Girondins Bordeaux - Eintracht Frankfurt

1995 - UEFA-Intertoto-Cup, Achtelfinale

3:0 (0:0)

Termin: 29.07.1995, Bordeaux, Parc Lescure
Zuschauer: 11.000
Schiedsrichter: Shellings (Belgien)
Tore: 1:0 Lucas (50.), 2:0 Dutuel (63.), 3:0 Zidane (85.)

 

 

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Girondins Bordeaux Eintracht Frankfurt

  • Gaetan Huard
  • Laurent Croci
  • Bixente Lizarazu
  • William Prunier
  • Jean-Luc Dogon
  • Daniel Dutuel
  • Philippe Lucas
  • Zinedine Zidane
  • Richard Witschge
  • Didier Tholot
  • Christophe Dugarry

 


 

Wechsel

  • Jean-Yves de Blasiis für Daniel Dutuel (65.)
  • Mirza Varesanovic für Laurent Croci (72.)
  • Franck Histilloles für Richard Witschge (75.)

Wechsel

Trainer

  • Slavoljub Muslin

Trainer

 

Bittere Pillen nach französischen Leckerbissen

Es ist wahrscheinlich schon eine ganze Weile her, daß Eintracht Frankfurt in einem Spiel von halbwegs zentraler Bedeutung derart zum wohlfeilen, dankbaren Sparringspartner degradiert worden ist wie an diesem Samstagabend im Parc Lescure zu Bordeaux. So ganz nebenbei erteilte der FC Girondins Bordeaux den wackeren, aber in so ziemlich allen Belangen heillos unterlegenen Hessen im UEFA-lntertoto-Cup eine wahre Lehrstunde in puncto Spielintelligenz, Disziplin und Kampfkraft, die gleichermaßen schmerzhaft war wie heilsam werden kann — sofern die Bereitschaft besteht, „Lehren nun den Fehlern zu ziehen", was sich zumindest Eintracht-Trainer Karl-Heinz Körbel vorgenommen hat.

Wahrlich, die 0:3 (0:0)-Schlappe der Eintracht im UI-Cup-Achtelfinale war hochverdient und hätte durchaus klarer ausfallen können, wenn Torhüter Andreas Köpke nicht so reaktionsschnell pariert und Bordeaux angesichts des offenkundigem Qualitätsvorsprungs nicht ein wenig zu schlampig mit den Möglichkeiten umgegangen wäre. Dabei, und das allein zeigt schon die krasse Unterlegenheit der Frankfurter, brauchte sich das Gros der Mannschaft mit dem Adler auf der Brust zumindest in kämpferischer Hinsicht wenig Vorwürfe gefallen zu lassen: Sie hielten mit, so lang die Kräfte reichten, fighteten, und stemmten sich mit Macht gegen ein Gegentor, was freilich angesichts des Drucks, den Girondins, derzeit mit zwei Siegen aus zwei Spielen an der Spitze der französischen Meisterschaft, auszuüben in der Lage war, ein vergebliches Anliegen blieb. Vielleicht sogar bleiben mußte, weil Körbel in diesem Spiel um alles oder nichts lieber auf Sicherheit setzte, denn das Risiko suchte: Der Coach stärkte die Defensive, indem er die Offensive schwächte, statt einer zweiten Spitze beorderte er den jungen Sbordone in seinem ersten Pflichtspiel an die Fersen von Nationalspieler Zidane. Er löste diese Aufgabe zufriedenstellend, doch der Sturm fand mangels Personal nicht statt. Angreifer Rauffmann rackerte und ackerte, half hinten aus, mal rechts, mal links, und mußte sich am Ende die Flanke zum Kopfball selbst schlagen. Eine Taktik, die nicht vom Erfolg gekrönt sein konnte, weil Girondins nicht nur nicht in die Bredouille kam, sondern sich automatisch eines gehörigen Übergewichts im Mittelfeld erfreute. Wer weiß, wie die Partie ausgegangen wäre, hätte Körbel zwei schnelle Spitzen (Rauffmann und Ekström) nominiert, wer weiß, wie sich Girondins aus der Affäre gezogen hätte, wäre die Abwehr wenigstens das eine oder andere Mal unter Druck geraten. Weil dies aber überhaupt nicht passierte — die einzige, klare Chance bot sich dem eingewechselten Ekström in der 88. Minute —, hatte die „Supermannschaft" (Körbel) aus Bordeaux relativ leichtes Spiel mit den überforderten Frankfurtern.

