Eintracht Frankfurt - Karlsruher SC

Bundesliga 1993/1994 - 5. Spieltag

3:1 (0:0)

Termin: Di 31.08.1993 20:00
Zuschauer: 32.000
Schiedsrichter: Helmut Krug (Gelsenkirchen)
Tore: 1:0 Uwe Bein (48.), 1:1 Edgar Schmitt (66.), 2:1 Uwe Bein (77.), 3:1 Jay Jay Okocha (87.)

 

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Karlsruher SC

 


  • Oliver Kahn
  • Burkhard Reich
  • Jens Nowotny
  • Manfred Bender
  • Slaven Bilic
  • Wolfgang Rolff
  • Sergej Kirjakow
  • Dirk Schuster
  • Lars Schmidt
  • Dirk Klinge
  • Valerij Schmarow

 

Wechsel

Wechsel

  • Edgar Schmitt für Valerij Schmarow (64.)
  • Rainer Krieg für Dirk Klinge (83.)

Trainer

Trainer

  • Winfried Schäfer

 

 

Okocha verzaubert Frankfurt

In einem hochklassigen Duell zweier starker Mannschaften setzten sich weder die taktische Disziplin des Karlsruher SC noch dessen robuste Spielweise durch. Stattdessen triumphierte an diesem denkwürdigen Abend die pure Spielfreude – verkörpert durch Uwe Bein und Jay-Jay Okocha, die eindrucksvoll demonstrierten, dass Fußball nicht nur ein Wettkampf ist, sondern auch Kunst.

Frankfurt startete mit Komljenovic als Ersatz für den verletzten Weber auf der linken Seite, musste jedoch früh umstellen. Nach der Verletzung von Falkenmayer, der mit einer tiefen Fleischwunde unter dem Knie den Platz bereits in der 25. Minute verlassen musste, ersetzte ihn Mirko Dickhaut, während Komljenovic nun als Abräumer vor der Abwehr agierte.

Karlsruhes Trainer Winfried Schäfer verfolgte eine abwartende Strategie mit nur einer Spitze und setzte auf konsequente Torabsicherung sowie schnelle Konter. Damit tat sich Frankfurt schwer. Yeboah und Furtok fanden kaum Raum, um sich gegen Bilic und Reich durchzusetzen, während Rolff die Kreise von Uwe Bein im Mittelfeld empfindlich störte. Wenn Karlsruhe in Ballbesitz kam, schaltete das Team für Kontervorstöße blitzschnell um. Die Frankfurter dominierten zwar das Spielgeschehen, wirkliche Durchschlagskraft entwickelte jedoch keine der beiden Mannschaften, so dass es folgerichtig zur Halbzeitpause torlos in die Kabinen ging.

Die zweite Halbzeit sah Uwe Bein, der mittlerweile in Maurizio Gaudino einen kongenialen Partner gefunden hat, in einer neue Rolle. Während sich Gaudino als Denker und Lenker im Mittelfeld positionierte, orientierte sich Bein in die Spitze, wo Yeboah gegen Bilic bislang abgemeldet waren. Und diese Umstellung sollte sich schon bald auszahlen: Ein Fehlpass von Bender, den Gaudino mit einem traumhaften Zuspiel auf Bein nutzte, führte unmittelbar nach Wiederanpfiff zum 1:0.

Nun reagierte der KSC, spielte mutiger nach vorne und belohnte sich in der 66. Minute mit dem Ausgleich durch den Ex-Frankfurter Edgar Schmitt. Doch die Frankfurter wussten sich zu wehren und gingen in der 77. Minute erneut in Führung: Der für Furtok eingewechselte Okocha zirkelte einen Freistoß auf den Kopf von Uwe Bein, der Oliver Kahn im KSC-Tor keine Abwehrchance ließ.

Sah es so aus, als hätten die Spieler nun ihr Pulver verschossen und die Partie würde mit dem knappen Heimsieg der Eintracht zu Ende gehen, erlebten die 32.000 Zuschauer drei Minuten vor dem Abpfiff ein fußballerisches Highlight der Extraklasse. Hauptdarsteller: Augustine „Jay-Jay“ Okocha, gerade 20 Jahre alt geworden. Statisten: Die KSC-Abwehr inklusive Torhüter Kahn.

Die Eintracht konterte, der Ball kam zu Uwe Bein, doch der wurde von Oliver Kahn attackiert und spielte etwas überhastet Okocha an, der knapp innerhalb des Strafraums stand. Scheinbar hatte die Karlsruher Abwehr alles unter Kontrolle. Doch statt sofort abzuschließen, begann der Nigerianer mit einer unglaublichen Dribbel-Show, in der der gesamte KSC regelrecht schwindelig gespielt wurde. Burkhard Reich grätschte vergeblich, Slawen Bilic und Dirk Schuster standen nur noch Spalier – alle versuchten, ihm den Ball abzunehmen, doch Okocha tänzelte, wackelte, täuschte an, drehte sich und ließ sie ins Leere laufen. Am Spielfeldrand rief Toppmöller immer wieder: „Schieß endlich, schieß!“ Doch Okocha zauberte weiter, auch Torwart Oliver Kahn wurde sein Opfer: Okocha ließ ihn gleich zweimal aussteigen, indem er geschickt einen Abschluss antäuschte und den Ball behielt, während sich Kahn verzweifelt in die vermeintliche Schussbahn warf. Dann, als die Lücke eigentlich am kleinsten war, setzte Okocha den Schlusspunkt. Ein Schuss mit links, erneut warf sich Kahn vergeblich, und der Ball schlug im Netz ein. Das Stadion explodierte!

Minutenlang tobten die Fans, schrien, jubelten, lagen sich in den Armen. Okocha tanzte vor der Tribüne, riss sich das Trikot vom Leib und wurde von seinen Mitspielern fast erdrückt. Dieses Tor zum 3:1, dazu bedarf es keiner seherischen Gaben, wird in die Bundesliga-Geschichte eingehen.

„So etwas habe ich noch nie gesehen, nicht einmal in Brasilien“, staunte Eintracht-Präsident Matthias Ohms nach dem Abpfiff. Auch KSC-Präsident Roland Schmider zollte Respekt: „Da bleibt einem nur, den Hut zu ziehen – sensationell.“ Edgar Schmitt, Torschütze für den KSC, meinte anerkennend: „Ich finde es einfach geil, wenn er so etwas macht.“ Und Trainer Klaus Toppmöller betonte nach der Partie, dass Okocha ein Spieler sei, den man nicht in taktische Zwänge pressen dürfe: „Man muss ihn einfach spielen lassen. Sonst nimmt man ihm das, was ihn so besonders macht.“

 

Sat.1-Reporter Jörg Dahlmann über das Tor von Jay-Jay Okocha in der Sendung „ran" am 31. August 1993:

„So, liebe Zuschauer, und jetzt stehen Sie in Ruhe auf, damit Sie keinen Herzschlag bekommen. Stellen Sie den Ton Ihres Fernsehers lauter, kommen Sie nahe an den Monitor heran - und genießen Sie. Bein. Okocha. Geht er? Okocha, Jay-Jay Okocha. Immer noch. Jay-Jay Okocha. Noch ein Dreher, noch einer - und drin!

Da reißt er sein Trikot vom Leib, tanzt noch einen Samba fürs ausgeflippte Publikum. Ekstase im Waldstadion! Das haben wir seit Libuda nicht mehr erlebt. Das ist das Beste, was der Fußball bieten kann. Oh, wie ist das schön, wie ist das schön!

Liebe Zuschauer, die Zeit für meinen Bericht ist zwar abgelaufen, aber egal. Sollen sie mich rausschmeißen. Ich zeige Ihnen noch die Szene bis zum Umfallen. Toll, dieser Jay-Jay Okocha, wie er Kahn aussteigen lässt. Dann ist es Reich und auch noch Bilic, dann versucht sich auch noch Lars Schmidt. Was soll's! Drin ist der Ball! Klasse!

Mannomann, ist das eine tolle Szene gewesen! Nochmal: Komljenovic. Uwe Bein. Der hätte schon allein schießen können. Schön gesehen - und da ist er, Jay-Jay Okocha. Beckenbauer, Baresi, Kohler - alle Liberi und Manndecker der Welt hätten hier stehen können. Sie wären allesamt von ihm ausgetanzt worden! Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergeht, liebe Zuschauer, mir zittern die Knie hier noch vor Begeisterung. Ich sehe jetzt das Tor zum sechsten oder siebten oder achten Mal - und dann dieser Samba! Eine geniale Schlussphase"

 

 

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