Eintracht Frankfurt - VfL Wolfsburg

2. Bundesliga 1996/1997 - 11. Spieltag

1:1 (1:1)

Termin: 19.10.1996
Zuschauer: 12.5000
Schiedsrichter: Keßler (Wogau)
Tore: 0:1 Stefan Meissner (28.), 1:1 Slobodan Komljenovic (45.)

 

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Eintracht Frankfurt VfL Wolfsburg

 


  • Uwe Zimmermann
  • Matthias Maucksch
  • Jann Jensen
  • Zoran Tomcic
  • Roy Präger
  • Probst
  • Michael Spies
  • Detlev Dammeier
  • Jens Keller
  • Stefan Meissner
  • Piotr Tyskiewicz

 

Wechsel

Wechsel

  • Sead Kapetanovic für Zoran Tomcic (50.)
  • Mihtarski für Stefan Meissner (75.)
  • Peter Kleeschätzky für Jann Jensen (84.)

Trainer

Trainer

 

 

Stepi übt das Schönschwätzen

Dr. Bernd Thate wird Schatzmeister, Bernd Hölzenbein kündigt

Nach drei Wochen gibt es außer warmen Worten für die Mitarbeiter und der Auskunft, dass “der Verein im Grunde pleite“ sei und dass er “heute wieder 20.000 Mark für die marode Finanzkasse aufgetan“ habe, wenig vom neuen Präsidium zu hören. Auch von Taten ist nichts bekannt, weder geht es bei der Suche nach neuen Spielern, Sponsoren oder den Diskussionen mit der Hausbank weiter, noch kann irgendein anderer Erfolg vermeldet werden. Immerhin wird nach dem heutigen Spiel verkündet, dass ein neuer Mann gefunden sei, der nach der Einarbeitung durch Wolfgang Knispel ab dem 1. November als Schatzmeister agieren soll. Wie passend, dass Präsident Otto bei der Pressekonferenz weder den Vornamen noch die korrekte Schreibweise des Nachnamens parat hat, schnell auf den VIP-Parkplatz eilt, in seinen Unterlagen herumkramt und schließlich verkündet: “Sehen Sie, der neue Schatzmeister heißt Thate, Bernd Thate. Ein hervorragender Fachmann.“ Ob dies der 50-jährige Bank-Kaufmann und Jurist tatsächlich ist, kann nicht bewiesen werden. Denn der Schatzmeister wird wieder von Bord sein, bis sich die korrekte Schreibweise seines Namens herumgesprochen hat…

Und dies, obwohl nach Fertigstellung des Jahresabschlusses für das Vorjahr ein Mammutprogramm vor dem Hüter der Finanzen steht, schließlich sind die Verhandlungen mit der BfG-Bank über die Verlängerung der Kreditlinien ins Stocken geraten, so dass die Lizenz für die kommende Spielzeit mehr als gefährdet ist. Da nützt es wenig, dass Trainer Stepanovic mahnt, dass spätestens bis Dezember das Team für die nächste Saison "festgenagelt“ werden müsse und er dringend Verstärkungen in der Winterpause brauche. Denn “aus der Krise der Eintracht kann es überhaupt nur einen Ausweg geben und das ist der Aufstieg.“ Doch dazu muss gehandelt werden und für Verstärkungen fehlen offensichtlich sowohl das Geld als auch die Ideen.

Bernd Hölzenbein stinkt all dies inzwischen ebenso wie die fortwährende Kritik an seiner Person. Daher kommt er den zaudernden Gremien entgegen, indem er nicht abwartet, ob sein Vertrag über den 30. November hinaus verlängert wird und kündigt von sich aus. “Ich wollte mich nicht abschießen lassen von Leuten, die nicht kompetent sind“, poltert der 50-Jährige, der seine Sachen unmittelbar nach dem Heimspiel gegen Leipzig endgültig packen wird. Derart vorgeführt, reagiert Präsident Otto allerdings nicht mit seiner sofortigen Entlassung, sondern bestätigt nur sarkastisch, dass er ohnehin nur seiner Demission zuvorgekommen sei: "Er hat als Spieler für die Eintracht gute Arbeit geleistet, als Manager anfangs (!) auch."


Erste Pfiffe für Stepi

Es ist nicht viel übrig von der guten Laune, die Dragoslav Stepanovic zu Beginn der Saison noch ausstrahlte. Die Kritik an der destruktiven Spielweise beim Spiel in Mainz setzt ihm zu, aber er verteidigt sie vehement: “Wir werden weiter erst einmal die Defensive ausbauen und dann ganz ruhig das Spiel aufbauen. Wir müssen uns in Geduld üben, ein frühes Gegentor verhindern, selbst eines schießen und dann sehen wir schon weiter. Die guten Ansätze aus Mainz müssen wir jetzt gegen Wolfsburg bestätigen.“ Das wäre nicht schlecht, zumal die drei Heimniederlagen auch am Selbstbewusstsein der Spieler nagen. "Es läuft bei mir nicht zu meiner Zufriedenheit. Auch als Mannschaft agieren wir gerade zuhause ideen- und konzeptlos, aber da muss ich mir an die eigene Nase packen“, meint etwa Mirko Dickhaut, während der Trainer von einem "Heimkomplex" nichts wissen will. Der Kapitän allerdings fällt heute wegen einer Magen-Darm-Grippe aus, so dass Beuchel seine Position vor der Abwehr mit Komljenovic, Bindewald und Libero Zchadadse übernimmt. Glöckner sowie Rossi besetzen wieder die Außenbahnen und im Sturm werden Becker und Ekström vor Gaudino agieren, der wieder auf seine Position im zentralen Mittelfeld darf.

