FSV Frankfurt - Eintracht Frankfurt |
Freundschaftsspiel 1979/1980
0:3 (0:2)
Termin: 24.07.1979
Zuschauer: 8.000
Schiedsrichter: Jupe (Darmstadt/Mühltal)
Tore:0:1 Bum-Kun Cha (7.), 0:2 Bernd Hölzenbein (12.), 0:3 Norbert Nachtweih (86.)
FSV Frankfurt | Eintracht Frankfurt |
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Kampf um die Nr. 1 10:0 bei der SpVgg Neu-Isenburg, 5:2 in Alsheim gegen den Zweitligisten Wormatia Worms und nun ein 1:2 in Mülhausen gegen die französische Spitzenmannschaft AS St. Etienne. „Das ist alles nur Training“, stellt Friedel Rausch die Bedeutung dieser Ergebnisse klar: „Entscheidend ist allein das Spiel gegen Dortmund.“ „Am 11.8. beim Bundesliga-Start gegen Dortmund müssen wir fit sein“, sagt er, bevor er mit seiner Mannschaft am Mittwoch ins Trainingslager nach Lam in den Bayerischen Wald aufbricht: „Jetzt wird das Training erst richtig hart“, kündigt der Mann an, der solche Ankündigungen zu lieben scheint. Auf eine Ansage Rauschs warten derweil noch die beiden Torhüter Jürgen Pahl und Klaus Funk, der vom VfB Stuttgart ausgeliehen wurde. Beide wollen die Nummer eins bei der Eintracht werden, versprechen aber: „Es wird ein fairer Kampf.“ Diesen Eindruck hatte man in der vergangenen Saison durchaus nicht immer. Der mittlerweile abgewanderte Koitka weigerte sich beispielsweise, sich mit seinem jüngeren Rivalen Jürgen Pahl im Mannschaftshotel ein Zimmer zu teilen. Doch für wen sich Rausch auch entscheiden wird - der Keeper, der das Nachsehen hat, wird die Eintracht im Sommer des nächsten Jahres verlassen, wie es aussieht. Klaus Funk hat nach drei Jahren beim VfB das Reservistendasein verständlicherweise satt und ist nicht zur Eintracht gekommen, um sich wieder mit einem Platz auf der Ersatzbank abzufinden. Und Jürgen Pahl hat sich bereits unmissverständlich positioniert: „Wenn ich nicht die Nummer eins werde, gehe ich nach dieser Saison.“ Der ehemalige Junioren-Nationaltorwart der DDR wundert sich noch immer, warum er in der vergangenen Saison den zwischenzeitlich eroberten Platz im Tor wieder verloren hat: „Man hatte mir gesagt, dass ich zur Nummer eins aufgebaut werde. Kampf um Plätze ist gut, aber wenn man bei jedem geringsten Fehler befürchten muss, schon wieder aus der Mannschaft zu fliegen, so ist das für einen Torwart besonders schlecht. Das betrifft Klaus Funk genau so wie mich und jeden anderen.“ Funk teilt diese Meinung und gibt als eines der Erfolgsgeheimnisse des VfB Stuttgart an: „Jürgen Sundermann hatte das Prinzip, den Torwart und Kapitän nie auszuwechseln, auch wenn sie einmal schlecht waren.“ Allerdings war genau dieses Prinzip dafür verantwortlich, dass Funk nun seine Chance bei der Eintracht sucht. Und dass am Riederwald diese Sundermannsche Überzeugung nicht gelebt wird, sollte er aus seinen Beobachtungen der letzten Jahre wissen. Beim Freundschaftsspiel am Bornheimer Hang gegen den FSV Frankfurt geht es natürlich ebenfalls um die Nummer eins - in Frankfurt. Zumindest für dieses eine Spiel, denn diese Frage ist zwischen dem Zweit- und dem Erstligisten seit dem Abstieg der Schwarz-Blauen aus der Oberliga Süd im Jahr 1962 im Grundsatz beantwortet und bedarf noch immer keiner Überarbeitung. Der Wunsch der Eintracht wenigstens in einem freiwilligen Vergleich, ein Bein stellen zu können, ist beim FSV aber natürlich vorhanden. Zum letzten Mal ist das am 27.7.1973 gelungen, als der Ex-Eintrachtspieler Klaus-Peter Stahl den Treffer zum 1:0-Sieg erzielen konnte. Danach gab es zwar nur noch Niederlagen, doch nur die im Juli 1977 fiel mit 1:7 richtig deftig aus. Alle anderen hielten sich im Rahmen: 0:2 am 12.1.1975, 1:3 am 10.1.1976, 2:3 am 2.1.1977 und 1:3 am 22.7.1978. Vor dem Anpfiff verabschieden die Bornheimer ihre langjährigen Spieler Richard Engel und Peter Koch, der seine Karriere verletzungsbedingt beenden muss. Bei der Eintracht ist der von einer Fersenbeinoperation genesene Lorant mit von der Partie und spielt in Abwesenheit von Pezzey Libero, während der andere Kandidat für diesen Posten, Neuberger, auf der Bank sitzt. Besonderes Augenmerk gilt den neuen Lizenzspielern auf beiden Seiten. Das ist beim FSV neben Julio Alvarez unter anderem Josef Sarroca, von 1974 bis 1978 in der Jugend der Eintracht am Ball und mit dieser 1977 Deutscher Meister der B-Junioren. Bei der Eintracht warten die Fans gespannt auf den Einsatz von Bum-Kun Cha, der gegen Worms Worms als Torschütze und Torvorbereiter einen überzeugenden Einstand gefeiert hat. Cha, der ja auch von Werder Bremen umworben wurde und an der Weser ein dreitägiges Probetraining absolviert hat, sollte nach dem Willen der Verantwortlichen bei der Eintracht erst zum Bundesliga-Auftakt gegen Dortmund dem Frankfurter Publikum präsentiert werden und bis dahin nur in Freundschaftsspielen eingesetzt werden, die nicht im Frankfurter Raum stattfinden. Wie im letzten Jahr jedoch beim Spiel gegen den FSV im Falle von Lorant und dem bereits wieder in die Schweiz zurückgekehrten Ruedi Elsener haben die finanziellen Überlegungen erneut keinen Vorzug vor den sportlichen erhalten und die Fans wurden ein weiteres Mal in den Mittelpunkt gestellt.
