Hertha BSC Berlin - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1972/1973 - 28. Spieltag

3:1 (3:1)

Termin: Sa 07.04.1973, 15:30 Uhr
Zuschauer: 17.000
Schiedsrichter: Walter Eschweiler (Euskirchen)
Tore: 1:0 Erich Beer (5.), 1:1 Thomas Parits (10.), 2:1 Erwin Hermandung (19.), 3:1 Peter Gutzeit (25.)

 


>> Spielbericht <<

Hertha BSC Berlin Eintracht Frankfurt

  • Thomas Zander
  • Michael Sziedat
  • Ludwig Müller
  • Hans Weiner
  • Frank Hanisch
  • Lorenz Horr
  • Erich Beer
  • Gerhard Grau
  • Holger Brück
  • Erwin Hermandung
  • Peter Gutzeit

 


 

Wechsel
  • Manfred Lenz für Peter Gutzeit (50.)
Wechsel
Trainer
  • Helmut Kronsbein
Trainer

 

 

Omen, Menetekel und Aberglaube

Der Zuschauerzuspruch bei der Eintracht lässt stark zu wünschen übrig. Nun richtet sich ein Teil der öffentlichen Aufmerksamkeit auch noch auf das Pokalspiel der Bayern in Offenbach am 14. April. "Wir hoffen, dass die Eintracht nicht vergessen ist", sagt Jürgen Gerhardt, Geschäftsführer der Frankfurter Eintracht, "wir werden deshalb die Eintrittspreise für unser Nachholspiel am 13. April gegen Hannover auf der Gegengeraden auf acht (statt zehn bzw. dreizehn) Mark ermäßigen."

Währenddessen behält ein junger Eintrachtspieler in einem ausverkauften polnischen Stadion in Wloclawek die Nerven. Als Karl-Heinz Körbel in der 55. Minute vor 13.000 Zuschauern zum Elfmeter antritt, steht es 0:0. Ein Unentschieden der DFB-Juniorenauswahl würde die deutschen Hoffnungen auf die Teilnahme am UEFA-Turnier vom 31. Mai bis 9. Juni in Italien zerstören. Doch Körbel verwandelt eiskalt. Durch einen Rückspielsieg gegen die polnische Auswahl am 22. April in Osterode hat das deutsche Team, in dem hoffnungsvolle Talente wie der Gladbacher Stielike, der Schalker Abramczik, der Offenbacher Bihn und Möhlmann von Preußen Münster stehen, nun doch noch die Chance, sich für dieses Turnier zu qualifizieren.

Bei der Eintracht wächst derweil der Optimismus, nachdem die lang verletzten und vermissten Stützen die beiden letzten Spiele fast ohne Schaden überstanden. "Ich bin selbst erstaunt, es geht mir heute besser als am Sonntag", sagt beispielsweise Kapitän Grabowski. "Nur Nickel bekam wieder was ab. Doch den kriegen wir bis zum Samstagsspiel in Berlin wieder hin", verspricht Masseur Hartmann.

Die Ausbeute der Frankfurter in der Fremde sind in dieser Saison eines Absteigers würdig: Mickrige drei Punkte schlagen bisher für die Hessen zu Buche. Nur der Tabellenletzte aus Oberhausen hat mit null Punkten weniger auf der Habenseite als die Hessen. Bei der abstiegsbedrohten Hertha, die auf Platz 16 liegend in dieser Runde im Olympiastadion bereits zwei Unentschieden und vier Niederlagen hinnehmen musste, ist allerdings vielleicht selbst für die auswärtsschwachen Hessen etwas zu holen: Der letzte Sieg der Berliner datiert vom 24. Februar. Kronsbein hat deshalb vor dem Spiel von seiner Mannschaft gefordert: "Wir dürfen den Abstiegskampf nicht erst am letzten Tag entscheiden. Das wäre schrecklich."

Für die Eintracht setzte es jedoch vor vier Tagen im Halbfinal-Hinspiel des Ligapokals gegen Gladbach eine Niederlage – auswärts, versteht sich. Zudem muss Trainer Ribbeck die Mannschaft gegenüber dem letzten Ligaspiel schon wieder neu formieren. Für den gegen Braunschweig schwachen Schämer spielt Thomas Rohrbach, Körbel fehlt, für ihn rückt Weidle aus dem Sturm ins Mittelfeld zurück. Für Weidle spielt im Sturm neben Grabowski und Parits Raimund Krauth.

Der 20-jährige Krauth, der zu Saisonbeginn an den Main kam, hat bisher nicht überzeugen können: In 10 Einsätzen gelang ihm nicht ein einziges Tor. Sturmkollege Parits, im letzten Jahr in punkto Treffsicherheit eine Bank, steht nur unwesentlich besser da: 3 Tore in 21 Partien sind für einen Stürmer seiner Güte einfach zu wenig. Ein weiteres Mal ruhen also die Hoffnungen der Frankfurter auf ihren wiedergenesenen Kapitän Jürgen Grabowski.

Diese Hoffnungen erhalten bereits nach fünf Minuten einen herben Dämpfer. Holger Brück, der Berliner Neuzugang vom KSV Hessen Kassel, der in dieser Saison noch keine einzige Spielminute versäumt hat, ist schon zu Beginn hellwach und bedient Erich Beer vor dem Frankfurter Fünfmeterraum mustergültig. Bei Beers sechstem Saisontreffer gibt es für Eintracht-Keeper Dr. Kunter nichts zu halten. Ein gutes Omen für die Elf von der Spree: Die vier Heimspiele, in denen Beer in dieser Spielzeit traf, wurden allesamt gewonnen.