Spätestens, als Falkenmayer mit einem gerissenen Band am Sprunggelenk in der Kabine bleiben mußte und wohl vier Wochen pausieren wird, war es mit der Ordnung im Mittelfeld gänzlich dahin: Prompt ließ Weber, wegen seiner Probleme am Knöchel „mit Medikamenten vollgepumpt" (Körbel), nach 50 Minuten Croci ungehindert flanken, was Lucas mit einem Kopfball zur hochverdienten Führung nutzte. Zehn Minuten später, Kapitän Lizarazu hatte gerade erst einen Ball auf die Latte gelupft, paßte Richard Witschge, Bruder des niederländischen Nationalspielers Richard, auf Dutuel, der war von Schupp so frei gelassen, daß er aus elf Metern gar nicht anders konnte, als das 2:0 zu schießen.

Zidanes Freistoß-Schlenzer in den Winkel kurz vor dem Ende war der passende Abschluß einer Fußball-Demonstration aller erster Güte, dumm nur, daß die Eintracht so gar keinen Beitrag zum Gelingen des Abends beisteuern konnte.

Dafür lecken sie jetzt ihre Wunden, psychisch wie physisch. Tsahadadse hat aus dem packenden Duell mit Haken und Ösen gegen den brillanten, unglaublich geschmeidigen Nationalstürmer Christophe Dugarry eine schwere Außenhandzerrung, möglicherweise gar ein Meniskusschaden, davongetragen und mußte vorzeitig den Platz verlassen, Falkenmayer ein Band gerissen, Weber nur mit Medikamenten seine Knöchel-Blessur betäuben können, Binz spielte mit Fieber. Und auch die Seele trug Schrammen davon. „So möchte ich nicht noch einmal vorgeführt werden", stöhnte Rauffmann, der Bekanntschaft mit der unbarmherzigen Härte eines William Prunier machte. „Der Unterschied war schon gewaltig", resümierte Manager Hölzenbein die Vorführung, Körbel mäkelte über einige Spieler, „die zu wenig gebracht haben." Namen nannte er zwar keine, doch allen war klar, daß Okocha und Schupp gemeint waren. Okocha fand überhaupt nicht ins Spiel, rieb sich mit vielen und noch mehr unnötigen Dribblings auf, statt des schnellen Passes in die Spitze, versuchte er einen weiteren brotlosen Übersteiger. Wenigstens war ihm Bemühen bis zur letzten Minute nicht abzusprechen. Markus Schupp hingegen blieb vieles schuldig, vor allem versteckte er sich mit zunehmender Dauer im dicht bevölkerten Mittelfeld. Von einem, der Verantwortung zu übernehmen ausgezogen ist, darf ein bißchen mehr erwartet werden. Allein die Leistungen von Köpke und Sbordone haben Körbel „Spaß gemacht", auch Rauffmann gehörte zu den Besseren.

Nun hoffen sie ganz inständig bei der Eintracht, daß es wirklich nur die drei Wochen mehr an Vorbereitung war, was Bordeaux den Frankfurtern voraus hat. Und wenn nicht? Wenn Girondins tatsächlich der Eintracht schon die spielerischen Grenzen aufgezeigt hat? Wenn die Frankfurter wirklich nur mehr graues Mittelmaß darstellen? Aber wer will schon unken? „Die stehen voll im Saft, während wir bis zum Bundesligastart gegen Karlsruhe noch zwei Wochen Zeit haben", sagte Körbel nach der „bitteren Pille", die er zu schlucken hatte. Ist das nicht nur eine billige Ausrede? „Eine andere", sagte Stürmer Rauffmann, „haben wir zur Zeit nicht." (Frankfurter Rundschau vom 31.07.1995)

 

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