Rot-Weiß Oberhausen - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1972/1973 - 8. Spieltag

1:0 (0:0)

Termin: Sa 21.10.1972, 15:30 Uhr
Zuschauer: 6.000
Schiedsrichter: Günter Linn (Altendiez)
Tore: 1:0 Dieter Heinrichs (58.)

 

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Rot-Weiß Oberhausen Eintracht Frankfurt

  • Wolfgang Scheid
  • Hermann-Josef Wilbertz
  • Friedhelm Dick
  • Lothar Kobluhn
  • Gerd Wörmer
  • Hans Schumacher
  • Jupp Tenhagen
  • Dieter Heinrichs
  • Ditmar Jakobs
  • Reiner Hollmann
  • Willi Mumme

 


 

Wechsel
  • Willi Jansen für Wolfgang Scheid (46.)
Wechsel
Trainer
  • Günter Brocker
Trainer

 

Existenzsorgen

Ribbeck ist unter die Bauherren gegangen, kann aber von seinen Spielern keine Hilfe erwarten, wie der Trainer zu witzeln versucht: "Ich habe keine Maurer in der Mannschaft." "Wir spielen sogar auswärts oft zu offensiv", folgt die sattsam bekannte Klage des "Maurermeisters" Ribbeck über das "falsche" Personal. Im Karbener Ortsteil Rendel vor den Toren Frankfurts wächst derweil das Sechsfamilienhaus des Übungsleiters der Eintracht heran. "Es soll meine Altersversorgung sein. Aber es würde wohl nie fertig werden, wenn sich meine Frau nicht um die Bauleitung kümmern würde", erklärt der Trainer der "Bild", die seine attraktive Frau vor dem Rohbau mit Bauhelm ablichtet. "Erich verdient heute mehr als zu Beginn seines Frankfurter Engagements", erzählt Ulla Ribbeck dem Boulevardblatt: "Und zurzeit steht auch nicht zu befürchten, dass die Fans uns das Haus abreißen, weil die Mannschaft hinten steht." Fürs bevorstehende Richtfest sucht Ulla Ribbeck aber noch Zimmerleute und Dachdecker: "Und der Erich müsste mit seinen Jungs in Oberhausen am Samstag wenigstens einen Punkt oder besser alle beide holen, damit die richtige Richtfeststimmung aufkommt."

"Mit einem Erfolg in Oberhausen werden wir den Sieg gegen die Münchner erst so richtig wertvoll machen", lautet nicht nur deswegen die Devise der Eintrachtspieler vor dem Spiel. Doch Vorsicht ist geboten: In Spielen bei den Kellerkindern der Liga sehen die Frankfurter nicht allzu häufig gut aus, und noch seltener gelingt es ihnen dort zu punkten. Oberhausen ist Tabellenletzter und in drei Spielzeiten gelang den Hessen bei Rot-Weiß lediglich ein Tor. Trainer Ribbeck baut denn auch vor: "Man sollte kein Spiel leicht nehmen. Der Bayern-Bezwinger sollte eigentlich beim Schlusslicht gewinnen können, aber alles kann ganz anders kommen und am Ende sind wir vielleicht froh, wenn wir einen Punkt mitbringen! So einfach, wie es allenthalben hingestellt wird, ist in Oberhausen beileibe nicht zu gewinnen. Immerhin hat RWO in allen Heimspielen, ausgenommen die Partie gegen den Deutschen Meister Bayern München, gut ausgesehen." Andererseits hat der Gegner erst vier Punkte auf dem Konto, soll aber am Ende der Saison fünf abgezogen bekommen.

Auf die stärkste Elf kann Ribbeck allerdings nicht zurückgreifen. Ender Konca fehlt in Oberhausen wegen eines Länderspieleinsatzes für die Türkei. Lutz und Wirth fallen ebenso wie Trinklein wegen Verletzung aus. Bei Oberhausen sitzt der wegen der Sturmmisere – vier Tore in sieben Spielen – vom KSK Linz neu verpflichtete Karl-Heinz Artmann enttäuscht auf der Reservebank, ohne eine Chance zu haben, im Laufe des Spiels eingreifen zu können. "Der Trainer hatte mir zugesagt, mich aufzustellen", bestätigt der Ex-Linzer, "aber die Transfergenehmigung des österreichischen Verbandes lag noch nicht vor." Warum das so ist, erklärt Artmann auch: "Die zuständige Stelle tritt nur zweimal im Monat zusammen, und macht auch in dringenden Fällen keine Ausnahme. Dabei lag die Freigabe meines alten Vereins vor, und auch der DFB hatte sich um schnelle Erledigung bemüht." Nicht nur Gottes Mühlen mahlen langsam, denkt sich der Zuhörer, während er den Amtsschimmel wiehern hört … RWO-Präsident Gerd Buttgereit erklärt den Blitztransfer des finanziell klammen Klubs so: "Wir wollen mit allen Mitteln versuchen, in der Bundesliga zu bleiben. Wenn wir es nicht schaffen, müssen wir sehen, dass wir im nächsten Jahr keinen Trümmerhaufen haben."


