Eintracht Frankfurt - Wuppertaler SV

Bundesliga 1972/1973 - 29. Spieltag

2:1 (1:1)

Termin: Sa 28.04.1973, 15:30 Uhr
Zuschauer: 10.500
Schiedsrichter: Rudolf Schröck (Riegelsberg)
Tore: 1:0 Jürgen Grabowski (6., Foulelfmeter), 1:1 Günter Pröpper (45.), 2:1 Bernd Nickel (87.)

 


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Eintracht Frankfurt Wuppertaler SV

 


  • Manfred Müller
  • Manfred Cremer
  • Erich Miß
  • Emil Meisen
  • Manfred Reichert
  • Gustav Jung
  • Bernhard Hermes
  • Günter Pröpper
  • Jürgen Kohle
  • Herbert Stöckl
  • Heinz-Dieter Lömm

 

Wechsel Wechsel
  • Georg Jung für Herbert Stöckl (77.)
Trainer Trainer
  • Horst Buhtz

 

 

Unglaubliches aus dem Wald

Auswärts weiterhin pfui, zu Hause immer noch hui? Es scheint so. Nach der verdienten Niederlage bei der abstiegsgefährdeten Hertha, gewann die Eintracht im Halbfinal-Rückspiel des Ligapokals gegen die Spitzenmannschaft aus Gladbach – natürlich im Waldstadion. Heute müssen die Frankfurter ihre Heimstärke gegen den Überraschungszweiten der Bundesliga unter Beweis stellen, dem Wuppertaler SV. Keine leichte Aufgabe, wird doch der Neuling aus dem Bergischen Land auch in der Auswärtstabelle nur vom amtierenden Deutschen Meister und Tabellenführer Bayern München übertroffen. Und der WSV steckt noch voller Ehrgeiz, wie Trainer Buhtz ankündigt: "Wir müssen aus den Auswärtsspielen noch einige Punkte holen, denn wir wollen ja den zweiten Platz halten."

Die Eintracht ist allerdings bis auf Parits und Kunter wieder komplett. Trainer Ribbeck bringt für Parits den jungen Mittelfeldspieler Kraus, Bernd Nickel tauscht dafür seine Mittelfeldposition gegen die Parits-Rolle des Mittelstürmers. "Kalla" Wirth kommt in dieser Runde zu seinem 6. Saisoneinsatz, dem dritten von Beginn an. Vor seinem zweiten Einsatz in der Bundesliga steht der Neuzugang im Tor, Günter Wienhold, der heute wie im Nachholspiel gegen Hannover und im Ligapokal gegen Gladbach Dr. Kunter vertritt. Wuppertal vertraut seiner gewohnt defensiven Spielweise und auf seinen aus Gustl Jung und dem torgefährlichen Günter Pröpper bestehenden Zwei-Mann-Sturm.

Schon nach sechs Minuten macht einer der Akteure auf dem Platz auf sich aufmerksam. Es ist allerdings kein Spieler, der für Aufregung sorgt, sondern ein "schröcklicher" Schiedsrichter aus Riegelsberg. Herr Schröck entscheidet nach einem Foul von Miß an Hölzenbein auf Strafstoß für die Gastgeber und löst damit nicht unerhebliche aber letzten Endes überflüssige Diskussionen aus. Der Kapitän der Eintracht, Jürgen Grabowski, schultert gewohnt unaufgeregt und nervenstark auch diese Last der Verantwortung und verwandelt seinen dritten Foulelfmeter in dieser Spielzeit sicher zur frühen Führung für die Frankfurter: Grabowski drischt den Ball geradeaus, aber Manfred Müller ist schon zur rechten Ecke unterwegs und kann den Ball nicht mehr halten.

