Eintracht Frankfurt - Bayern München

Bundesliga 1982/1983 - 23. Spieltag

1:0 (1:0)

Termin: Sa 05.03.1983, 15:30 Uhr
Zuschauer: 59.000
Schiedsrichter: Karl-Josef Assenmacher (Hürth)
Tore: 1:0 Bernd Nickel (22.)

 


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Eintracht Frankfurt Bayern München

 


  • Manfred Müller
  • Wolfgang Dremmler
  • Udo Horsmann
  • Klaus Augenthaler
  • Paul Breitner
  • Wolfgang Grobe
  • Wolfgang Kraus
  • Norbert Nachtweih
  • Dieter Hoeneß
  • Karl Del'Haye
  • Karl-Heinz Rummenigge

 

Wechsel Wechsel
Trainer Trainer




Jüriens hält Breitners Elfmeter

 

Der Tag wird kommen

Herbert Hoos - „ein Talent wie Magath“, meint sein Trainer Manfred Brunner, der 1973 in Aschaffenburg schon einen anderen „Zehner“ unter seinen Fittichen hatte, den HSV-Spielmacher Felix Magath. „Der kommt zu uns“, glaubt Offenbachs Trainer Lothar Buchmann, doch auch der Club aus Nürnberg und der 1. FC Kaiserslautern meinen den Vertrag mit dem 17-jährigen Hoos schon in der Tasche zu haben. Der Jugendnationalspieler vom Oberligisten Viktoria Aschaffenburg ist heiß begehrt, doch die Eintracht ist aus den Vertragsverhandlungen mit dem Talent ausgestiegen. „Der Junge pokert wie Maradona“, meint Eintrachts Vize-Präsident Wolfgang Zenker, „aber wir sind nicht Barcelona.“ „Wir haben nicht wie Teppichhändler gefeilscht“, wehrt sich Vater Josef Hoos: „Die Frankfurter wollten eine schnelle Entscheidung von uns, das konnten wir nicht.“ „Andere Vereine machen attraktivere Angebote, das Geld allein gibt nicht den Ausschlag“, sagt der Senior und sein Sohn bekräftigt: „Vor einem Wechsel schaue ich mir lieber an, wie der jeweilige Verein mit seinem Nachwuchs umgeht.“ Den Zeitplan für den Zeitpunkt des ersten Profi-Vertrages hat die Familie schon festgelegt: „Erst muss er seine Gesellenprüfung als Werkzeugmacher bestehen, dann kommt die Jugend-EM, später soll der Junge den Führerschein machen. Danach wird’s ernst.“

Talente hat die Eintracht selbst genug: Kahlhofen und Müller werden in der nächsten Saison Lizenzspieler. Uwe Müller unterschreibt am Mittwoch einen Vertrag, Kahlhofen soll in Kürze folgen. Am 15. April müssen Kahlhofen und Müller aber zur Bundeswehr. In Bexbach im Saarland werden die beiden ihre Grundausbildung beim Jägerbataillon ableisten. „Mir passt dieser Termin ganz gut, denn so ist die Grundausbildung bis zur neuen Saison beendet und ich kann mich ganz auf die Vorbereitung konzentrieren“, sieht Mike Kahlhofen seiner Bundeswehrzeit gelassen entgegen. Stichwort Bundeswehr: Cha hat eine neue Frisur und trägt die Haare nun militärisch kurz: „Die Haare hingen mir immer in die Augen, das hat mich gestört.“

Wie bei Hoos geht es auch im Fall von Herbert Dörenberg ums Geld, wobei nur noch der Zeitpunkt unklar ist, ab dem der Amateur-Trainer für die Eintracht tätig werden darf. „Wir fordern 18.000 Mark Gehaltsvorschuss zurück für die Freigabe“, teilt Oberligist Mainz 05 der Eintracht per Telegramm am Dienstag mit. Dörenbergs Vertrag in Mainz läuft bis 1984, aber Eintracht-Geschäftsführer Gerhardt ist optimistisch: „Wir finden sicher eine Lösung.“ Diese lautet laut Gerhardt einen Tag später: „Dörenberg zahlt die 18.000 Mark Gehaltsvorschuss an die Mainzer zurück und bekommt die Freigabe.“

Am Dienstag nach dem Vormittagstraining ist Nickels Verletzung in der Wade, eine Zerrung mit ein paar gerissenen Muskelfasern, wieder aufgebrochen. „So wie’s aussieht, kann ich nicht spielen“, teilt der Regisseur seinem Trainer mit. „Ich hoffe, dass der Schaden bis zum Samstag behoben sein wird. Auswärts in Bochum können wir mal einen Mann wie Nickel ersetzen, doch zu Hause gegen die Bayern brauchen wir ihn unbedingt“, will Trainer Zebec nicht schon wieder auf seinen Spielmacher verzichten: „Mit ihm haben wir auch gegen die Spitzenclubs HSV, Köln, Dortmund und Stuttgart gut ausgesehen.“ „Dieses Spiel ist doch hier in Frankfurt der einzige Höhepunkt dieser Saison. Da will ich unbedingt dabei sein“, sagt auch Nickel, der gegen die Münchner groß aufzuspielen pflegt: „Weil weder die Bayern einen Wachhund auf mich noch wir einen auf Breitner ansetzten, gab es in den letzten Jahren immer sehr gute Partien.“

„Ihr zittert doch jetzt schon vor der Fahrt nach Frankfurt“, hat er auf der Internationalen Sportartikelmesse in München seinen ehemaligen Mannschaftskameraden Norbert Nachtweih aufgezogen: „Gegen unsere Eckbälle findet ihr nämlich kein Rezept. Ich schieß sie vor euer Tor, dann steht der Charly Körbel am ersten Pfosten, der Bruno Pezzey vor dem zweiten und in der Mitte haben wir auch noch den Cha. Was wollt ihr da machen?“ Auch der zweite Frankfurter „Bayern-Legionär“, Wolfgang Kraus, bekam von Nickel sein Fett weg, als er beim Testspiel der Eintracht gegen die Olympia-Elf „spionierte“: „Gebt Euch keinen Illusionen hin, wenn ihr bei uns aufkreuzt, gibt’s wieder auf die Ohren.“ Nachtweih glaubt ohnehin: „Die Frankfurter sind heiß, kassieren gegen uns eine Siegprämie von 6.000 DM. Wenn wir ein frühes Tor kassieren, spielt sich die Eintracht in einen Rausch. Ich kenne das noch.“

Nach dem ersten Auswärtssieg dieser Saison und 7:3 Punkten in der Rückrunde ist das Selbstbewusstsein an den Main zurück gekehrt, zumal die Bayern nach dem 12.9.1970 im Waldstadion nicht mehr gewinnen konnten. Nickel war in dieser Partie als einziger aus der heutigen Eintrachtelf ebenso dabei wie bei den folgenden elf Heimspielen der Eintracht gegen die Bayern, die für die Frankfurter 20:2 Punkte und 29:11 Tore brachten. Keine andere Bundesligamannschaft liefert am Main so zuverlässig die Punkte ab wie der Tabellenzweite von der Isar, der sich in diesem Zeitraum den Riederwäldern auch im DFB-Pokal sowie zwei Mal im UEFA-Pokal geschlagen geben musste.

