Eintracht Frankfurt - 1860 München

Bundesliga 1994/1995 - 34. Spieltag

3:1 (2:0)

Termin: Sa 17.06.1995 15:30
Zuschauer: 28.500
Schiedsrichter: Hellmut Krug (Gelsenkirchen)
Tore: 1:0 Jens Dowe (10., Eigentor), 2:0 Jay Jay Okocha (40.), 2:1 Bernhard Winkler (46.), 3:1 Matthias Becker (53.)

 

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Eintracht Frankfurt 1860 München

 


  • Bernd Meier
  • Thomas Miller
  • Jens Dowe
  • René Rydlewicz
  • Elvis Brajkovic
  • Manfred Schwabl
  • Bernhard Winkler
  • Armin Störzenhofecker
  • Bernhard Trares (39.)
  • Guido Erhard
  • Peter Nowak

 

Wechsel

Wechsel

  • Ralf Strogies für Guido Erhard (46.)
  • Timur Yanyali für René Rydlewicz (68.)

Trainer

Trainer

 

Adler schlagen müde Löwen

Mit einem 3:1-Erfolg gegen den TSV 1860 München hat sich Eintracht Frankfurt am letzten Bundesliga-Spieltag die Teilnahme am UEFA-Intertoto-Cup gesichert. Allerdings profitierte die Mannschaft von Trainer Karl-Heinz Körbel dabei von einem Gegner, der die Partie nach dem gesicherten Klassenerhalt äußerst gelassen anging. „Heute drücke ich ausnahmsweise beide Augen zu. Wir hätten hier heute nie und nimmer gewinnen können“, gab 1860-Trainer Werner Lorant nach dem Spiel unumwunden zu. Seine Mannschaft schien mit den Gedanken entsprechend mehr bei der Sommerpause als beim Spielgeschehen zu sein.

Schon in der achten Minute wurde den Gastgebern das Toreschießen abgenommen: Nach einer Ecke von Anicic beförderte Münchens Jens Dowe den Ball unglücklich mit der Brust ins eigene Netz und sorgte so für die frühe Führung der Eintracht. Fünf Minuten vor der Halbzeitpause gerieten die Gäste weiter in Rückstand – nicht nur auf der Anzeigetafel, sondern auch personell. Der ehemalige Frankfurter Bernhard Trares stoppte Libero Manfred Binz durch ein Halten, woraufhin Schiedsrichter Hellmut Krug ihn wegen einer Notbremse des Feldes verwies. Den fälligen Freistoß verwandelte Jay-Jay Okocha: Der Nigerianer täuschte an, als wolle er den Ball in die linke Ecke schießen, entschied sich aber in letzter Sekunde für die rechte – Münchens Torhüter Bernd Meier hatte keine Chance. Mit diesem 2:0 ging es in die Pause.

Direkt nach dem Seitenwechsel meldeten sich die Gäste kurzzeitig zurück. Bernhard Winkler nutzte einen groben Stellungsfehler von Ralf Weber und erzielte den 1:2-Anschlusstreffer. Doch wer glaubte, dass 1860 nun auf den Ausgleich drängen würde, wurde schnell eines Besseren belehrt. Die Gäste ließen Frankfurt weiter gewähren, und so durfte Okocha unbedrängt einen Pass auf Matthias Becker spielen, der ebenfalls ohne Druck zum 3:1 vollendete.

Von diesem Moment an wurde selbst dem letzten Zuschauer klar, dass die Münchner dem Spiel keinerlei Bedeutung zumaßen. Die Eintracht hätte mit besserer Chancenverwertung leicht drei oder vier weitere Treffer erzielen können. Doch die Gäste schienen nur noch ein Ziel zu verfolgen: die Saison ohne Verletzungen zu beenden. „Entscheidend für uns war: Wir gehen morgen in den Urlaub“, fasste dies Lorant später treffend zusammen.

Trotz des Sieges blieb die Stimmung bei der Eintracht gedämpft. Präsident Matthias Ohms zog ein nüchternes Fazit: „Es war eine verkorkste Saison, das letzte Spiel ist da nicht mehr entscheidend. Wir sind froh, dass es vorbei ist.“

Einen besonderen Moment erlebte jedoch Rudi Bommer. Der 37-Jährige beendete mit diesem Spiel nach 19 Jahren seine Profi-Karriere – und das mit einer starken Leistung. In der 73. Minute nahm Körbel ihn unter dem Applaus der knapp 30.000 Zuschauer vom Platz und verabschiedete ihn mit einer innigen Umarmung. Sogar der frühere Eintracht-Trainer Dragoslav Stepanovic war aus diesem Anlass erstmals wieder ins Waldstadion gekommen – jener Mann, der Bommer vor drei Jahren aus der Oberliga zurück in die Bundesliga geholt hatte. Ein endgültiger Abschied ist es freilich nicht: Bommer wird an der Vorbereitung für die kommende Saison teilnehmen – zunächst als Assistent, aber auch, um sich fitzuhalten. Körbel scherzte: „Hoffentlich wird es ihm langweilig.“

(Und genau dies wird passieren: In der folgenden Spielzeit lief Bommer noch in elf Ligapartien auf, in der Zweitliga-Saison 1996/97 sogar in 14 Spielen, bevor er seine Laufbahn endgültig beendete.)