Die Wuppertaler präsentieren sich nicht im Stil einer Klassemannschaft. Im Gegenteil: Das ist biedere Hausmannskost, die die Elf von Trainer Buhtz im Waldstadion serviert. Mit einem sicher reagierenden Müller im Tor, einer hart einsteigenden Abwehrkette davor, einem das Mittelfeld gut überbrückenden Hermes und einer Zweierspitze legen die Gäste ihr Spiel aus einer tief gestaffelten Abwehr heraus an. Lömm trägt zwar die Nummer 11, ist jedoch tatsächlich in die tief stehende Abwehr der Nordrheinwestfalen integriert. Ob dafür die Vorstöße des Rechtsverteidigers Cremer die Frankfurter verwirren sollen, bleibt unklar – klar ist nur, dass dieser "Nummerntrick" des WSV niemanden im Waldstadion beeindruckt, am Allerwenigsten den Abwehrverbund der Hessen.

Die Eintracht ist die technisch beschlagenere Mannschaft, die jedoch etwas zu leichtfertig mit ihren Torchancen umgeht. So schiebt Weidle in der 30. Minute den Ball in die Arme von Torwart Müller und Nickel schießt nur eine Minute später knapp am Kasten der Gäste vorbei. Längst müssten die Gastgeber ihre Führung ausgebaut haben, doch wie so oft in dieser Saison bleiben selbst die besten Chancen ungenutzt. Die Abwehrrecken von der Wupper dürfen außerdem im Zweifel auf den glänzend reagierenden Manfred Müller als letzte Instanz im Kasten des WSV vertrauen.

Keeper Manfred Müller ist der beste Mann der Wuppertaler. Er fängt fast alle hohen Flanken ab, die die Frankfurter offenbar besonders eingeübt haben. Anders ist die Einfallslosigkeit, mit der die Bälle in den Gästestrafraum bugsiert werden, kaum zu erklären. Doch die Lufthoheit dort hat Müller, der sich selbst von Frankfurts "Funkturm" Uwe Kliemann, der bei jedem Eckball nach vorn eilt, nicht beeindrucken lässt. Es ist schon ein besonderes Schauspiel, dass die beiden bieten: Immer wenn Kliemann und Müller sich mit vollem Einsatz nach den hohen Bällen strecken, stürzen ringsherum Freund und Feind scharenweise zu Boden.

Sekunden vor dem Halbzeitpfiff erhalten die Frankfurter dann auch noch die Quittung für ihre mangelhafte Chancenverwertung. Wirth tritt über den Ball, der Rest der Frankfurter Abwehr straft ihren Kollegen mit Untätigkeit und lässt den Wuppertaler "Meister Pröpper" zum Ausgleich einschießen. Pröppers Lohn für seine blitzschnelle Reaktion ist sein 17. Saisontreffer, Wirth bekommt für seine Fehlleistung die Auswechslung zur Pause. Ribbeck ersetzt ihn durch Thomas Rohrbach.

Keine Frage, auch im zweiten Abschnitt sind die Hausherren deutlich überlegen. Hölzenbein gefällt mit seiner Schnelligkeit, Kalb schaltet sich immer wieder geschickt ins Angriffsspiel ein und Nickel bietet seine beste Leistung seit Wochen. Besonders überzeugend ist die Vorstellung des jungen Wolfgang Kraus, der frisch und frech aufspielt. Doch auch Kraus scheitert vor des Gegners Tor, als in der 47. Minute freistehend aus drei Metern den Ball wiederum Müller in die Arme lenkt. Nickel ergeht es in der 61. Minute noch ärger: Aus fünf Metern köpft "Dr. Hammer" knapp über das Gehäuse.

Groß ist die Enttäuschung der nicht einmal 11000 Zuschauer im Waldstadion über das Remis, doch noch größer ist sie über die Vorstellung des Tabellenzweiten, der mit dem Prädikat mittelmäßig bereits über Gebühr gelobt werden würde. Es muss wohl eines der schwächsten Spiele von Wuppertal überhaupt sein, wie sonst sollte man sich erklären können, dass diese mediokre Truppe direkt hinter der einsam führenden Ausnahmeelf aus München platziert ist? Doch was nutzt der Eintracht die spielerische Dominanz, die technische Überlegenheit und die hohe Note für den künstlerischen Wert der Darbietung, wenn Konzentrationsmängel zu einem fahrlässigen Umgang mit den Torchancen führen? Ein halbes Dutzend bester Einschussmöglichkeiten wurden von Ribbecks Elf bereits vertan.

