Eintracht Frankfurt - VfB Stuttgart |
Bundesliga 1987/1988 - 4. Spieltag
0:2 (0:0)
Termin: Mi 19.08.1987, 20:00 Uhr
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter:Dieter Pauly (Rheydt)
Tore: 0:1 Fritz Walter (66.), 0:2 Fritz Walter (76.)
Eintracht Frankfurt | VfB Stuttgart |
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Mein Gott, Walter Nach dem deprimierenden 0:3 in Uerdingen am Freitagabend fährt Trainer Feldkamp am nächsten Tag nach Stuttgart, um dort den nächsten Gegner VfB Stuttgart in seinem Ligaspiel gegen Borussia Mönchengladbach zu beobachten. Was er dort erlebt, fordert Respekt vor den Schwaben ein und macht den Gegner des aufgrund eines Madonna-Konzerts im Stadion am Samstag auf Mittwoch vorgezogenen vierten Ligaspiels der Saison zum Favoriten. Denn der VfB nimmt seinen niederrheinischen Gegner mit 6:0 auseinander - und das, nachdem Mönchengladbach zuvor eine Serie von zwölf Punktspielsiegen in Folge hingelegt hatte. 5:1 Punkte bei acht geschossenen Toren und lediglich einem Gegentreffer weisen die Stuttgarter damit nach dem 3. Spieltag auf. Vor diesem Hintergrund ist es für viele Fans kaum nachvollziehbar, was Feldkamp die Journalisten in ihre Blocks diktiert: "Sehr positiv für uns, wie sich der VfB am letzten Samstag dargestellt hat, ich freue mich auf den VfB Stuttgart. Ich wäre unruhiger, wenn Schalke käme." Der Frankfurter Coach setzt ergo auf eine gewisse Überheblichkeit des Gegners und hofft, dass seine Mannen willens und in der Lage sind, den Favoriten in Zaum zu halten. Drei Spieler erhalten von Feldkamp konkrete Regieanweisungen. Von seinem bislang in dieser Saison torlosen Sturmführer Smolarek erwartet er mehr Gefährlichkeit vor dem gegnerischen Tor: "Ein so ballsicherer Spieler wie er muss dem Gegner pausenlos Probleme aufgeben. Dazu muss Smoli allerdings das rechte Maß zwischen Eigensinn und Mannschaftsgeist finden." Mehr Mut zum Risiko erwartet er von Frank Schulz: "Eine Persönlichkeit wie er muss selbstbewusst auftrumpfen. Doch sein Fehler ist, dass er zu sehr darauf achtet, keinen Fehler zu machen. Damit passt er sich den anderen an." Und der bislang von Feldkamp kaum kritisierte Detari soll "...noch näher an die Spitzen heranrücken, noch weiter an den Strafraum vordringen, selbst schießen, auch wenn es mal daneben geht, anstatt immer noch nach einer Lücke zu suchen, um den Ball abzuspielen." Mehr erwartet der Frankfurter Coach auch von seinen Defensivkräften und hier speziell der Innenverteidigung: "Bisher wurden wir immer von den Spitzen abgeschossen, von Kohr in Kaiserslautern, vom Bochumer Leifeld, von Mathy in Uerdingen, weil sie listiger, geschickter spielen, schneller denken als unsere Abwehrleute." Inwieweit Feldkamps Kritik zur Verbesserung der Abwehrleistungen beiträgt, wird sich gegen den VfB trefflich beurteilen lassen. Denn mit dem zu Beginn der Saison für 1,3 Millionen Mark von SV Waldhof geholten Fritz Walter (bislang 2 Treffer) und Jürgen Klinsmann (3) verfügen die Schwaben über eine treffsichere Offensive, die vom torgefährlichen Mittelfeldregisseur Asgeir Sigurvinsson (3) unterstützt wird. Noch nicht so recht auf Touren gekommen ist Rainer Schütterle, der in der letzten Spielzeit noch 18 Tore für den Zweitligisten KSC erzielte, in der Bundesliga aber bislang torlos blieb. Überzeugt hat dafür der teuerste Neueinkauf der Stuttgarter: Maurizio Gaudino, der für 2,3 Millionen Mark wie Walter vom SV Waldhof kam und gegen Gladbach drei Tore vorbereitete. Auch Stuttgarts Trainer Arie Haan ist neu im Schwabenland, ja sogar in der Bundesliga. Der 35-fache niederländische Nationalspieler hatte nach dem Ende seiner aktiven Karriere 1984 zunächst Royal Antwerpen und anschließend den RSC Anderlecht trainiert, bevor er als Nachfolger von Egon Coordes vom VfB verpflichtet wurde. Nach dem enttäuschenden zwölften Platz in der letzten Saison soll es nun mit Haan wieder in vordere Tabellenregionen gehen, entsprechend setzt 38-jährige Coach auch die Ziele für Frankfurt: "Jetzt sind die Frankfurter am gefährlichsten, gegen uns können sie ihren schlechten Start auf einmal wettmachen. Der Detari wird wohl dies Mal weiter vorne spielen, zusammen mit Smolarek. Aber das macht nix, wir gehen mit derselben Einstellung ins Spiel wie gegen Gladbach, wir wollen gewinnen." Wie Haan erwartet, stellt Feldkamp Detari in der Tat offensiver auf. Der Ungar rückt neben Smolarek und dem auf der rechten Seite offensiv ausgerichteten Schulz in den