Starke Leistung gegen seinen Ex-Club: Uwe Kliemann,
hier im Kopfballduell gegen Schumacher

In der Tat: Bei Oberhausen haben bereits zu Saisonbeginn zwei Stützen den Verein verlassen: Ludwig Denz, den es zu Hannover 96 zog, sowie Uwe Kliemann. "Vor allem Kliemann fehlt uns sehr", klagt RWO-Trainer Brocker: "Aber was will man machen, wenn es dem Klub finanziell so schlecht geht?" Trainer Brocker erkennt zudem auch Konditionsmängel innerhalb des Teams: "Ich weiß langsam wirklich nicht mehr, wen ich aufstellen soll. Es gibt bei uns eine ganze Reihe Spieler, die einmal pausieren und ihren Akku wieder aufladen müssten, aber es geht einfach nicht, weil sie uns dann sehr fehlen würden. Also müssen sie durchstehen." Folglich drosselt Brocker das Training, um die Verschleißerscheinungen einiger Spieler zu mildern. Vormittags ist nur noch für Freiwillige ein Training angesetzt. Professionelles Arbeiten sieht anders aus. Der "Kicker" hatte es in einem Artikel bereits im August vorhergesagt: "Rot-Weiß Oberhausen gilt allgemein als erster Abstiegskandidat für die neue Bundesliga-Saison. Alles spricht gegen RWO: Die Mannschaft muss die fünf Punkte Abzug, die das Bundesgericht des DFB gegen den Verein aussprach, als Belastung mit in die Saison nehmen; gute Spieler verließen den Klub und neue Leute wurden nicht gekauft!"

Es ist also alles andere als eine Überraschung, dass die Eintracht in den ersten zwanzig Minuten ordentlich Dampf auf den Kessel gibt. Grabowski wirbelt, Rohrbach und Kalb setzen den schwachen Gegner unter Druck. Doch zum wiederholten Male in dieser Spielzeit gehen die Frankfurter viel zu leichtfertig mit ihren Chancen um. Allein der österreichische Nationalstürmer Parits vergibt bis zu 20. Minute vier erstklassige Einschussmöglichkeiten.

Als der verdiente Lohn für die Frankfurter Spielkultur ausbleibt, ist es mit der Herrlichkeit der Hessen nicht mehr weit her. Liegt es wirklich nur an den vergebenen Großchancen von Parits? Horst Heese ist nach eigenen Worten wie "versteinert, als alle Chancen vertan wurden." Bernd Nickel "weiß auch nicht, was heute mit" ihm los ist, schließt sich aber Heese an: "Nach solchen Situationen spielt man unweigerlich verkrampft."

Als die Eintracht schwächer wird, kommt Oberhausen auf. Das Oberhausener Mittelfeld mit Reiner Hollmann, Jupp Tenhagen und Ditmar Jakobs bemüht sich nach Kräften, Hollmann prüft immer wieder Dr. Kunter mit gefährlichen Weitschüssen. Insgesamt sind die Angriffe der Gastgeber aber zu überhastet und werden immer wieder die Beute des sichersten Frankfurter Abwehrspielers Uwe Kliemann. Kliemann hat sich gegen seine alten Kameraden etwas vorgenommen, und setzt das auch um. Leider gehen nicht alle in der Frankfurter Elf so entschlossen und konzentriert zu Werke, wie der "Funkturm".

Parits schleicht nach dem Halbzeitpfiff, wie ein geprügelter Hund vom Platz und wendet sich verzweifelt an Ribbeck: "Bittschön, wechseln´s mich aus, Trainer. Ich kann nicht mehr." Trainer Ribbeck entspricht seinem Wunsch, "obwohl ich im Allgemeinen einen Spieler nicht deshalb bestrafe, weil er mal ein paar Möglichkeiten vergibt. Aber Parits war mit den Nerven völlig fertig." Der am Boden zerstörte Parits findet keine Erklärung für sein Versagen: "Ich wollte gleich am Anfang den Ball so schön scheiberln."

