Eintracht Frankfurt - Hertha BSC Berlin

Bundesliga 1979/1980 - 27. Spieltag

0:4 (0:2)

Termin: Sa 29.03.1980, 15:30 Uhr
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Manfred Uhlig (Dortmund)
Tore: 0:1 Henrik Agerbeck (25.), 0:2 Michael Toppel (39.), 0:3 Jürgen Diefenbach (50., Handelfmeter), 0:4 Henrik Agerbeck (55.)

 

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Eintracht Frankfurt Hertha BSC Berlin

 


  • Wolfgang Kleff
  • Uwe Kliemann
  • Ole Rasmussen
  • Michael Sziedat
  • Jürgen Diefenbach
  • Holger Brück
  • Michael Toppel
  • Wolfgang Sidka
  • Hans-Jürgen Baake
  • Thomas Remark
  • Henrik Agerbeck

 

Wechsel Wechsel
  • Dietmar Krämer für Thomas Remark (68.)
  • Paul Dörflinger für Michael Toppel (76.)
Trainer Trainer
  • Hans Eder  

 

Sündenbock gesucht

"Ich bin gut gelaunt", beginnt Trainer Rausch die Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen Hertha BSC Berlin. Grund der guten Laune ist natürlich nicht die Leistung seiner Mannschaft bei der 0:2-Niederlage vom letzten Wochenende beim Halbfinalgegner im UEFA-Cup, dem FC Bayern München. "Das darf uns aber nicht verunsichern. In den nächsten vier Spielen, den Heimspielen gegen Berlin, Kaiserslautern und Bochum sowie dem Auswärtsspiel in Duisburg wollen wir den entscheidenden Schritt für die abermalige UEFA-Qualifikation machen", verkündet Rausch mit dem gewohnten Optimismus. Der Grund für seine Zuversicht liegt in der entspannteren Lage im Lazarett der Eintracht. "Hölzenbein und Nickel können spielen", freut sich Rausch. Angeblich hat Hölzenbein nur zwölf Tage nach seinem Kapsel- und Bänderriss vom 26. Februar seinen Knöchel eigenhändig mit Hammer, Schraubenzieher und Geflügelschere vom Gips befreit und erste Gehversuche unternommen. "Es ging nicht ganz ohne Schmerzen, aber es ging", wird "Holz" in der "Bild" zitiert: "Ich war narrisch vor Glück." Hölzenbein ist also zurück, doch es fehlen weiter der im Heimspiel vor 14 Tagen verletzte Jürgen Grabowski, Werner Lorant und der seit dem Spiel in Leverkusen wegen einer Roten Karte gesperrte Bruno Pezzey.

Bei ihren Versuchen, den Mannschaftskader für die kommende Saison zu verstärken, ist die Eintracht derweil zum dritten Mal innerhalb von zwei Wochen nur zweiter Sieger und damit erster Verlierer geworden. Nachdem die Forderungen des Bremers Dressel, die laut Manager Klug "unverschämt hoch" waren aber nun vom HSV offensichtlich erfüllt werden, und sich Stürmer Joachim Löw vom SC Freiburg mit dem VfB Stuttgart einig geworden ist, hat die Eintracht auch im Werben um den Uerdinger Friedhelm Funkel das Nachsehen. "Ich habe mit Funkel ein Treffen Ende dieser Woche vereinbart", kündigt Udo Klug an, wird aber gleichzeitig von der Aussage des Vizepräsidenten des 1. FC Kaiserslautern überrascht: "Wir haben Funkel fest an der Angel. Das Spiel ist gespielt."

Auch als der Trainer erfuhr, dass der von Frankfurt heftig umworbene Uerdinger Funkel sich für Kaiserslautern entschieden hätte, verlor er nicht seine Zuversicht: "Es sind noch genug gute Spieler auf dem Markt, um uns auf den Positionen zu verstärken, auf denen wir uns verstärken müssen." Der Torwart gehört (noch) nicht zu diesen Positionen. Rausch: "Funk hat mein volles Vertrauen und jetzt noch drei Monate Zeit, dieses Vertrauen zu rechtfertigen."

