Bayern München - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1990/1991 - 29. Spieltag

2:0 (0:0)

Termin: Sa 11.05.1991 15:30
Zuschauer: 37.000
Schiedsrichter: Bodo Kriegelstein (Berlin)
Tore: 1:0 Jürgen Kohler (70.), 2:0 Stefan Effenberg (87.)

 

 

>> Spielbericht <<

Bayern München Eintracht Frankfurt

  • Raimond Aumann
  • Jürgen Kohler
  • Roland Grahammer
  • Hans Pflügler
  • Stefan Reuter
  • Thomas Strunz
  • Roland Wohlfarth
  • Olaf Thon
  • Stefan Effenberg
  • Manfred Schwabl
  • Brian Laudrup

 


 

Wechsel

  • Manfred Bender für Thomas Strunz (46.)
  • Michael Sternkopf für Roland Wohlfarth (87.)

Wechsel

Trainer

Trainer

 

Abgehakt und positiv gestimmt

Das Aufblühen nach der Entlassung von Trainer Jörg Berger war nur von kurzer Dauer. Die herbe Niederlage im Wiederholungsspiel des DFB-Pokals hat gezeigt, dass die drei Bundesligasiege zuvor die alten Probleme nicht beseitigt, sondern nur „übertüncht“ haben, wie auch Kapitän Karl-Heinz Körbel meint. „Das ist keine Mannschaft“, hat der neue Trainer Dragoslav Stepanovic nach dem 3:6 in Bremen erkannt und Zustimmung von Körbel erfahren: „Auf dem Platz stimmt es eben immer noch nicht.“

„Der Pokal, das Finale in Berlin – alles vergessen“, richtet Stepanovic seinen Blick nach der Niederlage sogleich in die Zukunft: „Wir werden jetzt nur noch nach München schauen.“ „Wir müssen das Buch Pokal-Endspiel jetzt zuklappen und dürfen den Kopf jetzt nicht in den Sand stecken“, fordert auch Verteidiger Dietmar Roth: „Wir können es uns nicht leisten, in vier Tagen zwei wichtige Spiel zu verlieren.“ „Wir wollen in München mindestens einen Punkt holen“, kündigt – der in Bremen allerdings enttäuschende – Andreas Möller dementsprechend an.

Das wird – gelinde ausgedrückt – nicht einfach, denn bei den Bayern hat die Eintracht in der Bundesliga nur selten etwas mitgenommen. Nur zwei Mal – 1966 und 1976 – hat die Eintracht die Münchner in deren Stadion seit ihrem Aufstieg im Jahr 1965 schlagen können und auch die beiden Unentschieden (1973 und 1976) stammen aus jener längst vergangenen Zeit. Die letzten vier Pflichtspiele gegen die Münchner wurden zudem allesamt verloren und die Begegnung in der Hinrunde konnten die Bayern mit 4:1 überaus deutlich für sich entscheiden.

Andererseits sind die Bayern, die Ende April im Halbfinale des Europapokals der Landesmeister gegen Roter Stern Belgrad durch ein Eigentor ihres Torwarts Aumann in der letzten Spielminute ausgeschieden sind, in dieser Runde zu Hause keine Macht. Bereits drei Niederlagen setzte es für die Münchner im eigenen Stadion und das mit Düsseldorf und Dortmund gegen mittelmäßige Gegner und mit St. Pauli sogar gegen einen Abstiegskandidaten. In den letzten fünf Heimspielen sprangen lediglich vier Punkte und nur gegen den KSC ein Sieg heraus, die letzten beiden Begegnungen gegen Bremen und Köln endeten wie in der Hinrunde gegen Leverkusen und Bochum remis.

Nachdem beim Hamburger SV aber am letzten Sonntag die Partie in den Schlussminuten noch gedreht werden konnte, herrscht bei den Bayern wieder Zuversicht, den mit vier Punkten führenden und in Wattenscheid spielenden Tabellenführer aus Kaiserslautern doch noch einholen zu können. „Wir müssen unsere Chance einfach erzwingen“, sagt Bayern-Kapitän Klaus Augenthaler, der wegen einer hartnäckigen und fiebrigen Erkältung nicht mit von der Partie sein kann, aber eingewickelt in einen dicken Schal als Zuschauer im Stadion ist.

Bei den drei Zähler hinter den Münchner rangierenden Hessen fehlt in der Startaufstellung der von den Journalisten dort erwartete Axel Kruse. Stepanovic nimmt jedoch gegenüber dem Spiel in Bremen eine andere Änderung vor, in dem er Thomas Lasser durch Janusz Turowski ersetzt. Turowski, der am letzten Wochenende nicht überzeugen konnte, als er beim 5:1 gegen Hertha BSC erstmals in der Rückrunde beim Anpfiff auf dem Platz stand, wartet seit Dezember des letzten Jahres auf einen Treffer.

Er wird wohl weiter warten müssen, denn vor 37.000 Zuschauern ist von der Eintracht in der Offensive noch weniger zu sehen als vom Fernsehturm, der dem Olympiastadion gegenüber steht und von dichten Regenwolken umhüllt wird. Die Hessen sind allein darauf bedacht, ihr eigenes Tor zu sichern. Der Kasten der Gastgeber spielt in ihren Überlegungen offensichtlich eine völlig untergeordnete Rolle. Keine Frage, diese Truppe ist nach dem halben Dutzend Gegentreffern in Bremen bis ins Mark verunsichert und von ihrem Vorgesetzten mit der Maßgabe auf den Rasen geschickt worden, eine ähnliche Torflut heute zu vermeiden.

Das gelingt auch. Die Abwehr ist etwas überraschend der einzige Mannschaftsteil, der selbstbewusst und konzentriert wirkt. Roth meldet Laudrup ebenso ab wie Körbel Wohlfarth, Klein gelingt eine deutliche Steigerung, Studer ist meist Zweikampfsieger und Stein wieder der gewohnte Rückhalt. Ansonsten aber spielt die Eintracht zaghaft, vorsichtig, passiv, immer darauf bedacht, Fehler zu vermeiden.

Zwischen Mittelfeld und Sturm klafft nicht nur eine räumliche Lücke. Der oft angespielte Bein hat möglicherweise Ideen, diese Lücken zu füllen, doch er muss sich vorkommen wie ein Quarterback im Football, dem die Passempfänger abhanden gekommen sind. Sippel und Turowski stehen und laufen meist falsch und sind daher kaum anspielbar. Und von Möller ist im Gegensatz zu Gründel, der von der rechten Seite weit in die Mitte gerückt ist und dort besser zur Geltung kommt, wieder einmal nichts zu sehen. Seinen Auftritt kommentiert Walther Lücker in der Frankfurter Rundschau später so: „Dazu erhielt die Vermutung, dass die wirklich großen Spiele Möllers Sache noch nicht sind, neue Nahrung.“

Dass es zur Halbzeit 0:0 steht, ist aber auch der Verdienst der Hausherren, die ihre Gäste kaum unter Druck setzen. Als würden ihnen die tiefhängenden Wolken aufs Gemüt drücken, zeigen die Bayern im strömenden Regen eine Vorstellung, die glückliche, aber dem Fußballsport zugeneigte Menschen ebenfalls in depressive Stimmung versetzen könnte. Vier Rückgaben zu Torhüter Stein binnen 45 Sekunden ist das Außergewöhnlichste, was in den ersten 45 Minuten geboten wird.

Eintracht-Vizepräsident Bernd Hölzenbein verteidigt sich und seine Elf in der Pause gegen diejenigen, die der Eintracht ein einfallsloses und destruktives Spiel vorwerfen: „Die Bayern wollen Meister werden, da sollen sie mal was zeigen. Die machen ja gar nichts. Es ist deren Problem, wenn sie nicht kommen.“ Das sieht auch Münchens Trainer Heynckes, der Bender für Strunz bringt, ähnlich: „Zu wenig Bewegung“, moniert er bei seiner Elf und „zu wenig Risiko.“

Die nimmt sich die Schelte des Trainers zu Herzen und erhöht die Schlagzahl. Aggressiver gehen die Bayern nun zu Werke und die Eintracht lässt sich noch weiter in die Defensive drängen, als das zuvor der Fall war. Noch hält der Widerstand, doch der Druck der Hausherren nimmt immer mehr zu. Daran ändern auch die seltenen Ausflügen von Stepanovics Mannen in des Gegners Hälfte nicht viel. Ein Flachschuss geht rechts am Tor vorbei und der nächste halbhohe Versuch aus der Distanz wird von Keeper Aumann um den rechten Pfosten gedreht.

Zwanzig Minuten vor dem Ende können die Frankfurter immer noch davon träumen, dass ihre Taktik aufgeht, doch dann wird der Wall der Maurermeister vom Main von ihrem bayrischen Gegenstück Jürgen Kohler zum Einsturz gebracht. Ausgangspunkt ist Möller, der gegen den enorm fleißigen und nicht weniger bissigen Effenberg den Ball verliert. Kohler startet im Mittelfeld, spielt einen Doppelpass mit Bender, hängt seinen Verfolger ab, der im Laufduell zu Boden geht, und schiebt im Strafraum aus halblinker Position den Ball am herausstürzenden Stein flach vorbei ins Tor.

Die Eintracht mit Libero Binz vorneweg versucht sich zu wehren, doch es ist zu spät, den Schalter noch einmal umzulegen, auch wenn Stepanovic sieben Minuten nach dem Rückstand endlich Kruse für den abermals enttäuschenden Turowski bringt. Effenberg sorgt in der 87. Minute dann für klare Verhältnisse, als er 20 Meter vor dem Tor den Ball in den Strafraum zu Grahammer spielt, von dem er – im Sprint nachrückend – das Leder mit der Hacke wieder vorgelegt bekommt. Stein stürzt erneut aus seinem Tor heraus, kann das 2:0 gegen den entschlossenen Effenberg aber nicht mehr verhindern.

„Gut spielen zählt gar nichts“, bleibt Effenberg nach dem Abpfiff so kühl wie vor dem Torschuss zum 2:0, „gewinnen müssen wir unsere Spiele.“ „So macht die Aufholjagd Spaß“, grinst Augenthaler, der an einer heißen Tasse Tee schlürft, und freut sich über den Punktverlust der Lauterer in Wattenscheid: „Da waren‘s nur noch drei.“ „Jetzt werden wir Meister“, tönt Kohler. „Wenn wir in Dortmund gewinnen, holen wir den Titel“, glaubt auch Augenthaler und Manager Uli Hoeneß rechnet vor: „Kaiserslautern verliert noch vier Punkten und wir nur noch einen.“ Und auf die Frage, ob er denn damit rechne, dass Kaiserslautern nach dem 0:0 in Wattenscheid Nerven zeigen werde, stichelt Trainer Heynckes: „Das machen die doch schon.“ „Sollen die Bayern nur plärren, wir haben keine Angst“, entgegnet Lauterns Trainer Feldkamp.

„Die Frankfurter konnten nicht ihre tödlichen Konter setzen und waren insgesamt zu passiv“, bemängelt der ehemalige Bayernspieler Norbert Nachtweih, der in der kommenden Saison zur Eintracht zurückkehren wird und das Spiel beobachtet hat. „Wir sind Millimeter für Millimeter zurückgewichen“, bestätigt Stepanovic, der seine Entscheidung für Turowski und gegen Kruse so erklärt: „Ich wollte zwei Konterspieler.“

„Ich übe grundsätzlich keine Einzelkritik, aber die Abstimmung zwischen Sturm und Mittelfeld, wie die Stürmer laufen und wie sie das Spiel koordinieren, lässt zu wünschen übrig. Da werden die Räume nicht geschaffen“, analysiert Bernd Hölzenbein: „Und der verletzte Ralf Falkenmayer ist für unser Spiel so wichtig wie kaum ein anderer.“ „Es war klar, dass Steppi nicht immer gewinnen kann. Jetzt wollen wir sehen, wie er das wieder hinkriegt, aber da habe ich überhaupt keine Bedenken“, sagt der Vizepräsident: „Wir sind in München nicht untergegangen, und ohne Kohler hätten die Bayern nicht gewonnen.“

„Ich bin absolut positiv gestimmt, nur die Meisterschaft können wir jetzt wohl abhaken“, kommentiert Hölzenbein das Abrutschen auf den 6. Tabellenplatz. „Wir müssen die Woche schnell abhaken und am Freitag gegen Nürnberg gewinnen“, gibt Hölzenbein als Parole aus: „Ich glaube, dass wir das schaffen und klar auf einen UEFA-Cup-Rang zusteuern.“

Als er wegen der letzten Niederlagen nach einem „Knacks im Team“ gefragt wird, antwortet er: „Den sehe ich nicht. Wenn wir am Freitag verlieren sollten, dann müsste man darüber nachdenken. Aber viele Spieler können viel besser spielen, und nach der Niederlage in Bremen konnten wir uns nicht anmaßen, in München zu gewinnen.“


Epilog

Die Eintracht verliert – nach einem Eigentor von Uli Stein, dem Hölzenbein in München attestierte, wieder „zwei Unhaltbare gehalten“ zu haben – tatsächlich auch gegen Nürnberg, qualifiziert sich am Ende als Tabellenvierter dennoch für den UEFA-Pokal. In diesem streichen die Frankfurter, die in dieser Saison bereits in der 1. Runde gegen Bröndby ausgeschieden sind, nach den leichten Auftaktsiegen über die bestenfalls zweitklassige Elf von Spora Luxemburg gegen KAA Gent in der 2. Runde nach dem torlosen Unentschieden in Belgien und der 0:1-Heimniederlage im Rückspiel erneut früh die Segel.

Der FC Bayern hat sich zu früh über den Punktverlust der Lauterer in Wattenscheid gefreut. Am 32. Spieltag erleiden sie selbst dort eine Niederlage, als Thorsten Fink, der Jahre später für die Münchner spielen wird, das zwei Minuten zuvor von Roland Wohlfahrt erzielte 2:2 durch seinen Treffer in der 89. Minute in ein 3:2 für die Wattenscheider verwandelt. Der 1. FC Kaiserslautern macht das Rennen zwar durch eine 2:3-Hemniederlage gegen Gladbach am vorletzten Spieltag noch einmal spannend, wird aber nach dem 6:2-Sieg in Köln im Saisonfinale mit drei Punkten Vorsprung auf Bayern München Deutscher Meister des Jahres 1991. (rs)

 

 

>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg