Eintracht Frankfurt - Werder Bremen |
Bundesliga 1991/1992 - 37. Spieltag
2:2 (1:0)
Termin: Sa 09.05.1992 15:30
Zuschauer: 46.000
Schiedsrichter: Lothar Löwer (Unna)
Tore: 1:0 Andreas Möller (20.), 1:1 Wynton Rufer (77.), 1:2 Klaus Allofs (79.), 2:2 Anthony Yeboah (82.)
Eintracht Frankfurt | Werder Bremen |
|
|
Wechsel
|
Wechsel
|
Trainer |
Trainer
|
Deppen und zehn Tote Am Mittwochvormittag nach dem 2:0-Erfolg der Eintracht beim KSC hat sich vor dem Eintracht-Shop in der Bethmannstraße eine Schlange von fast hundert Menschen gebildet und in der Geschäftsstelle am Riederwald drängeln sich noch mehr Fans, die eine Karte für das letzte Saisonheimspiel gegen Werder Bremen erwerben wollen. Und auch für das letzte Gastspiel in Rostock gibt es bereits zahlreiche Interessenten, die die lange Reise an die Ostsee auf sich nehmen wollen. Bei der Eintracht ist man in der Planung bereits weiter, wie man lesen kann, weil wieder einmal bekannt wird, was nicht bekannt werden soll. Demnach will man nach dem Schusspfiff in Rostock mit einem Privatjet für 40 Passagiere nach Frankfurt fliegen, um dort in einem Hotel eine interne Meisterfeier steigen zu lassen. Und auch die Stadt hat für den Sonntag nach dem letzten Punktspiel einen Empfang im Kaisersaal des Römers sowie im Anschluss eine Fete auf dem Römerberg und dem Paulsplatz geplant. „Lasst mich nur damit in Ruhe“, entgegnet der sichtlich genervte Vizepräsident Bernd Hölzenbein: „Ich denke erst ans Feiern, wenn es Zeit dazu ist.“ Recht hat er. Denn die Bundesligarunde befindet sich auf der Zielgeraden, doch die Entscheidungen sind noch nicht gefallen. Zwei Spieltage vor Schluss gibt es nur eine Handvoll Mannschaften, für die die Saison im Grunde bereits gelaufen ist, weil sie weder mit dem Abstieg noch mit der Vergabe des Startrechts bei den internationalen Wettbewerben etwas zu tun haben: Werder Bremen, der Karlsruher SC, Bayern München und Dynamo Dresden. Doch von diesen Vieren ist darüber nur bei den Elbestädtern, die sich mit dem 0:0 gegen Kickers Stuttgart die nächste erstklassige Spielzeit endgültig sicherten, Freude auszumachen. Dynamo-Trainer Helmut Schulte ließ sich im Überschwang der Gefühle sogar zu einem etwas vorlauten Spruch hinreißen: „Wir stehen genau da, wo wir hingehören – gleich hinter den Bayern.“ Im Abstiegskampf ist dagegen noch nichts entschieden und die Jagd des Quartetts aus Leverkusen, Kaiserslautern, Köln und Nürnberg auf die UEFA-Cup-Plätze geht ebenfalls unvermindert weiter. Auch an der Spitze gibt es einen engen Wettkampf um den Meistertitel. Neben der Eintracht haben sich zuletzt auch der VfB Stuttgart in Mönchengladbach und der BVB in Wattenscheid mit 1:0-Siegen jeweils zwei Punkte gesichert. Die Eintracht hat gegenüber den Dortmundern einen Punkt mehr und gegenüber dem Tabellenzweiten VfB den Vorteil einer sieben Treffer besseren Tordifferenz. Der Stuttgarter Trainer Christoph Daum sieht die nervliche Belastung dennoch aufseiten des führenden Favoriten vom Main: „Ich kann mir vorstellen, wie groß die Enttäuschung in Frankfurt nach unserem Sieg ist. Sie kann am 16. Mai noch größer sein“, stichelt er mit dem wie üblich zur Schau gestelltem Selbstbewusstsein, während Dieter Hoeneß, der Manager der Schwaben, mahnt: „Nur durch den Gewinn aller vier möglichen Punkte können wir unsere Chance wahren.