Angriff. Neu in die Mannschaft kommt Dirk Heitkamp, für ihn muss Ralf Haub seinen Platz räumen und zusammen mit Ersatztorhüter Ernst, Münn, Müller und Turowski auf der Ersatzbank Platz nehmen, während der verletzte Balzis von der Tribüne aus zuschaut. Wieder einmal nicht im Kader ist Andreas Möller. Feldkamp hat den jungen Mittelfeldspieler für das Freundschaftsspiel der DFB-U20 am Mittwoch in Einbeck gegen Dänemark abgestellt. Verzichten muss DFB-Nachwuchstrainer Berti Vogts dagegen auf seine eigentliche Nummer eins im Tor Thomas Ernst. Feldkamp: "Ernst brauche ich auf der Bank." Ob Möller für die WM im Oktober in Chile freigegeben wird, hängt laut Feldkamp davon ab, ob er bis dahin wieder Stammspieler der Eintracht ist. Das gut besuchte Waldstadion empfängt 30.000 Zuschauer zum vierten Versuch der Eintracht, ihren ersten Saisonsieg zu erringen. Doch danach sieht es in den ersten Minuten gar nicht aus. Die selbstbewussten Stuttgarter bestimmen das Spiel, Sigurvinsson und Gaudino setzen immer wieder ihre Sturmspitzen mit langen Pässen in Szene. So muss Klepper in der 4. und 8. Minute in höchster Not gegen den agilen Klinsmann retten, in der 10. Minute kommt der Mittelstürmer der Schwaben dann zwar zum Abschluss, findet aber in Gundelach seinen Meister.
Nach einer Viertelstunde Spielzeit kommt die Eintracht zu ihren ersten Chancen - und das gleich im Dreierpack. Zunächst ist es VfB-Torhüter Immel, der eine Flanke vor dem einköpfbereiten Schulz abfangen kann. Bei der nächsten Flanke, die Roth in den Strafraum der Schwaben schlägt, kommt Schulz zwar an den Ball, köpft aus etwa zehn Metern aber ebenso kraftvoll wie glücklos an die Latte und setzt den Nachschuss über das Tor. Von diesem Versuchen des Gegners zeigen sich die VfB-Spieler wenig beeindruckt und sorgen in den nächsten Minuten für reichlich Wirbel im Eintrachtstrafraum. Zunächst muss Gundelach gegen den allein aufs Tor zustürmenden Klinsmann im Herauslaufen klären, um Kapitän Körbel, der einen Erfolg des Nachschussversuchs von Schütterle verhindert, die finale Arbeit zu überlassen. Dann versagt Schütterle, der nach einer Flanke von Sigurvinsson alleine vor Gundelach auftaucht, und drischt den Ball neben das Tor. Leichte Unsicherheiten zeigt Immel bei einem Weitschuss von Binz, den er erst im Nachfassen klären kann. In der Folge neutralisieren sich die beiden Mannschaften weitgehend, zwingende Gelegenheiten zum erfolgreichen Abschluss ergeben sich weder auf der einen, noch auf der anderen Seite. So geht es mit einem leistungsgerechten 0:0 in die Kabinen. Während Stuttgarts Trainer Haan die Konsequenzen aus der schwachen Leistung von Schütterle zieht und in der Halbzeitpause für den Stürmer den defensiven Mittelfeldspieler Zietsch einwechselt, verzichtet Feldkamp zunächst auf Auswechslungen. Nach Wiederanpfiff übernimmt dann zunächst die Eintracht das Kommando auf dem Platz. Binz und Roth, der sich im Mittelfeld mehr und mehr als der dynamischste Akteur der Riederwälder erweist, schalten sich wiederholt in die Angriffe ein. So ergeben sich Chancen, von denen Schulz, der ein ums andere Mal von Rechtsaußen in die Position eines Mittelstürmers wechselt, die beste wiederum per Kopf in der 50. Minute vergibt, als der Ball auf und nicht im Tornetz landet.
In der 60. Minute hat sich für Sievers die schwere und nicht immer zuverlässig verrichtete Aufgabe erledigt, Sigurvinssons Kreise einzuengen. Der Mittelfeldstratege der Schwaben verlässt den Platz, nachdem er sich ein paar Minuten zuvor bei einem Sprintduell ohne Einwirkung seines Gegenspielers einen Muskelfaserriss zugezogen hat. Für den Isländer kommt der 17-jährige gebürtige Rumäne Gerhard Poschner aufs Feld, der, aus der eigenen VfB-Jugend stammend, zu Beginn der Saison einen Profivertrag erhielt und bei der Einwechslung in der 88. Minute beim 6:0-Sieg der Stuttgarter gegen Gladbach zu seinem ersten Bundesligaspiel kam. Just Poschner sorgt in der 66. Minute für Ernüchterung auf den Tribünen und bei den heute engagiert und ambitioniert wirkenden Aktiven der Eintracht, als er sich auf dem linken Flügel durchsetzt und den Ball in den Strafraum spielt. An mehreren Spielern - Freund wie Feind - rauscht die Kugel vorbei zu Fritz Walter, der auf der rechten Seite dort steht, wo ein Torjäger zu stehen hat. Walter schießt, Gundelach hinterlässt eine leicht unglückliche Figur, als der Ball unter seinem Körper durchrauscht, und das Leder geht zur Führung für den VfB ins Netz.
