1860 München - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1977/1978 - 8. Spieltag

2:4 (0:2)

Termin: Sa 17.09.1977, 15:30 Uhr
Zuschauer: 35.000
Schiedsrichter: Josef Hontheim (Trier)
Tore: 0:1 Rüdiger Wenzel (20.), 0:2 Rüdiger Wenzel (35.), 0:3 Wolfgang Kraus (53.), 0:4 Bernd Hölzenbein (67.), 1:4 William Hartwig (71.), 2:4 Hans Haunstein (89.)

 

>> Spielbericht <<

1860 München Eintracht Frankfurt

  • Bernhard Hartmann
  • Herbert Scheller
  • Ahmet Glavovic
  • Alfred Kohlhäufl
  • Wilhelm Bierofka
  • Anton Nachreiner
  • Jan-Hoiland Nielsen
  • Wolfgang Metzler
  • William Hartwig
  • Hans Haunstein
  • Siegfried Köstler

 


 

Wechsel
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Trainer
  • Heinz Lucas
Trainer



 

Löwen wie die Hasen

4:2-Erfolg nach 4:0-Führung bei 1860 München / Jetzt Zweiter

Es wäre schon eine Schande gewesen, wenn die Frankfurter Eintracht als erster gegen den Letzten verloren hätte. Denn dieser TSV 1860 München besitzt wahrhaftig kein Bundesligaformat. Eine gute Stunde lang zielstrebig, konzentriert, technisch perfekt in ihrer Spielweise, deklassierte die Frankfurter Eintracht den harmlosen Gegner standesgemäß mit 4:2 (2:0) Toren. Da fiel nicht einmal ins Gewicht, daß die Eintracht ohne Vorstopper spielte. Wolfgang Kraus, als Körbels Vertreter, tummelte sich als Hansdampf in allen Gassen und wurde zum wirkungsvollsten Eintracht-Spieler. Er, Rüdiger Wenzel (2) und Bernd Hölzenbein besorgten die Tore zu einem klaren Vorsprung. Erst als nach dem 4:0 sträfliche Liederlichkeit und große Leichtfertigkeit in die Eintracht-Abwehr einkehrte, kamen die Münchner zu ihren Torchancen und ihren Toren durch Jimmy Hartwig, erzielt mit einem fulminanten 16-Meter-Schuß, und durch Haunstein, der in der letzten Spielminute einen von Koitka abgewehrten Metzler-Schuß über die Linie drückte. Diese Tore waren häßliche Schönheitsfehler am sonst sicheren Eintracht-Sieg. Neben Kraus gehörte noch der dynamische Wenzel, der mit seinen weiten Pässen viele Torchancen schaffende Nickel sowie Stepanovic als Tempobolzer und Weidle als unermüdlicher Schaffer zu den besten Eintracht-Spielern, bei denen sich Jürgen Grabowski diesmal getrost etwas Zurückhaltung auferlegen konnte.

Gyula Lorants Überraschung vor dem Spiel war die Wahl des Vorstoppers: Wolfgang Kraus vertrat den am Knöchel verletzten Karlheinz Körbel. Die größere Spielpraxis in der eingespielten Mannschaft brachte Kraus den Vorzug gegenüber dem Spezialisten Krobbach. „Die 60er spielen ohnehin nur mit zwei Spitzen. Da bin ich sowieso fünfter Mittelfeldspieler", verstand Kraus seine Aufgabe und verrichtete denn auch mit ständigen Vorstößen ein unerhörtes, aber auch kräftezehrendes Arbeitspensum.

Stepanovic oder sogar Grabowski bezogen dann Stellung neben Münchens Mittelstürmer Wolfgang Metzler, wenn Kraus nach vorne stürmte. Zweimal mußte Glavovic, der erstmals seit seiner Verletzung bei 1860 wieder Libero spielte, mit Fouls den durch gebrochenen Kraus bremsen. Der Nachteil der Wahl: bei hohen Bällen in dem Eintracht-Strafraum fehlte der klare und klärende Kopf, und aus einer solchen Szene heraus entsprang auch die größte Chance der Münchener in der ersten Halbzeit, als Köstler nach einem gewonnenen Kopfballduell in der 31. Min. aus fünf Metern Entfernung zum Schuß kam — Jupp Koitka jedoch mit einem tollen Reflex den Ball parierte.

Zu diesem Zeitpunkt aber führte die Frankfurter Eintracht bereits gegen die harm-, hilf- und einfallslosen Münchner mit 1:0. Nicht wie Löwen, sondern wie Hasen begegneten die 60er der überlegenen Spielkunst der Frankfurter, deren Katz- und Maus-Spiel Rüdiger Wenzel mit entschlossenen Schüssen auch zum Torerfolg führte. Wenzel, der bereits in der 1. Minute nur knapp das Tor verfehlt hatte, „lupfte" in der 20. Min. den Ball von der Strafraumgrenze über Hartmann hinweg ins Tor, wobei die Flugbahn des Balles noch abgefälscht wurde. Und in der 35. Minute nutzte Wenzel ein Zuspiel Nickels, um mit strammem Flachschuß das 2:0 zu erzielen. Weitere Chancen der Frankfurter, deren Angriffe meist über die linke Seite von Willi Neuberger vorgetragen wurden, vereitelte der Münchener Torhüter.