Zufrieden können sie hingegen bei den Gästen sein, nachdem diese in der Vorsaison noch vollmundig den Aufstieg anvisierten und sich zur Winterpause auf den Abstiegsrängen befanden. So musste Gerd Roggensack gehen, dem ein Mann folgte, der zuletzt bis Januar 2000 den HSV trainierte und seitdem ein Steakhouse in Elmshorn betrieb. "Wenn ich sehe, wer alles im Profigeschäft mitmischt, dann muss ich auch wieder anfangen", erklärte der 47-jährige Hamburger Ex-Profi Willi Reimann und sammelte mit seinem neuen Team Punkt um Punkt, um sich am Ende auf Rang Zwölf anzusiedeln. "Wir waren in der vergangenen Saison 14 Spiele ohne Niederlage und an diese Serie haben wir angeknüpft", erklärt der Trainer nicht ohne Stolz. In der Tat hat der VfL die letzten neun Spiele nicht verloren und damit Tuchfühlung zu den Aufstiegsplätzen. Ein gutes Ergebnis für den Verein, der noch nicht über die Millionen von VW-Chef Martin Winterkorn und seinen Nachfolgern verfügt. Nur 7,5 Millionen Mark beträgt der Saison-Etat (Etat der Eintracht für die Profi-Mannschaft: 14,1 Millionen), der Investitionen in arrivierte Bundesligakicker nicht zulässt. Allerdings übertreibt Willi Reimann mit Blick auf den Main doch maßlos: "Frankfurt hat eine gute Truppe zusammen. Wenn ich den mit Erstligaprofis durchzogenen Kader sehe, sorgt das für großen Respekt." So kann sich Gaudino wieder auf eine Sonderbewachung und die Frankfurter Stürmer auf eine massive Hintermannschaft einstellen, in der neben dem nach seiner Sperre wieder einsatzbereiten Dammeier der künftige Frankfurter Jens Keller sowie Zoran Tomcic für den verletzten Kapitän Mauksch als Libero beginnen wird.

Wenig mehr als 12.000 Zuschauer verirren sich im Waldstadion, die aber sehen zu Beginn eine Frankfurter Mannschaft, die engagiert nach vorne spielt. Aber es ist das alte Leid, Gaudino erfreut sich engster Bewachung durch Probst und der Rest der Truppe spielt die Kugel meist so bieder in Richtung Strafraum, dass die Wolfsburger Verteidiger ohne Probleme klären können. So wird es erstmals in der 18. Minute richtig brenzlig, als Gaudino sich mit zwei schnellen Haken seines Kettenhundes entledigt und den Ball in die Gasse zu Becker schiebt, dessen Schuss Zimmermann aber pariert. Von den Gästen ist im Sturm bislang ebenfalls kaum etwas Konstruktives zu sehen, meist läuft die Kugel bis ins Halbfeld, um dann an einem Frankfurter Abwehrbein hängen zu bleiben. Bis sich Präger auf der rechten Seite gegen Rossi durchsetzen kann und die Kugel hoch in den Strafraum flankt. Lange ist die Kugel in der Luft, Nikolov schaut, Zchadadse ebenfalls und Bindewald wartet geduldig, auf das sie bei ihm landet. Macht sie aber nicht, denn Meissner bewegt sich und köpft das Leder zum 1:0 für den VfL in die Maschen (29.). Was für eine famose Abwehrleistung…

Was folgt, kommt den Zuschauern vor wie eine Wiederholung der letzten Heimspiele. Der Gegner zieht sich konsequent zurück und macht die Räume im eigenen Halbfeld dicht, während die Eintracht mit vielen Querpässen versucht, eine Lücke zu finden. Immerhin landet der Ball nach einem Schuss von Becker einmal im Netz, doch der Linienrichter hatte zuvor längst auf Abseits entschieden (31.). Auch Komljenovic und Zchadadse haben kleinere Möglichkeiten, aber so wirklich entschlossen wirken die Versuche nicht, nach nun gut 300 Minuten endlich mal wieder einen Heimtreffer zu landen. Schon ist die Pause in Sicht, da gibt es noch einmal einen Freistoß für die Eintracht, den Gaudino ausführen wird. Er zirkelt das Leder vor den Elfmeterpunkt, wo der heute als Kapitän spielenden Komljenovic den Platz und die Zeit hat, seinen Kopfball punktgenau zu platzieren. Zum völlig überraschenden 1:1 für die Eintracht (45.).