Trainer Buhtz wittert Morgenluft und wechselt in der 77. Minute den Torschützen des 1:0-Siegtreffers aus dem Hinspiel ein: Georg Jung. Allerdings hat Jung in seinen 18 Saisoneinsätzen lediglich gegen die Eintracht getroffen und auch heute will ihm eine Wiederholung seines Bombenschusses aus dem Hinspiel nicht gelingen.

Dagegen gelingt Nickel, dem Mann für die spektakulären Tore, drei Minuten vor dem Abpfiff mit einer sehenswerten Aktion doch noch der Siegtreffer für seine Farben. 87 Minuten lang reihte sich eine Enttäuschung an die nächste, doch jetzt werden die Zuschauer mit einer Szene entschädigt, für die sich ihr Kommen allein gelohnt hat, weil alle, die zu Hause geblieben sind, sie nun beneiden werden. Wer es nicht gesehen hat, wird es kaum glauben können oder zumindest die Schilderungen der Augenzeugen für übertrieben halten. Grabowski sprintet einem schnellen Ball nach, erwischt ihn kurz vor der Tor-Auslinie, flankt nach innen und Nickel wuchtet den Ball mit einem seitlichen Scherenschlag ins Netz. Da werden Erinnerungen an den so wichtigen 2:0-Sieg in Offenbach vor zwei Jahren wach und da gibt es selbst für den vorzüglichen Schlussmann der Gäste nichts zu halten. Die Rückfahrt an die Wupper muss der WSV ohne Punkte im Gepäck antreten.

Frankfurts Trainer Ribbeck vergisst nach diesem Siegtor den Ärger, der sich über fast 90 Minuten bei ihm angesammelt hat und sich bei einem Punktverlust wohl auch seine Bahn gebrochen hätte: "Der Sieg war hochverdient. Er hätte sogar höher ausfallen müssen." "Wir wollten hier ein Unentschieden holen und fast wäre unsere Rechnung aufgegangen", sagt Ribbecks Wuppertaler Kollege Buhtz, um sich dann in seiner Enttäuschung zu einer nicht für möglich gehaltenen, geradezu unglaublich unsportlichen Bemerkung hinreißen zu lassen: "Die Eintracht wird getragen von ihren großen Solisten – als Mannschaft taugt sie nicht viel." "Ich glaube, wir waren bestimmt um das Tor besser", fällt Ribbecks Fazit um einiges angemessener aus: "Wir hatten die größeren Anteile am Spielgeschehen und viele Chancen."

Als Belohnung für seine formidable Leistung steht übrigens Wolfgang "Scheppe" Kraus zum ersten Mal in seiner noch jungen Laufbahn in der "Elf des Tages" im "Kicker". Die Eintracht verbessert sich vom 11. auf den 10. Platz, Wuppertal bleibt auf Rang 2.

Nicht so erfreulich sind die Aussichten für Bernd Nickel, der auf Nachfrage der "Bild" angibt, in dieser Saison "leider nur acht Tore" erzielt zu haben: "Ich habe aber auch nur fast jedes zweite Spiel mitgemacht. Ich habe in diesem Jahr ein unglaubliches Pech mit Verletzungen. Wahrscheinlich muss ich jetzt wieder 14 Tage pausieren, weil ich schon wieder Schwierigkeiten mit der Achillessehne bekomme."

Tore wie seines, könne man üben, antwortet Nickel außerdem: "Ich habe es im Training beim Fußball-Tennis versucht. Dabei ist es mir schon öfter gelungen. Deshalb war ich meiner Sache auch diesmal ganz sicher." Die Frage der "Bild", wo den Torwart Müller beim Treffer gestanden habe, kann Nickel dagegen natürlich nicht beantworten: "Auf den habe ich in dem Augenblick überhaupt nicht geachtet. Das ging auch viel zu schnell." (rs)


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