Erst gegen Ende der ersten Halbzeit faßten sich die Löwen ein Herz und griffen forscher an. Freilich mit plumper Umständlichkeit, von der selbst ihr bester Mann und sonst erfolgreicher Torschütze Jimmy Hartwig nicht verschont blieb.

In der 47. Minute versäumte es Stepanovic, mit dem dritten Tor das Spiel endgültig zu entscheiden, als er nach einem herrlichen Rückpaß von Hölzenbein den Ball aus vollem Lauf und nur fünf Meter Entfernung direkt in die Arme von Hartmann drosch. Was Stepanovic hier sträflich versäumte, holte jedoch fünf Minuten später Kraus nach. Nach einem mutigen Vorstoß und einem raffinierten Doppelpaß mit Stepanovic zirkelte er gefühlvoll den Ball aus spitzem Winkel an Hartmann vorbei ins lange Eck.

Das war der endgültige K. o. für die Münchener, die, angetrieben von Bierofka, sich gerade noch einmal zaghaft aufgerafft hatten, wenigstens in Richtung Frankfurter Tor zu rennen. Dabei wäre es an diesem Tag gewiß nicht allzu schwer gewesen, diese Eintracht-Abwehr zu überrennen, die vor allem bei hohen Bällen große Schwächen verriet. Das Fehlen Körbels machte sich in der Abwehrarbeit doch bemerkbar. Doch mit dem 3:0 im Rücken begannen die Eintracht-Techniker streckenweise nun zu zaubern. Da war jeder einzelne der weitaus bessere und technisch beschlagenere Fußballspieler als sein Münchener Rivale. Lediglich Torwart Hartmann, Bierofka und Hartwig verrieten Bundesliga-Format.

Auf engstem Raum, oft von drei Gegenspielern bedrängt, schoben sich Grabowski, Nickel oder Stepanovic die Bälle zu. Was fehlte, war lediglich die Zielstrebigkeit, weitere Tore zu schießen. In der 67. Minute mußte dann Bernd Hölzenbein zwangsläufig das 4:0 schießen — die Münchener ließen ihm keine andere Wahl. Nach einer Mustervorlage von Grabowski blieb der schwache Glavovic, der allein durch häßliche Fouls auffiel, einfach resignierend stehen und ließ Hölzenbein ziehen und seinen Torwart kläglich im Stich. An dem herausstürzenden Hartmann vorbei schob der Nationalspieler den Ball ins Tor.

Das 4:0 aber schien für die Hintermannschaft der Eintracht ein Freibrief für Liederlichkeit und Sorglosigkeit zu sein. Trotz aller Harmlosigkeit der Münchener Stürmer kam die Hintermannschaft streckenweise unter Druck. Da köpfte Kraus den Ball einmal fast ins eigene Tor und Willi Neuberger schlug serienweise „Kerzen". Wütend sprang Gyula Lorant von seiner Bank auf und stürmte schimpfend an den Spielfeldrand.

Die Strafe für die Nachlässigkeit: ein strammer 16-Meter-Schuß von Jimmy Hartwig schlug unhaltbar für Koitka im Eintracht-Tor ein. Und in der letzten Spielminute schafften die Münchener, die in den vorangegangenen sieben Bundesliga-Spielen gerade vier Treffer erzielt hatten, auch noch das zweite Tor. Koitka konnte einen strammen Schuß von Metzler nicht festhalten, und Haunstein war zur Stelle, um den zurückprallenden Ball über die Linie zu schieben.

Stimme zum Spiel

Gyula Lorant: „Das 4:2 geht in Ordnung. 1860 München hat gekämpft, doch die Spieler waren in ihren Aktionen viel zu überhastet. Nach dem 4:0 kam bei uns Leichtsinn auf, das scheint in der Hintermannschaft Mode zu sein. Sie kann es nicht vertragen, auf zu null zu spielen. Zwei eklatante Leichtsinnsfehler haben zu den Toren geführt. 1860 München brachte nicht das, was ich erwartet habe. Sie taten sich vor allem durch unnötige Fouls hervor. Sie konzentrierten sich mehr auf den Gegner als auf den Ball. Bei ihren Chancen war es schon kein Pech, sondern Unvermögen, daß sie keine Tore erzielten. Unser bester Mann war Kraus. Er hat seine Sache sehr gut gemacht und hat seinen Stammplatz wieder."

 

>> Spieldaten <<

 

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