Gerne erinnert sich Nickel an das 6:0 im Jahr 1975, als er zum Endstand einen Eckball gegen Sepp Maier direkt verwandelte: „Zur Pause stand es schon 5:0. Durch Massel-Tore. Die besten Chancen hatten wir erst nachher und hätten die Bayern zweistellig schlagen müssen.“ Beim 3:2 am 20.10.1979 wechselte Trainer Rausch den Spielmacher erst 23 Minuten vor Schluss ein, als die Münchner schon 2:0 vorne lagen. Körbel machte auf Vorlage Kargers das 2:1, Nickel verwandelte nach einem Foul an Karger den Freistoß zum 2:2 und Karger erzielte nach Grabowskis Ecke das 3:2. „Noch schöner war das 4:3 aus dem vorigen Jahr“, findet Nickel, als die Bayern in einem offenen Schlagabtausch zwei Mal ausgleichen konnten, doch am Ende durch das späte Tor von Künast wieder das Nachsehen hatten.

„Diesmal wird’s schwerer. Kampf allein genügt gegen Bayern nicht“, meint Pezzey zu den Erinnerungen. Künast hat außerdem gerade eine Oberschenkelverletzung überwunden und Harald Karger kommt seit seiner Verletzung im Hinspiel des UEFA-Cup-Finales im Mai 1980 nicht wieder auf die Beine: „Ich bin bestimmt nicht dabei.“ Das gilt auch für Holger Anthes. Der in der letzten Saison so hoffnungsvoll gestartete Nachwuchsstürmer schien nach seiner Knieoperation im Juli gerade wieder Tritt gefasst zu haben und trainierte seit zehn Tagen wieder mit, zog sich jetzt jedoch einen Bluterguss im operierten Knie zu. „Halb so schlimm, bald bin ich wieder dabei“, lässt sich Anthes nicht entmutigen.

Wieder dabei ist Jupp Kaczor, doch nach der Innenbandreizung im linken Knie ist an einen Einsatz gegen Bayern München nicht zu denken: „Es nützt nichts, wenn ich nur auf drei Zylindern laufen kann …“ Außerdem traut der Stürmer seinem Knie noch nicht hundertprozentig, obwohl Dr. Albrecht eine Operation nicht für erforderlich hält: „Vielleicht tickt im Knie eine Zeitbombe, und ich muss doch unters Messer, wenn ich jetzt zu schnell loslege.“

Ronald Borchers ist nach seiner Knieoperation aus dem Krankenhaus entlassen worden. Sein erster Weg führt ihn am Dienstag an den Riederwald, um für Fred Schaub, der mittlerweile für die SpVgg Fürth spielt, Karten für das Bayernspiel zu organisieren. Die Karten sind heiß begehrt und auf der Eintracht-Geschäftsstelle am Riederwald und im Oederweg klingelt das Telefon ohne Unterlass: „Die Damen mussten die Apparate auf Anrufbeantworter umstellen, sonst bliebe alle Arbeit liegen“, sagt Geschäftsführer Gerhardt und rät: „Wer am Samstag vor dem Spiel nicht in der Schlange an den Kassenhäuschen stehen will, sollte sich vorher entscheiden.“

„Wenigstens 90 Minuten rennen, das ist das Mindeste“, verlangt Zebec von seinen Spielern, die er in der Turnhalle der Pestalozzischule jeden Dienstagmorgen mit Medizinbällen und schweißtreibenden Übungen fordert. An diesem Dienstag feiert Vizepräsident Wolfgang Zenker aber auch seinen 37. Geburtstag und spendiert für die Lizenzspieler Kaffee und Kuchen. „Bei diesem Club habe ich sparen gelernt“, sagt der Mann, der der Eintracht zu Beginn seiner Amtszeit vor zehn Monaten mit einer Bürgschaft von 300.000 Mark geholfen hat, die Lizenz zu erhalten. Dass er das Trainingslager in Griechenland zu Beginn der Rückrunde aus eigener Tasche gezahlt hat, ist kein Widerspruch für ihn: „Im Krieg darf man nicht sparen, sonst verliert man. Trainer Zebec hat für Eintracht in sechs Monaten eine blutjunge Mannschaft aufgebaut, jetzt müssen wir dafür sorgen, dass ihr das Pulver nicht ausgeht.“ Das sieht angesichts der Garde der integrierten jungen Spieler - Falkenmayer, Schreml, Sievers, Trieb, Kroth und zuletzt auch Gulich – auch Schatzmeister Knispel so: „Die Mannschaft trägt Zebecs unnachahmliche Handschrift. Das kommt nicht von ungefähr, denn es war vorher in München, Stuttgart, Braunschweig, Hamburg oder Dortmund nicht anders.“ „Es kann dem Verein nichts Besseres passieren als eine langfristige Vertragsverlängerung mit Herrn Zebec bis 1985 oder 1986“, strebt Knispel im Einklang mit den anderen Präsidiumsmitgliedern sogar eine vorzeitige Verlängerung des bis 1984 laufenden Kontraktes an. „Jeder Arbeitgeber wird versuchen, das Verhältnis zwischen der Leistung eines Mitarbeiters und damit verbundenen etwaigen Unannehmlichkeiten in die richtige Relation zu setzen“, kommentiert er angesichts der Erfolge die aktuelle Bedeutung der bekannten Alkoholproblematik Zebecs.