Dieses Vertrauen hat der Trainer nahezu exklusiv, denn der Torhüter liefert seinen Kritikern mit immer wiederkehrenden Patzern Grund genug, die Qualität des Schlussmanns misstrauisch unter die Lupe zu nehmen. Im Training macht der nervenschwache Keeper dagegen eine gute Figur und lässt sich in dieser Woche von Co-Trainer Dieter Schulte ganz besonders hart rannehmen: "Damit ich endlich das Vertrauen der Fans gewinne. Ich will den Frankfurtern beweisen, dass ich ein guter Torwart bin. Doch dazu benötige ich auch die Geduld der Fans." Trotzdem rechnet er am Samstag gegen Hertha mit Pfiffen: "Die Fans nehmen mir die beiden Tore beim 0:2 in München übel." Das trifft nicht nur auf die Fans zu, sondern auch auf Mitspieler Werner Lorant, dem das Eigentor zum 0:1 zugeschrieben wird – Funk war bei seinem Rückpass völlig unmotiviert aus seinem Tor geeilt und hatte den Ball verpasst. "Ich dachte mich trifft der Schlag, als der plötzlich neben mir stand. Er hatte da doch nichts, aber auch gar nichts zu suchen", schimpfte Lorant, was Funk aber nicht beeindrucken konnte: "Wenn im nächsten Spiel die gleiche Situation kommt, renne ich wieder raus." Beeindrucken lassen will sich der Keeper gegen die Hertha auch nicht von den eigenen Anhängern, die ihn einen "Fliegenfänger" nennen: "Doch selbst wenn die Trillerpfeifen kommen. Ich muss die Kritik wegstecken. Dafür bin ich Profi."

Auf hohem Niveau bewegen sich auch die Kartenpreise für das vorverlegte UEFA-Cup-Rückspiel gegen Bayern München, bei dem die Eintracht eine Million Mark einspielen möchte. Zu diesem Zweck wird ein sogenannter "Top-Zuschlag" erhoben, was bedeutet, dass alle Karten fünf Mark teurer werden. Der billigste Stehplatz kostet nun 10 statt bisher 8 Mark, der teuerste Sitzplatz kostet gar 10 Mark mehr und liegt nun bei 50 Mark. "Wir haben uns damit dem internationalen Niveau angepasst", verteidigt Manager Klug die Maßnahme: "Denn auch St. Etienne, sogar die Ostblock-Mannschaft Brünn und erst recht der HSV, langen bei solchen Spielen mehr hin als sonst." Wie auch immer – mit dem Fan kann man es machen, das Waldstadion wird voraussichtlich ausverkauft sein.

Die Eintrittspreise sind in diesen Tagen ohnehin nicht das Thema, das die Anhänger bewegt. Ein Eintrachtfan, der aktuell etwas anderes tut, als über die Höhe des nächsten Sieges seiner Mannschaft zu spekulieren, wird am Main schnell als missgünstiger Narr oder Offenbacher identifiziert. Für die meisten Anhänger der Eintracht steht außer Frage, dass heute der Mythos des Angstgegners Hertha eine Beerdigung erster Klasse erfahren wird.

