Eintracht Braunschweig - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1972/1973 - 10. Spieltag

2:1 (1:0)

(Wiederholung; das 1. Spiel am 31.10.1972 wurde wegen Nebels zur Halbzeit beim Stand von 3:0 abgebrochen.)

 

Termin:Di 28.11.1972, 20:00 Uhr
Zuschauer: 8.000
Schiedsrichter: Wilfried Hilker (Bochum)
Tore: 1:0 Bernd Gersdorff (28., Foulelfmeter), 2:0 Hartmut Konschal (62.), 2:1 Bernd Nickel (78.)

 

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Eintracht Braunschweig Eintracht Frankfurt

  • Bernd Franke
  • Friedhelm Haebermann
  • Joachim Bäse
  • Peter Kaack
  • Franz Merkhoffer
  • Bernd Gersdorff
  • Hans-Jürgen Hellfritz
  • Bent Jensen
  • Eberhard Haun
  • Allan Michaelsen
  • Wolfgang Grzyb

 


 

Wechsel
  • Hartmut Konschal für Joachim Bäse (46.)
  • Ludwig Bründl für Bent Jensen (61.)
Wechsel
Trainer Trainer

 

Hilker und Holz

Die Qual der Wahl hat endlich wieder einmal Trainer Ribbeck. So steht auch der bislang in dieser Spielzeit so glücklose Parits wieder zu Verfügung, der beim 2:0-Sieg der Nationalelf Österreichs auf Malta zwar kein Tor erzielen konnte, aber dafür glänzende Kritiken erhielt.

"Wer kann spielen?", lautete noch vor drei Tagen des Trainers Frage, heute hört sie sich beim Wiederholungsspiel in Braunschweig so an: "Wen lasse ich draußen?" Ribbeck findet eine Antwort, die angesichts des klaren und verdienten Erfolges gegen Gladbach nicht so sehr überrascht – er lässt die siegreiche Elf vom Wochenende unverändert.

Die soll sich heute besser präsentieren als vor vier Wochen, wo nur ein Nebeleinbruch den Braunschweigern einen Strich durch die Rechnung machte und die Frankfurter Eintracht vor einer weiteren Auswärtsniederlage bewahrte. Nach dem Schiedsrichter Hilker die Halbzeitpause auf 35 Minuten verlängert hatte, war der Nebel noch dichter geworden. Dem Bochumer Hilker blieb nur der Spielabbruch. Die beiden Mannschaften sind ebenso wie Schiedsrichter Hilker heute erneut am Start, Nebel ist nicht in Sicht – es kann los gehen. "Ich wäre der glücklichste Mensch der Welt, wenn wir das Spiel beim Stande von 3:0 mit der zweiten Halbzeit fortsetzen könnten", meint der Trainer der Niedersachsen, Otto Knefler, vor dem Nachholspiel: "Diesmal lassen sich die Frankfurter nicht so leicht überrumpeln."

In der Tat - vor 10.000 Zuschauern und sehr kühler Witterung gestalten die Frankfurter das Spiel ausgeglichen, Die Abwehr um den sicheren Libero Trinklein ist kein Vergleich zu dem aufgeregten Hühnerhaufen, der vier Wochen vorher vom Nebel vor einem Debakel bewahrt wurde. Routinier Schämer spielt eine gewohnt solide Partie als offensiver Außenverteidiger und auf der anderen Abwehrseite weiß der junge Reichel besonders zu gefallen. Kliemann hat es mit dem heute gefährlichsten Braunschweiger Angreifer Bernd Gersdorff zu tun.

Die Frankfurter Eintracht ist im Wiederholungsspiel gegen Braunschweig nicht wieder zu erkennen. Selbstbewusst tritt sie den Niedersachsen gegenüber, hält geschickt den Ball in den eigenen Reihen und lauert auf ihre Konterchance. Die erste große hat Nickel in der 19. Minute, doch sein Schuss kann von Franke gerade noch pariert werden.

