Bayern München - Eintracht Frankfurt |
Bundesliga 1991/1992 - 10. Spieltag
3:3 (1:1)
Termin: Sa 21.09.1991 15:30
Zuschauer: 64.000
Schiedsrichter: Gerhard Theobald (Wiebelskirchen)
Tore: 1:0 Bruno Labbadia (35.), 1:1 Jörn Andersen (36.), 2:1 Manfred Bender (47.), 2:2 Anthony Yeboah (54.), 3:2 Bruno Labbadia (55.), 3:3 Jörn Andersen (82.)
Bayern München | Eintracht Frankfurt |
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Andersens Märchen und Mazinhos Alptraum Seit 1965 spielt Bayern München in der 1. Liga, doch nur 2 Mal ist es der Eintracht in dieser Zeit in insgesamt 26 Anläufen gelungen, die Bayern in einem Punktspiel auf eigenem Platz zu schlagen: Am 1. Spieltag der Saison 1966/67, als man die ersatzgeschwächten Bayern nach Toren von Grabowski und Huberts im Stadion an der Grünwalder Straße mit 2:1 bezwingen konnte, und am 4.12.1976 nach Treffern von Nickel und zweimal Hölzenbein mit 3:0 im Münchner Olympiastadion. Heute jedoch stehen die Chancen auf den dritten Auswärtssieg der Eintracht bei den Bayern in der Bundesliga so günstig wie schon lange nicht mehr. Zum
einen reist die Eintracht als Tabellenführer nach München und
zum anderen hängt der Haussegen beim Rekordmeister schon nach 9.
Spieltagen mächtig schief. Trainer Heynckes ist bei den erfolgsverwöhnten
Bajuwaren bereits unter Beschuss geraten, weil nach der titellosen letzten
Saison auch der Start in die neue missraten ist. Zwei Heimniederlagen
in der Bundesliga gegen Neuling Hansa Rostock und dem VfL Bochum, das
peinliche Aus im DFB-Pokal nach der Heimpleite gegen den Zweiligisten
FC Homburg, die Niederlage gegen den HSV am letzten Wochenende sowie das
matte 1:1 im UEFA-Pokal beim irischen Vertreter Cork City haben an der
Isar für Aufregung gesorgt. Allerdings kann man heute mit einem Sieg
über den Spitzenreiter mit der Eintracht nach Punkten gleichziehen.
„Entweder wir gewinnen und spielen oben mit, oder wir verlieren
und versinken erst mal im Mittelmaß“, lautet die Einschätzung
von Manager Uli Hoeneß. Kurios ist, dass der Torschützenkönig der letzten Saison seine Trophäe vor dem Anpfiff als Ersatzspieler entgegen nimmt: Heynckes gibt Labbadia den Vorzug vor Roland Wohlfahrt, der sich allerdings in den letzten sieben Jahren bei den Bayern am Ende immer gegen seine unermüdlich nachwachsende Konkurrenz hat durchsetzen können. Heute aber hat sich Heynckes in der Wahl zwischen zwei Stürmern, die bislang je zwei Treffer erzielt haben, für den entschieden, der nicht auch noch spielerisch in seiner Formkrise ist. Bei der Eintracht steht im Sturm an der Seite von Anthony Yeboah Jörn Andersen, der am letzten Wochenende noch für Fortuna Düsseldorf auf Torejagd ging, doch dann am Montag von der Eintracht unter Vertrag genommen wurde. Die Rückkehr des Norwegers, der in seiner ersten Saison für die Eintracht nur 2 Bundesligatreffer erzielte, doch in der folgenden mit 18 Treffern der erste ausländische Torschützenkönig der Bundesliga wurde, kam überraschend. Fünf Punktspieltreffer in 15 Monaten sind eine erbärmliche Ausbeute für den einstigen Torjäger, der in Düsseldorf nicht zurechtgekommen ist, doch Vizepräsident Hölzenbein glaubt ungeachtet der schwachen Trefferquote weiter an die Qualitäten des norwegischen Mittelstürmers. Erfreulich ist