Eintracht Frankfurt - 1. FC
Nürnberg |
Bundesliga 1987/1988 - 10. Spieltag
3:1 (1:1)
Termin: Sa 26.09.1987, 15:30 Uhr
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Klaus Broska (Gelsenkirchen)
Tore: 1:0 Wlodzimierz Smolarek (26.), 1:1 Dieter Eckstein (33.), 2:1 Frank Schulz (84.), 3:1 Manfred Binz (88.)
Eintracht Frankfurt | 1. FC Nürnberg |
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Imponiergehabe wird bestraft Der Club aus Nürnberg, heute zu Gast im Waldstadion, ist eine der positiven Überraschungen der aktuellen Spielzeit. Der Tabellenneunte der letzten Saison steht derzeit auf dem 5. Platz, hat erst ein Spiel verloren und in der letzten Partie den Meisterschaftsmitfavoriten aus Gladbach mit 3:0 besiegt. Entsprechend selbstbewusst reisen die Franken an dem Main, zumal die Mannen von Trainer Heinz Höher eine positive Auswärtsbilanz mit 5:3 Punkten vorweisen - unter anderem hatte man sich in Homburg, wo es für die Eintracht im letzten Punktspiel eine blamable 2:5-Niederlage setzte, souverän mit 4:0 durchgesetzt. Seele des Club-Spiels und tonangebend im Mittelfeld ist der frischgebackene Nationalspieler Manfred Schwabl, der seit Wochen eine konstant gute Leistung abliefert und vor drei Tagen beim 1:0-Erfolg der DFB-Auswahl im Freundschaftsspiel gegen Dänemark zu seinem ersten Länderspieleinsatz kam. Schwabl ist optimistisch, in Frankfurt zumindest einen Punkt holen zu können: "Uns liegt es, wenn der Gegner das Spiel machen muss und wir kontern können." Mit Stefan Reuter feierte ein weiterer Nürnberger in diesem Jahr seine Premiere in der Nationalmannschaft. Der 21-Jährige gibt beim FCN als defensiver Part im Mittelfeld neben dem offensiven Schwabl den Abfangjäger vor der Abwehr, schaltet sich aber auch regelmäßig in Angriffe ein. Der Dritte im Bunde der aktuellen Nürnberger DFB-Nationalspieler ist zugleich einer der gefährlichsten Stürmer des Clubs: Dieter Eckstein, bislang in der Ligasaison dreimal erfolgreich. Auf vier Treffer bringt es Ecksteins Sturmpartner Jörn Andersen, der als Mitglied der norwegischen Nationalmannschaft ebenfalls Länderspielerfahrungen aufweist. Für die Eintracht, derzeit punktgleich mit dem Letzten auf Rang 15, ist diese Partie eminent wichtig. Sie darf sich keinen Ausrutscher mehr erlauben, um sich nicht endgültig in den Abstiegsregionen festzusetzen. Gegen die in den vorangegangenen Spielen meist tief stehenden Nürnberger, die auf die Schnelligkeit ihrer Spitzen setzen, sieht Feldkamp vor allem seine Mittelfeldspieler gefordert. Wenn man mit Andy Möller und Lajos Detari im Mittelfeld so offensiv spiele, appelliert der Frankfurter Trainer an die Kampfkraft seiner Mannschaft, müsse man sich auch mal die Trikots schmutzig machen. So erwartet Feldkamp, dass Möller seinem durchaus torgefährlichen Bewacher Roland Grahammer konsequent nachsetzt, insgesamt solle die Mannschaft "mehr Biss" zeigen: "Wir haben in München und Homburg geführt und dennoch verloren. Wir müssen es schaffen, einen Gegner, der schon am Boden liegt, niederzuhalten." Gegenüber der Startelf aus Homburg nimmt der Frankfurter Übungsleiter zwei Änderungen vor: Für den immer noch leicht angeschlagenen Thomas Klepper rückt Dietmar Roth in die Abwehrreihe, Janusz Turowski läuft statt Ralf Balzis auf und gibt den Sturmpartner von Smolarek. Gundelach nimmt trotz seiner Verletzung aus dem letzten Spiel und den leichten Unstimmigkeiten während der Woche seinen Platz im Tor ein, auf der Auswechselbank sitzen Ernst, Kraaz, Friz und überraschenderweise Biernat. Rund 20.000 Zuschauer haben den Weg ins Waldstadion eingeschlagen, um das von Feldkamp als "Schicksalsspiel" apostrophierte Südderby vor Ort zu verfolgen. Und sie erleben bereits in der fünften Minute die Chance zum 1:0 für die Eintracht. Detari spielt den Ball mit einem 30-Meter-Pass in den Lauf von Müller, doch Köpke im Tor der Nürnberger hat aufgepasst, stürzt heraus und klärt. Seinen nächsten Auftritt hat der Millioneneinkauf aus Budapest fünf Minuten später, als er einen Freistoß aufs Tornetz der Nürnberger zirkelt. Diese frühen Chancen können jedoch nicht verdecken, dass das Spiel von den Gästen dominiert wird. Insgesamt präsentieren sich die Nürnberger ideenreich und quirlig, Schwabl, Schneider und Reuter machen ordentlich Dampf. Die Eintracht wirkt im direkten Vergleich dagegen eher schwerfällig. Insbesondere Möller und Schulz können im Mittelfeld keine Akzente setzen. In ansprechender Form zeigt sich Detari, der mehrmals mit langen Pässen die Nürnberger Abwehr aufreißt. Auch handwerklich überzeugen die Riederwälder, Körbel erfüllt seine Deckungsaufgaben gegen Andersen ebenso zuverlässig wie Sievers gegen Eckstein.
