Eintracht Frankfurt - Schalke 04

Bundesliga 1987/1988 - 15. Spieltag

2:0 (1:0)

Termin: Sa 07.11.1987, 15:30 Uhr
Zuschauer: 19.000
Schiedsrichter:Eugen Strigel (Horb)
Tore: 1:0 Andreas Möller (2.), 2:0 Ralf Balzis (60.)

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Eintracht Frankfurt Schalke 04

 


  • Harald Schumacher
  • Wilfried Hannes
  • Thomas Kruse
  • Michael Jakobs
  • Michael Klinkert
  • Michael Prus
  • Claus-Dieter Wollitz
  • Martin Giesel
  • Bjarne Goldbaek
  • Olaf Thon
  • Carsten Marquardt

 

Wechsel Wechsel
  • Dieter Götz für Claus-Dieter Wollitz (61.)
  • Reiner Edelmann für Michael Jakobs (85.)
Trainer Trainer
  • Rolf Schafstall

 

Stein kehrt an den Tatort zurück

Letztlich geht es schnell: Am Sonntag nach dem Spiel in Bremen bestätigt die Eintracht erstmals offiziell, dass Interesse an der Verpflichtung des Torhüters Uli Stein bestehe, Stein und sein Manager Milewski weilen zu Gesprächen in Frankfurt. Am Montag gibt Manager Kraus bekannt, dass es "... noch keine Basis gäbe, um den Transfer abzuwickeln". Mit Stein sei man sich einig, allerdings differierten die Vorstellungen der beiden Vereine HSV und Eintracht über die Höhe der zu leistenden Ablösezahlung. Während die Hamburger zwischen 600.000 und 700.000 Mark fordern sollen, sei Frankfurt nur bereit, 400.000 Mark zu zahlen.

Am Montagabend verbessern sich dann die Voraussetzungen für eine Einigung, denn auf der Jahreshauptversammlung des HSV tritt Präsident Wolfgang Klein, der vor seiner Demission in den "Fall Stein" nicht mehr eingreifen wollte, wie angekündigt zurück. Die damit verbundene Umbildung in der Vorstandsetage des Vereins spielt der Eintracht in die Karten.

Bereits am Dienstagmorgen setzt sich Kraus mit dem neu gewählten Präsidium der Norddeutschen in Verbindung, denn Eile ist angesagt. Sollte Stein zur Eintracht wechseln und schon am Samstag gegen den FC Schalke 04 im Tor stehen, müsste er bis 15:00 Uhr an diesem Tag auf der Transferliste des DFB erscheinen, um die Spielberechtigung zu erhalten. Und der neue Vorstand des HSV um Präsidenten Ernst Naumann scheint willens, zumindest die Baustelle Stein schnell zu schließen, denn knapp eine Stunde vor diesem Termin einigen sich die beiden Vereine auf eine Transfersumme von 500.000 Mark. Hiervon werden 150.000 Mark sofort fällig, die allerdings mit der Leihgebühr für den Ex-Eintrachtler Klaus Theiss, der mittlerweile nach Hamburg wechselte, verrechnet werden. Die Restsumme muss die Eintracht dann am 1. Juli 1988 überweisen, so denn sich der HSV nicht zum Kauf von Theiss entschließt, der mit 350.000 Mark zu Buche schlagen würde. Durch diese Verlagerung der Zahlung entsteht für die Eintracht keine finanzielle Belastung des Etats der laufenden Spielzeit. "Rein wirtschaftlich gesehen ist Stein somit der erste Neuzugang für die kommende Saison", erklärt Manager Kraus. "Und bis dahin", so hofft der Manager, "hat Stein dieses Geld für Frankfurt schon eingespielt."

Bereits am Dienstagabend trifft Stein mit dem Flugzeug aus Hamburg ein und unterschreibt am Mittwoch einen Vertrag bis 30. Juni 1990. Stein: "Ich habe einen sehr leistungsbezogenen Vertrag. Wenn ich wenig spiele, erhalte ich wenig Geld. Das ist gut so. Es verhindert, dass mir so etwas wie beim HSV noch einmal passiert." Seiner neuen Mannschaft traut er zu, erfolgreich zu sein: "Ich habe sieben Jahre erfolgreich beim HSV gespielt, und daran will ich anknüpfen. Auf lange Sicht ist der UEFA-Cup bestimmt möglich, vielleicht klappt es ja schon in diesem Jahr." Am selben Tag trainiert Stein am Riederwald erstmals mit seiner neuen Mannschaft, die diesen Transfer fast geschlossen positiv aufnimmt. Auch das Interesse der Fans ist groß, so stellt Monika Koch-Emsermann, Geschäftsführerin des benachbarten Oberligavereins FSV Frankfurt, fest: "Hier ist im Training mehr los, als bei uns bei Spielen."

