Hamburger SV - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1972/1973 - 18. Spieltag

3:1 (2:0)

Termin: Sa 20.01.1973, 15:30 Uhr
Zuschauer: 16.000
Schiedsrichter: Hans-Joachim Weyland (Oberhausen)
Tore: 1:0 Klaus Zaczyk (18.), 2:0 Caspar Memering (41.), 2:1 Bernd Hölzenbein (48.), 3:1 Horst Heese (86.)

 


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Hamburger SV Eintracht Frankfurt

  • Arkoc Özcan
  • Manfred Kaltz
  • Peter Nogly
  • Willi Schulz
  • Peter Hidien
  • Horst Heese
  • Klaus Zaczyk
  • Georg Volkert
  • Klaus Winkler
  • Franz-Josef Hönig
  • Caspar Memering

 


 

Wechsel
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Trainer
  • Klaus-Dieter Ochs
Trainer

 

Frost und Frust

"Wetten, dass die Eintracht vom neunten Platz noch weiter nach oben kommt? Vielleicht wieder unter die ersten Fünf, Eintracht-Fans!" Diese beiden Sätze stehen auf dem von der Frankfurter Eintracht an ihre Freunde und Gönner verschenkten Kalender 1973. Nun steht die Eintracht vor Beginn der Rückrunde auf Rang 10, doch darauf wetten, dass die Eintracht nicht weiter nach oben kommt, wird wohl kaum ein Eintrachtfan. Vier Punkte beträgt der Abstand zum 5. Platz, dem Saisonziel der Eintracht – das ist aufzuholen. Wenn, ja, wenn endlich diese Auswärtsschwäche abgelegt werden kann, die Ribbecks Truppe mit nur einem einzigen auf fremden Plätzen errungen Punkt in der Auswärtstabelle der Bundesliga auf Platz 16 gebracht hat. Lediglich die dort gänzlich ohne Punkte gebliebenen Abstiegskandidaten von Hannover 96 und Rot-Weiß Oberhausen sind noch schlechter.

14 Tage vor dem Rückrundenstart soll die Grundlage für eine erfolgreichere Rückrunde gelegt werden. In der rheinischen Sportschule Hennef nimmt sich Trainer Ribbeck seine Schützlinge in gewohnter Manier eine Woche lang zur Brust, doch er weist vorsorglich darauf hin, dass der Erfolg auch mit harter Arbeit und viel Schweiß nicht zu erzwingen ist: "Es gehört schon ein Quäntchen Glück dazu. Jenes Glück, das uns in der Vorrunde so oft fehlte."

Doch während Quartier und Verpflegung in Hennef laut Ribbeck "besser als im Hotel" sind, steht das Trainingslager unter keinem guten Stern. Der seit Monaten außer Gefecht gesetzte Routinier Lutz reist wegen seiner alten Knieverletzung schon nach zwei Tagen wieder ab, Kapitän Grabowski bekommt wegen einer sich in der Stirnhöhle festgesetzten Erkältung drei Tage Heimaturlaub und auch Dr. Kunter ist im Interesse seiner neu eingerichteten Zahnarzt-Praxis zwei Tage in Frankfurt. Zudem reisen Nickel wegen einer Verletzung sowie Markert wegen eines Amateurspiels am Sonntag mit zwei Tagen Verspätung erst am Montag an. Damit nicht genug: Lothar Schämer spürt Schmerzen in der Leiste. Trainer Ribbeck bleibt also nur, beim zweimaligen neunzigminütigen Training pro Tag, das Beste aus dieser Situation zu machen.

Am Freitag, einen Tag nach der 1:4-Niederlage bei den Amateuren des FC Spich, kehren die Profis zurück nach Frankfurt, von wo es am Samstagmittag nach Barcelona weiter geht. High noon, 12:00 Uhr Mittags, ist es, als die Eintracht am Sonntag des 14. Januar auf den CF Barcelona trifft. Die frühe Anstoßzeit für das Benefizspiel zugunsten der Erdbebenopfer in Nicaragua erklärt sich durch den am Nachmittag stattfindenden Stierkampf: Die Zuschauer sollen nicht vor die Wahl gestellt werden. Die Eintracht zeigt eine beeindruckende Leistung und kassiert bei einem Lattentreffer von Nickel eine unglückliche 0:1-Niederlage. Doch wichtiger ist, dass die Menschen in Nicaragua gewinnen und zwar in Höhe der Nettoeinnahmen, die die 30.000 Zuschauer in die Kasse gespült haben.