für Trainer Stepanovic auch, dass er nun doch auf Libero Binz zurückgreifen kann. Binz – wie Heinz Gründel beim 6:1-Heimsieg am Mittwochabend im UEFA-Pokal gegen Spora Luxemburg verletzt ausgewechselt – ist nach drei Tagen zwischen Hoffen und Bangen um seinen Einsatz in München von Beginn an dabei. Sein an Band und Kapsel lädiertes Sprunggelenk ist noch nicht schmerzfrei, aber anzumerken ist ihm das nach dem Anpfiff vor 64.000 Zuschauern im Münchner Olympiastadion nicht. Der Spitzenreiter vom Main greift sofort an. Über Andersens Hacke kommt Yeboah an den Ball, der dann von einem Münchner Verteidiger ungewollt in den Lauf von Bein gespitzelt wird. Der Regisseur der Eintracht geht am ersten Gegenspieler vorbei und hält Pflügler mit einer Finte auf Distanz, bevor er im Fallen aus zentraler Position am Strafraumrand abzieht. Hillringhaus fliegt in die bedrohte rechte Ecke, doch umsonst, denn die Kugel geht über die Latte ins Aus. Besser zielt Stefan Effenberg, der den Ball Mitte der eigenen Hälfte zugespielt bekommt, sich gegen Andersens Grätsche behauptet und dann ungehindert über fast das gesamte Feld marschiert. Falkenmayer kann ihn nicht mehr erreichen und Weber im und Binz vor dem Strafraum, machen dem Bayern-Spielmacher eine Gasse frei, weil beide dem anderen den Vortritt bei der Attacke auf Effenberg lassen. Der nutzt die freie Schussbahn zu einem mächtigen Schuss, den Stein abwehrt, indem er den rechten Arm rechtzeitig nach oben reißt und noch mit der Hand an den Ball kommt. Studer klärt den Abpraller zu einem Eckball, der den Münchnern keinen Nutzen bringt. Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass die Gastgeber langsam Herr im eigenen Hause werden. Dazu tragen auch immer wieder Ballverluste bei, die die genau markierten und beherzt attackierten Bein und Möller nicht verhindern können. Mazinho kann aber halbrechts im Strafraum auf Kosten einen weiteren Eckballes am Abschluss gehindert werden und Effenbergs nächster Versuch aus der Distanz geht nach guter Vorarbeit des ballerobernden Schwabl sowie der Kombination von Mazinho und Bender etliche Meter flach am linken Pfosten des Frankfurter Gehäuses vorbei. Uli Stein kann bei diesem missratenen Abschluss schon früh in gewohnter Manier beide Arme zur Entwarnung heben. Deutlich mehr muss der heute wieder exzellente Frankfurter Keeper zeigen, nachdem Ziege mit einem hohen und langen Ball auf den rechten Flügel die Seite gewechselt und Thomas Berthold in Position zu einem Flankenlauf gebracht hat. Zwei Mal springt der Ball auf, bevor ihn der ehemalige Eintrachtspieler erlaufen und technisch einwandfrei an Studer vorbei in den Strafraum gezogen hat, wo Nachtweih Bender nicht folgt, als der der Flanke 12 Meter vor dem Tor energisch entgegen geht. Gut, dass wenigstens Stein konzentriert bei der Sache ist: Reaktionsschnell springt der Schlussmann im richtigen Moment ab und lenkt Benders Kopfball mit der rechten Hand über die Latte. Machtlos ist der nach wie vor beste deutsche Torwart allerdings nach Schwabls Eckball von der linken Seite, den Labbadia aus fünf Metern nach einem Hechtkopfball in die rechte Ecke platziert. Doch dieses Mal rettet der Pfosten für den geschlagenen Torhüter und Binz schlägt den Abpraller weit aus dem Strafraum.
