Werder Bremen - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1983/1984 - 24. Spieltag

2:3 (1:2)

Termin: Fr 09.03.1984, 20:00 Uhr
Zuschauer: 16.200
Schiedsrichter: Wolf-Rüdiger Umbach (Rottorf)
Tore: 0:1 Ralf Falkenmayer (19.), 0:2 Cezary Tobollik (25.), 1:2 Uwe Reinders (34., Foulelfmeter), 2:2 Uwe Reinders (63.), 2:3 Ralf Falkenmayer (79.)

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Werder Bremen Eintracht Frankfurt

  • Dieter Burdenski
  • Klaus Fichtel
  • Bruno Pezzey
  • Jonny Otten
  • Thomas Schaaf
  • Yasuhiko Okudera
  • Benno Möhlmann
  • Wolfgang Sidka
  • Norbert Meier
  • Uwe Reinders
  • Rudi Völler

 


 

Wechsel
  • Frank Neubarth für Klaus Fichtel (27.)
Wechsel
Trainer
  • Otto Rehhagel
Trainer

 

Dreimal ist's bei den Bremern Recht

Bereits am Freitagabend muss die Eintracht zu ihrem Auswärtsspiel bei Werder Bremen antreten. Muss, denn alles andere als ein Heimsieg gegen den Abstiegskandidaten aus Frankfurt wäre für die Mannschaft von der Weser eine Sensation.

Schließlich haben die Bremer nicht nur diese Saison bislang alle 11 Heimspiele ohne Niederlage überstanden, sondern schon in der letzten Spielzeit von den 17 Partien im Weserstadion 15 gewonnen und keine einzige verloren. Bis zum 3. April 1982, also fast zwei Jahre, muss man zurückgehen, um die letzte Heimniederlage der Werder-Elf notiert zu sehen - damals gewann der 1. FC Kaiserslautern durch einen frühen Treffer von Hannes Bongartz in der Hansestadt mit 1:0. In Jahren kann auch die Eintracht rechnen, denn der letzte Auswärtssieg der Adlerträger datiert auf den 26. Februar 1982: Es war der 2:1-Erfolg beim VfL Bochum am 22. Spieltag der Saison 82/83.

Auch die Tatsache, dass Werder noch um den Titel mitspielt, entspannt die Situation für die Gäste vom Main nicht. Derzeit rangieren die Bremer auf dem vierten Tabellenplatz - punktgleich mit den Borussen aus Mönchengladbach sowie mit drei Punkten Rückstand auf das Spitzenduo aus Stuttgart und München sowie zwei Punkten auf den Tabellendritten HSV. Dass es um viel geht und die Eintracht keine Gastgeschenke erwarten darf, wird durch eine Aussage des in Frankfurt wohlbekannten Bruno Pezzey deutlich, der sich nach Startschwierigkeiten im Norden auch an der Weser zum absoluten Leistungsträger gemausert hat: "Es wird eine herzliche Begrüßung geben, aber auf dem Spielfeld sind wir natürlich Konkurrenten. Ich wünsche der Eintracht, dass sie drinbleibt. Aber wir wollen unbedingt gewinnen. Werder braucht die Punkte genauso nötig wie die Eintracht."

Just Pezzey wird gegen Frankfurt allerdings auf etwas Liebgewonnenes verzichten müssen: die Position als Libero. Denn Trainer Rehhagel muss seine Abwehr umbauen. Für Rigobert Gruber, einen weiteren Ex-Eintrachtler im Bremer Trikot, der in Nürnberg bei der überraschenden 0:2-Niederlage der Werderaner die Rote Karte sah, spielt Bruno Pezzey Vorstopper, da der eigentliche Gruber-Ersatz Siegmann nach einem Bruch des Nasenbeins noch nicht einsatzbereit ist. Oldie Klaus Fichtel, immerhin schon 39 Jahre alt, übernimmt dafür den Liberoposten. Im Mittelfeld sollen Okudera, Möhlmann und Sidka wie gewohnt die Fäden ziehen.

Vor allem setzt man in Bremen aber auf die starken Offensivkräfte. Mit Völler (bislang 13 Tore in dieser Spielzeit), der gegen die Eintracht trotz einer im Training erlittenen Knochenabsplitterung an der linken Mittelhand mit Manschette aufläuft, Reinders (6 Tore) und Norbert Meier (10 Tore) sind die Bremer in der 'Abteilung Attacke' vortrefflich besetzt. Hinzu kommt noch der lange Frank Neubarth (6 Tore), der gegen die Eintracht aber zunächst einmal auf der Bank Platz nehmen wird.

Auch Dietrich Weise, der Trainer der Gäste, muss seine Defensivaufstellung gegenüber dem 3:0-Sieg gegen die Mannschaft aus Bieber verändern, denn auch für die Eintracht gab es im letzten Spiel mit dem Platzverweis von Michael Sziedat eine Hinausstellung. Für den Ex-Herthaner rückt Fruck als Libero in die Mannschaft. Den weiteren Abwehrverbund sollen Körbel, Berthold und Kraaz bilden.

Für Armin Kraaz schließt sich mit diesem Spiel ein Kreis. Am 17. September bestritt er gegen Werder im Allgemeinen und Rudi Völler im Besonderen sein erstes Bundesligaspiel. Völler blieb - wie auch das gesamte Spiel - torlos, und Kraaz wurde zum Stammspieler, der seither bei allen Bundesligapartien der Eintracht auf dem Platz stand. Das Rückspiel in Bremen ist das 17. Bundesligaspiel des Youngsters, der nun bis auf Thiele von Fortuna Düsseldorf (dieses Spiel wird erst am 21. April stattfinden) alle Mittelstürmer der Bundesliga kennt. "Rudi Völler war der Schwierigste", erinnert sich Kraaz, um diese Einschätzung gleich darauf zu relativieren. "Aber vielleicht lag das auch nur daran, dass es damals eben mein erstes Spiel war."

Nicht mit an die Weser reist Bodo Mattern, der sich im Training eine Rippenprellung zugezogen hatte. Zwar teilt der Ex-Darmstädter seinem Trainer mit, dass er sich in der Lage fühle, zu spielen. Weise ist allerdings davon überzeugt, dass Mattern noch zu viel Angst vor Zweikämpfen haben könne, und gibt dem bislang in Auswärtsspielen wenig überzeugenden Cezary Tobollik eine Chance sowie den Platz neben Svensson in der Offensivabteilung der Startelf.

Von Svensson und Tobollik ist in den ersten Minuten des Spiels, das lediglich rund 16.000 Zuschauer verfolgen wollen, freilich wenig zu sehen. Vielmehr schalten die Werderaner zunächst einmal den Vorwärtsgang ein, um ihrem Gegner klarzumachen, dass Abstiegskandidaten bei ihren Auftritten im Weserstadion wenig zu bestellen haben. Klare Siege gegen Bochum (5:2), Nürnberg (2:0), Offenbach (8:1) und Braunschweig (4:0) geben hiervon ein Zeugnis ab.

So legen sich Meier, Reinders und Völler in den ersten Minuten vehement ins Zeug, um eine schnelle Führung für den Gastgeber herauszuschießen. Unterstützt werden sie dabei vom wie immer offensiven Pezzey, der in der 10. Minute auch die erste große Chance des Spiels vergibt, als er eine Flanke von Meier knapp am Pfosten vorbeiköpft.

Schnell müssen die Bremer allerdings auch erkennen, dass sich der Gast aus Frankfurt von ihren stürmischen Bemühungen nicht den Schneid abkaufen lässt. Denn die Eintracht versteckt sich nicht, Borchers, Kroth und Falkenmayer ackern im Mittelfeld, Berthold schaltet sich häufig in die Konter ein, die Sturmspitzen Svensson und Tobollik sind ständig in Bewegung.

In der 17. Minute muss sich Burdenski strecken, um einen Schuss von Falkenmayer zu entschärfen, und nur zwei Minuten später ist der Nationaltorwart im Bremer Tor erstmals geschlagen: Trieb spielt den Ball auf die rechte Seite zu Berthold, der hebt den Ball über Pezzey in die Nähe des Elfmeterpunkts zu Falkenmayer. Die Bremer spekulieren auf Abseits, doch der Schiedsrichterpfiff bleibt aus und 'Falke' hat genügend Zeit, sich den Ball sorgsam zurechtzulegen, um ihn mit dem linken Fuß an Burdenski vorbei ins rechte Toreck zum 0:1 einzuschieben.

