Eintracht Frankfurt - Bayern
München |
UEFA-Cup 1979/1980 - Halbfinale, Rückspiel
5:1 n.V. (2:0, 1:0)
Termin: 22.04.1980
Zuschauer: 50.000
Schiedsrichter: Brian McGinlay (Schottland)
Tore: 1:0 Bruno Pezzey (31.), 2:0 Bruno Pezzey (87.), 3:0 Harald Karger (103.), 3:1 Wolfgang Dremmler (105.), 4:1 Harald Karger (107.), 5:1 Werner Lorant (118., Elfmeter)
Eintracht Frankfurt | Bayern München |
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Karger schießt die Bayern ab Inzwischen sind die Riederwälder, die sich lange Zeit im Meisterschaftsrennen wähnten, sogar aus den Rängen gerutscht, die eine Qualifikation für den UEFA-Cup mit sich bringen. Bleibt als Chance im nächsten Jahr international antreten zu können, nur der Titelgewinn in der aktuellen Runde des UEFA-Pokals. Doch dafür muss ein Sieg gegen die Bayern mit mindestens drei Toren Differenz her - und dies soll eine Mannschaft bewerkstelligen, deren letzter Sieg in einem Pflichtspiel mittlerweile fünf Wochen zurückliegt. Fast schon flehentlich klingt da der Appell des Managers Klug, der sein plakatives "Rettet, was zu retten ist", mit der Aussicht auf eine Prämie von 18.000 Mark pro Spieler für das Erreichen des Finales handfest untermauert. Das von Rausch geforderte "Wunder" gegen die Bayern sollen die Spieler vollbringen, die auch in der letzten Bundesligapartie gegen Kaiserslautern aufliefen - mit einer überraschenden Ausnahme: Im Tor steht wieder einmal Pahl, den Rausch kurzfristig statt Funk nominiert. "Funk wäre zu nervös gewesen", lautet die eigenwillige Erklärung des Trainers, "Pahl hat nichts mehr zu verlieren". Nun, für beide gilt, dass sie in der nächsten Saison, nicht mehr das Trikot mit der Nummer eins der Eintracht tragen sollen, denn die Vereinsoberen buhlen heftig um Nationaltorhüter Rudi Kargus vom HSV. Erstmals in der Startelf der europäisch auftretenden Eintracht steht Horst Ehrmantraut, der für Helmut Müller spielt und als Einwechselspieler in Brünn seine internationale Premiere feierte. 50.000 Zuschauer füllen am Abend des 22. April die Ränge des Waldstadions und hoffen zum größten Teil, dabei sein zu dürfen, wenn die Eintracht auf dem Platz ein Wunder bewerkstelligt. Und die elf komplett in Weiß gekleideten Riederwälder machen den Roten aus München von Anfang an Druck. Allerdings wissen die Bayern, mit diesem Druck gut umzugehen, die Abwehr steht sicher, in der Mitte gibt es wenig Raum, den Borchers, Nickel oder Hölzenbein nutzen könnten. So wählt die Eintracht ein ums andere Mal den Weg über die Flügel, die hohen Flanken sind aber regelmäßig eine sichere Beute des kopfballstarken Abwehrverbundes der Bayern und von Torhüter Junghans. Sechs Ecken in der ersten Viertelstunde dokumentieren den Elan der Frankfurter Angriffsbemühungen, Zählbares springt allerdings nicht dabei heraus. Dafür sind noch drei weitere Ecken nötig. In der 31. Minute spielt Nachtweih den mittlerweile neunten Eckstoß kurz zu Ehrmantraut, der den Ball hoch in den Münchner Strafraum schlägt. Dort erwarten sehr zur Freude der Eintrachtler gleich zwei Lange aus den Münchner Reihen den Ball, Hoeneß behindert Junghans bei dessen Fangversuch, und der Torhüter des FCB lässt die Kugel prompt aus den Händen gleiten. Zur Stelle ist Pezzey, der den Ball aus kurzer Distanz über die Linie schubst. Es steht 1:0 für die Eintracht, die Tribünen fordern "Zugabe, Zugabe". Auch nach der Führung hält die Eintracht den Druck unverändert aufrecht, die Münchner ihrerseits versuchen sich vorsichtig in Offensivaktionen, sehen aber ihre Aktivposten Rummenigge durch Lorant und Hoeneß durch Körbel neutralisiert. Bis zur 43. Minute müssen die Bayern-Kunden im Stadion warten, bis sie den ersten ernsthaften Versuch ihrer Mannschaft erleben dürfen, ein Tor zu erzielen. Doch Rummenigges Schuss verfehlt sein Ziel. Mit dem 1:0 geht es schließlich in die Pause. Nach dem Seitenwechsel wird das Spiel offener, die Eintracht muss ihrem hohen Tempo der ersten Hälfte Tribut zollen. So muss Pahl vor Rummenigge retten, einige Minuten später pariert der Frankfurter Keeper einen Kopfball von Hoeneß. Auf der Gegenseite versuchen sich Nickel und Nachtweih mit Schüssen, haben aber keinen Erfolg. 15 Minuten sind noch zu spielen, als ein Ruck durch die Frankfurter Mannschaft geht. Ungeachtet des bislang betriebenen hohen Aufwands rennen sich die Spieler die Seele aus dem Leib und bestürmen das Tor der Bayern vehement, der Strafraum der Gäste wird zum stetigen Versammlungszentrum. In der 80. Minute taucht Cha nach Zuspiel von Hölzenbein alleine vor Junghans auf, der seine Finger noch an den Ball bekommt und ihn an die Latte lenkt. Dem anschießenden Kopfballtorpedo von Borchers steht der Pfosten im Weg. Drei Minuten später wechselt Trainer Rausch aus, um mit frischen Kräften das Unmögliche möglich zu machen: Für Neuberger und Ehrmantraut kommen Müller und Karger aufs Feld. Es ist wie verhext, der so wichtige zweite Treffer will nicht fallen - bis zur 87. Minute. Nickels Eckstoß fliegt hoch in den Strafraum, Junghans verharrt auf der Linie und Pezzey überspringt seinen Gegenspieler um eine halbe Körperlänge, um die Kugel zum 2:0 ins Netz zu köpfen. Das Wunder, Teil eins, ist geschafft. Das Waldstadion, bislang schon ein Irrenhaus, wird zur geschlossenen Anstalt. 60 Sekunden vor dem Abpfiff hat Nickel sogar die Gelegenheit, in der regulären Spielzeit alles klar zu machen. Doch sein Freistoß aus 30 Metern knallt ans Gebälk. Auch für Cha und Karger eröffnen sich noch Chancen, doch beide finden aus dem Gewühl heraus keinen Weg, den Ball ins Gästetor zu befördern. Schließlich pfeift der schottische Referee McGinlay ab - es geht in die Verlängerung. Weiter geht es, die Eintracht will das 3:0. Cha scheitert an Junghans, auch Nachtweihs Fernschuss wird zur Beute des Bayern-Keepers. In der 102. Minute folgt der erste große Auftritt von Karger. Angespielt von Bernd Nickel zieht er aus halblinker Position ab, Junghans ist geschlagen, die Eintracht steht in diesem Moment im Finale. Nur zwei Minuten später zerplatzt der Traum von den Endspielen wie eine Seifenblase, als Dremmler, getrieben vom puren Mut der Verzweiflung, aus 25 Metern abzieht. Eine sichere Beute für Pahl, der bislang eine fehlerlose Partie abgeliefert hatte, möchte man meinen. Doch unter dem Körper des Frankfurter Schlussmanns hindurch rutscht der Aufsetzer zum 3:1 ins Netz. Mit diesem Zwischenstand endet die erste Hälfte der Verlängerung.
Den letzten Akt des Dramas eröffnet die Eintracht mit einem Paukenschlag. Trommler ist erneut Karger, Vorlagengeber wiederum Nickel, der 'Schädelharry' den Ball per Freistoß so präzise auf den Kopf serviert, dass dieser aus sieben Metern das 4:1 erzielen kann. Die Eintracht hat wieder die Nase vorne im Rennen um den Finaleinzug. Kurz darauf sorgt der Schiedsrichter sehr zum Unwillen der meisten Zuschauer dafür, dass es noch einige Minuten spannend bleibt, als seine Pfeife nach einem klaren Foul von Augenthaler im Strafraum stumm bleibt. Die Gelegenheit, den versäumten Elfmeterpfiff nachzuholen, nutzt McGinlay in der 118. Minute, als Karger sich im Strafraum einer rustikalen Attacke von Augenthaler ausgesetzt sieht. Werner Lorant, der Elfmeterschütze vom Dienst, lässt sich die Chance nicht entgehen und erzielt das 5:1. Kurz darauf geht der Schlusspfiff in der Geräuschkulisse des tobenden Stadions fast unter. Die Eintracht steht zum zweiten Mal in ihrer Vereinsgeschichte im Finale eines der großen europäischen Fußballwettbewerbe.
Ein Grund zum Feiern sieht Trainer Rausch trotz dieses Erfolges nicht, "... denn wir sind erst im Finale und noch kein Cup-Gewinner." Gedanken um einen möglichen Triumph macht sich auch Bernd Hölzenbein: "Ich hoffe, dass der Grabi bis zum Finale wieder fit ist, damit ich nicht die Rede im Römer zu halten brauche." "Das war der schönste Geburtstag in meinem Leben"., kommentiert der eingewechselte Helmut Müller , der heute 27 wird, die Partie. Was Müller zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht weiß, ist, dass der Schlag aufs Knie, den er während des Spiel einstecken musste, einen Meniskusschaden nach sich ziehen wird. Zwei Jahre wird sich Müller erfolglos um ein Comeback bemühen - das 5:1 bleibt sein letztes Pflichtspiel für die Eintracht. Schmerzhaft als Prophet bestätigt sieht sich der ehemalige Eintrachtspieler Wolfgang Kraus, der seit 1979 seinen Dienst im Mittelfeld der Bayern verrichtet: "Keiner hat geglaubt, dass wir noch in Schwierigkeiten kommen. Alle waren überzeugt, das Ding über die Runden schaukeln zu können. Ich habe meine Mitspieler immer wieder gewarnt. Ich wusste, dass die Eintracht die einzige Mannschaft in Deutschland ist, die es fertigbringen könnte, uns so zu schlagen. Aber geglaubt hat mir keiner." Zurückrudern darf Pal Csernai, der den Mund nach dem Hinspiel reichlich voll genommen hatte: "Es war zweifellos eine großartige Leistung der Eintracht, denn auch wir haben nicht schlecht gespielt." Gegner im UEFA-Cup-Finale, das mit Hin- und Rückspiel auf den 7. und 21. Mai terminiert ist, wird Borussia Mönchengladbach sein. Für die Gladbacher, sie hatten sich als Titelverteidiger dieses Wettbewerbs mit 1:2 und 2:0 gegen den VfB Stuttgart durchgesetzt, geht es wie bei der Eintracht darum, sich durch den Cup-Gewinn für einen internationalen Wettbewerb zu qualifizieren, denn über die Liga scheint dies wie auch bei den Riederwäldern kaum mehr möglich. Die beiden Kontrahenten rangieren derzeit mit jeweils 28:30 Punkten auf dem achten beziehungsweise zehnten Platz der Bundesliga. (fgo)
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