Wenig begeistert vom Neuzugang sind verständlicherweise die bisherigen Frankfurter Keeper Gundelach und Ernst. "Zumindest die Verwandtschaft unserer Torhüter wird am Samstag pfeifen", mutmaßt Feldkamp. Der bisherige Stammtorwart Gundelach, der wie nun Stein einen Vertrag bis 1990 besitzt, gibt sich aber diplomatisch: "Es sei notwendig gewesen, die Mannschaft auf dieser Position zu verstärken, hat mir Wolfgang Kraus erklärt. Ich habe damit gerechnet, dass sich etwas tun wird, deshalb bin ich jetzt auch nicht überrascht, nur ein bisschen traurig und gedrückt. Aber es geht weiter, und ich kann von Uli mit Sicherheit lernen. Und man kann ganz schnell wieder von der Nummer 2 zur Nummer 1 werden." Kapitän Körbel kann den Frust des demissionierten Stammtorhüters nachvollziehen: "Der ganzen Mannschaft tut Hannes Gundelach leid. Da sieht man wieder einmal, was für ein gnadenloses Geschäft der Fußball geworden ist." Dieses Geschäft trifft auch die bisherige Nummer zwei sichtlich, denn der 19-jährige Thomas Ernst, dessen Vertrag zum Saisonende ausläuft, darf beim ersten Training mit Stein nicht ins Tor, sondern muss im Feld spielen, was ihm "einen ziemlichen Hals" verursacht: "Da war ich ganz schön frustriert. Aber ich werde mich jetzt nicht aufgeben und nur so mittrainieren. Dafür ist mir die Zeit zu schade." Fast schon nach Galgenhumor klingt es, wenn Ernst seine Hoffnungen formuliert: "Vielleicht muss Gundelach beim nächsten Training im Feld spielen."


Die neue Nummer eins
im Frankfurter Tor

Dass Stein gegen Schalke im Tor stehen wird, ist für Feldkamp selbstverständlich. Damit schließt sich der Kreis für Stein, er kehrt ausgerechnet an den Tatort ins Fußballgeschäft zurück, an dem er seinen temporären Abschied einleitete: Denn das Waldstadion war der Austragungsort des Supercup-Finales Ende Juni, bei dem sich Stein mit einem Faustschlag gegen den Bayern-Spieler Jürgen Wegmann nicht nur die Rote Karte mit einer folgenden Sperre für zehn Pflichtspiele, sondern auch die Suspendierung durch den HSV einhandelte. Doch solche Nackenschläge sind für den Torhüter, den Viele für den besten Deutschlands halten, fast schon Routine.

So wurde Stein 1986 bei der WM in Mexiko von DFB-Chef Hermann Neuberger vorzeitig nach Hause geschickt, da er die Nationalmannschaft als "Gurkentruppe" und Teamchef Beckenbauer als "Suppenkasper" bezeichnet habe. Stein selbst bestreitet, das Wort "Gurkentruppe" in Bezug auf die DFB-Auswahl in Mexiko verwendet zu haben und schreibt die Urheberschaft dieser Zustandsbeschreibung dem jungen Matthias Herget zu. Auch den Begriff "Suppenkasper" sei von ihm nicht bei einem Disput verwendet worden, sondern lediglich bei einer Blödelei unter Spielern beim Mittagessen. Letztlich bedeutet dieser Vorfall aber das Ende seiner Karriere in der Nationalelf nach nur sechs Länderspielen.

Zu seinem heutigen Kontrahenten Schumacher, der bei Schalke das Tor hütet, hat Stein ein durchaus inniges, wenngleich kein freundschaftliches Verhältnis - "persönlich habe ich nie etwas gegen Toni gehabt", betont Stein. Vielmehr fühlte sich der Neu-Frankfurter speziell in der Nationalmannschaft nicht gebührend berücksichtigt. Dass Schumacher bei Länderspielen im Allgemeinen und bei dem WM in Mexiko als Nummer eins fungierte, hatte laut Stein wirtschaftliche und keine sportlichen Gründe. Adidas habe mit einzelnen Spielern und Funktionäre private Sponsorverträge geschlossen, zu den derart Begünstigte zählten auch Beckenbauer und Schumacher, "... die Freizeitindustrie diktierte die Mannschaftsaufstellung".