Sechs Minuten später ist die Bremer Ernüchterung, einhergehend mit einer gehörigen Portion Verwirrung, vollkommen. Kroth kann sich auf der linken Seite durchsetzen und denn Ball kurz vor der Torauslinie nach innen flanken. Okudera verpasst, Svensson trifft das Leder nicht richtig. Goldrichtig steht in diesem Moment aber Tobollik, der aus kurzer Distanz zum 2:0 für die Eintracht einschießt. In seinem sechsten Bundesligaspiel rechtfertigt der Polen mit seinem ersten Ligatreffer damit das Vertrauen, das Trainer Weise in ihn gesetzt hat.

Werder-Trainer Rehhagel reagiert nun sofort. Er nimmt den überforderten Libero Fichtel vom Feld, beordert Pezzey auf seine angestammte Liberoposition und schickt mit Frank Neubarth einen weiteren Stürmer auf den Platz. In der 34. Minute haben die Bremer mit ihren Bemühungen, den Anschlusstreffer zu erzielen, Erfolg, als sich Rudi Völler im Strafraum durchsetzen will, dabei aber von Thomas Berthold regelwidrig zu Fall gebracht wird. Denn berechtigten Elfmeter verwandelt Uwe Reinders flach ins rechte Toreck zum 1:2.

In ihren Bestrebungen, noch vor der Pause den Ausgleich zu erzielen, sehen sich die Bremer mit der konstruktiven Gegenwehr der Frankfurter konfrontiert. Zwar bestimmt Werder das Spiel, aber die Eintracht bleibt mit Kontern gefährlich. So wird Ronald Borchers in letzter Sekunde noch von Bruno Pezzey vom Ball gedrängt, Falkenmayer scheitert mit einem Schuss an Burdenski, der zur Ecke klären kann. Letztlich hat die 2:1-Führung der Gäste bis zum Halbzeitpfiff durch Schiedsrichter Wolf-Rüdiger Umbach aus Rottorf Bestand.

Nach dem Seitenwechsel drängt Werder Bremen immer vehementer auf den Ausgleich und die Eintracht in die Defensive. Triebs Volleyschuss in der 47. Minute, der knapp am Tor vorbeigeht, erweist sich als Strohfeuer. Insgesamt liefert der Frankfurter Abwehrverbund zwar eine kämpferisch überzeugende und konzentrierte Leistung ab, Bremer Chancen bleiben aber nicht aus. So muss Pahl sein ganzes Können aufbieten, um vor dem durchgebrochenen Neubarth zu retten, wenig später klärt Körbel im letzten Moment vor Meier, und bei Völlers erneutem Sturz im Strafraum bleibt die Pfeife des Schiedsrichters völlig zu Recht stumm.

Ein Lebenszeichen des Frankfurter Angriffs sendet Trieb nach gut einer Stunde Spielzeit gen Burdenski, doch der Bremer Keeper kann den Gewaltschuss des U20-Weltmeisters von 1981 entschärfen. In der 65. Minute fällt schließlich das zweite Tor für Bremen, als die Frankfurter den Ball nicht aus der Gefahrenzone bringen können, Neubarth den Ball für Reinders vorlegt und dieser Jürgen Pahl im Frankfurter Kasten mit einem vehementen Schuss unter die Latte keine Abwehrchance lässt.

Nach diesem Ausgleich scheinen die Zeichen klar: Der Favorit hat aus einem 0:2 ein 2:2 gemacht, es sind noch 25 Minuten zu spielen und die Heimmannschaft hat weiterhin den Vorwärtsgang eingelegt. Doch nun zeigt die Eintracht, welche Moral in der Truppe vom Main steckt, der designierte Absteiger bricht nicht in sich zusammen, sondern hält dagegen. Zwar werden die Konter spärlicher, aber die Weise-Bubis lassen sich nicht widerstandslos in der Abwehr festnageln, sondern versuchen sich immer wieder im Spiel nach vorne.

Zehn Minuten vor dem Ende wird die Eintracht für ihren Einsatzwillen belohnt: Im Bremer Strafraum gibt es ein Getümmel, Martin Triebs Schussversuch wird von Pezzey verhindert, Burdenski kann einen Schuss von Kroth abwehren, aber mit dem heute überragenden Ralf Falkenmayer steht einer im schwarzroten Trikot im rechten Moment an der richtigen Stelle und drückt den Ball aus kurzer Distanz über die Torlinie. Es heißt 3:2 für die Eintracht.

Direkt nach diesem erneuten Führungstor reagiert Dietrich Weise in der Art und Weise, in der Trainer gemeinhin reagieren, wenn ihre Mannschaft in der Fremde kurz vor dem Abpfiff überraschend vorne liegt. Er wechselt aus. Durchaus als untypisch darf allerdings bezeichnet werden, dass er für den erschöpften Angreifer Tobollik, der heute sein bislang bestes Auswärtsspiel gezeigt hat, keine defensive Kraft, sondern mit Uwe Müller wieder einen Stürmer aufs Feld schickt.

Recht souverän hält die Eintracht nun das Spiel in den letzten zehn Minuten offen. Während die Bremer keine klaren Chancen mehr herausspielen können, haben die Adlerträger sogar noch zwei Möglichkeiten durch Svensson den Vorsprung auszubauen, der einmal mit einem Schuss am Gebälk des Bremer Tores scheitert und nur wenig später um Sekundenbruchteile gegen Burdenski zu spät kommt. So ändert sich am Ergebnis nichts mehr.

Nach dem Schlusspfiff bietet sich für die Bremer Zuschauer ein paradoxes Bild. Werders Spieler schleichen mit gesenkten Köpfen vom Platz, denn sie haben nicht nur ihre Serie von 31 Spielen ohne Niederlage im Weserstadion beendet, sondern auch ihre Chancen auf den Deutschen Meistertitel deutlich verringert. Die jubelnden Frankfurter feiern dagegen ihren ersten doppelten Punktgewinn auf fremden Plätzen seit mehr als einem Jahr.

Gesteigert wird die Freude in Frankfurt über den unerwarteten Auswärtssieg noch am Samstagabend durch die Ergebnisse der direkten Abstiegskonkurrenz: Nachdem die Kickers ihr ebenfalls am Freitagabend ausgetragenes Heimspiel gegen den HSV mit einem 0:4 gehörig in den Sand gesetzt haben, verliert der Club aus Nürnberg mit 0:1 in Braunschweig. Mit nun 16:30 Punkten rangiert die Eintracht auf dem 16. Tabellenplatz mit 3 Punkten Vorsprung vor den Kickers und den Nürnbergern sowie 2 Punkte hinter dem 15. VfL Bochum. (fgo)


Stimmen zum Spiel

Otto Rehhagel: "Der Sieg der Frankfurter war verdient. Unser Gegner war einfach spritziger als wir. Besonders in der ersten Halbzeit hat es meine Mannschaft zu langsam angehen lassen."

Dietrich Weise: "Dieser Erfolg wird uns im Kampf gegen den Abstieg sicherlich Auftrieb geben. Unsere Leistung war wohl eine der besten in dieser Saison. Wir haben nie damit gerechnet, in Bremen zu einem doppelten Punktgewinn zu kommen."

Thomas Kroth: "Das war Fußball wie in Rio."

Klaus Funk, von 1979 bis 1981 bei der Eintracht, jetzt Ersatztorhüter bei Werder Bremen, zu Karl-Heinz Körbel: "Als ich eure Mannschaftsaufstellung gesehen habe, war mir klar: Wir gewinnen 5:0. Ich kannte ja keinen."

Karl-Heinz Körbel: "Jetzt kennst du ein paar."

Der Bremer Stadionsprecher: "Wir gratulieren den Frankfurtern zu ihrer großen Leistung."

Der Stadionsprecher in Bieber: "Bremen gegen Frankfurt 2:3. Trotzdem danken wir Ihnen für Ihren Besuch."


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