Seit 1969 hat die Eintracht nur einen einzigen Heimsieg gegen den aktuellen Tabellenletzten aus Berlin feiern können, und auch dieser Erfolg liegt bereits sechseinhalb Jahre zurück. "Seit ich hier in Frankfurt bin, haben wir noch nie ein Heimspiel gegen Hertha BSC gewonnen", klagt Willi Neuberger in der Sportzeitung der Eintracht. Doch die Berliner Truppe, die heute im Waldstadion antritt, hat mit der erfolgreichen Elf vergangener Jahre nicht mehr viel zu tun. Die Berliner stecken in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten und haben namhafte Abgänge nicht verkraften können. Nachdem die Hertha in der letzten Saison zwar im Halbfinale des UEFA-Cups stand, aber in der Bundesliga nur einen enttäuschenden 14. Platz erreichte, fallen die Einnahmen aus internationalen Wettbewerben in dieser Spielzeit aus. Der personelle Aderlass ist enorm: Karl-Heinz Granitza verließ den Klub schon nach dem Ende der Hinrunde der letzten Saison und schloss sich den Chicago Stings in der US-Major-Soccer-League an. Norbert Nigbur kehrte zu Schalke zurück, Erich Beer, "Hanne" Weiner wechselte zu Bayern München, Erich Beer folgte Dettmar Cramers Ruf und spielt nun in der "Wüste" bei Al Ittihad Jeddah in Saudi-Arabien.

Die schlechte Saison der alten Dame kommt also nicht ganz überraschend, auch wenn man in Berlin sicher gehofft hatte, den Absturz in die Zweitklassigkeit entgehen zu können. Doch seit dem 3. Spieltag hat die Hertha die Abstiegsränge nicht mehr verlassen und seit dem Ende der Hinrunde hat sie gar permanent die "Rote Laterne" der Tabelle inne. Bisher hat es sich nicht ausgezahlt, kurz vor Jahresende 'Fiffi' Kronsbein zurückgeholt zu haben, der die Hertha bereits zwischen Juli 1966 und März 1974 trainiert hatte. Kronsbein löste Hans Eder ab, dem ehemaligen Hertha-Spieler und jahrelangen Co-Trainer, der ab 28.10.1979 anstelle des entlassenen Kuno Klötzer zum zweiten Mal nach 1974 das Amt des Cheftrainers übernommen hatte. Angeblich bezieht Kronsbein kein Gehalt, die Hertha zahlt für Kronsbeins Freistellung monatlich lediglich etwa 3000,- DM Entschädigung an dessen Arbeitgeber.

Nun haben die Berliner am letzten Spieltag zu Hause gegen Lautern mit 0:2 verloren, der rettende 15. Platz ist vier Punkte entfernt und auswärts ist es ganz schlecht um die Berliner bestellt. Nicht ein Sieg gelang der Hertha in dieser Saison auf fremden Plätzen. Wann soll die Eintracht also die Hertha im Waldstadion wieder einmal schlagen, wenn nicht heute? Die Frankfurter, die auf Rang sechs liegen, benötigen außerdem einen Sieg gegen das Schlusslicht, um den Anschluss an die ersten Fünf der Tabelle nicht zu verlieren.

Wen interessiert es also, dass die Eintracht in der Rückrunde mit acht Punkten lediglich zwei Zähler mehr als die Herta geholt hat? Rauschs Elf soll stürmen, das Wetter ist ja auch danach: "Achtung, Autofahrer in Richtung Frankfurt. Fahren Sie bitte vorsichtig. Die Sturmböen erreichen eine Geschwindigkeit von über 80 Stundenkilometer", hören die Zuschauer, soweit sie auf dem Weg zum Waldstadion ein Radio eingeschaltet haben.

Und tatsächlich legt die Eintracht los, als wolle sie einem Orkan gleich den Gegner vom Platz fegen. Die Elf, in der im Gegensatz zum letzten Samstag anstelle von Lorant und Nickel Ehrmantraut und Hölzenbein stehen, legt mit Feuereifer los und schon in der ersten Minute wirbelt Cha durch die Berliner Abwehr. Der Ex-Offenbacher Diefenbach weiß sich nicht anders zu helfen, packt den Enteilenden am Kragen und reißt ihn zu Boden. Der Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Uhlig bleibt jedoch zur Überraschung aller aus.