In Frankfurt interviewt unterdessen Hans Fiederer für den "Kicker" den vom Verletzungspech verfolgten Friedel Lutz, der seine letzte Saison bei der Eintracht gerne auf dem Platz beenden möchte. "Damals musste ich schlucken", gibt Lutz zu, dass ihm die Pfiffe der Frankfurter Zuschauer beim Bundesligaauftakt gegen den HSV sehr zugesetzt haben: "Aber ich spürte Schmerzen" erklärt er seine Leistung. Lutz biss auf die Zähne, bis es nicht mehr ging. Zwei Ärzte wurden konsultiert und das Knie operiert. Nun, als Lutz glaubte alles überstanden zu haben und mit neuer Kraft und neuem Mut ins Trainingslager nach Hennef zog, kehrten die stechenden Schmerzen im Knie bei den Übungen am Ball zurück. Dabei fühlte sich Lutz am Morgen bei Sprints gut und gesund – die 100 m läuft er immer noch in 11,4 Sekunden. "Es mag sein, dass ich 8 oder 14 Tage zu früh mit dem Training begann. Aber ich fühlte mich fit wie selten. Falscher Ehrgeiz? Das darf man nicht sagen. Ich wollte eben meine aktive Laufbahn mit guten Leistungen beenden. Jetzt heißt es Ruhe bewahren und den Heilungsprozess geduldig abwarten ..."

Mit der Ruhe ist es allerdings vorbei, als Fiederer Lutz mit dem Gerücht konfrontiert, dass "der frühere Berliner (Kliemann) unsolide leben soll". "Das ist eine infame Lüge", stellt Lutz klar: "Mit Kliemann verbindet mich eine herzliche Kameradschaft. Der wird seinen Weg gehen. Vielleicht als Vorstopper." "Wenn ich Uwe betrachte, sehe ich hinter ihm den Schatten Beckenbauers", antwortet der Meisterspieler von 1959 auf die Frage, ob er Kliemann als Libero den Sprung in die internationale Klasse zutraut: "Wenn Kliemann den Gegner noch ansteuert, dann ist Beckenbauer schon am Gegner. Ein feiner Unterschied - ich weiß. Aber mit der richtigen inneren Einstellung müsste es Kliemann schaffen."

Krach mit Ribbeck habe er selbst nicht: "Ribbeck ist ein ausgezeichneter Trainer, ich kam hervorragend mit ihm aus. Wir konnten uns bei ihm aussprechen. Dass ihm noch etwas Erfahrung fehlt, ist doch begreiflich." Einer Antwort auf die Frage nach dem Nachfolger Ribbecks weicht Lutz aber aus: "Das entscheidet allein das Präsidium. Horvat ist wieder im Gespräch. Gutendorf soll gleichfalls auf der Wunschliste stehen. Aber auch Udo Klug wird genannt. Wir haben darauf keinen Einfluss."

Udo Klug steht aber nicht mehr lange auf der Wunschliste. Nachdem die Eintracht ihn für seinen Geschmack zu lange warten lässt, verlängert Klug seinen Vertrag beim SV Darmstadt 98 um zwei Jahre. Laut Präsident Zellekens stehen jetzt noch vier Bewerber in der engeren Wahl. Bis Mitte Februar hofft die Eintracht zu einer festen Vereinbarung zu kommen, sagt Zellekens, der in diesem Zusammenhang notiert wissen will, dass sich die Eintracht an keinen Trainer gewandt, aber viele Angebote aus dem In- und Ausland erhalten habe. Diese Darstellung will allerdings nicht ganz zu der von Kaiserslauterns Trainer Dietrich Weise passen: "Ich habe mit Eintracht Frankfurt und einigen anderen Klubs, die an mich herangetreten sind. Gespräche über einen möglichen Wechsel geführt."