“ „Die Eintracht und der VfB müssen uns im Nacken spüren, dann werden auch sie im Moment des größten Drucks Nerven zeigen“, meint derweil BVB-Trainer Ottmar Hitzfeld. Ohne Druck reist dagegen Werder Bremen an. Vor drei Tagen hat die von Otto Rehhagel trainierte Truppe der 93-jährigen Vereinsgeschichte den ersten Europapokalsieg hinzugefügt. Vor nur 15.000 Zuschauern im 120.000 Besucher fassenden Lissabonner „Stadion des Lichts“ setzten die Norddeutschen ein Glanzlicht, in dem sie durch Tore von Wynton Rufer und Klaus Allofs den AS Monaco mit 2:0 besiegten. Beide Torschützen bereiteten jeweils den Treffer des anderen vor, was besonders Otto Rehhagel freute, der den 35-jährigen Allofs überraschend von Beginn an aufgeboten hatte. „Ich habe ihm den Vorzug gegeben, weil er an einem solchen Tag mit seiner großen Erfahrung für uns sehr wertvoll sein wird“, lautete des Fußballlehrers Begründung vor der Partie. Auch in Frankfurt ist Allofs in der Startelf, ebenso wie Jürgen Rollmann, der den Verein zum Saisonende verlassen wird. „Am Anfang hatte ich die Illusion, dass es für mich bei Werder nach sportlichen Gesichtspunkten läuft. Im Laufe der Zeit habe ich jedoch schmerzhaft lernen müssen, dass ich hier nie eine faire Chance bekomme“, begründete er seine Kündigung vor Wochen, bevor ihn die lädierte Schulter des bei Fans und Journalisten umstrittenen Oliver Reck zwischen die Pfosten brachte. Reck musste dann im Halbfinalrückspiel gegen Brügge trotzt nicht ausgeheilter Verletzung wiederum für den bei der Auswärtsbegegnung in Dresden angeschlagenen Rollmann einspringen, weil sich auch Amateurtorwart Frank Rost krank abgemeldet hatte. Reck entging dann gegen die Belgier nach einem Revanchefoul dank der Intervention Uli Borowkas bei Schiedsrichter King – „I will send him off.“ „Yellow is enough.“ – zwar einem Platzverweis, die zweite Gelbe Karte machte den Traum von der Finalteilnahme für „Pannen-Oli“ aber von vornherein zunichte. Vor dem Endspiel fiel die Aufmunterung Recks in Richtung seines ungeliebten Konkurrenten spärlich aus, in dem er Rollmann kurz vor dem Spiel als „sehr guten zweiten Torwart“ bezeichnete. Ein Seitenhieb auf den Keeper, den sein Trainer so charakterisiert: „Wenn ich die besten Torhüter der Welt alle in eine Reihe neben Jürgen Rollmann stelle und dann sage, der Beste von euch soll mal zwei Schritte vortreten, dann bin ich sicher, dass Jürgen Rollmann keine Sekunde mit dem Vortreten zögert.“ Rollmann, der in Lissabon trotz seines Selbstbewusstseins durchaus nervös agierte, ficht diese Kritik nicht an: „Die Zuschauer wollen sich mit einem Spieler identifizieren, auch einmal etwas von ihm hören. Wenn da nichts zustande kommt, ist das nicht meine Schuld. Hätte ich den Mund halten sollen, damit niemand merkt, dass der Rollmann vielleicht ganz in Ordnung ist?“ Dass der Rollmann auch ein ganz guter Torhüter ist, beweist er nach einer Viertelstunde, als er bei einem Schuss Möllers von der Strafraumgrenze in die bedrohte linke Ecke taucht und mit einer Hand pariert. Auch in der 28. Minute scheitert Yeboah mit einem harten Schuss ebenso an Rollmann wie erneut Möller nach einer herrlichen Kombination mit Bein. Nur in der 20. Minute hat der gebürtige Gelnhausener das Nachsehen, als Uwe Bein Möller mit einem Pass aus der eigenen Hälfte auf die Reise schickt. Möller gibt Bratseth im Laufduell das Nachsehen und setzt kurz vor dem Strafraum den Ball am herausstürzenden Torwart vorbei ins linke Eck.