Vor dem Braunschweiger Tor spielen sich bisher mehr kritische Szenen ab als im Strafraum der Gäste. Man merkt der Heimmannschaft den Druck des Gewinnenmüssens an, zu nervös und verkrampft sind die Aktionen der abstiegsbedrohten Hausherren. Die Hessen spielen dagegen geradezu gelöst auf, entsprechend gefällig tragen sie ihre Kombinationen auch vor. Nahezu alle Angriffe laufen über Grabowski, obwohl der in Merkhoffer einen aufmerksamen und energischen Widersacher hat, sich von diesem Kettenhund aber nicht beeindrucken lässt.

Die Frankfurter Spitzen neben Grabowski – Heese und Weidle – fallen im Vergleich zu dem Spitzentechniker aus Biebrich jedoch stark ab. Weidle muss Haebermann fast immer hinterherlaufen und auch Hölzenbein kann sich gegen Haun nur selten durchsetzen.

In Frankfurts Abwehr steht Kliemann zunächst sehr gut gegen Gersdorff, auch wenn der pausenlose Versuche unternimmt, um sich Luft zu verschaffen. Es ist noch keine halbe Stunde gespielt, da rempelt Kliemann seinen Gegenspieler Gersdorff im eigenen Strafraum fair. Eine harmlose Situation, auch wenn der Braunschweiger wie ein sterbender Schwan zu Boden sinkt. Doch Schiedsrichter Hilker spielt als Ausgleich für den Wettergott, der den Braunschweigern beim ersten Aufeinandertreffen mit den Hessen einen klaren 3:0-Vorsprung und somit zwei sichere Punkte raubte, den Gott der Gerechtigkeit – oder der Blinden: Hilker gibt Strafstoß. "Kliemann hat Gersdorff mit beiden Händen gestoßen", verteidigt Hilker seine Entscheidung und alle Frankfurter Reklamationen halfen nichts: Bernd Gersdorff bedankt sich für dieses unerwartete Geschenk, in dem er den Elfmeter selbst schießt und verwandelt.

In der 40. Minute will Bernd Nickel wohl wissen, ob Schiedsrichter eine besondere Art der Regelauslegung hat und ahmt Gersdorffs Sturz nach. Einen Strafstoß bekommt der Frankfurter jedoch im Gegensatz zum Braunschweiger nicht zugesprochen. Schiedsrichter Hilker ist sich sicher: "Das war doch provoziert!" Ja, so etwas soll es geben – und in diesem Spiel nicht zum ersten Mal …

Pech für die Frankfurter, dass es um Hilkers Sicht in Braunschweig auch ohne Nebel nicht sonderlich gut bestellt ist. Fast noch größeres Pech ist es, als sich dem erfahrenen Recken Lothar Schämer zwei Minuten vor der Pause, die Chance zum Ausgleich bietet, doch seinem Geschoss aus 25 Metern Torentfernung die Latte des Braunschweiger Tores im Wege ist, Heese aufs Tor köpft und Hölzenbein in diesen Ball hechtet, das Leder aber über das Braunschweiger Tor bugsiert. Der Minutenzeiger hat noch keine volle Umdrehung geschafft, da hebt Hölzenbein den Ball über den aus dem Tor eilenden Franke, aber eben auch auf und über das Gehäuse der Gastgeber.

In der Pause ereilt aber auch die Gastgeber ihr Anteil am Unglück: Bei Braunschweig bleibt zur Halbzeit Mannschaftskapitän Bäse in der Kabine, er hat sich einen Muskelfaserriss zugezogen und fällt wahrscheinlich für den Rest der Hinrunde aus. Für seinen Kapitän bringt Trainer Otto Knefler Hartmut Konschal.

Auch nach dem Wechsel sind die Hessen nicht gerade ausgewiesene Günstlinge der Göttin Fortuna. Zunächst verfehlt Heese mit einem Schuss aus der Drehung knapp das Niedersachsentor. Nach 59 Minuten ist es wieder dem Braunschweiger Holz zu verdanken, dass die Eintracht nicht zu ihrem längst verdienten Torerfolg kommt: Jürgen Grabowskis Versuch landet an der Latte des Braunschweiger Gehäuses. Und wenn einmal nicht das Gestänge im Weg ist, dann wirft sich der ausgezeichnete Bernd Franke in die Schussbahn der Frankfurter Schützen. Ein ums andere Mal greift sich Franke in brenzliger Situation beherzt das Leder. Für die Eintracht vom Main wollen einfach keine Tore fallen!

In die Frankfurter Daueroffensive der zweiten Halbzeit stoßen die Braunschweiger immer wieder mit gefährlichen Gegenstößen und nur drei Minuten nach Grabowskis Lattentreffer ist es der eingewechselte Konschal, der den Spielverlauf auf den Kopf stellt. Gerade noch hat Trainer Knefler Ludwig Bründl für Bent Jensen eingewechselt, da bedient Michaelsen Gersdorff auf dem linken Flügel mit einem Musterpass. Gersdorff zieht an Kliemann vorbei und flankt fast von der Auslinie zur Mitte, wo Konschal aus sechs Meter Entfernung keine Mühe hat, Dr. Kunter zu überwinden. Es ist erst Konschals zweiter Bundesligatreffer, den ersten erzielte er vor knapp einer Woche gegen den HSV.

Jetzt gehen die Frankfurter zur bedingungslosen Offensive über. Trainer Erich Ribbeck nimmt in der 67. Minute außerdem einen Wechsel vor, um frischen Wind in die Partie zu bringen und den Druck auf die Gastgeber zu erhöhen. Für Weidle, der mit Haebermann gar nicht zurechtgekommen ist, steht nun Parits auf dem Rasen. Doch nun verhindern die Niedersachsen den Anschlusstreffer. In der Abwehr der Braunschweiger überzeugen vor allem Kaack, der Horst Heese ausschaltet, und Haebermann, der anfangs als Außenverteidiger reüssierte und mittlerweile als Libero zu überzeugen weiß. Im Mittelfeld hat der zuletzt starke Frankfurter Bernd Hölzenbein weiterhin seine liebe Mühe und Not mit seinem Gegenspieler Haun, der ihm kaum Luft zum Atmen geschweige denn zum Spielen lässt.


Der Anschlusstreffer durch Bernd Nickel

Das Biegen und Brechen der Frankfurter Eintracht führt aber schließlich 12 Minuten vor dem Ende doch noch und endlich zu einem Erfolgserlebnis. Ein Freistoß von Lothar Schämer, der sich übrigens wiederum hervorragend schlägt, kommt zu Nickel. Dessen Geschoss aus kurzer Distanz findet an Freund (Grabowski) und Feind (Merkhoffer) vorbei die Lücke und den Weg ins Tor: Der Ball schlägt von Franke aus gesehen halbhoch rechts am kurzen Pfosten ein.

Doch dieser Anschlusstreffer kommt zu spät. Auch mit einer wesentlich besseren Leistung als vor vier Wochen kann die Frankfurter Eintracht als Gast ihrer Namensvetter aus Braunschweig die Niederlage nicht verhindern. Das weitere Anrennen der Frankfurter auf das Ausgleichstor bleibt erfolglos.

"Das war schwer erkämpft", seufzt Braunschweigs Trainer Knefler erleichtert, während sein Frankfurter Kollege angesichts der vielen Holztreffer seiner Mannschaft resigniert feststellt: "Wir waren überlegen und verloren doch." Die Überlegenheit ist für Ribbecks Truppe auf fremden Plätzen eine Seltenheit, das Verlieren dagegen nicht: Mit dem 1:2 erlitten die Hessen in ihrem siebten Auswärtsspiel die sechste Niederlage, auf einen eigenen Sieg warten die Frankfurter bisher vergebens.

Der glückliche Erfolg verschafft den Braunschweigern vorerst etwas Luft im Abstiegskampf, während sich die mit großen Hoffnungen und ehrgeizigen Zielen in die Saison gestartete Eintracht vom Main langsam aber sicher im Niemandsland der Tabelle häuslich einrichtet. (rs)

 

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