Das Training am Mittwochnachmittag leitet Co-Trainer Uli Meyer. Branko Zebec wird sich das Spiel der Bayern in München gegen Aberdeen ansehen. „Wäre das Bayern-Spiel live im Fernsehen übertragen worden, hätte ich mir die Reise sparen können“, schimpft der Trainer. Er erlebt beim torlosen Unentschieden des deutschen Pokalsiegers eine Bayernelf, „die für ihre Verhältnisse zu wenig gezeigt hat. Mir wäre lieber gewesen, ich hätte eine starke Bayern-Mannschaft gesehen. Aber am Mittwoch war nur Aberdeen stark. Rummenigge war kaltgestellt und Breitner rackerte vergebens. Die Bayern werden bei uns ganz anders spielen, bestimmt besser. Der FC Bayern hat völlig falsch gespielt. Immer hoch durch die Mitte, das geht gegen Briten nicht. Über Außen konnten sie sich nie durchsetzen, weder Del’Haye noch Nachtweih.“ Die erfolgreiche Taktik des FC Aberdeen könne seine Mannschaft aber nicht anwenden: „Forechecking kann in der Bundesliga nur der HSV spielen. Wir müssen es anders versuchen.“ „Wir müssen damit rechnen, dass sich die Bayern in den Punktspielen jetzt wieder besonders anstrengen“, glaubt er, vertraut aber seiner Mannschaft: „Die Spieler sind gegen starke Mannschaften immer besonders motiviert gewesen.“

Wolfgang Kraus, der Rummenigge „als Anspielpartner und Balllieferant schon so wichtig und so lieb wie Breitner ist“, hat sich gegen Aberdeen übrigens eine Prellung am Fuß zugezogen und konnte am Donnerstag nicht trainieren: „Ich will unbedingt spielen, aber ob es geht, kann man heute noch nicht sagen.“ Das drohende Ausscheiden im Europapokal und den möglichen Verzicht auf große Zahltage schrecken Bayern-Präsident Willi O. Hoffmann nicht: „Ein Ausscheiden hat keinen Einfluss auf spektakuläre Neuverpflichtungen. So lange ich da bin, werden wir uns nicht kaputt sparen oder gesundschrumpfen. Da wir auch in der nächsten Saison eine starke Mannschaft brauchen, werden wir einen Mittelfeldspieler verpflichten.“

„Die Jungen im Mittelfeld haben alle die gleiche Mentalität“, ist Zebecs Meinung und so kann er sich freuen, dass sich am Mittwoch mit Nickel der Chef der Kommandozentrale zurückmeldet, was er beim Trainingsspiel der ersten Mannschaft gegen die Reserve auch lautstark unter Beweis stellt: „Wenn keine neue Verletzung dazwischenkommt, spiele ich am Samstag.“ Geringer sind die Sorgen des Trainers dadurch nicht geworden, denn nun droht Karl-Heinz Körbel auszufallen. Der Vorstopper, der 1972 sein Bundesligadebüt gegen die Bayern feierte, erlitt am Montagabend nach dem Training einen plötzlichen Fieberanfall, fehlte am Dienstag beim Training und muss mit einer Grippe und Stirnhöhlenvereiterung weiter das Bett hüten. „Sein Arzt hat angerufen und Körbel vom Training abgemeldet“, informiert Co-Trainer Uli Meyer die Presse: „Charly bekommt sogar Spritzen gegen die Grippe.“ Ralf Sievers, der für Nickel weichen muss, könnte für Körbel wieder in die erste Elf rutschen. „Sievers hat mehr Spielpraxis als Kahlhofen“, lautet Meyers Begründung: “Bei seinen letzten Einsätzen hat Sievers im Mittelfeld jedenfalls überzeugt.“ Zebec beurteilt den möglichen Ausfalls Körbels anders: „Wir haben keinen Ersatz für ihn. Ich mag nicht daran denken, dass er uns fehlen könnte.“ „Ich bin mit Medikamenten vollgepumpt und hoffe, am Donnerstag wieder aufstehen zu können“, will Körbel nicht an einen Ausfall glauben. Der Vorstopper, der in Bochum per Elfmeter das Tor zum ersten Auswärtssieg erzielte und mit sechs Treffern in der internen Torjägerliste hinter Bum-Kun Cha an zweiter Stelle liegt, nimmt sich seinen Kapitän zum Vorbild: „Gegen die Bayern will ich auf alle Fälle spielen. Schließlich hat auch Bruno Pezzey in Braunschweig gespielt, obwohl er eher ins Bett als auf den Fußballplatz gehört hätte.“

„Jetzt fühle ich mich viel besser“, sagt Körbel nachdem er am Donnerstag zu Hause in Heusenstamm ohne Probleme einen zwanzigminütigen Waldlauf absolviert hat. Zum Abschlusstraining um 16.30 Uhr taucht Körbel dann wie versprochen am Riederwald auf: „Ich spiele.“ „Körbel spielt“, steht auch für Zebec fest, „mit einem anderen Gedanken befasse ich mich gar nicht. Für ihn gibt es wirklich keine Alternative.“ „Alle vier Gegentore waren Pflaumen“, urteilt Körbel über die in der Rückrunde bisher erhaltenen Treffer und ist von der Stärke seiner Abwehr überzeugt: „So richtig ausgespielt wurden wir noch nicht.“ „Die Kraft fehlt mir noch“, sagt Körbel, „aber der Witz in unserem neuen Zebec-System ist ja, dass wir drei Innenverteidiger Pezzey, Sziedat und ich uns immer abwechseln.“

Jüriens wird derweil auf Breitners Elfmeter vorbereitet. Co-Trainer Meyer gibt den Schiedsrichter, Kaczor macht den Zuschauer und Pezzey übernimmt die Rolle des Elfmeterspezialisten der Bayern und schiebt die Bälle flach in die Ecke. Jüriens flucht, weil er in einer Viertelstunde nur einen einzigen Ball zu fassen bekommt. „Der Breitner bietet dir immer eine Ecke an. Dann musst’ spekulieren und in die andere Ecke tauchen“, rät ihm Pezzey. Dabei ist laut Zebec noch nicht einmal sicher, wer im Tor stehen wird: „Jüriens oder Pahl – ist eigentlich egal“. Die Journalisten vermuten, dass er gegen die Bayern auf den erfahrenen Pahl setzen wird. „Pahl hat im Training gute Reflexe gezeigt und sich sehr bemüht“, sagt der erfahrene Trainer: „Ich muss ihm das Gefühl geben, dass er weiter dazu gehört. Möglich, dass er spielt.“ „Wir wollen versuchen, attraktiven Fußball zu bieten“, kündigt Zebec an, „damit die Leute, die diesmal nur die Bayern sehen wollen, demnächst wegen uns kommen.“

