich das Machtwort des Präsidenten, der den Trainer als “absoluten Glücksgriff, auch wenn er ein schwieriger Mensch ist“, beschreibt und alle Spekulationen beendet, so dass mit voller Kraft die neue Saison geplant werden kann.

Mit Uwe Bindewald, Oliver Bunzenthal, Oka Nikolov und Ralf Weber, der nach 22-monatiger Verletzungspause erst am 33. Spieltag gegen Kaiserslautern sein Comeback feierte, umfasst der neue Kader nur vier Spieler, die mit den Frankfurtern einst in der Bundesliga gespielt haben. Was dem Trainer nicht unrecht ist: “Als ich die Mannschaft im Winter übernommen habe, war sie steril. Das waren keine Menschen, die ihre Arbeit aus dem Gefühl heraus gemacht haben. Die waren jenseits jeglicher Realität. Die haben keine Freude empfunden, auch keinen Ärger, die haben keinen Spaß gehabt, die haben keine Lust gehabt. Das war merkwürdig. Die waren weit weg von dem, was man in die Zweite Liga investieren muss.“

Ohne diese “Leistungsträger“ soll die kommende Saison nach dem Willen der Vereinsoberen und der eingeschalteten Unternehmensberatung ein Übergangsjahr, eine Saison der Konsolidierung in sportlicher und vor allen Dingen finanzieller Hinsicht werden. Denn 7,1 Millionen Mark an Schulden sind abzutragen. Zudem verbieten strenge Lizenzauflagen des DFB, dass Spieler durch den Verein finanziert werden, so dass ablösepflichtige Neuzugänge nur mit Hilfe externer Investoren verpflichtet werden können. Jahre später erzählt Horst Ehrmantraut, wie er mit den Planungen für die aktuelle Saison begonnen hat: “Wir konnten nicht einfach nur Risiko gehen. Wir wollten Typen holen, die zum Verein und zur Zielsetzung passen. Hinter die Auswahl von Spielern habe ich mich mit Akribie geklemmt. Ich wollte die Psyche der Spieler bewerten. Will der kämpfen, sich aufreiben und den Weg mitgehen oder nur leichtes Geld abgreifen?“

So wird Uwe Bein, der zurzeit beim Oberligisten VfB Gießen spielt, schnell abgelehnt, erzählt Präsident Heller: “Das war ein ganz heißes Thema. Aber es war ein unannehmbares Kostenvolumen, denn Bein hatte Vorstellungen wie zu besten Bundesligazeiten und wenn wir ihn genommen hätten, hätten wir Janßen und Houbtchev nicht verpflichten können. Aber für mich war er nicht der Garant dafür, dass der Mannschaftsteil wo es gehapert hat, nämlich im hinteren Deckungszentrum, wesentlich stabilisiert würde.“ Erfüllt haben die Kriterien des Trainers haben offensichtlich neben den von Heller genannten auch Güntensperger und Kutschera, die ebenso wie Houbtchev sowie Janßen in der letzten Saison ausgeliehen und nun für insgesamt 1,2 Millionen Mark verpflichtet werden.

Ebenfalls bereits in der alten Spielzeit konnten die “Alt-Frankfurter“ Thomas Sobotzik (für 350.000 Mark von St. Pauli), Dirk Wolf (ablösefrei von Mönchengladbach), Burhanettin Kaymak (ablösefrei zurück aus Istanbul) sowie der eigentlich schon zum FSV gewechselte Alexander Schur (für 100.000 “freigekauft“) zurückgeholt werden. Noch unter Manager Hölzenbein für die Saison 1997/98 verpflichtet wurden zudem Renato Levy und Sascha Amstätter vom FSV, die scheinbar wenig in die Planungen des Trainers passen. "Wir wollen sie für ein Jahr ausleihen", teilt Präsident Heller daher mit.