Doch die Männer vom Main haben ja Jürgen Grabowski, der fünf Minuten später beweist, dass er nicht nur völlig zu Recht Hoffnungsträger der Frankfurter ist, sondern auch ein präziser Flankengeber – Parits braucht nur noch den Fuß hinzuhalten und es steht 1:1.

Ein Ausgleichstor als Menetekel für die Eintracht? Die beiden Auswärtsspiele, bei denen Parits für die Hessen in dieser Saison traf, gingen verloren ... Es ist nun an den Frankfurtern Omen und Menetekel als Aberglauben zu entlarven. Doch neun Minuten nach dem Ausgleich trifft Erwin Hermandung nach einer Flanke von Horr per Kopf zum 2:1 für die Gastgeber. Und natürlich haben die Berliner in dieser Saison immer gewonnen, wenn Hermandung im Olympiastadion traf ...

Dr. Kunter, sonst die fleischgewordene Zuverlässigkeit, muss sich die erneute Führung der Berliner ankreiden lassen. Der Zahnarzt im Tor der Hessen hat sechs Minuten später erneut das Nachsehen, als Peter Gutzeit aus 15 Metern abzieht und der Ball im Toreck einschlägt. Es ist Gutzeits Saisontreffer Nummer fünf. "Jetzt könnte das Spiel zu Ende sein", wünscht sich Hertha-Trainer Kronsbein.

Ein überflüssiger Wunsch, denn das Spiel ist nach nicht einmal einer halben Stunde bereits entschieden. Frankfurts Offensivspiel ist von zweierlei abhängig: vom Zufall und vom völlig auf sich allein gestellten Jürgen Grabowski. Parits hat zwar noch einige lichte Momente, ist jedoch insgesamt bei Hans Weiner gut aufgehoben. Im Abwehrzentrum ist der Ex-Cluberer "Luggi" Müller, der im letzten Sommer vom Bökelberg an die Spree gewechselt ist, ohnehin jederzeit Herr der Lage.

Spielentscheidend ist heute das Berliner Mittelfeld mit den beiden Torschützen Beer und Hermandung sowie Brück. Kämpferisch überzeugend wie die ganze Mannschaft von Trainer "Fiffi" Kronsbein, ist das Trio für die meisten gelungenen Spielzüge verantwortlich, die freilich durch die auffälligen Schwächen in der Frankfurter Hintermannschaft begünstigt werden. In der kann heute nur der Ur-Berliner Kliemann überzeugen, der den zweifachen Torschützen aus dem Hinrundenspiel Lorenz Horr an die Kette legt.

Unauffällig agiert Schiedsrichter Eschweiler, mit dessen Nominierung beide Vereine vor dem Spiel alles andere als einverstanden waren. Weder hüben noch drüben hat man vergessen, dass der Unparteiische im Hinrundenspiel im Waldstadion in den letzten acht Minuten drei Elfmeter verhängt hat, deren Berechtigung nicht für jedermann auf Anhieb ersichtlich waren. Heute kann aber niemand Eschweiler nachsagen, dass er einen wie auch immer gearteten Einfluss auf die Partie nehmen würde.

Kronsbeins Sorgen gelten da eher seinem 19-jährigen Verteidiger Frank Hanisch, der mit Grabowski im ersten Durchgang überhaupt nicht zurechtkam. Mit der Unterstützung durch Libero Müller beginnt sich da aber jetzt zu ändern. Das Spiel verflacht zusehends. Bei den Berlinern schwinden die Kräfte und ihr agilster Stürmer Gutzeit muss nach 50 Minuten verletzt den Platz verlassen. Besonders bitter – Gutzeit fällt für den Rest der Saison aus.

Die Frankfurter sind nicht in der Lage, aus dem Nachlassen und der personellen Schwächung der Berliner Kapital zu schlagen. Ribbeck bringt zwar in der 62. Minute Kraus für Krauth, doch ausgerechnet vom Nachwuchsmann zu erwarten, dass er dem Spiel noch einmal eine Wende geben kann, ist wohl übertrieben. Der 19-jährige Kraus, der seiner Ausbildung als Bankkaufmann Vorrang eingeräumt hat, kommt zu seinem achten Einsatz in dieser Runde und macht seine Sache ordentlich. Die verdiente Niederlage kann natürlich auch er nicht verhindern.

Die Berliner verpassen in der Schlussphase einen noch klareren Sieg. Die Torchancen sind da, um das Ergebnis in die Höhe zu schrauben, allein Hermandung findet sich drei Mal in bester Einschussposition wieder, doch ein vierter Treffer will den Gastgebern nicht mehr gelingen. gereicht.

Die Eintracht kassiert im 14. Auswärtsspiel die 12. Niederlage, bleibt jedoch auf Platz 11. Die Hertha verbessert sich um einen Platz auf Rang 15 und hat nun zwei Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge, gewinnen die Berliner ihr Nachholspiel gegen Bochum können daraus sogar vier Punkte werden.

In Trainer Kronsbeins Hochrechnung - 29 Punkte für den Klassenverbleib – fehlen der Hertha jetzt noch acht Zähler. Bei aller Freude über den Sieg ist Kronsbein aber mit der Trefferausbeute unzufrieden: "Wir hätten heute unser schlechtes Torverhältnis gehörig aufpolieren können. Denn auch das kann bei der Abrechnung ein wichtiger Hilfspunkt sein." "Das Spiel hat meine Abwehr verloren", hat der angesäuerte Ribbeck die Sündenböcke rasch ausgemacht und stöhnt über den Berliner Kampfgeist: "Hertha spielt gegen uns immer mit einem sagenhaften Biss." (rs)


>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg