Eintracht Frankfurt - Bayern München

Bundesliga 1988/1989 - 18. Spieltag

2:2 (0:0)

Termin: Sa 18.02.1989 15:30
Zuschauer: 47.500
Schiedsrichter: Manfred Neuner (Leimen)
Tore: 0:1 Jürgen Wegmann (46.), 1:1 Karl-Heinz Körbel (54.), 2:1 Dieter Eckstein (70.), 2:2 Olaf Thon (71.)

 

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Eintracht Frankfurt Bayern München

 


  • Raimond Aumann
  • Erland Johnsen
  • Roland Grahammer
  • Norbert Nachtweih
  • Hans Pflügler
  • Stefan Reuter
  • Hans-Dieter Flick
  • Olaf Thon
  • Ludwig Kögl
  • Jürgen Wegmann
  • Roland Wohlfarth

 

Wechsel

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Trainer

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Nach dem Schlußpfiff waren alle Beteiligten hochzufrieden

Als die Nationalspieler Dieter Eckstein und Olaf Thon beim offenen Schlagabtausch der zweiten Halbzeit kurz hintereinander das 2:1 und das 2:2 erzielt hatten, fraß sich in den Köpfen der 22 Akteure ein einziger Gedanke fest: „Bloß jetzt nicht noch verlieren!" Diese Angst, daß sich noch etwas zu eigenen Ungunsten verändern könnte, überlagerte den Willen, noch etwas zu eigenen Gunsten zu verändern. Ein fehlgeschlagener Flugkopfball-Versuch von Roth und Andersen nach einem Freistoß von Gründel auf der einen, und ein von Uli Stein parierter Fernschuß von Wegmann auf der anderen Seite waren die einzigen notierenswerten Szenen der letzten 16 Minuten.

Das 2:2 ließ ja auch für beide Seiten positive Interpretationen zu. Die Eintracht hatte im 18. Jahr und (inklusive Pokal- und UEFA-Pokalspiele) im 21. Treffen hintereinander im Waldstadion gegen die Bayern nicht verloren. Die Bayern waren im 18. Punktspiel der Saison niederlagenfrei geblieben, und nachdem sie auf der großen Anzeigetafel ein paarmal die Zwischenergebnisse von den anderen Plätzen erhascht hatten, wußten sie, daß dieses Unentschieden ihre führende Position sogar gestärkt hatte.

Libero Norbert Nachtweih, der an diesem Tage Bayern-Kapitän war, gewann der eigentlich negativen Bayern-Serie in Frankfurt die positive Seite ab: „Wir haben seit sechs Jahren hier nicht verloren." Und Jörg Berger hatte auch einen zusätzlichen positiven Aspekt errechnet: „Zwei Tore in einem Spiel hat die Mannschaft in der ganzen Saison noch nicht geschossen. Jetzt hat sie die magische Zehn erreicht, das Torekonto ist in der Tabelle endlich zweistellig."

Also herrschte rundherum Zufriedenheit. Auch bei den 47.000 Zuschauern, egal, welchem Lager sie zuzuordnen waren. Dieser Rückrunden-Auftakt im Waldstadion hatte Farbe und Format, Tore und Temperament, Spielfluß und Spannung. Die Überraschung war wohl, wie sich die Eintracht nach dem 0:1 durch den Kopfball des freistehenden Wegmann, zwanzig Sekunden nach Wiederanpfiff und nach deutlicher spielerischer Unterlegenheit in den ersten 45 Minuten plötzlich aufraffte und die Bayern mutig anfiel. Schon Turowski, der mit seiner Schnelligkeit immer eine Bedrohung für den Gegner darstellt, hätte den Ausgleich schießen müssen. Aber er war offenbar noch nicht geheilt von der daseinsbedrohenden Krankheit der Vorrunde, die die Eintracht-Stürmer immer dann befiel, wenn sie zum Torschuß ansetzten. Aus zehn Metern donnerte er freistehend hoch über das Tor. Gründel hatte ihn vortrefflich freigespielt.

Den Ausgleich fabrizierte dann Karlheinz Körbel, der Kapitän, der 17 dieser 18 Jahre ohne Heimniederlage gegen die Bayern miterlebt hat. Gründel warf ein, Schlindwein verlängerte den Ball mit dem Kopf weiter und Körbel drehte sich auf engstem Raum in eine freie Schußbahn. Knapp zwanzig Minuten später zeigte dann Dieter Eckstein, was er für die Eintracht wert ist, als er ein Solo mit einem überraschenden Linksschuß abschloß, mit dem wohl auch Torwart Aumann nicht gerechnet hatte.

Uli Stein hatte mehr zu tun als er. Beim einzigen gefährlichen Schuß von Wohlfahrt reagierte er großartig, bei Pflüglers krachendem Pfostenschuß hätte er keine Abwehrchance gehabt. Die Bayern-Überlegenheit im ersten Durchgang wurde im Mittelfeld herausgewirtschaftet, wo Kögl, Thon und Reuter wirbelten. Der vermeintliche Lenker des Eintracht-Spiels, Dirk Bakalorz, kam gar nicht ins Spiel, Gründel gelang einiges mehr als ihm. Die linke Seite, wo Studer wegen der schwachen Leistung von Bakalorz oft einer Übermacht gegenüberstand, war die Schwachstelle der Eintracht. Hier drangen Grahammer und besonders Reuter bis in die Gefahrenzonen vor, und Reuter lieferte auch beide Flanken zu den Bayern-Toren. Ihn und Thon lobte Trainer Heynckes, dabei hatte eigentlich Kögl noch mehr geglänzt. Wegmann und Wohlfahrt dagegen waren bei Körbel und Schlindwein besser abgemeldet als befürchtet.