Die Verhandlungen mit Weise sollten nicht an die Öffentlichkeit dringen, doch der FCK-Trainer will vermeiden, dass sein aktueller Arbeitgeber von seinen Kontakten aus der Zeitung erfährt, wie es vor zwei Jahren der Fall war, als Gyula Lorant von Kaiserslautern nach Köln wechselte. Um Unruhe im Klub und in der Mannschaft zu vermeiden, drängt Weise drängt allerdings auf eine schnelle Entscheidung. Kaiserslauterns Vereinsführung hat bereits kundgetan, dass sie Weise bei einer Vertragsverlängerung bis an die Grenzen des Möglichen entgegen kommen wolle. Ein Verbleib des Fußballlehrers am Betzenberg darf jedoch bezweifelt werden: "In erster Linie geht es mir darum, die besten Arbeitsmöglichkeiten zu finden. Die Kaiserslauterer Verhältnisse kenne ich nach sechs Jahren bis ins kleinste Detail. Das inzwischen Erreichte kann nicht das Endziel sein, aber am Betzenberg fehlen zu weiterem Vorankommen die Voraussetzungen." Eine Zusage, bei Eintracht Frankfurt ist dennoch keineswegs sicher: "Auch Vereine, die zielstrebig auf die zweite Bundesliga hinarbeiten, sind an mich herangetreten."

Ob die Eintracht die Voraussetzungen für ein Vorankommen bietet? Beim ersten Eintracht-Stammtisch im neuen Jahr wird am Dienstagabend vor dem Rückrundenauftakt deutlich, dass – so berichtet der "Kicker" – "weder der von den Fußballfachleuten Ernst Berger und Dieter Lindner im Verwaltungsrat gewünschte Manager für die Lizenzspielerabteilung noch der von Präsident Albert Zellekens geforderte Generalmanager für den Gesamtverein in absehbarer Zeit Aussicht auf Verwirklichung hat. Beide Vorstellungen scheiterten an der harten finanziellen Wirklichkeit und wurden von Schatzmeister Jakobi vorsichtig als "Zielkonstruktion" für die Zukunft eingestuft."

In der Gegenwart steht am Tag vor dem Spiel an der Elbe fest, dass Ender Konca in den nächsten Wochen in seine türkische Heimat zurückkehren wird. "Ender Konca gewöhnte sich nie richtig ein", kommentiert Herbert Hoffmann im "Kicker: "Er nicht, als Spieler am Riederwald, und noch weniger seine Ehefrau in Gravenbruch, obwohl sich die Eintracht alle Mühe gab. Sprachliche Schwierigkeiten wurden nie ausgeräumt, weil Ender seinen Sprachkurs schnell aufgab. Daraus erwuchsen immer neue Missverständnisse, auch finanzieller Art." Nun wird das grundlegende Missverständnis in einem Büro auf dem Frankfurter Flughafen beendet: Albert Zellekens und Generalsekretär Emin Cankurtaran von Fenerbahçe Istanbul unterschreiben im Beisein von Eintracht-Schatzmeister Jakobi und Geschäftsführer Gerhardt den Transfervertrag für Konca. Die Ablösesumme wird nicht genannt, sie wird aber auf etwa 120.000 DM geschätzt, was deutlich unter der Summe liegen würde, die die Eintracht im Sommer 1971 aufbringen musste. "Wir sind zufrieden", erklärt Zellekens ungerührt, was auch daran liegt, dass die Frankfurter ab 1. Februar kein Gehalt mehr für den türkischen Nationalspieler zahlen müssen, obwohl der erst im Juli für Fenerbahçe spielen darf. Ender Konca wird sein Zweijahresvertrag in Istanbul mit einem geschätzten Handgeld in Höhe von 55.000 Mark versüßt.

Beim Tabellenletzten Hamburger SV hat es bereits während der Woche Veränderungen gegeben: Jochenfritz Meinke und Uwe Seeler - beide aus der Meistermannschaft von 1960 – werden ab sofort Trainer Ochs zur Seite gestellt. Meinke wird heute auch neben Ochs auf der Trainerbank Platz nehmen. Die kläglichen 9 Punkte, die das Schlusslicht von der Waterkant in der Hinrunde bei nur zwei Siegen erzielt hat, erforderten wohl eine Maßnahme. Diese allerdings kommt einer Entmachtung des 33-jährigen Trainers gleich, der bereits in der dritten Spielzeit für die Hanseanten tätig ist. Aber gut, immerhin hat man beim HSV nicht zum äußersten Mittel gegriffen und den Trainer entlassen.