Die Führung der Frankfurter ist hochverdient. Uwe Bein ist Dreh- und Angelpunkt des Angriffspiels, das von seinen Pässen lebt. Als er aber freistehend unter einer Flanke Heinz Gründels durchspringt, liefert er auch den Beleg für die bis dahin größte Schwäche des beeindruckenden Spiels der Eintracht: die Chancenverwertung. Gründel merkt man übrigens an, dass er sich gleich zu Beginn bei einem Zusammenprall mit Dieter Eilts eine Verletzung im Gesichtsbereich zugezogen hat. Möller, neben Yeboah als Sturmspitze nominiert, lässt sich immer wieder ins Mittelfeld zurückfallen und wechselt sich mit Sippel bei den Vorstößen gelungen ab. Sippels Leistung ist ebenfalls beachtlich: Seine Verletzung aus dem Spiel beim KSC war zwar nicht wie befürchtet ein Bruch des großen Zehs, aber das ausgekugelte Endgelenk wurde erst am Mittwoch eingerenkt. Doch auch Sippel trifft nach dem Seitenwechsel nicht. Studers Einwechslung für den angeschlagenen Gründel sorgt zudem für taktische Verwirrung in der Defensive der eigenen Elf, während Möllers zuvor ordentliches Engagement im zweiten Durchgang keine Fortsetzung findet, was sich in der Offensive negativ bemerkbar macht. Trainer Stepanovic kann das eine wie das andere nicht lösen, obwohl er Bein und Möller zu sich an die Seitenlinie ruft und aufgeregt diskutiert. Die Gäste, bei denen Rehhagel zur zweiten Halbzeit Neubarth für Bratseth gebracht hat, kommen dagegen auf, obwohl man bei ihnen wegen des Spiels in Lissabon und den folgenden feuchtfröhlichen Feierlichkeiten eher auf nachlassende Kräfte gesetzt hätte.
Das 2:0, das die Eintracht bereits in der ersten Halbzeit hätte erzielen müssen, will nicht fallen. Auch Yeboah trifft nicht: Erst schießt er den schon am Boden liegenden Rollmann an und dann köpft er am Tor vorbei. Es ist kurz vor 17 Uhr und der immer nervöser werdende Bernd Hölzenbein räumt seinen Platz auf der Tribüne. „Ich halte das nicht mehr länger aus“, sagt er zu seiner Frau Jutta. In den Tribünengängen begegnet der Ruhelose Ute Hering, der Chefsekretärin der Eintracht-Geschäftsstelle, der es nicht anders ergeht: Beide ahnen Böses. Und ihre Befürchtungen werden innerhalb von wenigen Minuten sogar übertroffen. Selbst dass mit Bode der mit Abstand treffsicherste Bremer Stürmer dieser Saison seit einigen Minuten nicht mehr im Spiel ist, nutzt der Eintracht nichts. Studer springt in der 77. Minute am linken Strafraumrand am Ball vorbei, rutscht aus, bleibt liegen und Bockenfeld hat freie Bahn. Im Zentrum sind die Frankfurter gegen nur zwei Bremer in der Überzahl, doch Roth springt wegen eines Stellungsfehlers unter der Flanke hindurch, so dass Rufer aus sieben Metern den Ball unbedrängt an Stein vorbei in die rechte Ecke köpfen kann. Der ehrgeizige Keeper muss sichtlich an sich halten. Er knallt die Kugel auf den Boden, um sie wieder aufzufangen, während er laut vor sich hinschimpft. Zwei Minuten später kommt es für die wortwörtlich aufgelöst spielende Hintermannschaft der Eintracht noch schlimmer. Rufer sprintet in Richtung Strafraum auf Klein und Binz zu, um dann den Libero im Spurt halblinks in den Strafraum bis zur Torauslinie zu ziehen. Binz’ abschließende Grätsche kann Rufers Flanke nicht verhindern, die der Neuseeländer im hohen Bogen auf die rechte Ecke des Fünfmeterraums zieht. Dort rauscht unbewacht Allofs heran, der dem heranfliegenden Stein mit einem Kopfball in die lange Ecke keine Abwehrchance lässt. Die Matchwinner von Lissabon haben auch im Waldstadion zugeschlagen und fast alle der 46.000 Zuschauer zum Schweigen gebracht. Jetzt hält es Hölzenbein nicht mehr. Er läuft wieder hinaus auf die Tribüne und hinunter hinter die Trainerbank, wo Stepanovic der Zigarillo ausgegangen ist. Über die Kopfhörer eines Radios hört Hölzenbein wie Co-Trainer Körbel die Ergebnisse der Konkurrenten: 1:1 steht es in Stuttgart, 2:0 in Dortmund. Aschfahl ist Hölzenbeins Gesicht, während er – einem eingesperrten Raubtier gleich – hin und her tigert und dabei bettelnd die Spieler anfleht, die ihn nicht hören können: „Macht was, macht irgendwas.“ Drei Minuten nach dem Rückstand ist es Bein, der etwas macht. Aus dem Mittelfeld spielt er einen hohen Ball vor den Strafraum, wo sich der für Studer eingewechselte Andersen fast unbedrängt hochschraubt und per Kopf den Ball nach rechts ablegt. Dort nimmt ihn Yeboah in vollem Lauf mit der Brust mit und dringt unwiderstehlich in den Strafraum ein. Neubarth lässt den dynamischen Stürmer ziehen, der die Kugel am herausstürzenden Rollmann vorbei legt und zum Ausgleich trifft. Ein Tor noch und der Eintracht würde am nächsten Wochenende in Rostock ein Unentschieden reichen. Die Schlussminute rückt näher und wieder ist es Bein, der etwas macht. Doch als die Beinschere von Dieter Eilts den Frankfurter Spielmacher im Strafraum zu Fall bringt, bleibt die Pfeife von Schiedsrichter Lothar Löwer aus Unna, das kaum 20 Kilometer von Dortmund entfernt ist, stumm. Kurz darauf ist das Spiel zu Ende und der sonst so ruhige Bein muss vor Wut fast mit den Tränen kämpfen. „Ich habe zum Schiedsrichter gesagt: ,Du bist der größte Feigling, den ich kenne.' Und er hat nur gelacht …“, presst er hervor. „Man hätte Elfmeter pfeifen können. Entscheidend war wohl, dass Bein sehr spät gefallen ist“, meint Eilts, während die Fernsehbilder zeigen, dass Löwer der Eintracht einen eindeutigen Strafstoß verwehrt hat. Dem Unparteiischen will Bein dennoch nicht die Verantwortung für das Unentschieden zuweisen: „Trotzdem: Am Schiedsrichter lag es nicht. Wir hätten vorher das 2:0 machen müssen, bei den Chancen.“ So sieht es auch Stein, der bei seinem Abgang vom Platz neben nicht wiederzugebenden Flüchen einer Plexiglasverkleidung einen derben Tritt verpasst hat: „Es ist unglaublich, mit welcher Arroganz und Überheblichkeit wir unsere Möglichkeiten auslassen. Das ist so nicht hinzunehmen. Wir hatten gegen Bremen genau die Situation wie vor drei Wochen gegen Wattenscheid: Wir haben den Gegner im Griff und lassen beste Chancen leichtfertig aus. Aber ich bin dabei, mich zu beruhigen. Es ist alles beim alten, wir müssen das Spiel gegen Bremen verarbeiten und Ruhe bewahren. Aber was mich wahnsinnig macht ist, dass sich einige unserer Spieler nicht mal erkennbar ärgern, wenn sie eine Chance vertun. Die spielen weiter, als sei nichts geschehen.“ „Unsere Chancenauswertung hat nichts mehr mit Überheblichkeit zu tun, sondern ist eine nicht mehr verantwortbare Lässigkeit“, berichtigt er sich: „Deshalb war ich so sauer.“ „Normal müssten wir schon Meister sein. Umso verständlicher ist ja auch die Verärgerung, wenn man weiß, dass man schon längst hätte Ruhe haben können“, sagt Stein, der aber optimistisch bleiben will: „Das muss man sein, wenn die anderen Mannschaften für uns spielen und wir so viel Glück haben. Die Mannschaft muss sich aber im Klaren sein, dass wir in 90 Minuten kaputt machen können, was wir uns in 37 Spieltagen erarbeitet haben. Dann könnte man im Endeffekt sagen, dass wir ein Jahr umsonst Fußball gespielt haben. Darüber sollten sich alle mal die Woche Gedanken machen.“ „Nach dem 2:1 der Bremer waren wir tot. Jawohl, zehn Tote waren da auf dem Platz. Und der Einzige, der noch lebte, war Uli Stein“, erhält der Torwart deutliche Unterstützung von Stepanovic: „Ich kann ihn verstehen. Er soll sich austoben, das gehört sich so.“ „150 Tore hätten wir in der Saison schießen müssen. Heute war ein ganzes Jahr Arbeit in Gefahr. Ich stehe hundertprozentig hinter Uli, denn er hat Recht mit jedem Wort.“ Das will Andreas Möller so nicht stehen lassen und schiebt die Verantwortung zurück in die Defensive: „Wir sind so blöd, so etwas darf nicht passieren. Bei beiden Gegentoren geht keiner zum Mann, dabei ist klar abgesprochen, dass hinten ein Siebener-Block steht.“ „Hinten“ haben sie noch andere Erklärungsversuche: „Das kostet mich meine letzten Nerven“, hat Ralf Weber beim Gang in die Kabine gestöhnt und Libero Binz ist sich nach dem Duschen sicher: „Die Nerven liegen blank.“ Oder ist es eher eine „Kopfsache“, wie Jörn Andersen meint: „Selbst die Bremer haben gesagt: Ihr seid zu blöd!“ Stepanovic will genau da den Hebel ansetzen, in dem er das Training für seine Mannschaft verschärft: „Der Kopf empfiehlt den Beinen, was sie tun sollen. Also muss der Kopf frei sein.“ „Wir sind noch da, wir leben. Mit einem Sieg in Rostock sind wir voll dabei. Das einzig Gute muss die Mannschaft jetzt aus diesem Spiel herausziehen: Wir können es aus eigener Kraft schaffen“, meint Stepanovic, der seine – angesichts der unterschiedlichen Befindlichkeiten seiner Spieler – vage Hoffnung so begründet: „Da kann in Rostock fast nichts anbrennen. Immer wenn die Stimmung explosiv war, haben wir gewonnen.“ Und gewinnen werden sie nun wahrscheinlich auch müssen, was Binz nicht schreckt: „Auf Unentschieden spielen können wir sowieso nicht.“ Unklar ist, ob Heinz Gründel in Rostock dabei sein kann: Vereinsarzt Georg Degenhardt hat einen Jochbeinbruch festgestellt, eine Verletzung, die Gründel vor vier Jahren schon einmal erlitten hat. Die damals eingesetzte Metallplatte hat sich nun verschoben. Und es ist noch nicht entschieden, ob der bei Stepanovic nicht immer wohlgelittene Spieler am kommenden Mittwoch operiert wird oder ob er mit schmerzstillenden Spritzen noch einmal auflaufen soll. „Bei jedem Schritt donnert es in meinen Kopf, mit Tabletten sind die Schmerzen auszuhalten, nur den Mund bekomme ich nicht richtig auf“, sagt Gründel. Nach dem Spiel tagt das Präsidium, um umlaufende Gerüchte zumindest teilweise zu dementieren. Manager Klaus Gerster erhält demnach im Falle der Meisterschaft nicht wie Andreas Möller 200.000 Mark, sondern wie die restlichen Spieler 40.000 Mark. Uli Stein bestreitet indes, dass Möllers Prämie zu seiner Verärgerung beitragen würde: „Das hat nichts damit zu tun, das man Spiele nicht gewinnt, die man klar gewinnen muss. Es geht nur um die 90 Minuten auf dem Platz. Außerdem ist die Prämiensache sowieso überbewertet, weil die Verträge so gestaltet sind, dass die Punkt- und Erfolgsprämien ohnehin fester Bestandteil sind, also in der Summe von 1,2 Millionen für Möller stecken, die hier rumschwirrt. Dass es jetzt so rausgestellt wird, als bekäme Möller eine besondere Prämie, ist Blödsinn.“ Dass sie für den Fall einer Bestätigung des FIFA-Urteils im Fall Möller nun doch nicht den Gang vor die ordentlichen Gerichte antreten wollten, bestreiten Präsident Ohms und Vizepräsident Hölzenbein: „Wenn Andreas Möller bei uns bleiben will, werden wir weiter mit allem Nachdruck um ihn kämpfen“, sagt Ohms. Die Frage, ob es Anzeichen gibt, die das Präsidium nicht mehr so fest an die Willenserklärung Möllers glauben lassen, will Hölzenbein jedoch nicht beantworten: „Dazu sage ich nichts. Ich weiß nur: Auf Möllers Wunsch hin fand diese denkwürdige Ich-will-bleiben-Pressekonferenz statt. Er hat sich an die Spieler-Gewerkschaft gewandt und den DFB um Hilfe gebeten. Das sieht alles eindeutig aus, aber ich kann nicht in den Spieler reinschauen.