Die Gastgeber lassen sich von der Fehlentscheidung des Unparteiischen nicht beeindrucken. Helmut Müller schlägt eine Ecke von rechts in den Strafraum, Harald Karger schraubt sich höher als der Berliner Kapitän Kliemann und leitet den Ball per Kopf weiter zu Borchers. Aus elf Metern hat der Nationalspieler die Chance, die Frankfurter Führung zu erzielen, doch er trifft nicht nur das Tor nicht, sondern auch den Ball. Die Haare könnten einem bei dieser Anfangsphase zu Berge stehen, wenn sie es dank des stürmischen Windes nicht schon ohnehin tun würden.

Immerhin – die Eintracht lässt sich ihren Wind nicht aus den Segeln nehmen. Nach fünf Minuten segelt Hölzenbein an einer Flanke von Harald Karger vorbei, der heute auf Geheiß des Trainers die Imitation eines Außentürmers geben muss.

In der 13. Minute versucht es Hölzenbein besser zu machen, doch sein Versuch vor dem Fünfmeterraum scheitert kläglich – weit steigt der Ball übers Tor. Keine 60 Sekunden später rettet Sziedat in hoher Not, als er den Ball gerade noch vor dem einschussbereiten Borchers wegspitzeln kann.

Der Tabellenletzte hat sich nun lange genug, die erfolglosen Bemühungen der Riederwälder angesehen und versucht sein Glück nun auch. Baake zieht aus 20 Metern ab, der Schuss wird vom Gegenwind zwar nicht verweht, aber so ergriffen, dass er eine bananenartige Flugbahn beschreibt – ohne Folgen, die Kugel fällt auf das Tornetz.

17 Minuten sind nun gespielt und Wolfgang Sidka schickt den Amateur Michael Toppel. Funk eilt aus dem Strafraum und drischt das Leder vor Toppel weg. Die Gäste stellen sich wirklich alles andere als ungeschickt an. Aus einer verstärkten Abwehr setzen sie immer wieder punktgenaue Konter, die ihre Spitzen Agerbeck, Toppel und Remark gekonnt in Szene setzen.

Schon ist wieder Sidka Körbel entwischt und zieht den Ball von der linken Seite nach innen. Agerbecks Lauern am rechten Torraumeck wird belohnt: Er knallt das Leder unter die Latte des Frankfurter Tores. Nach 25 Minuten führt der krasse Außenseiter mit 1:0.

Wer dieses Gegentor als einmaligen Betriebsunfall abtut und nun vermutet, die Eintracht sollte in der Lage sein, diesen Rückstand in buchstäblich in Windeseile aufzuholen, liegt so falsch, wie ein Flokati in einem Operationssaal. Die Hausherren rennen zwar weiter gegen die Berliner Deckung an, sich dort aber auch fest.

Sechs Minuten sind es noch bis zur Halbzeitpause, als wieder Sidka am Ball ist und aus gut 25 Metern abzieht. Der Weitschuss ist kein Problem für einen guten Torhüter, der seine Nerven im Griff und seine Hände im Spiel hat, doch Klaus Funk kniet nieder und lässt den Ball aus den Händen rutschen. Toppel ist zur Stelle und jagt den Abpraller unter die Latte. Es steht 0:2.

"Funk raus, Funk raus", brüllen die wütenden Fans, den der Torwart beim Gang in die Kabine auch noch zuwinkt. Doch Klaus Funk bleibt im Tor, Rausch wechselt lediglich den heute ebenfalls indisponierten Gruber aus und bringt Bernd Nickel. "Ihr müsst weiterstürmen", verlangt "Fiffi" Kronsbein von seinen Spielern in der Pause. Die waren am Vorabend noch Zeugen eines Eklats geworden, als Präsident Holst Uwe Kliemann im Anschluss an das Zweitligaspiel Kickers Offenbach gegen den 1.FC Saarbrücken im Mannschaftsbus des Amtes als Mannschaftsführer enthoben hatte. Holst hatte mitgehört, wie Kliemann auf der Rückbank des Busses über den Trainer gelästert hatte. Kliemann hatte daraufhin bei der Mannschaft um Entschuldigung gebeten und beteuert, diese auf keinen Fall im Stich lassen zu wollen. Wer die Leistung des "Funkturms" sieht, würde auch niemals auf einen derartigen Gedanken kommen. Der ehemalige Eintrachtspieler ist auf dem Platz wieder mal ein Vorbild an Einsatz und Kampfkraft.

