Borussia Mönchengladbach - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1972/1973 - 32. Spieltag

0:2 (0:0)

Termin: Sa 26.05.1973, 15:30 Uhr
Zuschauer: 8.500
Schiedsrichter: Gert Meuser (Ingelheim)
Tore: 0:1 Bernd Hölzenbein (64.), 0:2 Bernd Hölzenbein (70.)


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Borussia Mönchengladbach Eintracht Frankfurt

  • Wolfgang Kleff
  • Dietmar Danner
  • Ulrich Surau
  • Berti Vogts
  • Rainer Bonhof
  • Bernd Rupp
  • Christian Kulik
  • Jupp Heynckes
  • Günter Netzer
  • Herbert Wimmer
  • Henning Jensen

 


 

Wechsel
  • Heinz Michallik für Ulrich Surau (22.)
  • Allan Simonsen für Herbert Wimmer (77.)
Wechsel
Trainer
  • Hennes Weisweiler
Trainer

 

Alles wieder drin

Die Meisterschaft ist entschieden, der Deutsche Meister hat aber in Frankfurt ebenso Federn lassen müssen wie in der letzten Woche der Tabellenzweite aus Köln. Durch den Frankfurter Sieg wurde der heutige Gegner vom Bökelberg zum aktuellen Tabellenzweiten. Wird die Eintracht erneut den Tabellenzweiten besiegen und "stürzen"? Das Aufeinandertreffen im Halbfinale des Ligapokals vor einem Monat konnten die Gladbacher allerdings mit 3:1 für sich entscheiden.

Die Gladbacher haben noch das DFB-Pokalfinale vor, das "Spiel des Jahres" aber bereits hinter sich: Am Mittwoch ging es im Rückspiel des UEFA-Cup-Finales gegen den FC Liverpool. Liverpool, das in der ersten Runde bereits die Frankfurter Eintracht aus dem Rennen geworfen hatte, behielt auch gegen die Gladbacher die Oberhand. Gegen Liverpools "Mighty Mouse" Kevin Keegan fand die Borussia im Hinspiel kein Mittel. Keegan erzielte zwei Treffer und Liverpool siegte mit 3:0. Im Rückspiel ging die "Fohlenelf" zwar mit bereits mit einer 2:0-Führung in die Halbzeitpause, doch es gelang nicht, den für eine Verlängerung notwendigen dritten Treffer zu erzielen.

Nach der Partie ergossen sich englische Lobeshymnen über den unterlegenen Finalisten: "Man muss die Majestät des Spiels dem Gescheiterten zuerkennen", schrieb die angesehene "Times" und der "Daily Telegraph" schwärmte: "Borussia zeigte eine glänzende Demonstration der Fußballkunst." Liverpools Trainer Bill Shankly, dem zur Halbzeitpause auf dem Bökelberg sicher nicht ganz wohl in seiner Haut war, stand da mit seiner Einschätzung des Gegners nicht hintenan: "Borussia war heute absolut europäische Klasse." Allein, kaufen können sich die Gladbacher von diesem Lob nichts. Im Gegenteil, es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Partie psychisch wie physisch auf die Mannschaft haben wird. "Hoffentlich hat unser Spiel gegen Liverpool nicht zuviel Kraft gekostet", macht sich deshalb auch Trainer Hennes Weisweiler Sorgen, der seine Mannschaft allerdings nicht ändern wird.

"In Mönchengladbach haben wir doch immer gut ausgesehen", macht Trainer Ribbeck seinen Spielern Mut. Ribbeck blendet dabei allerdings aus, dass die Eintracht in dieser Saison im Ligapokal gegen die Gladbacher ausgeschieden ist und dabei am Bökelberg eine 0:2-Niederlage erlitten hat. Und auch in den letzten beiden Bundesligaspielzeiten gab es in Gladbach Niederlagen für die Hessen, deutliche obendrein: Mit 0:5 und 2:6 gingen diese Spiele verloren. Das Aufeinandertreffen im DFB-Pokal in der letzten Saison ist ebenfalls nicht geeignet, den Optimismus zu groß werden zu lassen: Hier unterlag Ribbecks Elf in Gladbach mit 2:4. Die Frankfurter hoffen natürlich insgeheim, dass die Enttäuschung über das verlorene Finale den Borussen ebenso in den Knochen steckt wie die seit Monaten andauernde Belastung mit zwei Spielen pro Woche. Irgendwann muss ja auch den "Fohlen" vom Bökelberg einmal die Puste ausgehen.