„Alle Frankfurter sollten öffentliche Verkehrsmittel benutzen“, rät der Einsatzleiter der Polizei, denn „wer falsch parkt, wird abgeschleppt und zahlt Bußgeld.“ Vor dem Spiel wird die Polizei erneut auf den Zufahrtswegen zum Waldstadion Kontrollen durchführen, und zwar bei den Fußballfans, bei „denen der Verdacht besteht, dass sie Schlagstöcke, Leuchtraketen und Waffen bei sich haben“, wie die Frankfurter Rundschau berichtet. Wie der Verdacht entsteht, verrät die Polizei nicht. Die Polizei kündigt außerdem an, sie werde nicht davor zurückschrecken, gefährliche Störer nach dem hessischen Gesetz über Sicherheit und Ordnung vorbeugend in Verwahrung zu nehmen, um sie an der Begehung von Straftaten zu hindern. „Wir haben sogar einen Schutzmann aus Bayern“, ist der Einsatzleiter der Polizei außerdem stolz: „Der soll seine Landsleute über Lautsprecher begrüßen und beruhigen.“

58.900 Fans finden im Waldstadion Platz, 50.000 Eintrittskarten sind bereits verkauft, so dass Eintracht-Präsident Axel Schander hofft: „Wenn der Vorverkauf heute so weiterläuft, können wir uns morgen einen Teil der Kassierer im Stadion sparen.“ Doch obwohl man morgen mit einer Einnahme von 1,1 Millionen rechnet und die Eintracht für das Jahr 1982 einen Gewinn von 45.000 Mark ausgewiesen hat, muss die Diva vom Main den Gürtel enger schnallen und sparen. Ihren Teil dazu beitragen sollen Pezzey, Cha und Nickel, mit denen Präsident Schander nach den Spielen gegen die Bayern und beim HSV sprechen will: „Klar, alle wollen wir halten. Doch die Spieler müssen uns finanziell entgegenkommen.“ „Von mir erfährt keiner etwas. Das Hickhack im letzten Jahr war mir eine Lehre“, bescheidet Pezzey. Immerhin konnte die Eintracht endlich eine alte Rechnung begleichen: Der Scheck über 50.000 Mark Ablöse für Junioren-Weltmeister Martin Trieb ist an den Zweitligisten FC Augsburg unterwegs.

Während die Mannschaft der Eintracht wie gewohnt im direkt am Stadion gelegenen „Crest-Hotel“ die Nacht vor dem Spiel verbringt, logieren die Bayern im „Hotel Gravenbruch“. „Für uns brechen jetzt Schicksalswochen an. Nicht nur im Europa-Cup, sondern auch in der Meisterschaft dürfen wir uns keinen Ausrutscher mehr erlauben“, erklärt Bayern-Torjäger Dieter Hoeneß: „Wir müssen das entscheidende Tor diesmal aber etwas früher erzielen. Nach dem schweren Europapokal-Spiel gegen Aberdeen müssen wir nämlich damit rechnen, dass etwa in der 60. bis 70. Minute bei uns ein Substanzverlust eintritt. Die Frankfurter gehen hingegen ausgeruht in das Spiel.“ „Da waren viele unglückliche Niederlagen dabei. Einige Spiele hätten wir auch gewinnen können. Aber irgendwie war das Waldstadion immer verhext. Am Ende hieß der Sieger meist Frankfurt“, hat auch Hoeneß keine Erklärung für die schwarze Serie der Bayern, während Verteidiger Udo Horsmann meint: „Die Eintracht war schon immer eine technisch hochklassige Mannschaft. Gegen uns und andere Spitzenklubs haben die sich immer besonders ins Zeus gelegt und sich zusammengerissen. Nur hat die Eintracht das hohe Niveau nie über die ganze Saison halten können.“ Das bestätigt auch Norbert Nachtweih, der vor seinem Wechsel zu den Bayern immerhin sechs Jahre in Frankfurt tätig war: „Wir konnten mit der Eintracht personell noch so schwach besetzt sein — wenn es gegen die Bayern ging, haben wir immer eine hervorragende Leistung gebracht. Irgendwie ist das natürlich immer eine Motivation, wenn eine große Mannschaft mit mehreren Nationalspielern kommt. Gegen die will jeder Spieler besonders gut aussehen.“ „In den letzten beiden Jahren sind die Ergebnisse gegen die Bayern im Waldstadion aber immer knapper geworden“, schließt Nachtweih, der im letzten Sommer an die Isar wechselte, „deshalb rechne ich diesmal mit einem Sieg des FC Bayern.“ „Wir dürfen uns gegenüber dem HSV nun keinen Punktverlust mehr erlauben“, mahnt Manager Uli Hoeneß eindringlich: „Außerdem wird es höchste Zeit, dass wir die Minusserie in Frankfurt beenden!“

„Als ich auf das Spielfeld ging und sah, dass die meisten Spieler von Aberdeen nur zwei oder drei Zähne im Mund haben, wußte ich, was uns blüht“, sieht Bayern-Keeper Manfred Müller den Grund für das 0:0 gegen Aberdeen in der harten Gangart der Schotten. „Sie soll die Scharte in Frankfurt auswetzen“, bestimmt Trainer Pal Csernai und lässt seine Elf in derselben Besetzung spielen, die am Mittwoch gegen Aberdeen enttäuscht hat. Bei der Eintracht ersetzt Branko Zebec lediglich wie angekündigt Sievers durch Nickel und lässt sonst die siegreiche Elf vom letzten Wochenende auflaufen. Das bedeutet, Joachim Jüriens steht im Tor. Auch Körbel ist also dabei, doch als er das Spielfeld des Waldstadions zum Warmmachen betritt, ist er kreidebleich: „Ich fühle mich gar nicht wohl, ich habe überhaupt keine Kraft, aber es muss einfach gehen.“


Pezzey im Zweikampf mit Bayern-
Torhüter Manfred Müller

Überraschend ist die Anfangsphase des Spiels, in der die Eintracht mit breiter Brust den unerklärlich nervösen Gästen das Fürchten lehrt. Früh werden die Männer von der Isar attackiert und die Zweikämpfe von Frankfurter Seite aggressiv und bissig geführt. Dabei vernachlässigen die Hausherren aber nicht das Offensivspiel, das mit Esprit temporeich vorgetragen wird. Die Eintracht kommt durch Schüsse von Cha und Trieb zu den ersten Tormöglichkeiten. Torwart Müller ist jedoch noch nicht zu bezwingen und hält beide Versuche sicher.

