Eintracht Frankfurt - VfL Wolfsburg

DFB-Pokal 1988/1989 - 1. Hauptrunde, Wiederholungsspiel

6:1 (1:0)

Termin: 24.09.1988
Zuschauer: 2.000
Schiedsrichter: Wolf (Stuttgart)
Tore: 1:0 Wilhelmi (5. Eigentor), 2:0 Dirk Heitkamp (50.), 3:0 Peter Hobday (57.), 3:1 Mosert (64.), 4:1 Dirk Bakalorz (73. Elfmeter), 5:1 Jörn Andersen (78.), 6:1 Heinz Gründel (87.)

 

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Eintracht Frankfurt VfL Wolfsburg

 


  • J. Sievers
  • Pahl
  • Otto
  • Wilhelm
  • Geiger
  • Tavares-Ferreira
  • Mosert
  • Ansorge
  • Ament
  • Hadrys
  • Fiebich

 

Wechsel

Wechsel

  • Schlumberger für Hadrys (64.)
  • Plagge für Fiebich (79.)

Trainer

Trainer

  • Horst Hrubesch

 

 

Gespenstische Kulisse zur Trainerpremiere

Es ist die Premiere als Cheftrainer von Eintracht Frankfurt, die Pal Csernai am Samstag, den 24. September 1988 bei der zweiten Auflage des Pokalspiels gegen den VfL Wolfsburg erlebt. Das Waldstadion selbst ist ihm indes bestens bekannt, denn als Assistenztrainer von Gyula Lorant hatte er bereits ab Juli 1977 ein Amt bei der Eintracht inne. Auch sein Wolfsburger Gegenüber hat eine Eintrachtvergangenheit, freilich eine theoretische: Horst Hrubesch war sich 1978 - als Zweitligastürmer von Rotweiß Essen mit der Empfehlung von 42 Ligatoren - mit der Eintracht bereits einig, wechselte aber letztlich doch zum HSV. Kolportiert wird, dass der damalige Eintracht-Präsident von Thümen der Verlockung erlegen war, für Hrubesch vom HSV eine Summe von 50.000 Mark zu erhalten, wenn die Eintracht auf einen Wechsel verzichte.

Vor einer Geisterkulisse pfeift Schiedsrichter Wolf aus Stuttgart die Partie pünktlich um 15:30 Uhr an. Denn mit dem Frankfurter Fußballpublikum hat sich es die Eintracht mit ihren schlechten Leistungen und dem Theater hinter den Kulissen gründlich verdorben. Gerade einmal 2000 Unentwegte finden den Weg ins Stadion, die Gegentribüne ist bis auf einige Fernsehkameras komplett leer, von 13 Stehblöcken sind gerade einmal zwei geöffnet.

Lange müssen die wenige Getreuen aber nicht warten, bis sie das 1:0 für die Hausherren zur Kenntnis nehmen können. Allerdings ist keiner der Eintrachtler der Schütze, sondern Wolfsburgs Abwehrspieler Wilhelm lenkt die Kugel nach einer Flanke von Heitkamp in die Richtung des eigenen Tores, und Gästetorhüter Jörg Sievers ist geschlagen. Sievers muss in diesem Spiel übrigens auf ein Familientreffen verzichten, denn er ist der jüngere Bruder des Frankfurter Spielers Ralf 'Colt' Sievers, der 1982 zur Eintracht kam und eigentlich einen Stammplatz innehat. Heute ist er allerdings verhindert, denn er ist für die Olympiaelf abstellt, so dass es nicht wie im Hinspiel zum Bruderkampf kommt.

Im weiteren Verlauf der ersten Hälfte zeigt sich der Bundesligist seinem klassentieferen Gegner zwar überlegen, zwingende Aktionen sind aber Mangelware. So schwören lediglich ein Schuss von Bakalorz und eine leichtfertige vergebene Chance von Andersen so etwas wie Torgefahr herauf. Die Amateure selbst spielen zu bieder, um aus der Unsicherheit der Eintracht Kapital zu schlagen. So bleibt es bis zum Pausenpfiff beim mageren 1:0.

Nach dem Wechsel scheint den Wolfsburgern dann die Luft auszugehen. Die Frankfurter Mittelfeldspieler nutzen den Raum und setzen ihre Stürmer in Szene. Und wie schon in der ersten Hälfte schlägt es nach fünf Minuten hinter Sievers ein, als Heitkamp einen Pass von Bakalorz aufnimmt und den Wolfsburger Schlussmann mit einem Schlenzer überwindet. Sieben Minuten später bedient Stefan Studer Peter Hobday, und der Engländer im schwarzrot-quergestreiften Dress erzielt das 3:0.

