Eintracht Frankfurt - Schalke 04

Bundesliga 1976/1977 - 4. Spieltag

6:3 (0:2)

Termin: Fr 03.09.1976, 20:00 Uhr
Zuschauer: 27.000
Schiedsrichter: Walter Horstmann (Hildesheim)
Tore: 0:1 Rüdiger Abramczik (28.), 0:2 Helmut Kremers (29.), 1:2 Wolfgang Kraus (48.), 2:2 Bernd Nickel (59.), 3:2 Jürgen Grabowski (74.), 4:2 Bernd Hölzenbein (75.), 4:3 Herbert Lütkebohmert (82.), 5:3 Jürgen Grabowski (87.), 6:3 Bernd Hölzenbein (89.)

 

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Schalke 04

 


  • Enver Maric
  • Bernd Thiele
  • Klaus Fichtel
  • Rolf Rüssmann
  • Jürgen Sobieray
  • Helmut Kremers
  • Herbert Lütkebohmert
  • Friedhelm Schütte
  • Branko Oblak
  • Rüdiger Abramczik
  • Klaus Fischer

 

Wechsel Wechsel
Trainer Trainer


45 Minuten lang wie entfesselt

Schalke hatte in Frankfurt schon immer Federn lassen müssen. Doch so zerzaust wie am Freitagabend wurden die „Knappen" noch nie aus dem Waldstadion verabschiedet. 27.000 Zuschauer spendeten nach dem Abpfiff der Eintracht frenetische Ovationen. Sie hatten einen 45minütigen Entfesselungsakt ihrer Mannschaft erlebt, wie er faszinierender kaum sein kann. Zur Halbzeit schien Frankfurt noch in Banden, bereits entnervt von den souverän deckenden und klug konternden Schalkern, für die Abramzik und H. Kremers nach einer halben Stunde die Weichen auf den ersten Bundesliga-Sieg in Frankfurt gestellt zu haben schienen.

Die Eintracht stand mit dem Rücken zur Wand und stieß sich mit Wiederanpfiff zur bedingungslosen Flucht nach vorn ab. Wolfgang Kraus, zur Halbzeit eingewechselt, glückte bereits nach drei Minuten das Anschlußtor. Und von da an gab es keine Hindernisse mehr für die furiosen Frankfurter. Grabowski, vom Mittelfeld in die Sturmführerposition beordert, wirbelte nach Belieben durch den Schalker Strafraum. Nickel, der Angriffslenker, ließ Schalkes Abwehr nicht zur Ruhe kommen. Unübertroffen freilich Bernd Hölzenbein, an diesem Abend der stürmisch gefeierte Superstar. Die Grabowski-Tore zum 3:2 und 5:3 resultierten aus seiner Vorarbeit, beim 4:2 konnte sich Hölzenbein bei Grabowski für dessen Maßflanke bedanken, ehe der von Sobieray nicht zu bremsende Nationalmannschafts-Rechtsaußen mit einem 22-Meter-Schuß zum 6:3 genau in den Winkel traf.

Körbel als Sieger im mitreißenden Duell gegen Oblak, Reichel als unerbittlicher Vorstopper gegen Fischer, und auch der disziplinierte, das Angriffsrisiko abwägende Verteidiger Müller waren weitere Glanzpunkte bei Frankfurt. „Wir gingen sang- und klanglos unter", klagte Schalke-Trainer Friedel Rausch, dessen Mannschaft nur Kraft für eine Stunde hatte.


Zauberfußball

Jupp Derwall ging schon beim 4:2, und da war's für ihn bereits ein „Superspiel". Gyula Lorant schwärmte: „So ein Spiel sieht man nur alle zwei Jahre. Da paßte in der zweiten Halbzeit aber auch alles zusammen." Von Dietrich Weise hat man in den drei Jahren auf der Eintracht-Bank nie solche Begeisterungsausbrüche erlebt wie diesmal auf dem Presseplatz. Dort auf der Pressetribüne, wo Beifall verpönt ist, klatschte er begeistert in die Hände: „Mir fehlen einfach die Worte. Was der Hölzenbein heute gezeigt hat, war einmalig. So gut habe ich ihn noch nie gesehen. Das war absolute Weltklasse, besser kann man's nicht machen." Allgemeine Euphorie also über die Frankfurter Eintracht nach dem 6:3-(0:2-)Sieg über Schalke 04.