In der 15. Minute startet Brunner nach einem Anspiel von Schwabl einen Flankenlauf auf der rechten Seite, den er mit einem Schuss abschließt, der Gundelach passiert. Kurz vor der Linie kann Körbel noch klären, die Möglichkeit zum Nachschuss vergibt Brunner. Antreten zum Freistoß heißt es in der 26. Minute; Eckstein hatte Sievers gefoult und dafür Gelb gesehen. Wie erwartet nimmt sich Detari dieser Sache an, doch der Ungar sucht nicht den direkten Abschluss, sondern tippt den Ball lediglich an und legt ihn so für Smolarek vor, der aus 20 Metern wuchtig mit Ziel Tormitte abzieht. Nürnbergs Keeper Köpke ist die Sicht versperrt, er fliegt in die Ecke und macht den Weg für den leicht von Grahammer abgefälschten Ball frei zum 1:0 für die Eintracht. Es ist Smolareks fünftes Tor in der laufenden Saison, damit hat der Pole seine Marke von insgesamt vier Ligatreffern in der letzten Spielzeit bereits am zehnten Spieltag übertroffen. Ein Fehler von Roth beschert dem Club in der 33. Minute den Ausgleich. Der linke Verteidiger wird von Müller mit einem Rückpass in Bedrängnis und am Strafraum in Ballbesitz gebracht, doch statt die Kugel aus der Gefahrenzone zu befördern, versucht er, den gegnerischen Stürmer Eckstein zu umspielen. Dabei verliert er den Ball, Eckstein zieht aus spitzem Winkel ab und trifft aus zehn Metern, durchaus nicht unhaltbar für Gundelach, ins linke lange Eck. Anschließend finden die Spieler im Getriebe der Eintracht nur noch den Rückwärtsgang, die auf dem Spielfeld dominierende Mannschaft aus Franken nutzt ihre Vorteile aber nicht aus. Vielmehr verweilt sie, so wird es Karl-Adolf Scherer später in der Abendpost-Nachtausgabe kommentieren, "... in totaler Verkennung ihres sportlichen Auftrags, zu siegen, in einer Abwartehaltung, die zum Imponiergehabe ausartete."
Die optische Feldüberlegenheit der Nürnberger aus der ersten Hälfte setzt sich zunächst auch in der zweiten Halbzeit fort. Pfiffe von den Tribünen zeigen, was die Zuschauer von den Leistungen der Gastgeber halten, die kaum Anstalten unternehmen, ihrerseits ein Tor zu erzielen. Rund 20 Minuten lang sucht der Club den Weg nach vorne, lässt dabei aber die Konsequenz vermissen, die im Fußball nötig ist, um Tore zu schießen. So bleibt ein Kopfball von Andersen, der knapp über die Latte des Frankfurter Tores segelt, die größte Chance. Je weiter sich die Mannschaften dem Abpfiff entgegenarbeiten, desto deutlicher wird, dass die Gäste nicht in der Lage sind, ihr hohes Tempo beizubehalten. Der Siegeswunsch, so hat es den Anschein, wird revidiert, mit einem Unentschieden wäre man aus Nürnberger Sicht eine Viertelstunde vor Schluss zufrieden. Fortan wandert der Ball in Situationen, die der Club zuvor zu Angriffen genutzt hatte, meist quer, Rückpässe dokumentieren den nachlassenden Offensivwillen der Gäste. Wie ungesund diese Entscheidung für den Mittelweg ist, erleben die Spieler von der Noris in den letzten Minuten. In der 84. Minute wechselt Feldkamp noch einmal aus, für Smolarek, bis dahin noch der gefährlichste Frankfurter Angreifer und entsprechend mit wohlwollendem Beifall des Publikums bei seinem Weg in die Kabine bedacht, kommt Holger Friz.