Diese Tugenden werden auch nach Wiederanpfiff benötigt, denn die Eintracht drängt nun vehement auf den Anschlusstreffer. In der 49. Minute tritt Nachtweih eine Ecke von links, die Hölzenbein mit dem Hinterkopf erreicht. Der Ball kommt gefährlich auf Kleffs Tor, streicht dann aber doch einen Meter vorbei …

Keine 60 Sekunden später geht Remark über die linke Seite Richtung des Frankfurter Tores. Nachdem er Müller ausgespielt hat, umspielt er auch noch Torwart Funk. Körbel weiß sich auf der Torlinie nicht anders zu helfen und verhindert das dritte Gegentor vorerst, in dem Remarks Schuss im Stile eines Torwarts abwehrt. Den fälligen Strafstoß aber verwandelt Diefenbach recht lässig. Unten rechts schiebt der die Kugel ins Tor.

Das Anrennen der Eintracht ist löblich, aber wie blinde Wut tut auch blindes Anrennen selten gut. Die erfolglosen Bemühungen der Frankfurter schlagen bereits in Resignation um, die Mannschaft ist hilflos, von außen ist keine Unterstützung zu erwarten.

Hertha wird dagegen immer kesser. Schöne Doppelpässe im Mittelfeld, Steilpässe, Absatztricks – die Berliner demonstrieren Einzelaktionen und Spielzüge, die schon lange verschüttet waren und nicht mehr vorhanden schienen. Baake schickt Agerbeck, der Ehrmantraut stehen lässt und im Strafraum angekommen aus 14 Metern abzieht. Der Ball rauscht in den linken Torwinkel. 0:4 nach nur 55 Minuten.

Je selbstsicherer die Berliner auftrumpfen, um so verkrampfter werden die Frankfurter. Erschreckend, wie kraft- und hilflos sie sich ihrem Schicksal ergeben. Ohne Grabowski und ohne Pezzey ist die Eintracht ohne Kopf und Seele, dieser Elf fehlen die Führung und die Moral. In Scharen verlassen die Zuschauer lange vor dem Abpfiff die Ränge des Waldstadions. Einige gehen nicht, ohne vorher gegen Präsident von Thümen Drohungen und Beschimpfungen vom Stapel zu lassen.

Die Eintracht, die ihre besten Kräfte noch in Ehrmantraut, Körbel und Borchers hat, ist zum Abschuss freigegeben. Die Hessen können nur von Glück reden, dass die Gäste darauf verzichten noch weitere Male den Abzug zu ziehen und ihren höchsten Auswärtssieg an gleicher Stelle zu wiederholen oder gar zu übertreffen.

Für die Berliner ist es der erste Auswärtssieg der Saison, für die Eintracht die höchste Niederlage seit dem 28. Januar 1978. Damals verloren die Frankfurter im Waldstadion mit 0:5 – gegen Hertha BSC. In diesem Sinne verabschiedet sich Hertha-Präsident Wolfgang Holst von den staunenden Frankfurter Journalisten: "Wir wollen uns noch einmal für die Gastfreundschaft bedanken, die uns die Eintracht, wie immer, entgegengebracht hat."

"Wir wollten am Anfang Forechecking spielen, doch gemacht hat es außer mir keiner", beklagt sich Karl-Heinz Körbel, während Bernd Nickel moniert: "Es war kein System im Spiel. Alle rannten wild drauflos."