Aufgrund der extrem kurzen Sommerpause von nur 14 Tagen bis zum Trainingsauftakt wurden ebenfalls bereits in der Rückrunde neu verpflichtet: der “Frankfurter Junge“ Thomas Zampach (für 30.000 Mark vom SV Wehen), Stürmer Thomas Epp (eigentlich 150.000 Mark, “dank“ des Abstiegs von Waldhof Mannheim jedoch ablösefrei), Marco Gebhardt, ein 24-jähriger Linksfuß für die linke Außenbahn, (für 45.000 Mark vom Regionalligisten SC Verl) sowie der bosnische Stürmer Sead Mehic (lt. Kicker-Sportmagazin “für einige VIP-Tickets“ aus Klein-Karben). Dazu gesellen sich der Torschützenkönig der Regionalliga Nord, Hakan Cengiz vom VfL Herzlake und Antonio da Silva von den Sportfreunden Eisbachtal.

Ungewöhnlich von statten geht indes die Verpflichtung der beiden Albaner Adrian Dashi und Edi Martini. Mit einem spanischen Touristenvisum fliehen sie unmittelbar nach dem Länderspiel ihrer Junioren-Nationalmannschaft gegen Deutschland in Grenada im “Handgepäck“ von Eintracht-Späher und 59er-Meister Istvan Sztani vor den Unruhen im eigenen Land nach Frankfurt. Innerhalb von 10 Minuten packten sie ihre Sachen, erzählt der 22-jährige Martini, der einen Einjahresvertrag unterzeichnet, um sich "in vollstem Vertrauen auf meine Beine" für ein besseres Angebot zu empfehlen. Der Vater des 21-jährigen Dashi, mit dem er telefoniert, scheint ebenso nicht vollends begeistert vom Angebot der Eintracht zu sein: "Papa ist der Vertrag zu lang und das Gehalt zu gering", woraufhin Geschäftsstellenleiter Klaus Lötzbeier Klartext redet: "Entweder du akzeptierst oder du suchst dir einen anderen Verein. Oder du gehst zurück." Da er die beiden nicht kennt, will sich Ehrmantraut im Rahmen der Vorbereitung entscheiden, ob er sie im Profikader aufnimmt oder sie bei den Amateuren spielen werden.

Insgesamt knapp 1,3 Millionen Mark hat der neue Kader bislang gekostet. “Peanuts“, wenn man bedenkt, dass alleine Ende Juni die letzte Rate in Höhe von 1,9 Millionen Mark aus dem Verkauf von Anthony Yeboah von Leeds United eingehen wird, die allerdings fast komplett zur Schuldentilgung verplant ist und Fenerbahce Istanbul den Frankfurtern Ende Mai noch 1,5 Millionen Mark aus dem Transfer von Jay-Jay Okocha schuldig ist...

So umfasst der neue Kader zum Trainingsauftakt am Riederwald bereits wieder 28 Mann und es soll weiter nach Verstärkungen gesucht werden, während sich im Präsidium und beim Trainer bereits leichter Optimismus breit macht. “Es gibt zumindest eine Aufstiegsperspektive. 29 Punkte hat die Mannschaft in der Rückrunde geholt. Hätte sie das gleiche Ergebnis in der Vorrunde erreicht, wären wir bereits in diesem Jahr aufgestiegen", meint Rolf Heller, während Horst Ehrmantraut vorsichtig bestätigt: "Wir gehen mit einer schlagkräftigen Mannschaft in die Saison. Das neue Team besitzt alle Perspektiven. Mit diesem Kader müssen wir im ersten Drittel mitspielen, Platz acht bis zwölf in der Zweiten Liga ist in Frankfurt uninteressant."