 

 

Saisonfazit: Von der launischen Diva zur grauen Maus

Diese Kröte müssen Anhänger der Eintracht nun schlucken: Die SGE, einst bekannt für ihre spielerische Klasse, ist endgültig im Mittelmaß versunken. Die Zeiten von „Fußball 2000“ und großen Ambitionen sind vorbei. Statt um Titel oder internationale Plätze zu kämpfen, hangelt sich das Team mit Ach und Krach auf Platz neun und sichert sich einen zweifelhaften Trostpreis: die Teilnahme am UEFA-Intertoto-Cup. Dabei hatte man sich in Frankfurt vor der Saison ganz andere Ziele gesetzt – Meisterschaft? Warum nicht. Ein endlich „normaler“ Verein werden? Schön wär’s. Am Ende bleibt von all dem nicht viel übrig.

Genau genommen begann der schleichende Abstieg bereits im November 1993. Damals hatte die Eintracht nach einem furiosen Saisonstart unter Klaus Toppmöller plötzlich drei Spiele in Folge mit 0:3 verloren. Doch weil man zuvor mit 20:2 Punkten durch die Liga marschiert war, wollte kaum jemand erkennen, dass der Zenit bereits überschritten war. Seit jenem November konnte man die wirklich überzeugenden Spiele der Eintracht an einer Hand abzählen.

So richtig offensichtlich wurde das Problem im Sommer 1994. Die Verantwortlichen hatten genug von der „launischen Diva“ – das ewige Auf und Ab sollte ein Ende haben. Dafür holte man Jupp Heynckes, einen akribischen Disziplinfanatiker, der jede noch so kleine Nachlässigkeit ahndete. Heynckes versprach, dass die Uhren in Frankfurt nun anders gehen würden und verkündete selbstbewusst: „Ich bin nicht nach Frankfurt gekommen, um Sechster, Fünfter oder Vierter zu werden. Ich bin gekommen, um Meister zu werden.“

Endlich mal einer, der durchgreift! So dachten sie zumindest im Verein. Der Trainer bekam weitreichende Befugnisse, ein üppiges Gehalt und gleich drei Assistenztrainer. Die Hoffnung war, dass er die verwöhnten Stars auf Linie bringen und Frankfurt zum Titel führen würde. Doch in all ihrer Euphorie hatten die Verantwortlichen übersehen, dass ein knallharter „Preuße vom Niederrhein“ und die unkonventionelle, oft chaotische Eintracht vielleicht nicht zusammenpassen.

Das Problem war nicht nur Heynckes‘ Führungsstil, sondern auch der Verlust von Spielmacher Uwe Bein, der in Japan seine Karriere ausklingen lässt. Ohne seinen strategischen Kopf war die Eintracht nicht mehr dieselbe. Auch ein Tony Yeboah konnte ohne präzise Zuspiele wenig ausrichten, Maurizio Gaudino hatte mit sich selbst genug zu tun, und Jay-Jay Okocha schmorte aus erzieherischen Gründen häufig auf der Bank.

Heynckes zog sein Konzept trotzdem gnadenlos durch. Wer nicht spurte, wurde aussortiert – selbst Leistungsträger wie Yeboah und Gaudino schickte er auf die Insel. Die Vereinsführung ließ ihn gewähren, glücklich darüber, dass endlich jemand die Kontrolle über die Mannschaft hatte. Doch Fußball ist kein Erziehungsprojekt, und während sich die Eintracht intern mit Disziplinierungsmaßnahmen beschäftigte, verlor sie auf dem Platz immer häufiger.

Schließlich zog Heynckes selbst die Reißleine und verließ den Verein vorzeitig. Und was blieb von seinem Wirken? Die Diva war verschwunden – aber nicht, weil sie sich in eine stabile Spitzenmannschaft verwandelt hätte. Nein, sie war zur grauen Maus geworden, brav, unspektakulär, belanglos.

Eintracht Frankfurt war immer ein Verein der Extreme. Himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt, aber niemals Durchschnitt – so war es jahrzehntelang. Die Fans konnten verzweifeln über die Unzuverlässigkeit ihrer Mannschaft, aber sie wussten auch: Wenn es lief, dann sah man hier den schönsten Fußball der Liga. Spieler wie Pfaff, Grabowski, Hölzenbein, Bein oder Okocha standen für Eleganz und Kreativität.

Doch mit dem gescheiterten Versuch, die Eintracht „normal“ zu machen, ist all das verloren gegangen. Plötzlich dominiert das Mittelmaß. Wo einst Genialität und Wahnsinn Hand in Hand gingen, spielen nun brave Wasserträger, die mit Mühe und Not einen einstelligen Tabellenplatz erreichen.

Bernd Hölzenbein brachte es schließlich auf den Punkt: „Vielleicht hätten wir es gar nicht versuchen sollen, das Schlampige rauszukriegen. Die Eintracht war dann gut, wenn sie geniale Typen einfach gelassen hat.“ Und genau daran mangelte es in dieser Saison. Keine Genies, keine Glanzleistungen – nur Durchschnitt.

Wenn sich in der kommenden Saison nichts Grundlegendes ändert, droht der Eintracht das, was sie immer vermeiden wollte: ein weiteres Jahr als graue Maus der Bundesliga.

 

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