Zebecs Elf bestimmt das Spiel und beherrscht den Gegner. Während Trieb und Nickel mit ihren Ideen den Münchnern keinen Raum zu einer eigenen Entfaltung lassen, will Breitner und Rummenigge gar nichts gelingen - zwischen ihnen funktioniert allenfalls das Missverständnis. Und eine der vielen Pannen zwischen Breitner und Rummenigge nutzt der ungemein offensive Bruno Pezzey zu einem seiner gefährlichen Vorstöße und wird erst von einem Bodycheck seines Libero-Kollegen Augenthaler gestoppt, der für dieses Foul in der 12. Minute die Gelbe Karte sieht.

In der 16. Minute legt Pezzey im Duell mit Horsmann und Grobe Cha den Ball per Kopf vor und der Ausnahmestürmer trifft mit einem knallharten Schuss ins Tor. Schiedsrichter Assenmacher aber verweigert dem Treffer die Anerkennung. Im rheinischen Platt erklärt er, dass er ein Foul gesehen hat: „Zwei Frankfurter hatten einen Bayern in der Zange.“ Die Augen der ebenso unparteiischen Fernsehkameras haben es jedoch umgekehrt gesehen und aufgezeichnet: Horsmann hat Pezzey mit dem Ellbogen gestoßen, Chas Tor war einwandfrei … An Schiedsrichter Assenmacher hat die Eintracht keine guten Erinnerungen: 1980 beim 1:1 gegen den HSV sprang Hölzenbein der Ball an die Hand, Assenmacher entschied auf Elfmeter und Kaltz verwandelte zum Ausgleich.


Das 1:0 durch Nickel

Die Eintracht lässt sich durch die Fehlentscheidung nicht aus dem Konzept bringen und stürmt weiter. In der 21. Minute gibt es schon die nächste dicke Chance, als der wie aufgedreht spielende Nickel einen herrlichen Pass in den Strafraum schlägt und Gulich zu einem kraftvollen Kopfball kommt. Müller ist erneut auf der Hut, zeigt sich reaktionsschnell und bekommt das Leder gerade noch auf der Linie zu fassen.

Doch beim Abschlag unterläuft Müller ein folgenschwerer Fehler. Er nimmt den Ball zwei Mal auf und das ist nicht mehr erlaubt, was dem Keeper wohl in diesem Moment entfallen ist. Assenmacher entscheidet sofort auf indirekten Freistoß, den Pezzey 12 Meter vor dem Tor quer zu Nickel legt. Augenthaler wirft sich in den folgenden Schuss, der Ball prallt zu Nickel zurück und der zirkelt die Kugel an Müller und dem vor der Torlinie stehenden Rummenigge vorbei ins lange Eck, wo der Ball vom linken Innenpfosten ins Tor springt. 1:0 - die verdiente Führung nach 22 Minuten.


Bum-Kun Cha

Die Bayern bemühen sich jetzt endlich, besser ins Spiel zu kommen. Weil Breitner bisher als Antreiber im Mittelfeld ausfällt, übernimmt „Scheppe“ Kraus diese Rolle – ohne zählbaren Erfolg. Entweder laufen die Gäste immer wieder in die Abseitsfalle der Eintracht oder ihre hohen Bälle, die an die Adresse von Dieter Hoeneß gerichtet sind, werden die sichere Beute des sonst in der Strafraumbeherrschung oft so unsicheren Jüriens.

Die Eintracht indes bleibt mit Kontern gefährlich. In der 33. Minute verpasst Cha bei einem Solo allerdings das 2:0, weil er selbst den Abschluss sucht und nicht auf den völlig freistehenden Gulich abspielt. Auf der linken Seite sorgen Nickel, Trieb und der offensivstarke Falkenmayer weiterhin für ein verwirrendes Kombinationsspiel, doch ab der 35. Minute kommen auch die Gäste zu ihren ersten Tormöglichkeiten. Dem schwachen Nachtweih ist bei seinem Versuch kein Schussglück beschieden und als Breitner später blank vor dem Tor steht, verfehlt er es.

Unter dem Beifall der Zuschauer verlässt die Eintracht das Spielfeld in die Pause. „Chas Treffer konnte ich nicht anerkennen, da vorher ein Frankfurter einen Münchner zur Seite gestoßen hatte“, bleibt Assenmacher beim Gang in die Kabinen bei seiner Version des Tathergangs und erklärt zum Elfmeter noch einmal für die Regelunkundigen: „Den Freistoß musste ich geben, weil Bayerntorwart Müller den Ball zweimal mit der Hand aufnahm, was nach den neuen Torwartregeln verboten ist.“


Pezzey gegen Breitner, beobachtet von
Falkenmayer

Nach dem Wiederanpfiff verstärkt der fleißige Kraus seine Bemühungen und treibt seine Elf nach vorne. Unterstützung findet er bei Del’Haye auf der rechten Seite und nun stehen nicht mehr die Gäste, sondern die Gastgeber mit dem Rücken an der Wand. Die zuvor in ihrer gewohnt unterkühlten Art fast desinteressiert wirkenden Bayern werden stärker, weil Breitner das Heft des Handelns in die Hand nimmt. Lautstark und mit den bekannten deutlichen Gesten feuert er seine Mitspieler an, doch das Mittel der Wahl wird für die Eintracht nicht zur Qual. Wie am Mittwoch im Europapokal gegen den FC Aberdeen fällt den Bayern nur ein Druckmittel ein: hohe Flanken in den Strafraum. Doch wie die Schotten steht auch die Eintracht gerade in diesem Bereich absolut sicher. Und wenn die Gäste auf eine Schwäche des Frankfurter Schlussmannes hoffen, warten sie vergebens: Jüriens hält weiter tadellos und fehlerfrei und pflückt die Bälle wie reife Früchte, bevor sie den Kopf von Hoeneß erreichen können.