Es gibt kein Vertun, die Eintracht spielt mit, doch die Nadelstiche setzen die Bayern. Immer wieder kontern sie überfallartig nach Ballverlusten der Gäste. Die können oder wollen – wie im Fall von Möller – beim Nachsetzen nicht immer Schritt halten. Grahammer nutzt diese Freiheit auch dieses Mal, zieht mit einem Pass von Effenberg über 60 Meter ungehindert davon und spielt den Ball kurz vor dem Sechzehner zurück zum mitgeeilten Effenberg, der das Leder nach rechts zu Labbadia legt. Der lässt im Strafraumeck Weber aussteigen und schießt an dessen Grätsche aus 11 Metern flach aufs Tor. Stein muss den kraftvollen Versuch aus spitzem Winkel nach vorne wegfausten, wo der Ball aber mit vereinten Kräften gesichert und zum Torwart zurück gespielt werden kann. Nach einem weiteren Ballverlust durch Yeboah gegen Schwabl zieht Bender wie zuvor Grahammer über das halbe Feld, wird dabei aber jedoch von Yeboah verfolgt. Kurz bevor dieser ihn erreichen kann, spielt Bender auf Labbadia, der wie zuvor erneut im Duell mit Weber aus halbrechter Position abzieht, dabei aber im Rückraum den freistehenden Effenberg übersieht. Stein kann Labbadias Flachschuss im Nachfassen entschärfen. In der 35. Minute spielt Grahammer einen Querpass auf den enorm starken Schwabl, der den zu ungestüm angreifenden Studer einfach überspielt. Nach seiner Grätsche auf dem Boden liegend kann Studer nicht angreifen. Die Überzahlsituation auf der rechten Seite der Bayern löst Falkenmayer, in dem er Schwabl zu Fall bringt. Das bringt den kleinen Münchner auf die Palme. Er springt auf und bestürmt mit einer wegwerfenden Geste seines rechten Armes Schiedsrichter Gerhard Theobald lautstark. Der eilt dienstbeflissen dem Frankfurter nach und hält ihm die nicht unverdiente Gelbe Karte unter die Nase. Weitaus härter trifft die Hessen aber die Bestrafung, die Effenberg mit dem folgenden Freistoß einleitet. Diesen lupft er über die aus Bein und Falkenmayer bestehende Mauer vor ihm. Labbadia nimmt den Ball mit dem Rücken zum Tor an, dreht sich im Strafraum blitzschnell um Bindewald herum und schießt zum dritten Mal aus spitzem Winkel auf den Kasten – nicht besonders platziert, aber aus nur sieben Metern. Stein ist unten, doch der Ball trifft seinen linken Unterschenkel und springt von dort hoch ins Netz. 1:0 für den FC Bayern. Die Eintracht antwortet nur eine Minute später mit einem Gegenangriff. Kraftvoll spurtet Weber an der linken Seitenlinie, als ihm Studer mit einem Kurzpass ins Spiel bringt. Aus vollem Lauf schlägt der Lockenkopf eine angeschnittene Flanke vor das Heiligtum der Bayern. Hillringhaus entscheidet sich, seine Linie zu verlassen und wehrt den Ball mit einer halbhohen Flugeinlage nach vorne ab, wo Bein hinter dem Elfmeterpunkt steht und die Kugel unbewacht direkt zurückschießen kann. Der Schussversuch misslingt ihm allerdings, so dass das Leder eher ungefährlich Richtung Tor hoppelt. Vor diesem steht aber Andersen so unbewacht wie Bein und schießt den Ball aus fünf Metern flach über die Linie zum Ausgleich ins Netz. „Der Stefan Effenberg hat das schon gesehen, wir haben’s im Training ab und zu mal probiert. Und ich war drauf gefasst, dass er ihn zu mir spielt“, erzählt Torschütze Labbadia nach dem Halbzeitpfiff einem Fernsehreporter, der den an diesem Ort wohl unvermeidlichen Vergleich mit Gerd Müller zieht, und ergänzt im Sinne des Fragestellers: „Ich hab die Drehung super gemacht und aus der Drehung schön reingemacht.“ „Traumhaft“ findet ein paar Meter weiter Andersen das Märchen, das er hier nach der Zeit in Düsseldorf erlebt: „Uwe hat den Ball nicht getroffen, der kommt zu mir, ich dreh mich um und schieß‘ – Ball ist drin. Traumhaft!“ Alles andere als das war der Auftritt von Norbert Nachtweih, einem anderen Rückkehrer zur Eintracht, der seit Saisonbeginn mit einem leistungsbezogenen Vertrag ausgestattet ist. Nachdem er nach zwei Jahren in Frankreich am 8. Spieltag sein Comeback in der Bundesliga feierte, steht er im vierten Pflichtspiel infolge mehr neben sich als auf dem Platz. Möglicherweise hat der 34-Jährige, der 5 Jahre für die Eintracht und danach 7 für die Bayern spielte, nicht mehr das Format, um in der 1. Liga, zumal auf diesem Niveau, mithalten zu können. Für ihn bedeutet der Halbzeitpfiff auch das Ende der Partie, denn Stepanovic ersetzt ihn durch Dietmar Roth. Schwer zu sagen, ob es an dieser Auswechslung liegt, dass die Hintermannschaft der Eintracht zwei Minuten nach Beginn des zweiten Durchgangs noch etwas unsortiert wirkt. Fest steht, dass nach Mazinhos langgezogener Flanke von der linken Seitenauslinie Labbadia bis auf Falkenmayers Geleitschutz ungedeckt im Strafraum steht. Der Mittelstürmer legt mit dem Kopf quer auf den nicht besser markierten Bender, den Bindewald nicht mehr einholen kann. Aus sieben Metern köpft Bender unhaltbar für Stein in den rechten Torwinkel. Doch wieder schlägt die Eintracht sofort zurück, wobei es dieses Mal ein paar Minuten länger dauert. Als Schwabl in der 54. Minute an der Seitenlinie behandelt wird, schlägt Bein eine Ecke von links an den Fünfmeterraum, wo Yeboah von nicht weniger als drei Gegenspielern umringt ist. Kreuzer, Pflügler und Ziege können den wuchtigen Stürmer jedoch nicht daran hindern, mit einem Kopfballaufsetzer in die rechte Ecke des Tores den abermaligen Ausgleich zu erzielen. Die Freude der Eintracht währt keine 60 Sekunden.
Dann sieht sich Falkenmayer nach einem Pass von Bender im eigenen Strafraum
im aussichtslosen Laufduell mit Effenberg und Labbadia. Der Mittelstürmer
schließt aus sieben Metern flach ab und würde vielleicht an
Stein scheitern, doch die rechte Sohle des hereinrutschenden Weber fälscht
den Ball unhaltbar ab. Neben dem rechten Pfosten schlägt die Kugel
zum 3:2 für die Bayern ein. Stepanovic will den Druck weiter erhöhen und bringt mit Sippel für Studer in der 67. Minute einen weiteren Stürmer. Tatsächlich trifft Sippel auch wenig später nach einer Flanke von Möller mit einem Kopfball ins Tor, doch der Treffer findet keine Anerkennung, weil der Schiedsrichter auf eine Abseitsposition Sippels erkannt hat. Kurz darauf hat auf der anderen Seite Mazinho die Chance zur Entscheidung. Nachdem Effenberg den Ball auf die linke Seite verlagert hat, kommt sofort Benders präziser Pass ins Zentrum, wo Mazinho im Strafraum frei vor Stein auftaucht. Sein wuchtiger Schuss überwindet den Schlussmann, bringt jedoch nicht die Maschen des Tornetzes, sondern lediglich das Gebälk des Kastens in Schwingung – von der Unterkante der Latte springt der Ball zurück ins Feld. Kurz darauf erhält Mazinho die nächste Gelegenheit, alles klar zu machen. Bein verliert vor dem Strafraum der Münchner den Ball, den Mazinho ungedeckt an der Mittellinie erhält. Ohne Gegenwehr überwindet er bei seinem Konter die Strecke bis zum Frankfurter Strafraum, wo er an zwei Gegenspielern vorbei spaziert. Was jetzt noch fehlt, ist der krönende Abschluss durch einen trefflichen Abschluss, doch der Brasilianer verzieht und der Ball rollt gleich mehrere Meter am rechten Pfosten vorbei ins Aus. Er schlägt die Hände vors Gesicht, schüttelt den Kopf und schaut ungläubig zum Himmel, doch der weiß auch keine Antwort … Doch es kommt noch schlimmer für ihn. Wie zuvor Bein verliert nun Möller am Münchner Strafraum den Ball. Effenberg nimmt sofort Fahrt auf, lässt einen Frankfurter ins Leere grätschen und spielt in des Gegners Hälfte auf den entblößten linken Flügel. Über Labbadia kommt der Ball zum für Bender eingewechselten Wohlfarth, der sich gegen Binz und Sippel durchsetzt und dann in den Strafraum passt, wo Mazinho zehn Meter vor dem Tor in halbrechter Position blank steht. Sein kurz über der Grasnarbe angesetzter Schuss hat Effet und dreht sich im letzten Moment noch nach innen, aber nicht genug, um ins Tor zu finden. Haarscharf saust das Leder am linken Pfosten vorbei ins Aus.
Weil diese Partie für Mazinho wie ein Alptraum ist, kann sich Andersens traumhafte Rückkehr in eine märchenhafte verwandeln. In der 82. Minute spielt zehn Meter hinter der Mittelinie der von Effenberg verfolgte Bein zu Möller, dem nun das Interesse des blonden Münchners gilt. Möller fintiert und geht recht leicht an Effenberg vorbei, der den Frankfurter ausnahmsweise ziehen lässt. Ein entscheidender Fehler. Möller schaltet den Turbo ein und überwindet im Doppelpass mit Bein über den rechten Flügel die Abwehrseite der Münchner. Fast bis zur Torauslinie spurtet der Frankfurter und passt dann das Leder flach und präzise zurück auf Andersen, der schneller gestartet ist als Pflügler und den Ball im Fünfmeterraum zum 3:3 in die Maschen drückt. Heynckes‘ Schachzug, mit dem Verteidiger Babbel für den glück- und erfolglosen Mazinho die Defensive zu stärken, ist nicht aufgegangen. Und nun sind die Gäste drauf und dran, die Partie komplett zu drehen. Nach einem Befreiungsschlag von Andersen aus dem Frankfurter Sechzehner unterläuft Ziege kurz vor der Mittelinie ein Fehlpass, der den aufrückenden Hessen die letzte Konterchance eröffnet. Bein bedient den schnellen, aber unerfahrenen Bindewald, der sich allein auf den Weg macht, doch vor dem Tormann nicht geschickter anstellt als der bereits ausgewechselte Brasilianer Mazinho: Bindewald drischt die Kugel überhastet auf Hillringhaus, der den Schuss im Nachfassen unter Kontrolle bringt. Wie zuvor Mazinho schlägt Bindewald die Hände ebenfalls vors Gesicht, allerdings nicht wie der Münchner locker schlendernd, sondern im Spurt zurück, denn das Spiel läuft ja weiter. Aber nicht mehr lange. Denn nun ist es vorbei. Und so endet eine sehenswerte und abwechslungsreiche Partie mit vielen Fehlern auf beiden Seiten nach Toren und nach Gelben Karten ausgeglichen, denn bei den Bayern haben Grahammer und Labbadia den Karton ebenso gesehen wie bei der Eintracht Falkenmayer und Weber. „Ich werde meine Mannschaft immer wieder an den heutigen Tag erinnern können“, meint Bayern-Trainer Heynckes vielleicht eine Spur zu pathetisch. Unter dem Strich rutscht sein Arbeitgeber in der Tabelle auf Platz 8, was seine Arbeit in München nicht einfacher werden lässt. In der Spitze mithalten können reicht andernorts, aber nicht bei den Bayern. Bei der Eintracht, die durch das Remis die Tabellenführung eingebüßt hat, trauert Hölzenbein dem verloren Punkt nicht nach: „Nein, ganz bestimmt nicht. Vielleicht hätten wir es aufgrund der großartigen zweiten Halbzeit verdient gehabt zu gewinnen. Aber wir dürfen nicht vergessen, wir haben dreimal zurückgelegen und uns dreimal wieder aufgerappelt. Dann hatte Mazinho diese Superchancen und hat sie alle vergeben. Nein, ich bin zufrieden mit dem Punkt, denn nach dem 3:2 dachte ich schon, wir schaffen es nicht mehr.“ Neue Erkenntnisse, was die Eintracht stark macht, hat Hölzenbein keine: „Nein, es sind die alten: Die entscheidenden Figuren stehen zusammen. Ich kenne kaum einen, dem das alles im Moment keinen Spaß machen würde.“ „Was naheliegt, ist die Erkenntnis, dass wir nun auf Sicht vorne dabei sein werden, wenngleich die Entscheidung, wer endgültig um die Titelvergabe spielt, erst viel später, vielleicht im März oder April fällt. Dann wird man sehen, wie die sogenannten Favoriten über den Winter gekommen sind“, glaubt der Manager: „Doch dieses 3:3 und die Art, wie es zustande kam, ist psychologisch ganz entscheidend. Hätten wir in München verloren, hätten alle wieder gesagt: Seht her, die schaffen es ja wieder nicht. In der vorletzten Saison haben wir hier alles vergeigt. So aber ist das Selbstbewusstsein gestärkt.“ Das trifft ganz besonders auf einen Spieler zu. Von „einem Klasse-Einstand“ Andersens spricht Uli Stein, „wie in alten Zeiten“ hat Manfred Binz die Rückkehr des Norwegers erlebt, der sich natürlich schwer tut, als er erklären soll, warum ihm heute wieder spielend das gelungen ist, was ihm in Düsseldorf so schwer gefallen ist: „Ich will keine schmutzige Wäsche waschen.“ „Ich bin froh und dankbar, dass ich wieder da bin. Zu den Unterschieden nur so viel: Frankfurt spielt den besseren Fußball. Die Spieler kennen meine Stärken und gehen darauf ein.“ Das klingt einleuchtend, wobei es aber nicht erklärt, warum der bei der Eintracht mit wenigen Ausnahmen chronisch erfolglose Dieter Eckstein auf der heimischen Scholle des 1. FC Nürnberg wieder zu der alten Treffsicherheit zurückgefunden hat: Nachdem er der Eintracht am letzten Wochenende mit seinem Tor zum 2:2-Endstand einen Punkt entriss, erzielte er heute für den Club im 10. Punktspiel bereits seinen 6. Treffer … Dragoslav Stepanovic hält sich nicht mit Analysen auf, sondern bewegt sich in der Gegenwart. Und die sieht für ihn so aus: ,,Der Junge war 15 Monate unzufrieden, heute hat er viel, viel Freude gehabt.“ So wie Manager Bernd Hölzenbein: „Da lacht mir das Herz. Ich freue mich sehr für Jörn. Der wechselt vom Tabellenletzten zum Ersten und lässt mit einem Schlag die ganze bittere Zeit in Düsseldorf hinter sich. Bei so zwei Toren wird für einen Stürmer auch das Geld momentan nebensächlich. Es ist schon toll zu sehen, wie der Junge hier wieder aufgenommen wurde, und wie er sich jetzt freut.