Ungewöhnlich dürfte auch die Erfahrung sein, die Horst Heese machen wird. Am 16. Spieltag stand er noch für die Eintracht auf dem Platz, am 17. Spieltag erlebte er eine bittere Heimniederlage im Kellerduell gegen Schalke 04 – dieses Mal jedoch im Trikot des HSV. Heute trifft er nun auf seine Kollegen von gestern und er wird sicher alles daran setzen, die Scharte auszuwetzen, die er sich beim Debüt in Hamburg mit dem von ihm verschuldeten Strafstoß gegen die Schalker eingehandelt hat: Der Elfmeter wurde verwandelt und sorgte für die 0:1-Schlappe vor eigenem Publikum.

In Hamburg sind es bei Anstoß zwei Grad unter Null, der Boden ist hart gefroren und der Himmel so grau, wie der Bundesligaalltag beider Mannschaften. Uwe Kliemann bekommt es sofort mit Horst Heese zu tun, der nicht wie gegen Schalke als Vorstopper eingesetzt wird, sondern dort, wo er sich am wohlsten fühlt, weil er nach Herzenslust wühlen kann: im Sturm. In den ersten 15 Minuten hat es aber den Anschein, als würde die Körpergröße den Ausschlag zugunsten des 1,96 Meter langen Kliemann geben. Heese verfügt nicht über jene außergewöhnliche Sprungkraft, die das HSV-Idol Uwe Seeler ausgezeichnet hat, um die 19 Zentimeter auszugleichen, die ihm Kliemann voraus hat. Doch wie Seeler ist auch Heese ein Kämpfer vor dem Herrn, der nicht aufsteckt. Und so ist es ein Kopfball von Heese zu Volkert, der den Führungstreffer in der 18. Minute einleitet. Volkerts anschließende perfekte Vorlage verwertet Zaczyk unhaltbar für Frankfurts Keeper Dr. Kunter.

Das ist die Quittung für die ängstliche Spielweise der Gäste, die sich von Beginn an in einer meist dichten Abwehrreihe vor dem stürmenden HSV zu verstecken suchen. Jetzt, nach dem Rückstand, wäre es an der Zeit, dieses Konzept aufzugeben, doch die Eintracht versucht sich weiter mit Kontern, wie man sie harmloser kaum zu finden vermag. Die Misere der Eintracht hat ihren Ursprung im Mittelfeld, das zu viel Fehler macht, und setzt sich im Angriff fort, wo keine der Spitzen der souveränen Abwehr um Nogly gefährlich werden kann. Selbst von Grabowski ist nichts zu sehen, seinem 19-jährigen Bewacher Hidien entkommt er nicht. Die Leistung des Frankfurter Kapitäns ist allerdings nach der erst jüngst überstandenen Grippe entschuldigt.

Eindrucksvoll bei den Gastgebern ist die Kampfbereitschaft, aus der eine Vielzahl von Torchancen resultiert. Bis zur Halbzeitpause könnte gut und gern ein Vorsprung von vier Toren herausgeschossen sein, doch Dr. Kunter im Frankfurter Tor hält, was zu halten ist. In der 41. Minute ist jedoch auch der Schlussmann der Eintracht ein zweites Mal geschlagen, nachdem Memering einen Steilpass von Zaczyk aufgenommen hat und aus 9 Metern dem aus dem Tor stürzenden Dr. Kunter keine Chance zur Abwehr lässt.

Zur zweiten Halbzeit bringt Trainer Ribbeck Karl-Heinz Wirth für Jürgen Kalb. Es ist aber weniger der Spielertausch, der sich bemerkbar macht, als vielmehr der Leichtsinn der Hamburger, der ihrer Überlegenheit entspringen muss. So verschuldet Kaltz in der 48. Minute völlig unnötig einen Eckball, den Hofmeister ausführt. Rohrbach passt auf Hölzenbein und schon ist es mit der ersten richtigen Frankfurter Chance passiert – die Eintracht erzielt ein Tor.