Trainer Jörg Berger lobte seine beiden Oldtimer Stein und Körbel und Benjamin Lasser, den erst gegen Ende die Kräfte verließen. „Meine größte Sorge war während des ganzen Spiels das Austauschen. Ich wußte ja nicht, wie Schlindwein und Binz nach der langen Pause und wie Lasser durchhielten, und auf der linken Seite mußte ich mir auch etwas einfallen lassen." Mit Schlindwein war abgesprochen, daß er sich melden solle, wenn die Puste ausging. Für ihn kam Klepper, und schließlich ersetzte Andersen noch den enttäuschenden Bakalorz.

Beide Trainer sahen das Ergebnis als gerecht an, beiden gewannen ihm fast nur positive Seiten ab. „Es war ein gewonnener Punkt", sagte Heynckes mit Blick auf die Pokal-Niederlage kurz vorher, und er lobte die Arbeit des Kollegen Berger: „Die Eintracht ist körperlich in sehr gutem Zustand, das habe ich schon beim Hallenturnier gemerkt." Berger erkannte: „Die Mannschaft hat auf allen Positionen kämpferisch alles gegeben. Spielerisch fehlt noch einiges, aber es war bestimmt ein guter Auftakt für das Jahr 1989." (Frankfurter Rundschau vom 20.02.1989)


Die „magische Zehn" - schwingt sich die Eintracht auf?

Wieder ein Remis gegen Bayern München, aber zwei moralische Sieger - Körbel sieht Bergers Arbeit bestätigt

Und ist der Unterschied in der Tabelle auch noch so groß: Sportlich findet sich im Waldstadion beim Vergleich zwischen Eintracht Frankfurt und Bayern München kein Sieger. Seit sechs Jahren geht das nun schon so. Und wie so häufig im Sport eröffnet ein Unentschieden erst einmal einen Zwiespalt bei den Kontrahenten: Sollen sie sich freuen oder ärgern? Doch diesmal gab es nach dem 2:2 (0:0) zum Rückrundenauftakt der Fußball-Bundesliga gleich zwei Sieger - moralische Sieger. Die Bayern waren im 18. Spiel in Folge ungeschlagen geblieben, sie hatten den Startrekord des Hamburger SV aus der Saison 82/83 eingestellt. Trainer Jupp Heynckes sprach vom gewonnenen Punkt, da (den HSV ausgeklammert) „alle anderen für uns gespielt haben". Die Ergebnisse von Köln, Bremen und Stuttgart belegen: Platz eins ist gestärkt.

Aber auch die Frankfurter, abstiegsgefährdet und innerlich durchgeschüttelt, ziehen sich an dem einen Zähler hoch. Immerhin gelang er gegen die Bayern, gegen die sie seit 1970 im Waldstadion nicht mehr verloren haben. Und er setzt für viele das Signal zu einem Aufschwung. Karl-Heinz Körbel, der Kapitän, sah bereits „Bestätigung für Bergers Arbeit". Der neue Trainer scheint der Eintracht Kraft und Mut zurückgegeben zu haben. Jörg Berger sitzt nicht wie sein Vorgänger Pal Csernai ruhig auf der Bank, er ist energischer Zeichengeber am Spielfeldrand. Das Lob kam vom Kollegen: „Frankfurt ist körperlich in sehr gutem Zustand", befand Jupp Heynckes.

Doch das ist es nicht allein, was die Eintracht auf bessere Zeiten hoffen läßt: Auch kämpferisch - und spielerisch - bewegt sich etwas. Daß sie erstmals in dieser Saison zweimal ins Schwarze traf und damit an Toren „die magische Zehn" (Berger) erreichte, mag Indiz für den Fortschritt sein. Allerdings gab's auch Ungereimtheiten. Da hielten sie mit Glück (Pfostenschuß Pflügler) und Torwart Uli Stein bis zur Halbzeit ein 0:0, da gingen sie nach Wegmanns 0:1 (46.) gezwungenermaßen mehr Risiko, verwandelten den Rückstand durch Körbel (54.) und Eckstein (72.) in eine Führung und kassierten doch kaum sechzig Sekunden später durch Thon (73.) den Ausgleich. Träumerei, Unerfahrenheit - oder feierten sie gedanklich noch zu sehr ihr zweites Tor, wie es der zuvor eingewechselte, frühere Darmstädter Thomas Klepper vermutet? Die Münchner haben diesen schwachen Moment sofort erkannt und bestraft.

Trotz des 2:2 - die Eintracht ist sicher noch nicht soweit, wie Jörg Berger sich das vorstellt, da durch viele Verletzungen personelle Grenzen gesetzt sind. Aber die Leistung vom Samstag bildet eine Basis, auf der sich aufbauen läßt. Mit dem 19 Jahre alten Abiturienten Thomas Lasser („Ich habe mir vorher eingeredet, daß es so schlimm nicht wird") verfügen sie über ein Talent aus dem Amateurteam, das - gegen Thon ins kalte Wasser geworfen - seine Sache ordentlich machte, solange die Kraft reichte. Mit Torhüter Uli Stein, mit Kapitän Karl-Heinz Körbel und Stürmer Dieter Eckstein hat sie Persönlichkeiten. Und mit Janusz Turowski einen Stürmer, der dank Schnelligkeit und Technik ein Klassemann sein könnte, wäre er vor dem Tor nicht solch ein Umstandskrämer. Ihm das endlich auszutreiben, ist eine lohnende Aufgabe. (Darmstädter Echo vom 20.02.1989)

 

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