Nicht die Puste, aber das Geld ausgegangen ist wahrscheinlich den Gladbacher Anhänger. Nur 8500 Zuschauer haben den Weg zum Bökelberg gefunden - eine magere Kulisse für Gladbacher Verhältnisse. Es ist aber eben auch das vierte Heimspiel der Borussen innerhalb von 12 Tagen. Und der attraktivste Gegner ist die Eintracht in dieser Runde auch nicht. Dank ihrer Auswärtsschwäche mussten sich die Frankfurter bislang mit einem Mittelfeldplatz begnügen.

"Wir dürfen hier nur defensiv spielen, sonst bekommen wir wieder so eine 2:6-Packung wie in der vorigen Saison", kündigt Trainer Ribbeck vor dem Spiel an – die Erinnerung an die letzten Spiele in Gladbach ist wohl noch rechtzeitig zurückgekehrt. Ribbeck wartet aber auch mit einem überraschenden Schachzug auf: Vorstopper Kliemann wird erstmals als Außenverteidiger aufgeboten, dafür übernimmt Rohrbach Kliemanns Rolle im Abwehrzentrum. Den Libero gibt wie gewohnt Trinklein, während im Sturmzentrum Krauth anstelle von Parits eine neue Bewährungschance erhält.

Ribbecks Schachzug geht auf. Die Eintracht steht geschickt gestaffelt und die Gladbacher Angriffe verpuffen zunächst wirkungslos. Kliemann schaltet Jensen weitgehend aus, Rohrbach bekämpft Bernd Rupp erfolgreich, während Trinklein sich in der Defensive durch seine Konsequenz auszeichnet und bei seinen offensiven Vorstößen stets eine Gefahr für die Gladbacher Hintermannschaft darstellt. In der 20. Minute sieht es so aus, als würden die Gäste bei einem dieser Angriffe in Führung gehen, doch Hölzenbein scheitert am glänzend reagierenden Torwart Kleff.

Eine Mannschaft mit der Klasse der Borussia ist jedoch nicht gänzlich auszuschalten. Die Gladbacher erspielen sich eine Reihe guter Chancen, die sie jedoch unkonzentriert vergeben, wie Danner, der frei stehend vor Dr. Kunter den Ball neben das Tor schießt. Ein Handicap für die Gastgeber ist auch das frühe verletzungsbedingte Ausscheiden von Surau, der in der 22. Minute durch Michallik ersetzt werden muss.

Nach etwa einer halben Stunde lässt zudem Danner deutlich nach, was dazu führt, dass die Gladbacher dem Frankfurter Dauersprinter Hölzenbein nichts mehr entgegenzusetzen haben. Der Kräfteverschleiß bei den Gastgebern macht sich bemerkbar. Grabowski und Hölzenbein gelingt es nun, das Spiel eine ganze Weile an sich zu ziehen, doch ein Treffer will den Hessen noch nicht glücken. Der Torerfolg bleibt auf des Gegners Seite aber auch Wimmer vier Minuten nach der Pause versagt, als er frei stehend acht Meter vor dem Tor den Ball über Kunters Kasten drischt.

Der eingewechselte Michallik bemüht sich weiterhin Grabowskis Kreise einzuengen, doch diese Aufgabe übersteigt zusehends die Möglichkeiten des Gladbachers. Neben Grabowski überragt Bernd Hölzenbein, der zum entscheidenden Spieler auf dem Platz wird. In der 64. Minute gibt es einen Freistoß für die Eintracht. Die Torentfernung beträgt gut 20 Meter. Bernd Nickel ist nicht mit von der Partie, deswegen versucht Hölzenbein sein Glück. Sein strammer Schuss würde allerdings auch dem abwesenden "Dr. Hammer" zur Ehre gereichen: Knallhart und unhaltbar für Wolfgang Kleff schlägt die Kugel unter der Latte ein. 1:0 für die Gäste vom Main.

Sechs Minuten nach der Frankfurter Führung schaltet sich der Außenverteidiger Peter Reichel wieder einmal ins Angriffsspiel seiner Elf ein. Sein Flankenball erreicht Hölzenbein, der in unmittelbarer Tornähe lauert und Reichels Zuspiel blitzschnell und eiskalt verwertet. Kleff, der sich ihm entgegen wirft, hat keine echte Abwehrchance. Auch wenn Borussen-Trainer Hennes Weisweiler in der 77. Minute den Dänen Allan Simonsen für "Hacki" Wimmer bringt, der Doppelschlag von Hölzenbein bedeutet das K.o. für die Gladbacher, die nun nichts mehr zuzusetzen haben.