Der Treffer sollte doch Mut machen für die zweite Halbzeit. Aber weit gefehlt, umständlich lassen sie den Ball im Mittelfeld laufen, um den nächsten freien Mann zu suchen. Da ist kein Automatismus, keine überraschende Aktion, keine Einzelaktion. Rossi trabt wie gewohnt auf der Außenbahn und auch von Glöckner ist herzlich wenig zu sehen. Gaudino probiert es immerhin, aber im Sturm versteckt sich Ekström konsequent bei seinen Gegenspielern, während Becker zwar manches Mal anspielbar ist, er bei seinen Aktionen aber lethargisch und fast desinteressiert wirkt. Eine schöne Flanke von Komljenovic köpft er weit am Tor vorbei (58.) und mit seinem Schuss von der Strafraumgrenze aus hat Torhüter Zimmermann keine Probleme (61.).

Ansonsten herrscht Flaute am Strafraum der Gäste. Dafür mehren sich jetzt die Fehlpässe im Spielaufbau, so dass der VfL auch mal wieder dazu kommt, sich am vorsichtigen Kontern zu versuchen. Vor allem Menze wirkt völlig orientierungslos, die einfachsten Pässe misslingen ihm, so dass die Hintermannschaft mehr zu tun bekommt, als eigentlich nötig wäre. Dennoch wird er vom Trainer gelobt, was nicht nur bei den Zuschauern für Unverständnis sorgt: "Menze hat als Feuerwehrmann eine sehr, sehr gute Leistung gebracht. Leider kamen seine Pässe nicht so gut an." Überhaupt scheint Dragoslav Stepanovic heute seine rosarote Brille zu tragen, denn “meine Mannschaft hat endlich einmal so gespielt, wie ich mir das wünsche.“ Darüber kann nicht nur Bernd Hölzenbein den Kopf schütteln, der meint: "Ich bin enttäuscht, mir hat das Feuer und die Begeisterung gefehlt." Auch die Zuschauer werden immer unruhiger, zumal der Trainer gar nicht daran denkt, mit einer Auswechslung für frischen Wind zu sorgen.

So schleppt sich das Spiel dem Ende entgegen und nur ein Distanzschuss von Spies, der die Latte touchiert (84.) sowie eine schöne Schauspieleinlage von Torhüter Zimmermann nach einem Zusammenprall mit Gaudino können die Zuschauer aufregen. Aber jetzt melden sie sich, als Stepanovic endlich einmal wechselt, jedoch nicht Menze erlöst, sondern Rossi, um statt eines weiteren Stürmers Timo Reuter zu bringen. Pfiffe ertönen und auf der Haupttribüne erklingen erste “Stepi raus“-Sprechchöre, während im G-Block und zum Teil auch auf der Gegentribüne noch für den Trainer Partei ergriffen wird. Unterdessen segelt ein langer Ball in die Hälfte der Frankfurter und Präger kann sich mit einem kurzen Haken von Reuter befreien, in die Mitte laufen und in den Strafraum ziehen. Er hat nur noch Nikolov vor sich und kann sich Ecke aussuchen, schafft es aber, den Ball wie ein aufgeregter Hobbykicker neben den linken Pfosten zu setzen (89.). "Das war keine hundertprozentige, das war eine tausendprozentige Chance", regt sich VfL-Trainer Reimann am Seitenrand auf, während die Eintracht noch einmal nach vorne drängt. Doch bis auf einen Schuss von Becker, der am Tor vorbei geht, springt nichts mehr dabei raus.

Endlich wieder ein Heimpunkt oder schon wieder nicht gewonnen? So ist auch die Stimmung im Waldstadion, wieder ertönen Pfiffe und “Stepi raus“-Rufe, während der G-Block “Stepi, Stepi!“ intoniert und Beifall spendet, andere wiederum nur die Schultern zucken und ratlos ihre Plätze verlassen. War dies eine Leistung, die für den Wiederaufstieg reicht? Der Abstand auf diese Ränge beträgt fünf Punkte, dafür rückt das Tabellenende näher, denn nur drei Punkte hinter der Eintracht steht Lübeck auf Rang 15. So mahnt Komljenovic mit Blick auf die Franken, die sich im Vorjahr als Aufstiegsaspirant beharrlich weigerten, den Abstiegskampf anzunehmen und zur Belohnung heute in der Regionalliga Süd kicken: “Einen zweiten Fall Nürnberg darf es nicht geben!“ (tr)


Die Stimme zu einem scheinbar anderen Spiel

Dragoslav Stepanovic: "Wir haben schlecht angefangen, aber dann so gespielt, wie ich mir das wünsche. Mit einem ruhigen Aufbau und vielen guten Szenen. Becker hat sein ganzes Talent gezeigt. Das war ein guter Anfang und ich glaube daran, dass wir wieder in den Spitzenkampf eingreifen können. Ich bin sehr zufrieden."

 

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