Nun gerät der HSV für eine gute Viertelstunde aus dem Rhythmus, doch den Gästen gelingt es nicht, ein zweites Mal aus dem Tohuwabohu des HSV einen Nutzen zu ziehen. Der Eintracht fehlen am heutigen Tag einfach die Mittel, um den Hamburger wirklich ernsthaft die Stirn bieten zu können. Mit zunehmender Spielzeit wirkt sich außerdem die weitaus bessere Kondition aus, die die Norddeutschen zu diesem Duell mitgebracht haben. Ribbeck versucht noch einmal entgegen zu steuern und bringt 12 Minuten vor dem Ende Raimund Krauth für Josef Hofmeister – vergebens.


Heese, bewacht von
Kliemann

Wieder ist es wie beim Führungstor Georg Volkert, der den Treffer des HSV vorbereitet. Seine Flanke kommt zu Horst Heese, der gegen seinen alten Verein das 3:1 erzielt. Es ist ein herrliches Tor, das eine Feiertagsstimmung auf den Rängen entfacht, wie man sie im Volksparkstadion in dieser Saison noch nicht erlebt hat. "HSV, HSV"-Chöre wechseln sich mit "Heese, Heese"-Anfeuerungsrufen ab. Heese, der sein letztes Eintracht-Tor übrigens im November in Frankfurt gegen Schalke geschossen hat, belohnt sich - wie eine Woche zuvor gegen Schalke 04 im Ligapokal - mit dem alles entscheidenden dritten Tor selbst. Kein Zweifel: Heese ist auf eigenem Platz als Rammbock eine Lösung für die nahe Zukunft. Auswärts dagegen könnte sein ursprünglich geplanter Einsatz als Vorstopper wieder nötig werden, wenn Nogly auf diesem Posten nicht genügend Sicherheit ausstrahlen sollte. Die schwache Frankfurter Angriffsleistung – da macht sich niemand etwas vor - war für Nogly noch kein rechter Prüfstein. Dem HSV ist das heute jedoch einerlei: Die Spieler erhalten neben der üblichen Siegprämie von 250 Mark noch einmal zusätzlich 100 Mark.

"Eine wunderbare Stimmung. Endlich wieder eine Unterstützung durch die Zuschauer", freut sich HSV-Präsident Dr. Horst Barrelet, der stolz in die Kabine schreitet. "Kämpferisch und spielerisch hat mir die Mannschaft hervorragend gefallen", kann sich auch Jochenfritz Meinke an der Gegenwart begeistern, während Trainer Klaus Ochs den Blick in die Zukunft richtet: "Jetzt müssen wir in der Rückrunde so weitermachen. Dann schaffen wir den Klassenerhalt."

In der Frankfurter Kabine herrscht fast Grabesstille, einzig und allein die grollende Stimme von Trainer Erich Ribbeck ist zu hören: "Eine Frechheit, was sich meine Mannschaft hier geleistet hat!" "Einsatz und Kampfgeist der Hamburger waren weitaus größer als bei uns", klagt Trainer Ribbeck mit Recht. Doch auch HSV-Trainer Ochs ist trotz des Sieges nicht vollauf zufrieden: "Durch das Gegentor haben wir es uns noch unnötig schwergemacht."

Der HSV gibt durch diesen Erfolg die Rote Laterne an Oberhausen ab, die Eintracht festigt die ungeliebte Rolle im Mittelfeld und liegt nun einen Rang schlechter auf Platz 11. Beim Heimspiel gegen Hannover 96 sollte die zu Hause seit Sommer 1971 ungeschlagene Eintracht ihre Serie nicht reißen lassen: Hannover liegt nur einen Punkt hinter den Frankfurtern.