Cha erobert die Sympathien der Zuschauer auch wortwörtlich im Sturm, obwohl der FSV in der Anfangsphase die Partie gegen einen behäbig wirkenden Gegner zu kontrollieren scheint. Hauteng werden die beiden Spitzen des Bundesligisten, Borchers und Cha, von Höfling und Schneider gedeckt. Doch in der 7. Minute holt Borchers eine Ecke heraus, Nachtweih führt sie kurz zu Außenverteidiger Müller aus und der flankt in den Strafraum, wo Cha zwar zwischen zwei Abwehrspielern steht, von denen sich aber keiner so zuständig fühlt, um sich mit ihm im Kopfballduell zu messen. Cha schraubt sich unbehelligt hoch und stößt den Ball mit dem Kopf überlegt und präzise in den rechten Torwinkel. Das Führungstor reißt die Fans von den Sitzen. Und das 0:2 lässt nur fünf Minuten auf sich warten, weil das Angriffsspiel der Eintracht nun variabler vorgetragen wird. Allerdings wird die Vorarbeit dieses Mal vom Zweitligisten geliefert. Eine herrliche Kombination über Nickel, Grabowski und Borchers wird zwar von Drefahl und Höfling gestoppt, doch dann werden sich die beiden nicht einig, wer den Ball weg schlagen soll. Hölzenbein spritzt gedankenschnell dazwischen und schiebt zum 2:0 ein. Der Spielkunst der Gäste stellt der FSV seine Kampkraft dagegen. Das reicht, um bis an den gegnerischen Strafraum vorzudringen, doch dort verlieren sich die Angriffe in Einzelaktionen, denen die Durchschlagskraft fehlt. So kann die Eintracht es auch verschmerzen, dass der leicht angeschlagene Vorstopper Körbel in der 24. Minute für Rigobert Gruber das Feld räumt. Vier Minuten später bekommt dann aber Hubert Klein überraschend die Gelegenheit zum Anschlusstreffer. Auf eigene Faust setzt er sich durch, doch dann verfehlt er das von Funk gehütete Tor. Während Funk weiter auf eine echte Bewährungsprobe warten muss, merkt man Lorant die lange Verletzungspause an: Er hat seine Stärken im Spielaufbau, doch im Zweikampf ist er noch nicht wieder der Alte. Das fällt aber nicht sonderlich ins Gewicht, denn letztendlich zeigt der FSV viel zu viel Respekt vor dem Gegner. Kein Wunder, denn im Mittelfeld fehlt es an Spielwitz und im Sturm an Durchsetzungsvermögen. Immerhin steht – bis auf die Szenen bei den beiden Toren - die von Drefahl organisierte Abwehr ganz ordentlich. Die Hintermannschaft der Eintracht fällt dagegen gegenüber Mittelfeld und Angriff ab, weil zum einen Außenverteidiger Ehrmantraut, der vom FC Homburg gekommen ist, mit Sarroca die eine oder andere Schwierigkeit hat und Torwart Funk bei der Strafraumbeherrschung die mangelnde Spielpraxis deutlich anzumerken ist.