Pezzey und Körbel organisieren einen dichten Riegel und greifen ein, wenn Sziedat, gegen den Rummenigge meist das Nachsehen hat, den Münchner doch einmal passieren lassen muss. In der 66. Minute greift Rummenigge deshalb zu einem unfairen Mittel: Er lässt sich in einem regelgerechten Zweikampf mit Sziedat im Strafraum fallen, um den Schiedsrichter zu einem Elfmeterpfiff zu provozieren. Assenmacher fällt darauf nicht herein.


Breitner scheitert an Jüriens

11 Minuten später bekommt Rummenigge dann aber doch, was er will. Körbel spitzelt ihm im Strafraum den Ball weg, der Nationalstürmer kommt dabei zu Fall und nun entscheidet Assenmacher auf Strafstoß. Breitner legt sich den Ball siegesgewiss zurecht. Er hat schon 29 Elfmeter in der Bundesliga verwandelt und sagt über seine Nervenstärke am Elfmeterpunkt: „Neben mir kann eine Bombe explodieren: Ich treffe trotzdem.“ Breitner läuft mit den gewohnt kurzen Schritten an, doch Jüriens hat die Ecke geahnt, ist blitzschnell unten, macht sich lang und lenkt den Ball an den Pfosten. Dieter Hoeneß ist aufgerückt, nimmt den Abpraller, doch Jüriens wehrt auch den Nachschuss mit einer Blitzreaktion ab und krönt so seine heute fehlerlose Leistung.

„Ein Wahnsinn, ich hab’ einen Elfmeter von Breitner gehalten“, jubelt Jüriens, der das erworbene Wissen nach dem Spiel erklären wird: „Man darf dem Paul nicht in die Augen sehen. Während der Woche habe ich mit Bruno Pezzey Elfmeter geübt. Dabei sagte er mir, dass Breitner beim Elfmeter immer verzögern würde, was allerdings ohnehin jeder weiß. Als es dann soweit war, sagte ich mir also, dass ich mit meiner Reaktion länger warten müsste als Breitner. Ich habe ihm dabei die rechte Ecke freigemacht und mich gleichzeitig voll dorthin konzentriert. Natürlich ist bei einem gehaltenen Elfmeter auch viel Glück dabei. Ärgerlich wäre es allerdings gewesen, wenn der Nachschuss von Hoeneß reingegangen wäre. Da hältst du einen Elfmeter von Breitner und es wäre doch umsonst gewesen!“


Von Bayern umzingelt: Bruno Pezzey

Die Eintracht kommt über das Verteidigen und die Mittellinie kaum noch hinaus und liefert dem nun überlegenen und spielbestimmenden Gegner einen Kampf, der diese Bezeichnung auch verdient. Einer springt für den anderen in die Bresche und stopft die Lücken, die die Offensive der Bayern in die Frankfurter Reihen zu reißen versucht. Trainer Zebec bringt in der 68. Minute mit Sievers für Nickel, der am Ende seiner Kräfte ist und dem selbst der Weg zu den Eckbällen Mühe macht, einen weiteren defensiven Mann, um die Deckung zu stärken. Der Druck der Bayern wird dennoch größer, allerdings ohne Torchancen nach sich zu ziehen.

Bayern-Coach Csernai reagiert und wechselt Pflügler für Nachtweih ein, der am linken Flügel ein Ausfall ist. Wirkung erzielt er damit nicht, obwohl sich Verteidiger Schreml im Passspiel unsicher zeigt und auf der anderen Abwehrseite Falkenmayer gegen den schnellen Calle Del’Haye ein großes Spiel liefern muss, um dem Stürmer zu bändigen. „Schau die zwa Hendl an. Wie die aufeinander losgehen - das ist das Schärfste“, ist Max Merkel von den Laufduellen der Leichtgewichte Falkenmayer und Del’Haye hingerissen und auch Oberbürgermeister Walter Wallmann - seit langer Zeit wieder einmal Gast bei der Eintracht - ist beeindruckt: „Falkenmayer ist für mich der beste Frankfurter. Sein Diagonalpass für Cha - eine Augenweide.“

Eine Viertelstunde vor Schluss bringt Zebec seinen Joker Uwe Müller für den erschöpften Helmut Gulich. Mit einem fulminanten Schuss aus 18 Metern prüft er auch gleich Torwart Müller, der das Geschoss nur mit Mühe zur Ecke fausten kann. Körbel, der durch seine Erkrankung sechs Pfund an Gewicht verloren hat und schon beim Warmmachen von einem Muskelkater geplagt wurde, hat lange keine Anzeichen von Kraftverlust gezeigt - „bis zum Elfmeter, der keiner war“, wie Körbel bekennt. Aber er steckt trotz nachlassender Kondition nicht auf und beißt sich durch. Es lohnt sich: Zehn Minuten vor dem Ende köpft er Pflüglers Kopfball von der Linie. Mehr haben beide Teams nicht mehr zu bieten. Wieder gehen die Bayern im Waldstadion als Verlierer vom Platz und die Anhänger der Eintracht verwandeln die Spielstätte nach dem herbei gesehnten Abpfiff in ein Tollhaus.


Pezzey, Jüriens, Körbel

„Ich habe Freude an meiner Mannschaft. Sie hat 45 Minuten hervorragend gespielt, und das hat letztlich gereicht“, bilanziert Trainer Zebec sachlich und erklärt: „Bernd Nickel konnte nach seiner Verletzung nicht durchspielen, er wollte von sich aus ausgewechselt werden.“ „Der Schiedsrichter wollte zwar ein anderes Resultat“, kritisiert Zebec Assenmachers Auftritt offen, „doch wir haben mit einem großartigen Torwart und etwas Glück durchgehalten. Nach unserer Führung hatte ich Angst vor den Bayern, aber Gott sei Dank stand unsere Abwehr super. Die Eintracht hat heute gezeigt, dass sie beides kann, angreifen und abwehren. Das erste in der ersten Halbzeit, das zweite in der zweiten Halbzeit.“

„Wir haben die ersten 20 Minuten regelrecht verschlafen und dabei das Spiel verloren“, klagt Trainerkollege Csernai: „Das Gegentor und Breitners vergebene Riesenchance konnten wir nicht mehr wettmachen. In der Pause bin ich etwas lauter geworden, danach haben wir eine gute zweite Halbzeit auf den Platz gelegt. An Paul Breitner kann ich keine Vorwürfe wegen des verschossenen Elfmeters richten, denn er hat in der Vergangenheit genug wichtige Elfmeter verwandelt So ein Fehlschuss kann immer mal passieren. Ein sehr starkes Spiel hat auf unserer Seite Kalle Del'Haye geliefert. Wir haben bewiesen, dass wir ein Stadion füllen können und den Zuschauern in der zweiten Halbzeit einen hervorragenden Fußball gezeigt. Aufgrund der hervorragenden zweiten Halbzeit hätten wir zumindest einen Punkt verdient gehabt Er wäre wichtig gewesen, an der Tabellenspitze dem HSV näherzukommen.“