“ Nichts habe Andersen verlernt, ruhig sei er gewesen und ein Gewinn für die Mannschaft, ergänzt Stepanovic. Lernen muss dagegen noch Uwe Bindewald, meint der Trainer: „Ihm fehlt es an Erfahrung. Das ist an sich nichts Negatives. Aber er stand heute 15 Minuten auf verlorenem Posten. Und seinen linken Fuß müssen wir trainieren, damit er nicht wieder so eine Chance vergibt“, spielt er auf den in der Schlussphase verpassten Siegtreffer an. „Wenn der Binde das Ding reinmacht ...“, hält sich Libero Binz auf dem Weg zum Bus nur kurz mit der Vergangenheit auf, um sogleich den Blick in die Zukunft zu richten: „Wir dürfen nicht zurück, sondern nur nach vorne schauen.“ Und da sieht es doch gar nicht so schlecht aus, findet er: „Wir haben nach all den schweren englischen Wochen, die uns psychisch und physisch fast an die Grenzen belastet haben, endlich mal eine Woche Zeit.“ Und die wollen sie auch genießen. Als Bayern-Pressechef Markus Hörwick nach der Pressekonferenz den Gästen aus Frankfurt eine angenehme Heimfahrt wünscht, greift sich Dragoslav Stepanovic noch einmal das Mikro und sagt grinsend: „Mir fahre jetzt emal net heim!“ Das erste Wies‘n-Wochenende wird von den Hessen – gemeinsam mit den mitgereisten Frauen – zu einem Bummel über das Oktoberfest genutzt. Nicht getroffen haben sie dort den zweifachen Torschützen
Bruno Labbadia. Der machte seine Ankündigung wahr, dass er nur auf
die Wies’n gehe, „wenn wir gewinnen“. Und so sieht man
Labbadia am Abend im ZDF, das ihn ins „Aktuelle Sportstudio“
eingeladen hat, wo er an der Torwand erneut seine Treffsicherheit unter
Beweis stellt. Sechs Jahre wolle er bei den Bayern spielen, sagt er –
sofern sie ihm einen so langen Vertrag geben. Epilog Norbert Nachtweih hat sein letztes Erstligaspiel absolviert. Einen Monat später wechselt ihn Stepanovic noch einmal im UEFA-Pokal ein, wo er beim 0:0 in Gent sieben Minuten Zeit hat, sich von der Eintracht und auch von der europäischen Bühne zu verabschieden. Anfang Dezember 1991 macht er bereits sein erstes Zweitligaspiel für den SV Waldhof Mannheim, wo er seine Laufbahn als Profi mit der Saison 1995/96 beendet. Vom – allerdings nur 9.000 Menschen zählenden – Publikum im Waldstadion kann er sich am 10.10.1992 verabschieden, als er mit den Mannheimern im DFB-Pokal der Eintracht erst nach Verlängerung mit 1:4 unterliegt. Bruno Labbadia beendet die Saison mit zehn Treffern in 30 Punktspieleinsätzen. Roland Wohlfahrt erzielt mit einem Einsatz weniger 17 Tore. Aus Labbadias gewünschten sechs Jahren in München werden am Ende drei. Die Bayern spielen nach der Partie gegen die Eintracht 1:1 in Nürnberg und verlieren zu Hause mit 1:4 gegen den Auf- und späteren Absteiger Stuttgarter Kickers. Auf Platz 12 abgerutscht wird Heynckes entlassen. So bleibt ihm die Schmach der 2:6-Niederlage erspart, die sein Nachfolger Sören Lerby im UEFA-Pokal mit den Münchnern beim FC Kopenhagen erleidet. Lerby kann sich dennoch bis zum 27. Spieltag und einer 0:4-Niederlage in Kaiserslautern halten. Danach entlassen die Bayern, die sich auf Platz 11 verbessert haben, auch ihn. Die Bayern beenden die Spielzeit mit Erich Ribbeck und schließen die Meisterschaftsrunde auf den 10. Platz ab. Das ist bis zum heutigen Tage (Januar 2014) in der Bundesligageschichte des FC Bayern München die zweitschlechteste Platzierung in der Abschlusstabelle. 1975 schloss man ebenfalls mit Platz 10 ab und nur 1978 war man als 12. noch schlechter. (rs)
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