“ Eindeutig ist auch Hölzenbeins Aussage zu Möller-Berater Klaus Gerster: „Ich hoffe nicht, dass er irgend etwas unternimmt oder unternommen hat. Das würde sofort zu Konsequenzen führen.“ Und eine Einigung ohne den Fußball-Weltverband wird es zwischen der Eintracht und Juventus Turin nicht geben. „Da war mal was im Busch, doch Juve hat sich bei uns nicht gemeldet und wir hatten umgekehrt keine Veranlassung“, erklärt Hölzenbein. „Es wäre ein Triumph für den Fußball, wenn die Eintracht Meister werden würde“, meint zwar Otto Rehhagel, doch das sehen die direkten Konkurrenten anders. Dortmunds Trainer Hitzfeld, der in der Pressekonferenz mehrfach betont, dass seine Mannschaft zwar das Unmögliche möglich machen wolle, die Frankfurter aber die beste Ausgangsposition im Titelkampf hätten, überrascht nach dem Verlassen des Podiums vor laufenden Kameras mit der Bemerkung: „Ich tippe, dass wir Meister werden.“ Sein Spieler Thomas Helmer geht sogar noch weiter: „Wir haben immer an unsere Chance geglaubt. Nach dieser Riesensaison wäre es schon eine Enttäuschung, wenn wir es nicht schaffen würden.“ „Wir haben zuletzt gegen Gladbach aus einem 0:2 ein 2:2 gemacht, derzeit ist alles möglich. Wichtig ist erst einmal, dass wir überhaupt wieder gleichauf mit der Eintracht sind, denn damit konnten wir wirklich nicht mehr rechnen“, bleibt Michael Rummenigge bescheidener. Für die Bemerkung, dass er für einen Sieg der Rostocker am Samstag mit einigen Kollegen gern seine Prämie zu Gunsten eines karitativen Zwecks an die Ostsee-Küste überweisen würde, wird er aber von Kapitän Michael Zorc zurückgepfiffen: „Darüber müssen wir erst reden. Wir spendieren gern eine Ladung Bier, aber die sollen in erster Linie für sich selbst spielen.“ In Stuttgart ist derweil Christoph Daum unzufrieden: „Das war heute mehr Drama als Dramatik!“ „Ich bin enttäuscht darüber, dass es nicht geklappt hat, heute schon eine Vorentscheidung zu schaffen.“ Es sei „unverständlich, wie wir die erste Halbzeit so verschlafen konnten.“ „Der letzte Drive, das letzte Durchsetzungsvermögen fehlte“ und man habe „zu wenig das Schicksal in die eigene Hand“ genommen. Die Nerven hätten wohl eine größere Rolle gespielt, auch eine „gewisse Müdigkeit“ sei unübersehbar gewesen. Natürlich „haben wir selber schuld, wenn die Eintracht jetzt Meister wird“, meint VfB-Kapitän Guido Buchwald. Dabei können sich die Schwaben, die mit „einem Gewaltakt“ (Daum) unbedingt das die Tabellenführung bringende Tor schießen wollten, bei den Wattenscheidern bedanken, dass sie nicht beide Punkte verloren haben. Tschiskale, Moser und vor allem Bernhard Winkler, der in der letzten Spielminute Torhüter Immel allein gegenüber stand, hätten das 2:1 für die Wattenscheider besorgen können. Die Mannschaft habe in dieser Saison „Unglaubliches geleistet und hätte heute das Sahnehäubchen draufsetzen“ können, will Manager Dieter Hoeneß aber nicht in Agonie versinken. Natürlich hätten die Frankfurter jetzt die bessere Ausgangsposition, aber es sei in dem „klassischen Foto-Finish noch alles offen“. „Warum soll Rostock nicht einen Punkt gegen Frankfurt holen?“, fragt er die Journalisten und erinnert: „Die Bayern haben so manche Meisterschaft erst im letzten Spiel entschieden. Wir dürfen weder rechts noch links schauen, sondern müssen unser Spiel gewinnen.“ Matthias Sammer lässt sich von diesen Worten sein Fazit aber nicht verändern: „Heute sind wir die Deppen.“ Um dann hinzuzufügen: „Vielleicht sind nächste Woche andere die Deppen.“ (rs)
|