Knapp eine Minute später bedankt sich Turowski, der eigentlich statt Smolarek seiner schwachen Leistung wegen das Feld hätte verlassen müssen, der aber weiterspielen darf, da Smolarek signalisiert, dass er aufgrund der bereits in der Halbzeitpause von ihm vermeldeten Magenschmerzen nicht mehr weiterspielen könne, auf seine Weise. Er versetzt Giske und flankt von der Außenlinie an den verdutzten Brunner und Dusend vorbei in die Mitte. Dort verpasst der eingewechselte Friz zwar den Ball, aber der Nürnberger Torwart Köpke tut es ihm gleich, so dass Schulz, der vor Grahammer ans Leder kommt, nur noch zum 2:1 für den Gastgeber einzuschieben braucht. Vier Minuten später fällt die endgültige Entscheidung in diesem Spiel, als Detari antritt und bei seinem langen Sprint in Richtung Club-Tor gleich drei Nürnberger beschäftigt. 20.000 Zuschauer und elf Nürnberger rechnen mit einem Schuss des Ungarn, nur der mitgelaufene Libero Binz nicht, der den Pass Detaris aufnimmt und den Ball zum 3:1 ins Tor zirkelt. Kein Zweifel, selbst die Zuschauer, die der Eintracht den Sieg nicht gönnen, sind ob des durchaus als arrogant zu bezeichnenden Auftretens der Nürnberger damit einverstanden, dass der Club verloren hat. Für die Frankfurter bringt dieser Erfolg nicht nur zwei Punkte, sondern auch eine Verbesserung auf den zwölften Tabellenplatz, nur drei Punkte hinter dem Fünften VfB Stuttgart. Freilich sind es auch nur zwei Punkte Vorsprung vor dem Schlusslicht Waldhof Mannheim. (fgo)
Heinz Höher: "Für uns war es im zehnten Spiel die zweite Niederlage. Es stellt sich die Frage, welche ungerechter war, die in München oder die heute. Ich würde mich für die heutige entscheiden. In der ersten Halbzeit haben wir zu offensiv gespielt, daraus hätte die Eintracht mehr machen können. In der zweiten Halbzeit aber haben wir das Spiel kontrolliert, leider nur bis zum gegnerischen 16-Meterraum. Ich habe bei meiner Mannschaft keine Überheblichkeit bemerkt, dies war jedenfalls nicht der Grund für die Niederlage." Karl-Heinz Feldkamp: "Nürnberg hätte am Anfang das 1:0 machen können, wir haben es dann geschossen. Insgesamt war der Sieg sicherlich glücklich, aber meiner Ansicht nach trotzdem verdient. Ich bin enttäuscht, wenn man ein verlorenes Spiel am Trainertisch noch gewinnen will wie mein Kollege. Wir waren diesmal nicht mehr bereit, nach dem 1:1 noch zu verlieren. Die Mannschaft stand mit dem Rücken zur Wand und war sehr verunsichert. Smolarek wurde ausgewechselt, obwohl er die Bessere der beiden Spitzen war. Aber er hatte starke Magenschmerzen, es ging einfach nicht mehr." Manfred Schwabl: "Wir haben ein Superspiel für die Zuschauer geboten, hatten aber in der zweiten Halbzeit keine Torchance mehr." Thomas Brunner: "Es wäre so einfach gewesen zu gewinnen, denn Frankfurt war heuer unser schwächster Gegner." Jürgen Grabowski: "Über den Sieg, über
die zwei Punkte, habe ich mich gefreut. Über das Spiel der Eintracht
aber konnte bei mir keine Freude aufkommen. Selten nahe ich in den letzten
Jahren erlebt, dass eine Heimmannschaft spielerisch derart auseinandergenommen
und so klar beherrscht wurde, wie die Eintracht von den Nürnbergern.
Von den 90 Minuten hat der Club siebzig kontrolliert: Die Nürnberger
waren pausenlos am Ball, und es war fast erschreckend, wie wenig die
Eintracht dagegen ausrichten konnte. Freilich endete die ganze Nürnberger
Herrlichkeit am Strafraum. Brotlose Kunst also. Das war das große
Manko der Nürnberger. Wenn die Eintracht sich nicht an diesem glücklichen
Sieg berauscht, sondern aus ihrem negativen Spiel lernt, dann, und nur
dann, ist das 3:1 auch mehr Wert als nur der statistische Eintrag in
Ergebnisliste und Tabelle."
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