Der wie Stein 33-jährige Schumacher brachte es auf 76 Länderspiele, musste seine DFB-Karriere aber ebenfalls unfreiwillig beenden, nachdem er sich in seinem 1987 veröffentlichten Buch "Anpfiff" zum Thema 'Doping im Fußball' geäußert hatte. Dies führte nicht nur zu seinem Rauswurf aus der Nationalmannschaft, sondern auch der 1. FC Köln, bei dem er seit 1972 im Profikader stand, reagierte im Februar 1987 mit der Auflösung seines Vertrags. Seit dieser Saison ist Schumacher nun in Diensten von Schalke 04.

Neben dem Torhüterspektakel treten andere personellen Entscheidungen für das Spiel des Tabellen-10. Eintracht gegen den 16. Schalke deutlich in den Hintergrund, obwohl es neben dem Wechsel im Tor noch drei weitere Umstellungen in der Frankfurter Startelf gegenüber dem letzten Punktspiel in Bremen gibt. Frank Schulz, der sich wieder gesund gemeldet hat, läuft ebenso von Anbeginn an auf wie Chile-Heimkehrer Andreas Möller. Auch Ralf Sievers, der seine Gelbsperre verbüßt hat, ist wieder mit dabei. Für diese drei müssen Schlindwein, Heitkamp und Klepper ihren Platz räumen, wobei Letztgenannter durch eine Erkältung gehandicapt auf der Tribüne Platz nimmt. Die beiden anderen füllen zusammen mit Turowski, Müller und Gundelach die Ersatzbank.


Andy Möller - Torschütze zum 1:0

Etliche der 19.000 Zuschauer haben ihre Plätze noch nicht eingenommen, da gibt es für die Fans der Eintracht schon Grund zum Jubeln. Denn es ist gerade einmal etwas mehr als eine Minute gespielt, als Lajos Detari den Ball mit der Hacke zu Andy Möller lenkt. Der Juniorennationalspieler passt auf die linke Seite zu Smolarek, der Pole düpiert Schalkes Kruse, flankt in die Mitte, wohin Möller durchgestartet ist, um aus acht Metern per Kopf ins rechte untere Eck das 1:0 für die Eintracht zu erzielen.

Nach diesem Blitzstart fällt es der Eintracht leicht, das Geschehen auf dem Spielfeld zu bestimmen, ohne sich jedoch Torchancen gegen die von Hannes gut organisierte Abwehr der Schalker herausarbeiten zu können. Nach etwa 20 Minuten kommen die Gäste besser ins Spiel, in der 22. Minute lenkt Stein mit einer schönen Parade einen 18-Meter-Freistoß von Giesel über die Latte.


Smolarek kommt zu spät - kein Tor

Auf der Gegenseite ist Schumacher vor allem dann gefordert, wenn die Frankfurter Ecken und Freistößen herausspielen. So muss er in der 38. Minute einen Schuss von Detari parieren, und ist auch auf der Hut, als Smolarek versucht, einen Eckball direkt zu versenken. In der 42. Minute unterläuft dem Kölner im Schalker Tor allerdings ein Fehler, als Möller eine Ecke auf den kurzen Pfosten zieht, die von Körbel mit dem Kopf verlängert und von Schumacher verpasst wird. So bietet sich Schulz aus kurzer Distanz die Einschusschance, doch der torgefährliche Mittelfeldspieler säbelt über den Ball.

Nach der Pause versucht Schalke, offensiver zu spielen. Doch es bleibt beim Versuch, der Frankfurter Deckungsverbund spielt recht souverän. Stein strahlt eine ebenso große Ruhe aus wie vor ihm Libero Binz, die Manndecker Körbel, der in der 28. Minute seine vierte Gelbe Karte sah und im nächsten Spiel in Hannover aussetzen muss, und Kraaz haben mit ihren Gegenspielern wenig Probleme. Ein gutes Spiel liefert auch der Ex-Schalker Dietmar Roth ab, dem die Sonderaufgabe zugeteilt wurde, den Mittelfeldmotor der Gäste, Olaf Thon, aus dem Spiel zu nehmen. Im Gegensatz zum Pokalspiel vor zehn Wochen, als Thon beim 3:2-Sieg der Eintracht beide Schalker Treffer erzielen konnte, bleibt der kleine Techniker heute ohne Torerfolg, wenngleich er sich Chancen erarbeitet - etwa mit einem Distanzschuss aus 25 Metern in der 54. Minute und einem Fallrückzieher in der 59. Minute, den Roth aus Schiedsrichtersicht mit dem Kopf, aus Schalker Sicht mit den Händen klären kann.