Für Aufregung beim HSV und dessen Trainer Ochs sorgen in den Tagen nach dem Spiel Artikel in der "Bild". Dort wird zum einen der Eintracht-Geschäftsführer Jürgen Gerhardt so zitiert: "Ochs sagte mir, das er sich bei uns bewerben wolle. Nur, wir sind nicht an ihm interessiert." Bei den Frankfurtern, behauptet die "Bild", gäbe es Überlegungen, Trainer Ribbeck schon vor Saisonende von einem Übergangstrainer ablösen zu lassen. Zum anderen wird dort berichtet, das Präsidium des HSV habe beschlossen, den am 30. Juni dieses Jahres auslaufenden Vertrag mit Klaus Ochs nicht zu verlängern. "Sie kommen immer aus einer bestimmten Richtung, die "Schüsse" gegen HSV-Trainer Klaus Ochs", schreibt der "Kicker" dazu und lässt die tatsächlich Beteiligten zu Wort kommen. "Davon stimmt nichts. Mit keinem Wort ist darüber gesprochen worden. Solche Behauptungen sind eine glatte Lüge", stellt Präsident Dr. Barrelet fest: "Die Frage des Trainers in der Zukunft ist für uns im Augenblick kein Thema, wir haben andere Sorgen." Ochs weist außerdem seine angebliche Bewerbung bei Eintracht Frankfurt von sich: "Mehrere Spieler unserer Mannschaft, Jugendmanager Carlo Herbert, der in Hamburg gebliebene Eintracht-Geschäftsführer Gerhardt und ich saßen nach dem Spiel gegen Eintracht im Lokal von Torwart Özcan zusammen. Thema: Weggang von Ribbeck. Gerhardt meinte: Von vier ernsthaften Bewerbern bleiben wohl nur zwei in der engeren Wahl. Da habe ich vor allen am Tisch und wirklich nur scherzhaft gesagt: ,Schade, da hätte ich mich ja auch bewerben können.' Würde ich mich ernsthaft bewerben wollen, dann geschähe das bestimmt nicht über den Geschäftsführer." (rs)


Journalisten-Kommentar

Die Frankfurter Eintracht braucht einen erfolgreichen Manager, der den Verein wieder aus den roten Zahlen herausführt. Dass das nur über die Lizenzspielerabteilung geht, darüber dürften sich alle einig sein. Die Voraussetzungen sind denkbar günstig: Eine gute Mannschaft steht zur Verfügung, und draußen im Stadtwald wächst ein neues Stadion, das zum Teil schon in der nächsten Saison in der neuen Gestalt benutzt werden kann.

Am Riederwald ist man in diesen Tagen und Wochen dabei, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Nachdem frühzeitig feststand, dass Erich Ribbeck im Juni den Verein verlässt, hat nicht nur der Trainer Zeit, sich nach einem neuen Klub umzusehen. Auch die Eintracht kann in Ruhe ihre Zukunft planen.

Dabei geht es nicht nur um einen neuen Trainer. Es gilt, dem Verein endlich ein Management zu geben, das nicht nur einer "Fußball-Firma" mit Millionenumsatz angemessen ist, sondern auch in Zeiten des alarmierenden Zuschauerschwundes alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Verein vor einem noch tieferen Rutsch in die roten Zahlen zu bewahren. Bislang hatte Erich Ribbeck einen Teil der Manageraufgaben übernehmen müssen. Dem neuen Trainer wird man das nicht mehr zumuten können.

Bei der Eintracht scheut man vor den zu erwartenden Mehrausgaben für einen gewiss nicht billigen Mann, der vollberuflich führt, zurück. Aber ist das berechtigt? Denn dieser Mann müsste, wenn er überhaupt einen Sinn haben soll, mehr als das, was er kostet, wieder hereinbringen.

Noch gilt es auch, eine andere Meinungsverschiedenheit innerhalb des Vorstandes auszuräumen. Während Präsident Albert Zellekens einen Manager für den Gesamtverein haben will, sind Schatzmeister Jakobi und die fußballverständigen Verwaltungsratsmitglieder Ernst Berger und Dieter Lindner der Ansicht, dass der Manager in erster Linie für die Lizenzspielerabteilung da sein soll. "Sie braucht ihn, denn nur über sie ist auf die Dauer die Entschuldung des Vereins zu erreichen!" ist ihr gewichtiges Argument.

In Deutschland steckt das Fußballmanagement noch in den Kinderschuhen. Ein einziger Mann hat sich bisher so auf Dauer profiliert, dass man ihm ein treffendes Urteil über das Metier zutrauen kann: Robert Schwan, seines Zeichens technischer Direktor des FC Bayern.

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