Der Klassenunterschied ist nicht zu leugnen und er drückt sich auch im Ergebnis aus. Es ist dennoch nun ein Derby ohne besonderes Temperament, das aber allein wegen Cha sehenswert ist. Sein hartnäckiger Gegenspieler Schneider ist trotz eines seiner besten Spiele für den FSV ohne Frage unterlegen. Er kann sich über diesen außergewöhnlichen Stürmer, der immer den direkten Weg zum Tor sucht, nur wundern und vielleicht nach dem Spiel auch schmunzeln. Die Szene, in der sich Cha auf dem Weg zum Spielfeldrand zur Behandlung einer Blessur plötzlich umdreht, um noch einmal einem vorbei fliegenden Befreiungsschlag nachzueilen und dann den Ball von der Strafraumgrenze aus ans Außennetz zu donnern, ist filmreif, verrät aber auch sehr viel über die Ernsthaftigkeit, mit der dieser Mann seinem Beruf nachgeht. In der Halbzeitpause wechseln beide Mannschaften aus. Doch während beim FSV nur Scharf für Schneider kommt, sind es bei der Eintracht gleich fünf neue Spieler. Funk, Ehrmantraut, Hölzenbein, Grabowski und Cha werden durch Pahl, Neuberger, Lottermann, Zick und Schaub ersetzt. Damit nicht genug: Fünf Minuten später kommt Neuling Karger für Nickel, so dass die Eintracht jetzt mehr als die Hälfte ihrer Mannschaft ausgetauscht hat. Da will auch FSV-Trainer Bewersdorf hinter seinem Kollegen Rausch nicht zurückstehen und bringt zwei Minuten später Andreas Koch für Weninger sowie in der 54. den ehemaligen Eintrachtspieler Paul-Werner Hofmann für Pfaff. Wenig überraschend verliert die Begegnung, die in der ersten Halbzeit streckenweise noch gut zu gefallen wusste, nun an Fluss, Linie und Format. Die Aktionen werden immer zerfahrener, der Zufall übernimmt angesichts gehäufter Unkonzentriertheiten die Kontrolle über das Spiel. Von der Eintracht würde man nun erwarten, dass sie auch mit der zweiten Garnitur die Bornheimer mehr unter Druck setzt, doch das gelingt vorerst nicht mehr. Der FSV erspielt sich gar überhaupt keine Tormöglichkeit mehr, so dass Pahl nicht ein Mal eingreifen muss. Es ist dann der Ex-Offenbacher Stefan Lottermann, der sich im Laufe der zweiten Halbzeit mit einer beeindruckenden Leistung und einigen strammen Schüssen für einen Stammplatz im Mittelfeld empfiehlt. Es ist auch ihm zu verdanken, dass sich die neu formierte Truppe mit zunehmender Spielzeit immer besser zusammen findet. Während Nachtweih im Mittelfeld die Rolle des Spielmachers übernimmt, wissen auch Kargers körperbetontes, aber gescheites Spiel sowie der einsatzfreudige Schaub zu gefallen. Der insgesamt nicht überzeugende Borchers, der gegen den harten Höfling kaum einen Zweikampf für sich entscheidet und zu früh aufsteckt, scheitert mit einem Flachschuss aber ebenso an Volz wie Karger mit einer Volleyabnahme. Mittlerweile sind seit der 73. Minute bei der Eintracht Trapp für Lorant sowie beim FSV Ruck für Klein im Spiel. Die Partie plätschert dem Ende entgegen, als vier Minuten vor dem Schlusspfiff das nicht mehr erwartete, aber standesgemäße 0:3 fällt: Lottermanns herrlichen Pass in den freien Raum erläuft Nachtweih und lässt Volz keine Abwehrchance.
Dennoch, auch wenn der Sieg der Eintracht nie in Gefahr geriet, haben auch die Bornheimer ihr Ziel - ein achtbares Resultat – erreicht. „Ich bin nicht zufrieden. Da lief viel zu wenig zusammen“, ist Eintracht-Trainer Rausch aber verständlicherweise mit der Leistung seiner Elf nicht einverstanden. Hinzu kommt, dass sich mit Körbel und Cha gleich zwei Spieler Blessuren zugezogen haben. Körbel hat sich eine Prellung an der Achillessehne zugezogen und Cha hat einen Schlag auf den Oberschenkel erhalten. Von dem koreanischen Stürmer schwärmen aber nicht nur die Fans, sondern auch die Fachleute. „Ein absoluter Klassemann“, meint FSV-Trainer Heinz Bewersdorf und der auf der Tribüne sitzende Max Merkel sagt: „So ein Mann ist für einen Verein wie ein Sechser im Lotto.“ Bei so viel Harmonie und Spielverständnis auf dem Platz, macht es wenig aus, dass die sprachliche Verständigung nur über einen Dolmetschet funktioniert. Dieser wird Bum-Kun Cha auch ins Trainingslager begleiten.
Trainer Bewersdorf verlässt schon Anfang September 1979 den Verein, um nach einem erfolglosen Intermezzo beim FV Würzburg 04 Mitte März 1980 für knapp zwei Monate an den Hang zurückzukehren. Dann springt sein Vorgänger Amateurtrainer Dietmar Grutsch, der Anfang Februar bereits Bewersdorfs Nachfolger Gerhard Happ abgelöst hatte, ohne die erforderliche Lizenz erneut als Übergangslösung ein und bringt die Saison zu Ende. Der FSV belegt mit Platz 18 einen Abstiegsrang, doch der gleichzeitige Erfolg des Karlsruher SC in den Relegationsspielen zur Bundesliga sichert den Klassenerhalt. (rs)
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