Als nächstes ist Uli Stein an der Reihe, den Ball aus dem Tor zu holen. Vorausgegangen war ein katastrophaler Fehlpass von Manni Binz im Mittelfeld, den Wolfsburg zu einem Konter und letztlich Mosert zum 1:3 nutzt. Kurz darauf haben die Gäste sogar die Gelegenheit, die Sache noch einmal spannend zu machen, aber Stein kann einen Schuss von Amendt mit dem Fuß abwehren.

Endgültige Klarheit schaffen dann Bakalorz, der in der 73. Minute einen an Andersen verursachten Foulelfmeter verwandelt, und der Norweger selbst, der fünf Minuten später eine Flanke von Roth mit dem Kopf ins Netz zum 5:1 drückt. Den Schlusspunkt setzt Heinz Gründel mit dem 6:1 drei Minuten vor dem Abpfiff, das für einen standesgemäß deutlichen, keinesfalls aber souveränen Sieg sorgt.

Desolater Zustand der Diva vom Main

Gilt - zumindest offene - Kollegenschelte in den Kreisen der Bundesligatrainer meist als Tabu, so hält dies Pal Csernai bei seiner Kritik am Auftreten seines neuen Teams nicht davon ab, einige Giftpfeile in Richtung seines Vorgängers Feldkamp zu schießen. Schockiert, so der Ungar, sei er von der Kopfballschwäche, der fehlenden Bindung zwischen den Mannschaftsteilen und dem zu langsamen Umschalten von Abwehr auf Angriff.

Vor allem aber sieht er Defizite in der Spritzigkeit und im konditionellen Bereich: "Es war erschütternd, was ich in zwei Dritteln der Begegnung sehen musste, da wurde regelrecht spazieren gegangen. Ich habe schon viele Mannschaften trainiert und manche auch erst im Verlaufe einer Saison übernommen, aber noch nie ist eine Mannschaft in solch einem desolaten Zustand gewesen. Es wurden Fehler gemacht, die in einer Bundesliga-Mannschaft in dieser Dichte nicht vorkommen dürften."


Trügerische Vorschusslorbeeren der 'Abendpost-Nachtausgabe':
Der neue Dirigent der Eintracht schmeißt bereits nach drei
Monaten den Taktstock hin.

Um diese Defizite abzustellen, denkt man denn auch über weitere personelle Veränderungen nach. Richten soll es unter anderem Dariusz Dziekanowski, ein aktueller polnischer Nationalspieler und derzeit Mittelfeldstar von Legia Warschau, den die Eintracht, glaubt man dem Boulevard, fest am Haken hat. Als haltlos herausgestellt haben sich dagegen die bereits in fetten Schlagzeilen gedruckten Gerüchte, dass Karl-Heinz Rummenigge sich mit der Eintracht einig sei.

Kommen wird es, wie so oft, dann gänzlich anders: Im Oktober wird Dieter Eckstein verpflichtet, und Pal Csernai die Eintracht am Jahresende '88 bereits wieder verlassen. (fg)

 

„Kündigung flog durchs Toilettenfenster“

„Die Vorwürfe gegen mich sind völlig unberechtigt und durch nichts zu beweisen.“ So reagierte Wolfgang Kraus auf die Umwandlung seiner „Freistellung“ In eine „fristlose Entlassung“ und die Einstellung der Bezüge. Die neueste Wende im vereinsinternen Grabenkrieg erlaubt dem ehemaligen Manager der Frankfurter Eintracht nun endlich, gegenüber der Öffentlichkeit und den Fans zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen. Wie die „Freistellung“ war ihm auch die Entlassung auf unübliche Weise zugestellt worden. Während er von seiner Beurlaubung auf dem Parkplatz des Waldstadions durch Vizepräsident Klaus Mank wenigstens mündlich erfuhr, erreichte ihn der Kündigungsbrief auf der Toilette.

In der Nacht zum Dienstag strichen zwei Mitglieder der Eintrachtführungsspitze (es soll sich um Vizepräsident Mank und Geschäftsführer Peter Röder gehandelt haben) um das Haus der Familie Kraus in Dreieich-Sprendlingen. Sie wurden von Nachbarn gesehen und auch angesprochen. Wolfgang Kraus haben sie nicht angetroffen. Am nächsten Morgen aber fand Dennis Kraus, der vierjährige Sohn, auf der Gästetoilette den folgenschweren Brief der Eintracht.

Wolfgang Kraus: „Offenbar wurde das Schreiben durch das Fenster der Toilette geworfen. Wenn es nicht so traurig wäre, müßte man darüber eigentlich lachen.“ Doch es zeigt wieder einmal, wie weit es mit Stil und Format bei der Eintracht gekommen ist. Als Begründung für die Entlassung wird in dem am Tag danach noch einmal per Gerichtsvollzieher zugestellten Schreiben erneut der mysteriöse Brief von Eintracht-Mitglied John Alexander Hinkel angeführt.