Offiziell formuliert wird die Zielsetzung aus dem mit der Unternehmensberatung Roland Berger erarbeiteten “5-Jahres-Plan“ in Werbeflyern und im Stadionmagazin schließlich so: "Die Rückkehr in die erste Bundesliga ist das Ziel, das die Frankfurter Eintracht bis 1999, dem Jahr ihres einhundertsten Geburtstags, erreichen will." Die Saison 2000/01 soll sodann der Stabilisierung im oberen Drittel dienen und das Jahr darauf dem Erreichen eines UEFA-Cup-Platzes…


Auftakt-Sieg am Sepp-Herberger-Weg

Mit dem kompletten Kader reist die Eintracht in den Landkreis Darmstadt-Dieburg, um nach fünf schweißtreibenden Trainingstagen ein wenig Abwechslung am Ball beim SV Groß-Bieberau zu suchen, der in der Bezirksliga Ost des Odenwald-Kreises kickt. Mehr als 2.000 Zuschauer an der Sportanlage am Sepp-Herberger-Weg müssen sich zunächst einmal orientieren, um zu erkennen, wer denn da bei der Eintracht spielt. Denn gleich sechs Debütanten stehen in der Startaufstellung, darunter als Gast der 27-jährige Mittelfeldspieler vom israelischen Meister Beitar Jerusalem, Istvan Pisont, an dem Horst Ehrmantraut starkes Interesse hat: "Das ist ein ganz starker Mann. Wenn der im vorderen Mittelfeld mit Sobotzik zusammenspielen würde, wäre das eine starke Einheit." Doch Schatzmeister Patella schränkt sogleich ein, dass nur ein ablösefreier Wechsel möglich ist, was sich jedoch nicht realisieren lassen wird, so dass Pisont erst zur Saison 1998/1999 zur Eintracht kommen wird.

Während die Zuschauer noch grübeln, klingelt es bereits das erste Mal im Kasten. Zum Erstaunen aller ist es der Bezirksligist, der auf dem nagelneuen Rasenplatz in Führung geht. Denn nach einem heftigen Missverständnis zwischen Bindewald und Dashi nutzt der Togolese Rajmond Agbemanyole die Gunst der Stunde und erzielt das 1:0 (9.). Nachdem Weber nur zwei Minuten später für den Ausgleich sorgt, läuft das Spiel jetzt in den erwarteten Bahnen. Die Eintracht lässt die Kugel fast nach Belieben kreisen, wobei Gastspieler Pisont, Weber und auch der beim Trainer eigentlich nicht wohlgelittene Amstätter mit seinen Dribblings besonders auffällig agieren, Sobotzik allerdings noch keine Bäume ausreißt. Dennoch gehen die Frankfurter durch 2 Tore von Pisont sowie je einem von Amstätter und Sobotzik mit einer 5:1-Führung in die Pause.

Zur zweiten Halbzeit wechselt Horst Ehrmantraut bis auf Pisont die gesamte Mannschaft aus, so dass jetzt Nikolov im Kasten steht und neben dem israelischen Stürmer ein zweiter Gastspieler als Spitze aufläuft, von dem die FAZ auf Nachfrage nur die Auskunft erhält, dass er “Blazedo Beckawatz heißt, Kroate ist und ebenfalls eine Spielberechtigung als Gast besitzt“. Tatsächlich ist es der Kroate Blazenko Bekavac, ein 22-jähriger Stürmer von Ferencvaros Budapest, der jedoch nicht zu überzeugen scheint. In der kommenden Saison verpflichtet ihn Uwe Rapolder für Waldhof Mannheim, wo er jedoch nach nur zwei Saisoneinsätzen im Folgejahr nach Schweinfurt wechselt.

Obwohl nun einige Nachwuchskräfte am Werk sind, die noch nie zusammen gespielt haben, bleibt es ein Spiel auf ein Tor, da die Kräfte der Hobby-Kicker mit jeder Minute nachlassen. So kann Hakan Cengiz, der bei Herzlake in der letzten Saison 28 Tore geschossen hat, einen Hattrick erzielen und auch da Silva trifft einmal zum 9:1, bevor Thomas Krömmelbein noch einmal für Groß-Bieberau einnetzen darf.

Nach dem besseren Trainingsspiel zeigt sich Präsident Heller zufrieden und wagt es, ein wenig zu träumen: "Mit Zampach und Wolf sind wir auf den Außenbahnen besser besetzt als in der vergangenen Saison. Weber und Sobotzik werden den Fortgang von Gaudino kompensieren und auch im Sturm werden wir stärker als im vergangenen Spieljahr sein." Leichten Widerspruch erntet er erwartungsgemäß von Horst Ehrmantraut: “So qualifizierte Spieler wie Mirko Dickhaut und Maurizio Gaudino sind nicht so einfach zu ersetzen. Für Gaudino gibt es keine Kopie, dass erfordert auch eine neue Taktik.“ Trotzdem glaubt er, dass er seine Vorstellungen umsetzen kann: "Es herrscht eine gute Aufbruchstimmung im gesamten Verein, in dem sich jeder absolut die Mühe gibt, das umzusetzen, was wir uns vorgenommen haben."

Klingt wie abgesprochen, denn auch der Präsident merkt an: "So einträchtig wie im Moment war es nie zuvor in den zwanzig Jahren, seit ich mit ihr in irgendeiner Form verbunden bin." Dazu passt auch das Fazit der von der Eintracht noch in der alten Saison beauftragten Unternehmensberatung Roland Berger, die die Eintracht in fünf Jahren, also in der Saison 2001/02 mit Lizenzspielerausgaben von 29 Millionen Mark wieder im UEFA-Cup sieht. Zumindest mit den Ausgaben werden sie sich nicht täuschen…


Aufgeklärt: Horst Ehrmantraut und sein weißer Plastikstuhl

Erstmals aufgetaucht ist er zum Auftakt der Rückrunde der letzten Zweitligasaison, nachdem der Mann aus Einöd Nachfolger von Trainer Stepanovic wurde. Beim 3:0-Sieg gegen den VfB Lübeck sitzt er auf einem weißen Plastikgartenstuhl vor den Werbebanden auf der Laufbahn und wird von Schiedsrichter Janßen mehrmals ermahnt, ihn auf die angemessene Distanz zum Spielfeldrand zu rücken. Gekauft hatte das gute Stück Lizenzspielleiter Falkenhain, den Horst Ehrmantraut beauftragte, ihm “bitte im Baumarkt den billigsten Stuhl zu kaufen.“

“Voodoo-Horst“, lästern sie über ihn auf den Logenplätzen, angeblich würde er die Spieler fixieren und könnte so Energiefelder besser wahrnehmen, da er ja auch die Mannschaftsaufstellung mit der Wünschelrute auspendele. “Alles Blödsinn, es ist kurios, welche Unwahrheiten da reingedeutet wurden“, erzählt Ehrmantraut Jahre später: “Ich wollte diesen billigen, weißen Plastikstuhl, um ein Zeichen zu setzen. Frankfurt war zweitklassig, da war nichts mehr mit Elite. Alle Frankfurter, auch die Banker, sollten begreifen, dass jetzt angepackt und unten angefangen werden muss. Arbeit, Maloche. Der weiße Plastikstuhl war hochgradig symbolisch.“

Zu Diskussionen kam es immer mal wieder, weil er den Stuhl sehr weit nach vorne an den Spielfeldrand gestellt hat. Auch hierfür hat er eine für ihn typische und einleuchtende Erklärung: “Aber doch nur, weil ich mich im Spiel voll konzentrieren können wollte. Wenn ich da die ganze Zeit die Gespräche der Bankspieler im Ohr habe, drehe ich durch. Ein Co-Trainer neben mir war manchmal noch okay, aber am liebsten blieb ich allein und für mich.“ Immerhin hat er stets Mitleid gehabt mit dem Stuhl, der inzwischen im Eintracht-Museum steht: “Er hat ja auch einiges mitmachen müssen, der arme Kerl. Ich habe den Stuhl getreten, umgeworfen, gestoßen – das tat mir manchmal schon fast leid.“ (tr)

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