Der „Infotec“-Prominenten-Raum ist überfüllt, Willi O. Hoffmann wird sogar der Einlass verwehrt. „Ich bin der Präsident von Bayern München“, insistiert Hoffmann, woraufhin der Türsteher unbeeindruckt antwortet: „Das kann ja jeder sagen.“ „Es wäre unverdient gewesen, wenn der Elfmeter die Mannschaft um den Lohn ihrer begeisternden Leistung gebracht hätte“, meint Ehrenspielführer Jürgen Grabowski. „Ich habe den Ball gespielt“, versichert Körbel, der sich bei der Fernsehaufzeichnung nicht verkneifen kann, den neben ihm stehenden Assenmacher noch einmal zu kritisieren. „Dieser Pfiff war eine Unverschämtheit.“

Blass und hohlwangig lehnt Körbel den angebotenen Sitzplatz ab. „Es hat keinen Sinn, wenn ich mich hinsetze, komme ich nicht mehr hoch.“ Am Freitagabend, im Trainingsquartier der Eintracht, wollte der zuverlässigste Eintrachtspieler das Handtuch werden. „Plötzlich hatte ich wieder Fieber und Schüttelfrost“, berichtet Körbel, der nach diesem Rückschlag sofort nach Hause fahren wollte. Dr. Jochen Abbrecht, Vertreter von Vereinsarzt Dr. Georg Degenhardt, wurde alarmiert. „Ich wollte unbedingt von ihm behandelt werden, denn am Anfang der Woche hat er mich auch wieder aufgebaut“, erzählt Körbel, der im Laufe der zweiten Halbzeit einige Male Nasentropfen nehmen musste: „Ich habe kaum noch Luft bekommen.“ Letztlich rettete Körbel sogar noch den Sieg, als er zehn Minuten vor dem Ende einen Kopfball von Pflügler von der Linie köpfte. „Danach musste ich mich am Pfosten festhalten“, erzählt Körbel von seiner Rettungstat beim Kopfball Pflüglers, „sonst wäre ich umgefallen.“ „Der Körbel war heute ja unglaublich stark“, staunt Wallmann und auch Zebec spricht mit großem Respekt über Körbel: „Eine solche Rosskur steht nur ein wirklicher Profi durch.“

Im lauwarmen Wasser des Entmüdungsbecken erlebten Nickel und Gulich zitternd die Endphase mit. „Es war die reinste Folter“, berichtet Nickel. „Unser Abwehrblock hat gut gestanden, einer bügelte den Fehler des anderen aus“, lobt Pezzey seine Kameraden: „Wir wussten, was uns erwartet. Wir waren auf die Bayern-Offensive eingestellt und wollten auf Konter warten. Mit einem bisschen mehr Cleverness hätten wir die Bayern mit drei, vier Toren heimschicken können. Ein Erfolgserlebnis vor einer solchen Kulisse gegen einen so renommierten Gegner ist für unsere Jungen ungemein wichtig.“ Gut tut der Eintracht auch die Einnahme von 1,1 Millionen DM, doch Präsident Schander mahnt: „Das war wichtig und ist sicher beruhigend. Doch es ist kein Anlass für Euphorie. Die Eintracht hat nach wie vor große finanzielle Probleme und ist längst noch nicht über den Berg.“

Für den ehemaligen Bundestrainer Helmut Schön war der Eintrachtsieg, kein Zufall, sondern eine reife taktische Leistung: „Vor allem, wenn man die vielen Jungen Spieler sieht. Branko weiß die Jungs zu führen, hat rechtzeitig von Angriff auf Abwehr umgeschaltet und so das verdiente 1:0 über die Bühne gebracht. Branko Zebec ist schon ein guter Mann. Ich bin erstaunt, was er vor allem aus den jungen Leuten gemacht hat. Mit welchem Biss sie kämpften und Bayern bis zum Schluss in Schach hielten. Sicher, nach der Pause hatte Bayern mehr vom Spiel, aber das war zu erwarten. Aber wenn man sogar einen Elfmeter nicht verwandeln kann, darf man sich nicht wundern. Die Frankfurter haben sich diesen Sieg, wenn auch mit etwas Glück, verdient. Sie sind wieder eine Mannschaft geworden und haben nach dieser fast radikalen Verjüngungskur eine Chance, wieder hochzukommen.“ „Diese Wandlung bringt uns weiter nach vorne“, meint Zenker und Zebec kommentiert trocken: „Man muss nicht nur wissen, wie lange man angreifen kann, sondern auch wann und wie man sich verteidigen muss.“

Wolfgang Kraus und Norbert Nachtweih wollten nach dem Spiel in Lederhosen in die Eintracht-Kabine gehen, doch nun bleiben die Klamotten in den Sporttaschen: „Wie immer“, schüttelt Kraus enttäuscht den Kopf, „hier geht einfach alles schief.“ „Ich bin ja noch jung genug. Vielleicht erlebe ich doch noch einen Sieg in Frankfurt“, sagt Bayern-Präsident Willi O. Hoffmann mit bissigem Unterton. „Hätten wir nur die Form gebracht, die wir durchschnittlich auswärts bringen, wäre es leicht gewesen zu gewinnen“, ärgert sich Kraus, der im Gegensatz zu Nachtweih wenigstens mit seiner eigenen Leistung zufrieden sein kann. „Linksaußen ist nun mal nicht mein Posten“, ist Nachtweihs Erklärung.

„Ich habe zu spät erkannt, dass Jüriens schon in die linke Ecke getaucht war“, erklärt Paul Breitner, der im Sommer seine Karriere beenden wird, ohne im Waldstadion gegen die Eintracht gewonnen zu haben: „Beim letzten Münchner Sieg im Waldstadion gegen die Eintracht saß ich nur auf der Auswechselbank, mit Braunschweig habe ich hier 0:6 verloren. Es ist wie verhext, auf dem Betzenberg in Kaiserslautern und im Frankfurter Waldstadion können wir einfach nicht gewinnen.“ „Diesmal mussten wir mindestens einen Punkt holen“, meint er aber auch: „Wir haben die ersten 20 Minuten verschlafen, auf Grund der übrigen Spielzeit aber klar gewinnen müssen.“ „Jede Mannschaft steigert sich gegen uns um 100 Prozent, zeigt mehr Einsatz als gewöhnlich“, kann er angesprochen auf den Generationswechsel bei der Eintracht die Entwicklung nicht auf Zebec zurückführen: „Die Handschrift eines Trainers sieht man nicht an so einem Spiel, sondern gegen Braunschweig oder Bochum.“ „Tschik“ Cajkovski gibt dagegen seinem Freund Branko Zebec einen dicken Schmatz auf die Wange und sagt: „Branko, hast du aus kleine Falkenmayer neuen Djalma Santos gemacht.“ Auch der „kicker“ attestiert Falkenmayer eine überragende Leistung und stellt ihn – zusammen mit Jüriens und Pezzey – in die die „Elf des Tages“.

„Ich habe immer gewusst, dass mein Tag in Frankfurt mal kommen würde, dass es auch bei mir hier mal klappen würde“, freut sich Jüriens, der nach dem Schlusspfiff von seinen Mitspielern und den Zuschauern gefeiert wird: „Auch ich habe hinterher vor Freude die Kollegen alle umarmt. Das war schon eine schöne Sache gegen die Bayern, obwohl ich sagen muss, dass für mich persönlich das Europapokal-Spiel in Tottenham noch eindrucksvoller war, auch wenn wir dort ausgeschieden sind. Die Partie gegen die Münchner ist aber bereits abgehakt, weil das nächste Spiel diesmal wirklich das schwerste ist. Am Samstag heißt es in Hamburg aufzupassen, dass ich vom HSV nicht den Laden vollgehauen bekomme. Vielleicht können wir jetzt auch dort einen Punkt holen.“ Auf die Frage, ob er sich sicher sein könne, in Hamburg zu spielen, antwortet Jüriens: „Genau weiß man das vorher nie. Nach unserem Sieg in Bochum habe ich zwar die ganze Woche daran geglaubt, dass ich gegen die Bayern spielen würde. Doch genau gewusst habe ich es erst am Samstagmittag um halb zwölf, als Herr Zebec es mir sagte.“

„Drinbleiben, Spielpraxis bekommen und dadurch Sicherheit gewinnen“, lauten Jüriens’ Wünsche. „Ich habe keinen Anlass, auf der Torwartposition etwas zu ändern. Durch Spielpraxis bekommt ein Torwart Vertrauen und Sicherheit, das hat der Junge heute gegen die Bayern bewiesen“, lobt Zebec die bisherige Nummer Zwei: „Unser Torwart hat das Spiel gewonnen.“ „Dieses Erfolgserlebnis ist gut für unsere Torleute“, will Körbel das Erfolgserlebnis ausweiten. Pahls Zeit bei der Eintracht scheint aber wieder einmal abgelaufen zu sein. Mit Jüriens wurde bereits vor dem Bayern-Spiel vereinbart, in der nächsten Woche über seine weitere Zukunft zu reden, und Vizepräsident Wolfgang Zenker betont, dass die Eintracht in der nächsten Saison auf jeden Fall ihren Amateurkeeper Gundelach unter Vertrag nehmen und auch in der nächsten Spielzeit lediglich zwei Profi-Torhüter in ihrem Kader haben werde. „Diese Situation kenne ich. Im letzten Jahr hieß der Amateur-Torwart, der mich angeblich verdrängen sollte, Raps. In diesem Jahr heißt er eben Gundelach“, bleibt Jüriens gelassen: „Das macht weder mich noch den Jürgen Pahl nervös. Ich hoffe eben, dass ich auch in der nächsten Saison bei der Eintracht bin. Mehr kann ich zurzeit nicht machen. Unser gutes Verhältnis bleibt ungetrübt, wir gehen weiterhin auch privat zusammen aus“, sagt Jüriens über seinen ausgebooteten Konkurrenten Pahl.

Doch wer hoch gejubelt wird, kann auch tief fallen gelassen werden. Pahl wurde in der letzten Saison nach dem Elfmeterschießen in Saloniki nicht zum ersten Mal jubelnd auf die Schulter geklopft, während ihm nach der Niederlage in Braunschweig wieder wütend in den Hintern getreten wurde. „Deswegen macht den Jüriens jetzt nicht so groß“, bittet Kapitän Pezzey, der beim Schlusspfiff seinen Torhüter in die Arme geschlossen hat, aber mit dieser Geste des Kapitäns der Anerkennung auch Genüge getan hat, wie er meint: „Er hat das Spiel gewonnen, aber dafür steht er ja auch im Tor, dass er was hält.“

Epilog

Im Rückspiel des Viertelfinales des Europapokals der Pokalsieger in Aberdeen kassieren die Bayern zu Beginn der Schlussviertelstunde innerhalb von zwei Minuten zwei Tore und scheiden mit 2:3 aus. Für Paul Breitner endet damit seine internationale Karriere dort, wo er sie als 17-Jähriger in der Jugendnationalmannschaft begonnen hat: im Pittodrie Stadium von Aberdeen. Die Bayern müssen sich aber nicht grämen. Sie sind gegen den späteren Sieger ausgeschieden. Die Elf um Gordon Strachan schaltet im Halbfinale Thor Waterschei aus und im Endspiel besiegt der FC Aberdeen, der sich beim UEFA-Cup-Gewinn der Eintracht in der ersten Runde den Hessen knapp geschlagen geben musste, Real Madrid nach Verlängerung mit 2:1. Das Siegtor für die von Alec Ferguson trainierte Truppe erzielt der erst 20-jährige Einwechselspieler John Hewitt, der auch die Bayern mit seinem Treffer aus dem Wettbewerb gekegelt hatte - zwei Minuten nach seiner Einwechslung. Wieder macht sich das Konzept des FC Aberdeen bezahlt, der bereits 16-jährige Talente mit Profi-Verträgen ausstattet. Das überschaubare Salär von etwa 120 Mark in der Woche für den Nachwuchs überweist der Klub, der auch für den schulischen und beruflichen Abschluss der Talente sorgt, übrigens an die Eltern der Spieler. (rs)


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