Eintracht Frankfurt - Hamburger SV

Bundesliga 1994/1995 - 16. Spieltag

2:0 (1:0)

Termin: Sa 03.12.1994 15:30
Zuschauer: 28.000
Schiedsrichter: Hellmut Krug (Gelsenkirchen)
Tore: 1:0 Thorsten Legat (2., Foulelfmeter), 2:0 Jan Furtok (88.)

 

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Hamburger SV

 


  • Ulrich Stein
  • Stefan Schnoor
  • Jörg Bach
  • Michael Kostner
  • Harald Spörl
  • Jürgen Hartmann
  • Jörg Albertz
  • Karsten Bäron
  • Andreas Fischer
  • Valdas Ivanauskas
  • Yordan Letchkov

 

Wechsel

Wechsel

  • Marco Weißhaupt für Andreas Fischer (46.)
  • Jörn Andersen für Stefan Schnoor (81.)

Trainer

Trainer

  • Benno Möhlmann

 

 

Vorspiel

Die Eintracht wird ihr Heimspiel gegen den HSV ohne Mannschaftskapitän Anthony Yeboah, Maurizio Gaudino und Augustine Okocha bestreiten. Die drei Spieler waren am Freitagnachmittag von Trainer Jupp Heynckes zu einem Zusatztraining bestellt worden und baten nach einem Waldlauf um Gespräche mit dem Trainer.

„Ich habe ihm gesagt, dass ich am Samstag gegen den HSV nicht spielen kann“, erklärte Yeboah hinterher. „Ich bin müde und habe Probleme mit der Muskulatur.“ Er werde auch nicht im Trainingsquartier erscheinen, das die Eintracht traditionell vor Heimspielen im Queens-Hotel bezieht.

Auch Okocha meldete sich ab. Der Nigerianer, der gegen den HSV zwar im Kader gewesen wäre, aber wohl nicht in der Startelf, erklärte, dass er sich „nicht gut drauf“ fühle. Die Kritik der vergangenen Woche habe ihn belastet, er sei unsicher, „kaputt im Kopf“. In diesem Zustand könne er der Mannschaft keine Hilfe sein und wolle sie deshalb nicht zusätzlich belasten. Last, not least sagte Gaudino ab. „Ich habe dem Trainer gesagt, dass ich morgen nicht spielen kann. Ich bin müde und fertig.“

Trotzreaktion

Gegen den Hamburger SV zeigte die Frankfurter Eintracht ihre beste Saisonleistung. Ohne die vermeintlichen Leistungsträger Anthony Yeboah, Maurizio Gaudino und Augustine Okocha nahmen die zum Einsatz gekommenen Spieler ihr Herz in beide Hände, kämpften, bissen, fighteten und wühlten mit einer gehörigen Wut im Bauch auf die Abtrünnigen. Mit dieser Trotzreaktion rangen sie einen spielerisch überlegenen Hamburger Sportverein mit 2:0 nieder.

Ob wirklich jeder zu ersetzen ist, wie Jupp Heynckes nach dem Erfolg sagte? An diesem Abend jedenfalls wurde keiner der drei Streikenden vermisst. Die „im Stich gelassene Mannschaft“ (Andreas Köpke) riss sich zusammen, jeder arbeitete für den anderen, alle zogen gemeinsam den Karren aus dem Sumpf. „Erschüttert“ zeigte sich Thorsten Legat über den „einzigartigen Vorfall“, Manfred Binz sprach davon, dass nun der Egoismus der Rebellen „ausgebadet“ werden müsse. Und genau das gelang: Eine Eintracht-Mannschaft hatte man selten so leidenschaftlich und kämpferisch gesehen.

Noch keine 20 Sekunden waren gespielt, da holte HSV-Torhüter Uli Stein den Frankfurter Angreifer Furtok im Strafraum von den Beinen, was folgerichtig einen Elfmeter nach sich zog. Ausgerechnet Legat, in der Vergangenheit oft kritisiert, trat an und verwandelte eiskalt.

Was folgte, waren 89 packende Minuten voller Dramatik und Intensität. Beide Teams suchten die Offensive, keiner wollte sich verstecken. Besonders die Hamburger mit einem reaktionsschnellen Stein im Tor, einem überragenden Yordan Letschkow als Spielgestalter, einem stets gefährlichen Karsten Bäron und den starken Außen Jörg Albertz und Harald Spörl, kombinierten geschickt, zeigten sich ballsicher und spielfreudig, doch die Frankfurter hielten mit unbedingtem Einsatz und Zweikampfhärte dagegen.

Die Frankfurter kämpften aber nicht nur verbissen, sondern setzten auch immer wieder gefährliche Nadelstiche in der Offensive. Der HSV hatte Schwierigkeiten, die energischen Attacken der Eintracht abzuwehren, und auch wenn spielerisch nicht alles glänzte, machten Wille und Laufbereitschaft das mehr als wett. Immer wieder wurde mit schnellem Umschaltspiel versucht, die Defensive der Hamburger zu überraschen, was einige Male beinahe zum Erfolg geführt hätte. So viele Torchancen hatten sich die Frankfurter „in den letzten 15 Spielen“ nicht erarbeitet, wie Heynckes im Nachhinein anmerkte.

Jeder war in Bewegung, jeder bekam seine Möglichkeit: Furtok wühlte, Doll dribbelte, Falkenmayer stocherte, Bommer marschierte, Dickhaut rannte, Roth grätschte, Komljenovic flankte, Weber beschattete, Binz dirigierte wie lange nicht mehr. Über allem ragten Legat und Köpke heraus. Beflügelt von seinem Elfmetertor machte Legat ein überragendes Spiel, bereitete zwei Minuten vor Schluss auch das 2:0 vor, als er mustergültig für Furtok auflegte.

Köpke zeigte eine grandiose Leistung und hielt sein Tor mit beeindruckenden Paraden sauber. Wer immer das Frankfurter Tor ins Visier nahm, ob Spörl, Bäron, Ivanauskas oder Bach, fand in Köpke seinen Meister. Und sogar einen Elfmeter von Spörl parierte er, nachdem Weber Ivanauskas im Strafraum gefoult hatte. Vor Erleichterung drückte ihm Binz einen Kuss auf die Wange.

Neben den zwei verdienten Punkten bleibt die Erkenntnis, dass Teamgeist stärker sein kann als individuelle Klasse. Am Mittwoch geht es im UEFA-Cup-Rückspiel beim SSC Neapel „um ein Stück Zukunft“. Ohne Yeboah, Gaudino und Okocha, dazu ohne den angeschlagenen Bommer und den international nicht spielberechtigten Doll, wird das Erreichen des Viertelfinales ein hartes Stück Arbeit. Doch nach dieser Leistung gegen den HSV ist klar: Diese Mannschaft kann über sich hinauswachsen.

Nachspiel

Bereits am Sonntag reagiert die Eintracht auf den „Streik“ von Yeboah, Okocha und Gaudino. „Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass eine sinnvolle und fruchtbare Zusammenarbeit mit den drei Spielern nicht mehr gewährleistet ist“, erklärte Vereinspräsident Matthias Ohms. Den drei betroffenen Spielern wurde „anheimgestellt, sich einen neuen Verein zu suchen", sagte Ohms weiter. Die Eintracht sei bereit, die Freigabe zu erteilen, „wenn die Transfermodalitäten stimmen“.

In der Konsequenz wird Gaudino noch vor Weihnachten an Manchester City ausgeliehen, Yeboah wechselt im Januar zu Leeds United. Lediglich Okocha wird „begnadigt“ und bleibt bei der Eintracht.

 

 

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