Hölzenbein und Grabowski plus Tempo und Technik gleich Tore — das war die Zauberformel, die 27.000 Zuschauer im Waldstadion in einen Begeisterungstaumel versetzte. 19 Tore in drei Heimspielen hintereinander: 6:1 gegen Eintracht Braunschweig, 7:1 gegen Tennis Borussia, 6:3 gegen Schalke — welche Mannschaft bietet in der Bundesliga diesen Torservice? Wenn sich da die Ränge nun nicht endlich füllen, dann liegt's wirklich nicht an der Frankfurter Eintracht, sondern am Frankfurter Publikum.

Ruhe auf den Rängen zur Halbzeit, Ruhe auch in der Eintracht-Kabine, aber trotz des 0:2-Rückstandes keine Resignation. Jürgen Grabowski sagte: „Jetzt machen wir ganz schnell das Anschlußtor, und dann biegen wir das Ding noch um." Trainer Hans-Dieter Roos änderte die Formation. Er beendete den neuen Versuch mit Nickel und Grabowski im Mittelfeld. „Ich möchte nicht einmal sagen, daß das Experiment gescheitert ist. Beide haben sehr diszipliniert gespielt Aber nach dem Rückstand mußte ich etwas ändern, einen frischen Mann bringen, die totale Offensive suchen, und dafür war Wolfgang Kraus als Irrwisch der richtige Mann."

Jürgen Grabowski, der seine Rückkehr ins Mittelfeld an der Seite von Bernd Nickel in die Diskussion geworfen hatte, gab zu: „Hätte Herr Roos die Änderung von sich aus nicht vorgenommen, hätte ich sie ihm vorgeschlagen." Obwohl es sicherlich nicht am Tandem Nikkei—Grabowski lag, daß in der ersten Halbzeit die Tore auf der falschen Seite fielen, sagte Grabowski: „Der Versuch ist wohl danebengegangen." Und mit einer Superpartie als Mittelstürmer gegen den langen Rolf Rüßmann lieferte Jürgen Grabowski selbst die besten Argumente gegen seine Mittelfeldrolle.

Wolfgang Kraus machte Dampf, und Helmut Kremers merkte lange nicht, daß ihm Jürgen Grabowski nicht länger nachlief, sondern er nun dem kleinen Irrwisch nachlaufen mußte. Bernd Hölzenbein und Jürgen Grabowski spielten mit der Schalker Hintermannschaft Katz und Maus. Den bedauernswerten Schalkern wurde regelrecht schwindlig, so wurden sie gefoppt, genarrt, ausgetrickst, durcheinandergewirbelt. Sie suchten noch den Ball, als er schon längst in ihrem Netz zappelte.

»Wenn bei uns einmal alle Räder ineinandergreifen, dann läuft's. Auf engstem Raum solche Doppelpässe spielen, das bringt so schnell keine andere Mannschaft fertig", sagte Bernd Hölzenbein. Wie Hölzenbein and Grabowski jeweils in traumwandlerischem Verständnis den Ball zu den letzten vier Toren ins Netz zauberten — das war schon einmalig.

„Wenn wir einmal in Rausch und Rage sind, dann klappt eben alles", sagte Grabowski und hofft, daß davon nun noch etwas für das nächste schwere Auswärtsspiel beim Hamburger SV hängenbleibt. Grabowski: „Wir müssen unsere Spiele gleich mit Tempo und Feuereifer angehen, dürfen nicht langsam, sachlich und unterkühlt beginnen. Bei hohem Tempo sind wir dank unserer Technik nur sehr schwer auszurechnen."

In dem Torrausch der zweiten Halbzeit ging fast unter, welch glänzende Rolle außerhalb des Schalker Strafraums Peter Reichel und K.-H. Körbel spielten. Zwar hat Reichel das zweite Tor auf dem Gewissen, aber sonst lieferte er eine fehlerlose Partie als Vorstopper gegen Schalkes Schützenkönig Klaus Fischer. Und Körbel verbiß sieh, nach anfänglichen Schwierigkeiten derart erfolgreich in die Zweikämpfe mit Schalkes bestem Mann, Branko Oblak, daß ihm, und damit der ganzen Schalker Mannschaft, nach der Pause die Luft ausging.

 

 

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