"Mir fehlen die Worte", schnaubt Trainer Rausch, um dann doch gewohnt publikumswirksam zu toben: "Das war eine Blamage!" "Was wir heute geboten haben, war eine bodenlose Frechheit dem zahlenden Zuschauer gegenüber", diktiert Rausch den Journalisten, denen er sonst immer erzählt, wie sehr er sich über Pfiffe aus dem eigenen Publikum ärgert: "Die Leistung der Mannschaft war beschämend, die Niederlage auch in dieser Höhe völlig verdient." "Von wegen Eintracht 80/81. Eines steht fest, das war nicht die Mannschaft der Zukunft", schimpft der impulsive Coach weiter, der auch schon eine Lösung parat hat: "Wir brauchen für die nächste Saison noch einige Spieler. Es werden sicher Verstärkungen geholt!" Neben der ungeklärten Frage, wie die Eintracht diese finanzieren soll, bleibt Rausch die Antwort schuldig, wie er der Situation in der laufenden Spielzeit begegnen will.

Rausch begnügt sich damit, einzelne Spieler an den Pranger zu stellen: "Ich war mit Nachtweih gar nicht zufrieden. Er wird in Zukunft bei mir nicht mehr Verteidiger spielen!" Besonders das erste Gegentor erregt Rausch: "Da hat er neben Agerbeck gestanden und geschlafen." "Wer gelobt wird, muss auch Kritik vertragen können", wettert Rausch weiter, kaum einer seiner Spieler kommt ungeschoren davon, auch für die anderen Tore findet Rausch jeweils einen Sündenbock für die Öffentlichkeit: "Beim 2:0 durch Toppel ließ Funk vorher den Ball fallen." - "Das 3:0 geht auf Müllers Kappe. Der verlor im Strafraum den Ball an Remark." - "Vor dem 4:0 durch Agerbeck griff Neuberger nicht energisch genug an." Nur über eigene Fehler spricht Rausch nicht, obwohl sich Fans wie Journalisten beispielsweise fragen, was den Trainer dazu bewogen haben könnte, Mittelstürmer Harald Karger auf Linksaußen aufzustellen und so aus dem Spiel zu nehmen?

"Die Spieler tun mir fast leid, sie sind nervlich völlig fertig", nimmt der verletzte Kapitän Jürgen Grabowski seine Kameraden in Schutz. Grabowski ist weit davon entfernt, den Stab über die Mannschaft zu brechen oder gar sein Fehlen herauszustellen. Das tut an seiner Stelle sein langjähriger Weggefährte Bernd Nickel: "Man hat gesehen, was passiert, wenn Persönlichkeiten wie Grabowski und Pezzey fehlen. Gerade wenn es nicht läuft, übernehmen sie nämlich Verantwortung, während sich die jungen Spieler davor drücken." Dieser Schuss "Dr. Hammers" geht auch in Richtung der Vereinsführung, die den Vertrag mit Pezzey noch immer nicht verlängert hat und in die des Trainers, der Grabowski zu Beginn der Saison auf die Bank setzen wollte und seinen Teil dazu beigetragen hat, dass "Grabi" seine Karriere am Ende der Saison beendet und nicht - wie vom Trainer nach Grabowskis überragenden Leistungen gegen Schalke und Brünn plötzlich gewünscht und gefordert – weiter fortsetzen wird. Es ist schon ein schlechter Witz, dass gerade Rausch die Öffentlichkeit Glauben machen will, er könne den Kapitän zum Weitermachen überreden.

Andererseits ist Rausch in mehr oder weniger guter Gesellschaft, denn die anderen Eintracht-Verantwortlichen halten Selbstkritik wohl ebenfalls für eine ansteckende Krankheit und meiden sie wie die Pest. "Was den Frankfurtern im Augenblick völlig fehlt, ist neben Moral und Geist innerhalb der Mannschaft die Einsicht der Verantwortlichen Fehler begangen zu haben", schreibt beispielsweise der "Kicker".