Bernd Hölzenbein, der hinter den Sturmspitzen Grabowski und Krauth als unermüdlicher Antreiber und Ballschlepper agiert, sorgt gemeinsam im Duett mit Grabowski auch noch für den technischen Höhepunkt des Spiels, als die beiden sich den Ball zueinander und von einem Fuß auf den andern jonglieren. Den Gladbacher Zuschauern verschlägt diese Unverfrorenheit für einen Moment die Sprache, bevor sie dann ihre tatenlos zusehenden Spieler mit Gelächter bestrafen. Das Gelächter und die vorhergehenden Pfiffe gegen die Borussia wird der ausgelaugt wirkenden Elf vom Niederrhein aber nicht gerecht.

"Viel schwerer als die Niederlage wiegt der Achillessehnenriss von Surau", sagt Ribbecks Lehrmeister, Weisweiler. "Er wird uns in den Schlussspielen um Ligapokal und Pokal fehlen." Den Chancen, "die für vier Siege ausgereicht hätten", wollte Weisweiler dagegen nicht nachtrauern und seiner Mannschaft schon gar keinen Vorwurf machen: "Irgendwann ist der Akku eben leer." Einmal mussten sich die englischen Wochen bei Gladbach bemerkbar machen, "deshalb mache ich auch keinem meiner Spieler einen Vorwurf", meint Trainer Weisweiler.

Jürgen Grabowskis Akku ist dagegen wieder aufgeladen, außerdem steht er zum sechsten Mal im "Kicker" in der "Elf des Tages". Eintracht-Trainer Ribbeck ist zufrieden: "Wir hatten zwar Glück, aber wir haben auch wohl gut gespielt." Mit Recht weist Ribbeck auch auf die Tatsache erstklassiger Frankfurter Chancen hin: "Es war allein dem glänzenden Kleff im Gladbacher Tor zu verdanken, dass wir nicht schon nach einer Viertelstunde 1:0 vorn lagen."

Die Eintracht rückt um einen Platz auf Rang 8 vor, Gladbach büßt einen Platz ein und steht nun wieder hinter Köln auf Rang 3. "Jetzt ist wieder für uns alles drin! Sogar der sechste Platz und mit ihm die Teilnahme am UEFA-Cup", blickt Trainer Ribbeck wieder mit Optimismus in die Zukunft, obwohl er noch vor zwei Wochen nach der Niederlage in Schalke davon nichts mehr wissen wollte. "Die Chancen auf den 6. Platz und die Teilnahme am UEFA-Cup sind nun futsch", sagte er dort. Doch Offenbachs Heimschlappe gegen Köln und Stuttgarts Niederlage in Schalke haben dazu beigetragen, dass sich die Eintracht nach zwei Siegen in Folge nun noch einmal Hoffnungen auf einen versöhnlichen Saisonabschluss machen darf. Die Eintracht liegt nur einen Punkt hinter dem zurzeit auf Rang 7 platzierten VfB Stuttgart, der wiederum ebenfalls nur einen Punkt vom 6., den Offenbacher Kickers, entfernt ist. Der Endspurt könnte also durchaus noch spannend werden.

"Alles hängt von unserem nächsten Spiel ab. Wir müssen am kommenden Samstag in Stuttgart gewinnen", gibt Eintracht-Kapitän Jürgen Grabowski die Richtung vor. Für die Frankfurter geht es aber im Bundesligafinale um mehr als" nur" den Einzug in den UEFA-Pokal. Die von den Anhängern der beiden Vereine nicht gering eingeschätzte "Main-Meisterschaft", also die Reihenfolge der beiden hessischen Spitzenklubs untereinander, wird ebenfalls noch entschieden. Die Offenbacher waren in der Saison 1959/60, also noch zu Zeiten der Oberliga Süd, das letzte Mal vor der Eintracht postiert. Aus Sicht der Eintracht soll das auch so bleiben.

Während der Länderspielpause werden aber auch schon die Weichen für die nächste Saison gestellt: Am 1. Juni unterzeichnet Hans Joachim Andree einen Lizenzspieler-Vertrag bei der Eintracht, der 22jährige spielte bisher für Borussia Dortmund. Und Gert Trinklein, der bereits seit einiger Zeit auf der Transferliste stand, bleibt nun doch am Riederwald: Er verpflichtete sich für weitere zwei Jahre.

Auch Bernd Nickel nutzt die Pflichtspielpause: Am 4. Juni öffnet das "Sporthaus Nickel" in Herborn seine Pforten. Noch vor den ersten Kunden statten Trainer Erich Ribbeck und die Eintracht-Spieler ihrem Mannschaftskameraden einen Besuch ab. Nickels Erkenntnis nach dem ersten Tag ist aber ein wenig von Ernüchterung gekennzeichnet: "Da habe ich mir eine solche Auswahl an Sportartikeln zugelegt, und die Jungs interessieren sich für nichts anderes als Fußbälle." (rs)


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