Feldkamp reagiert und bringt mit Janusz Turowski für Dietmar Roth in der 72. Minute einen weiteren Stürmer. Und die Eintracht drückt. Klinsmann übernimmt Defensivaufgaben, in vorderster Linie humpelt jetzt nur noch der angeschlagene Schäfer herum, der seine Aufgabe als Smolarek-Bewacher an Hartmann abgetreten hat. Nun liegt der Ausgleich in der sprichwörtlichen Luft, etwa als Beierlorzer knapp vor Heitkamp klären kann oder als Schiedsrichter Pauly einen Rempler von Libero Allgöwer gegen Smolarek im Strafraum ungeahndet lässt. Dann ist wieder Schulz an der Reihe, doch seinen Schussversuch aus kürzester Distanz nach einer Flanke von Turowski kann VfB-Keeper Immel mit einem Reflex abwehren. Turowski ist es auch, der die nächste hochkarätige Torchance vorbereitet. Zum Leidwesen seiner Mitspieler aber nicht für die Eintracht, denn der Pole leiste sich in der 76. Minute bei einem Rückpass einen verhängnisvollen Fehler, den der VfB zu einem erfolgreich Konter und dem 0:2 durch Fritz Walter nutzen kann. In der Folge versucht die Eintracht zwar, zumindest den Anschlusstreffer zu erzielen, doch die VfB-Abwehr steht sicher und arbeitet fehlerfrei, so dass es bis zum Abpfiff beim 0:2 bleibt. "Mit Kampf und Kunst zum 1. Sieg", hatte die Stadionzeitung der Eintracht vor diesem Spiel gefordert, dabei aber nur bei den Kämpfern mit dem Adler auf der Brust Gehör gefunden. Von den Künstlern in Reihen der Riederwälder und hier vornehmlich von Detari war wenig bis nichts zu sehen, der Ungar war als Stürmer eine Fehlbesetzung. Hart geht Tribünengast und Weltmeister Bernd Hölzenbein mit der aktuellen Eintrachtmannschaft im Allgemeinen und mit Detari im Besonderen ins Gericht: "Ich habe selten eine so unharmonische Mannschaft gesehen. Smolarek spielt Eckfahnen-Fußball. Er läuft nie aufs Tor zu, sondern immer links raus. Und ein Spieler vom Format eines Detari muss sich auch mal über die Anweisung des Trainers hinwegsetzen, sich ins Mittelfeld zurückfallen lassen, wenn er merkt, dass er vorne nichts ausrichten kann. Außerdem hatte ich schon nach zehn Minuten bei ihm den Eindruck, dass er nicht frisch und fit ist. Er spürt jetzt das ungewohnt härtere Training in der Bundesliga und wirkt schlapp. Aber da muss er durch." Hinzu kommt die Kritik von Manager Kraus: "Die Abstimmungsprobleme sind immer noch nicht abgestellt, etwa wenn Manfred Binz bei seinem Vorwärtsdrang hinten nicht von einem defensiven Mann aus dem Mittelfeld abgeschirmt wird."
Karl-Heinz Feldkamp: "Nein, ich bin nicht deprimiert." Frank Schulz: "Wir müssen sehen, dass wir uns nicht gegenseitig fertigmachen." Wolfgang Kraus: "Es ist zwar eine abgedroschene Phrase, aber sie trifft nun einmal auf unsere Situation zu: Wir brauchen den ersten Sieg, so schnell wie möglich."
Ronald Borchers, der als 13-Jähriger zur Eintrachtjugend kam und 1976 sein erstes Bundesligaspiel für die Riederwälder bestritt, geht derzeit beim Arbeitsamt Mannheim stempeln. Der 1984 bei der Eintracht ausgeschiedene sechsfache Nationalspieler hatte von Oktober 1984 bis Juni 1985 für Arminia Bielefeld die Kickstiefel geschnürt, ehe er zum Grasshopper Club Zürich wechselte. Dort wurde der ursprünglich bis 1988 geschlossene Vertrag im Oktober 1986 einvernehmlich aufgelöst. Bis zum Ende der Spielzeit verdingte sich Borchers anschließend beim SV Waldhof Mannheim, doch die Waldhöfer verzichteten aus finanziellen Gründen auf eine Weiterbeschäftigung des seit 30. August 30 Jahre alten Mittelfeldspielers. "Für die Rente fühle ich mich noch zu jung", unterstreicht Borchers sein Bestreben, möglichst bald wieder aktiv zu werden. Ein konkretes Angebot liegt ihm freilich noch nicht vor. (fgo)
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