Der Spielausschußvorsitzende der Spvgg. Bad Homburg wirft in dem an Präsident Klaus Grämlich adressierten Schreiben Kraus vor, er habe abfällige Bemerkungen gegenüber dem Präsidenten gemacht. „Das stimmt einfach nicht“, verteidigt sich Wolfgang Kraus, „es ist doch offensichtlich, was da passiert.“ Kraus spielt auf Hinkels Verflechtungen mit der Eintracht an. Zunächst war der Amateurfunktionär als Oppositionsführer mit dem Ziel angetreten, das Eintrachtpräsidium abzulösen, um u.a. eine Entlassung des Managers zu bewirken. Kraus: „Es wäre doch mehr als merkwürdig, wenn ich ausgerechnet zu diesem Herrn ginge, der mich massiv angreift, um ihm vertraulich zu erzählen, was ich vom Präsidenten halte.“

Noch gut in Erinnerung sind auch Hinkels Angriffe gegen Gramlich und Knispel in den Jahreshauptversammlungen der vergangenen Jahre. Auch diesmal ließ er kein gutes Haar am Präsidenten und Schatzmeister. Doch dann plötzlich die Kehrtwendung, der Brief und die Verbrüderung mit Gramlich. Der Eindruck, Kraus solle vom Präsidenten geopfert werden, um den eigenen Kopf zu retten, liegt nahe. Zumal John Alexander Hinkel unmittelbar nach der Ablösung von Kraus als Oppositionsführer nicht mehr auftrat, sondern nun seine Kandidatur als Vizepräsident unter dem vorher angegriffenen Präsidenten Gramlich anmeldete. „Wenn man diese Tatsachen berücksichtigt, weiß man, wieso ein solcher Brief geschrieben wurde“, meint Wolfgang Kraus.

Er läßt sich nun von einem Anwalt beraten, ist nicht mehr bereit, das schmutzige Spiel der Eintracht mitzumachen. Wolfgang Kraus: „Erst versichert der Präsident, es solle keine schmutzige Wäsche gewaschen werden und bringt damit in die Öffentlichkeit, es hätte schmutzige Wäsche gegeben. Dann versichert mir der Vizepräsident er würde einer fristlosen Entlassung nie zustimmen und bietet mir gleichzeitig eine Abfindung an und schließlich werfen sie die Kündigung durchs Klofenster. Jetzt ist es wirklich genug.“

Wolfgang Kraus, dessen Vertrag noch bis 1990 läuft, der zusätzlich eine weitergehende Vereinbarung mit der Eintracht hat, wird nun gerichtlich gegen den Verein und gegen John Alexander Hinkel vorgehen. Kraus: „Die Wahrheit muß ans Licht. Es gefällt mir nicht, daß ich gegen die Eintracht prozessieren muß, aber ich trage auch gegenüber meiner Familie eine Verantwortung. Es bleibt mir keine andere Wahl.“ (Abendpost-Nachtausgabe vom 24.09.1988)


Friedrich wird Fußball-Manager in Frankfurt

Nach der fristlosen Entlassung von Wolfgang Kraus ist das Präsidium des Fußball-Bundesligaklubs Eintracht Frankfurt bei der Suche nach einem Nachfolger schnell fündig geworden. Am Dienstagmittag präsentierte Eintracht-Präsident Klaus Gramlich den 44 Jahre alten Jürgen Friedrich als neuen Vereins-Manager. Friedrich spielte von 1962 bis 1968 als Lizenzspieler bei der Eintracht in 78 Bundesligaspielen und von 1968 bis 1973 beim Ligakonkurrenten 1. FC Kaiserslautern. Nach Aufbau einer beruflichen Existenz in Kaiserslautern engagierte sich Friedrich auch in ehrenamtlichen Ämtern. Von 1977 bis 1981 und von 1985 bis zum Ende dieser Saison führte er den 1. FCK als Präsident.

Seinen Wechsel aus seinen Textilgeschäften in der Pfalz an den Schreibtisch eines Managers in Frankfurt begründet Friedrich damit, daß er sich „noch zu frisch“ fühle, noch zu unruhig sei, als daß man „nicht noch etwas draufpacken könne“. Die Packung ist indes nicht schlecht. Die Frankfurter Eintracht, die nicht nur den Manager, sondern gerade erst auch den Trainer (Pal Csernai für Karlheinz Feldkamp) ausgewechselt hat, hat einen denkbar schlechten Start in diese Saison erwischt. Zwei Siege in sieben bisherigen Spielen bedeuten 4:10 Punkte, und ob am nächsten Dienstag die nächste Runde im Europapokal der Pokalsieger gegen Grasshoppers Zürich erreicht wird, ist angesichts der derzeit sportlich desolaten Verfassung der Mannschaft längst nicht ausgemachte Sache. (FAZ vom 28.09.1988)

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