"Am Donnerstag wird sich das Präsidium mit den Konsequenzen aus diesem Debakel beschäftigen", kündigt Präsident Achaz von Thümen, der sich im Stadion wüste Drohungen und Beschimpfungen von Anhängern gefallen lassen musste, vier Tage nach dem 0:4 an. Wie diese "Konsequenzen" aussehen sollen, verrät er nicht, der Kanzler der Frankfurter Universität ergeht sich lieber in Aussagen, die Fans und Presse einen ausreichenden Interpretationsspielraum lassen: "Man sollte nicht alles der Mannschaft anlasten. Die Fehler können auch in anderen Bereichen liegen."

Sofort wird spekuliert, ob Trainer Rausch, dessen Vertrag ja erst verlängert wurde, doch entlassen werden soll. Dafür spricht, dass der Mann, der als Wunschtrainer gilt, inzwischen frei ist: Lothar Buchmann. "Darüber kann man mit mir erst sprechen, wenn die Eintracht keinen Trainer mehr hat. Denn ich möchte meinen Freund Friedel nicht abschießen", lässt Buchmann verlauten. Andere vermuten, dass nun das Ende für den Manager Udo Klug bei der Eintracht eingeleitet wird. "Ich habe keine Angst um meinen Posten. Das Präsidium weiß im Gegensatz zu den Fans, dass mein Entscheidungsspielraum zu eng ist. Dass ich gar nicht für alles verantwortlich gemacht werden kann", meint Klug dazu. Den Manager regt etwas anderes auf: "Ich bin es leid, immer der Depp zu sein, wenn was schief geht." Bereits am gestrigen Sonntag wollte Klug ein klärendes Gespräch mit dem Präsidium führen. "Ich bin dem Präsidium verantwortlich und kann nicht allein entscheiden. Aber immer, wenn was nicht läuft, muss ich den Kopf hinhalten."

In der Tat: Manager und Trainer haben allenfalls beratende Funktionen, die Entscheidungen aber fällen Präsident von Thümen und die beiden Vizepräsidenten Kurt Krömmelbein und Joachim Erbs. "Deren Frauen treffen doch inzwischen schon die Personalentscheidung bei der Eintracht", würden die Spieler ulken, kolportieren "Kenner der Szene", die in den beiden erst seit vergangenem Jahr im Amt befindlichen Vizepräsidenten die Wurzel allen Übels sehen. "Es werden Sündenböcke gesucht", vermutet der verletzte Kapitän Jürgen Grabowski.

In Frankfurt stehen die Zeichen auf Sturm und Ursache dafür ist nicht die Wetterlage des Wochenendes, sondern der Zustand des Vereins. Der "Kicker" stellt den Verantwortlichen der Eintracht ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: "Die Forderungen, die Udo Klug aufstellt, müssen eigentlich Bestandteil seines Managervertrages sein und nicht erst am heutigen Donnerstag Thema einer Sitzung. Was Klug zumindest eingeräumt haben möchte, ist ein Stimmrecht bei allen Personalentscheidungen, für die er letztlich ohnehin den Kopf hinhalten muss.

Auf der anderen Seite wird sich auch Klug Vorwürfe gefallen lassen müssen. So erstaunt seine Aussage, dass die "Umstrukturierung" bei der Eintracht zu lange hinausgezögert wurde. Dem lässt sich entgegenhalten, dass schon Dietrich Weise diese Umstrukturierung einleitete, die Eintracht aber, egal wer nun dafür im herrschenden Kompetenzstreit letztlich die Verantwortung zu tragen hat, sie mit einem Handstreich im vergangenen Sommer mit dem Verkauf von Wolfgang Kraus und Rüdiger Wenzel, die heute die Verantwortung der vielen alten gegenüber den vielen jungen Spielern übernehmen könnten, zerstört hat. Laut Klug waren dafür ausschließlich wirtschaftliche Zwange entscheidend. Ist die wirtschaftliche Lage tatsächlich so bedenklich? Das wieder verkennt das Präsidium. Wie schizophren es derzeit am Main zugeht, zeigt aber noch eine andere Tatsache. Eine Woche, nachdem nach geradezu peinlicher Vorgeschichte der Vertrag mit Rausch um ein weiteres Jahr verlängert wurde, sind nun in der Vorstandsetage schon wieder die Heckenschützen am Werk, die Rausch lieber heute als morgen fortjagen würden."