Es ist dies die stärkste Zeit der Schalker, doch nach einer Stunde fällt das Tor auf der anderen Seite, als Ralf Balzis halbrechts den Ball führt und vergeblich einen Mitspieler zum Abspiel sucht. Von der Strafraumecke zieht 'Büffel' daher selbst ab und überrascht damit Schumacher im Tor der Gäste, über dessen Schulter der zum 2:0 ins Netz geht. "Toni, wir danken dir", ist die Antwort aus dem G-Block. Schumacher wird später behaupten, der Ball sei von Klinkert abgefälscht worden, die Fernsehbilder jedoch zeigen, dass dem nicht so war.


Smolarek gejagt von drei Schalkern

Nun setzt Schalke alles auf eine Karte, hat aber lediglich durch Klinkert in der 75. Minute eine gute Gelegenheit zum Anschusstreffer. Doch Stein kann den Schuss des Abwehrspielers aus 14 Metern ohne große Mühe parieren. Die weitaus größere Zahl an eindeutigen Torchancen hat die Eintracht bei ihren Kontern, die ein ums andere Mal durch Pässe von Detari oder Möller eingeleitet werden. Doch es ist schon fast fahrlässig, wie die Riederwälder mit diesen Gelegenheiten zur Ergebniserhöhung umgehen; ob Smolarek, Detari, Möller oder zweimal Schulz - alle scheitern sie ebenso freistehend wie unkonzentriert an Schumacher. Den Schlusspunkt setzt der für Smolarek eingewechselte Turowski in der letzten Minute, doch auch sein Schuss wird von Schumacher abgewehrt.

Viele Chancen, keine weiteren Tore - die logische Konsequenz: Das Spiel endet mit einem 2:0 für die Eintracht, die mit nun 13:17 Punkten auf dem zehnten Tabellenplatz verbleibt. Abwärts geht es für die Schalker - nach dieser Niederlage übernehmen sie die rote Laterne vom FC Homburg, der den 1. FC Kaiserslautern mit 3:2 besiegen konnte. (fgo)


Stimmen zum Spiel

Rolf Schafstall: "Der Sieg der Eintracht war natürlich verdient. Unser Konzept wurde bereits durch das frühe Tor über den Haufen geworfen, in der ersten Halbzeit haben wir uns zu wenig gewehrt und der Eintracht gestattet, uns in Bedrängnis zu bringen. Toni Schumacher konnte sicherlich heute nichts ändern; das zweite Tor war unglücklich, aber nicht entscheidend."

Karl-Heinz Feldkamp: "Es hat Spaß gemacht, heute zwei gute Torhüter halten zu sehen. Wunderbar, wie sie gespielt haben. In den Mittelpunkt aber möchte ich Dietmar Roth stellen; seine Leistungskurve geht enorm nach oben. Im Pokal vor einigen Wochen war es das Spiel von Thon, heute hat Roth die Akzente gesetzt. Am Ende waren wir leider noch nicht so weit, um den Sieg richtig auszukosten. Wir hatten viele Chancen, aber haben keine weiteren Tore erzielt. Zufrieden war ich mit meinen drei Rückkehrern, auch mit Schulz."

Uli Stein: "Es gibt Tage, an denen man das Gefühl hat, dass einem nichts passieren kann. Heute war so ein Tag. Ich war selbst überrascht, wie ruhig ich in dieses Spiel gegangen bin. Nach meinem Abgang vor drei Monaten bin ich natürlich doppelt froh, dass es so super gelaufen ist. Ich bin hier fantastisch aufgenommen und herzlich empfangen worden. Dafür möchte ich mich bei den Fans und der Mannschaft bedanken. Es ist kaum in Worte zu fassen, wie gut es tut, wieder eine jubelnde Menge im Rücken zu haben."


Spruch des Tages

Hans-Jürgen Gundelach: "Ich habe heute keinen Fehler gemacht und bin sehr zufrieden mit mir."

 

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