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Yomiuri FC - Eintracht Frankfurt |
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Freundschaftsspiel 1992/1993
1:3 (1:2)
Termin: 03.08.1992 in Tokio
Zuschauer: 55.000
Schiedsrichter: 1:0 Kitasawa (26.), 1:1 Axel Kruse (27.), 2:1 Anthony Yeboah (30.), 3:1 Thomas Reis (81.)
Yomiuri FC | Eintracht Frankfurt |
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55.000 Zuschauer in Tokio Eintracht schlägt japanischen Meister Fußball-Bundesligist Eintracht Frankfurt hat am Montag in Tokio den japanischen Meister Yomiuri SC Tokio mit 3:1 (2:1) bezwungen. Vor 55.000 Zuschauern erzielten Kruse (27.), Yeboah (30.) und Reis (81.) die Tore für die Hessen. Der von dem Brasilianer Pepe (Jose Macia) trainierte japanische Titelverteidiger war in der 26. Minute durch Kitazawa mit 1:0 in Führung gegangen. Im ausverkauften Tokyo Dome konnte die Gastgeber den überlegenen Bundesligisten nur phasenweise Paroli bieten. Die Eintracht, deren Auftreten in Tokio auf großes Medien-Interesse getroffen war, kassierte für dieses Spiel 125.000 Mark Gage. Yomiuri ist das führende Vereinsteam in Japan und will sich mit einer Reihe von internationalen Freundschaftsspielen auf die nächstes Jahr beginnende Profiliga vorbereiten. (FR)
Eintracht bekommt einen Vorgeschmack auf den Profisport der Zukunft Das Mitsingen war zwar keine Pflicht, aber die feierliche Stimmung kaum zu umgehen, als kurz vor sieben Uhr Ortszeit die deutsche Nationalhymne erklang und die Frankfurter Eintracht im „Tokyo Dome“ beinahe zu einer Nationalmannschaft machte. Die Spieler von „Yomiuri“, dem Team eines großen Zeitungskonzerns und amtierender Meister der japanischen Firmenliga, erlebten noch größere Ehren. Nicht nur schüttelte ihnen ein Neffe des Kaisers die Hand, auch ihre Hymne wurde von einem großen Teil der 51.500 Zuschauer mitgesungen – ein außergewöhnlicher Moment für japanische Fußballer. Denn Fußball ist in Japan bislang eher ein Freizeitvergnügen, beliebt vor allem an Schulen und Universitäten. Erst im kommenden Frühjahr soll eine Profiliga entstehen. Doch warum trat die Eintracht so kurz vor dem Bundesliga-Start überhaupt in Tokio an? Zum einen traf sie auf ein begeistertes und vollkommen unparteiisches Publikum sowie einen spielstarken Gegner, zum anderen spülte das Freundschaftsspiel 125.000 Mark netto in die Vereinskasse. „Das entspricht fünf Spielen in Deutschland, vielen Stunden und Hunderten Kilometern im Bus“, erklärte Trainer Dragoslav Stepanovic nach der Partie. Und wenn er recht behält, erlebte die Eintracht in Tokio nicht nur einen lukrativen Abend, sondern auch einen Blick in die Zukunft des Profifußballs: „Die Leute wollen nicht mehr bei Wind und Wetter ins Stadion. Sie möchten bequem im Sakko zu jeder Jahreszeit in einer Halle unterhalten werden.“ So harmonisch wie an diesem Abend wird es in Europa allerdings kaum zugehen. In Tokio verhinderte der freundschaftliche Rahmen jede Härte, während es in europäischen Hallen sicher nicht so friedlich bleiben würde. Die japanischen Zuschauer – Familien, Büroangestellte in Anzügen und schwärmende Teenager – begeistern sich vor allem für das Spiel mit dem Ball, weniger für den Kampf um ihn. In Europa ist Fußball mit Geschichte aufgeladen – in Japan gleicht er eher einem Kunstwerk. Dem Hauptsponsor von „Yomiuri“, einem weltweit bekannten Unternehmen für braune Erfrischungsgetränke, war dieses Duell zwischen westlicher Sporttradition und östlicher Spielfreude viel Geld wert. Und die Inszenierung war beeindruckend. Die Eintracht ließ sich von der spielerischen Klasse der Japaner mitreißen und geriet dabei – wie Stepanovic einräumte – streckenweise zu sehr ins Schaulaufen. Dass Frankfurt am Ende mit Toren von Kruse, Yeboah und dem erst 18-jährigen Reis gewann, war keineswegs selbstverständlich. Uli Stein musste häufiger eingreifen, als es der Ruf von „Yomiuri“ vermuten ließ. Vier Brasilianer in deren Mannschaft – allen voran der brillante Spielmacher Ruy Ramos – setzten die Frankfurter Abwehr mit direktem, präzisem Kurzpassspiel unter Druck. Der Eintracht fehlte ohne Körpereinsatz, Zweikampfhärte und Athletik die Hälfte ihres Repertoires. Niemand wollte riskieren, sich auf dem Kunstrasen eine schmerzhafte Schürfwunde zuzuziehen. So durfte „Yomiuri“ auf dem makellosen Untergrund seinen gewohnten Stil aufziehen, während die Hessen gezwungen waren, sich an ungewohnte Bedingungen anzupassen. Kein Wunder also, dass Tsuyoshi Kitazawa die verunsicherte Eintracht in der 26. Minute mit 1:0 in Rückstand brachte. Die Frankfurter reagierten prompt: Eine Minute später glich Kruse aus, und in der 30. Minute sorgte Yeboah für die Führung. Beide Treffer wirkten mehr wie trotziges Aufbegehren als wie überlegene Spielzüge. Als echte Bundesliga-Vorbereitung eignete sich das Match in Tokio nur bedingt. Der Zeitunterschied, zwei zwölfstündige Flüge binnen vier Tagen – all das stellte den sportlichen Nutzen infrage, auch wenn sich die Reise finanziell lohnte. Nicht jeder im Team sah die Begegnung als „gute Gelegenheit“, wie Uli Stein es ausdrückte. Der Torwart, der seine letzte Saison bei der Eintracht bestreitet, zeigte sich erneut in Topform, ließ aber durchblicken, dass ein Engagement in Japan für ihn eine Frage von Angebot und Nachfrage sei. Manfred Binz hingegen schloss so einen Schritt aus: „Es ist einfach zu weit weg, und man hat ja auch eine Familie.“ Natürlich lobten die Frankfurter pflichtbewusst das hohe Niveau des japanischen Fußballs, doch zugleich blieb Skepsis. Über eine ganze Saison hinweg, so meinte Stein, sei dieser freundliche Fußball wohl kaum durchzuhalten. Und Stepanovic brachte es auf den Punkt: „Ein Freundschaftsspiel hat nichts mit einem Punktspiel zu tun.“ Gerade deshalb bleibt die Frage: Ist die Zukunft des Fußballs wirklich in klimatisierten Hallen mit Picknick-Atmosphäre zu finden? Vielleicht erst einmal nur in einem Land, in dem hunderte Mädchen zwischen zwölf und fünfzehn Jahren abends im Regen ausharren, um ihren Star Kazuyoshi Miura zu sehen. Der Angreifer mit der Nummer elf von „Yomiuri“ wird verehrt, weil er jung, talentiert und gutaussehend ist. Dass er Fußball spielt und nicht – wie es sich in Japan eher gehört – Baseball, ist für seine Fans nur eine Nebensache.
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