Fortjagen möchten viele auch Klaus Funk, der wieder einen folgenschweren Fehler zu verantworten hat und das auch tut: "Das Tor (zum 0:2) war meine Schuld, ganz klar." Dieses Bekenntnis wird ihm bei vielen vergrätzten Anhängern nicht mehr viel nutzen, zumal er wenige Minuten nach seinem Fehler beim Gang in die Pause sowie Mitte der zweiten Halbzeit ins tobende Publikum gewunken hat. Das reagierte – kaum verwunderlich - mit wütenden Pfiffen. "Ich wollte niemand provozieren, diese Gesten waren eher versöhnend gemeint", sagt Funk nach dem Spiel und fügt eine Bemerkung hinzu, die auch besonnenen Fans das Lachen vergehen lässt: "Man darf doch nicht den Humor verlieren." "Die Nerven allerdings auch nicht", kommentiert die Abendpost / Nachtausgabe. "Er ist nervlich nicht fit", gibt nun endlich auch Manager Udo Klug zu.

Ein guter Torwart ist "die halbe Miete", hat Otto Rehhagel am Freitag bei seinem Besuch auf dem Bieberer Berg gesagt ... "Ein guter Torwart muss alle möglichen und zwei, drei unmögliche Sachen in einem Spiel halten." Bei der Frankfurter Eintracht muss man mittlerweile schon zufrieden sein, wenn der Torwart zwei, drei mögliche Bälle hält. Aber dieser Torwart genießt nicht nur das Vertrauen seines Trainers, wie der Manager am Mittwoch vor dem Spiel höchstselbst im Fernsehen erklärte, gibt es bei der kein Torwartproblem. Wer gibt schon gern ein Problem zu, das er selbst eingebrockt hat? Und wer hat noch gleich bei der Kaderplanung geglaubt, man könne mit zwei rivalisierenden, aber unerfahrenen Torhütern in der Bundesliga bestehen?

Nun soll ein alter Bekannter die Probleme, die die Eintracht nicht hat, lösen. Den Frankfurter Zuschauern dürfte Jan Tomaszewski, der 32jährige Nationaltorhüter Polens, durch das 1:0 der DFB-Auswahl in der "Wasserschlacht" im Waldstadion von der WM 74 noch in guter Erinnerung sein. Der Keeper, der seit zwei Jahren beim belgischen Erstligisten Beerschot VAC zwischen den Pfosten steht, gibt sich zuversichtlich: "Zwischen der Eintracht und mir gibt es hinsichtlich der Ablösesumme keine Probleme. Die Krux ist lediglich noch die Ausländerklausel." Lediglich ist gut. Die beiden Plätze für Ausländer sind bei der Eintracht von Bum-Kun Cha und Bruno Pezzey belegt. "Die Eintracht hat bei mir absoluten Vorrang", betont der Pole, dem nach eigenen Angaben noch zwei andere Bundesliga-Angebote vorliegen: "Mit Herrn Klug ist vereinbart worden, dass bis Ende nächster Woche eine endgültige Entscheidung fallen soll."

Wie diese auch ausfallen mag, die Abendpost / Nachtausgabe hat das Vertrauen in die Führung und die Personalpolitik der Eintracht bereits verloren: "Was diese "Mannschaft der achtziger Jahre" zu bieten vermag, haben wir am Samstag auf ernüchternde Weise erlebt, und so wird wohl oder übel oder Übel auch die Zukunft der Eintracht aussehen: 12.000 Zuschauer und 0:4. Schöne Aussichten! Aber was ist anderes von Leuten in der Verantwortung zu erwarten, deren Weitblick nicht über das Böllenfalltor und den Bieberer Berg hinausreicht." (rs)


 

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