Zur zweiten Halbzeit kommt Horst Heese für den Österreicher. Im Freundschaftsspiel gegen Eusebios Benfica Lissabon vor vier Tagen konnte Heese durchaus überzeugen und erzielte den einzigen Treffer für die Kombination aus Spielern der Eintracht und der Offenbacher Kickers. Das von einer Frankfurter Brauerei gesponserte "Spiel des Jahres" auf dem Bieberer Berg auszutragen, war allerdings angesichts des schwachen Zuschauerinteresses eher eine Schnapsidee, so dass man dem Sponsor empfehlen sollte: "Schuster, bleib’ bei deinen Leisten."

Auch der Gastgeber wechselt aus. Torhüter Scheid, dessen Hand kurz vor dem Seitenwechsel nach einer fallen gelassenen Flanke die Bekanntschaft mit Roland Weidles Fuß machte, muss mit einer Handverletzung vom Platz. Obwohl sich drei Ärzte in der Kabine um ihn bemühen, muss er seinen Posten abtreten und zur Röntgenaufnahme ins Krankenhaus. Scheid wird von Jansen ersetzt, der am Tag zuvor noch mit dicken Mandeln das Bett hüten musste.

Wie die Eintracht gegen die Bayern, zeigt heute RWO ein großes Kämpferherz. Besonders der nach langer Verletzungspause erstmals in dieser Saison von Beginn an spielende Hermann-Josef Wilbertz bringt in der Abwehr eine starke Leistung. Die Eintracht ist spielerisch die eindeutig bessere Mannschaft, und doch lässt sie sich vom unterlegenen Gegner in die eigene Hälfte drängen. Teilweise minutenlang segelt der Ball durch den Gästestrafraum. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Und es geht auch nicht gut.

Die Eintracht bekommt den Ball nicht mehr aus der Abwehr. Gerade hat es eine gefühlte halbe Ewigkeit gedauert, bis die Defensive der Hessen den Ball aus dem Fünfmeterraum befördern konnte, da kommt die Kugel schon wieder zurück in die Gefahrenzone. Mumme und Hollmann zeigen eine sehenswerte Kombination, der Ball kommt zu Dieter Heinrichs, der im Sommer vom Bonner SC zu RWO wechselte und sich in der zweiten Halbzeit gewaltig gesteigert hat, und es steht 1:0 für Oberhausen. Es ist Heinrichs erstes Bundesligator.

Nun wäre es an der Zeit, den Kampf anzunehmen und den Gastgebern ihre beschränkten spielerischen Möglichkeiten in Form von Gegentreffern aufzuzeigen. Doch die Eintracht resigniert. Am Ende können die Frankfurter dankbar sein, das die Niederlage nicht höher ausfällt. Schiedsrichter Linn verweigert einem weiteren Treffer von Heinrichs wegen einer Abseitsstellung die Anerkennung und Schumacher, der im Strafraum der Frankfurter stürzt, den möglichen Elfmeter. Die RWO-Fans nehmen Linn diese Entscheidungen nicht ab und so übel, dass der Schiedsrichter den Schutz der Polizei benötigt.

Nach dem Abpfiff kann sich bei den Hessen bestenfalls Neuzugang Josef Hofmeister freuen, der in der 84. Minute für Hölzenbein zu seinem ersten Saisoneinsatz kommt. Karl-Heinz Körbel, der hoch gelobte Debütant aus dem Bayern-Spiel, hat heute wieder überzeugen können. Die schöne Siegprämie ist futsch, doch Körbel hat mit seinen 17 Jahren bereits nach seinem zweiten Bundesligaeinsatz begriffen: "50.000 Zuschauer können einen Spieler besonders stimulieren, aber keine 5.000 Mark." Betont gelassen gibt sich RWO-Trainer Brocker: "Wir haben nicht nur gewonnen wie gegen Wuppertal, wir haben auch, besonders nach dem Tor, spielerisch ausgezeichnet ausgesehen." Trainer Ribbeck mag nicht widersprechen: "Oberhausen hat verdient gewonnen." "Jetzt können wir nur noch hoffen, dass sich unser Torwart Scheid nicht die Hand gebrochen hat", sagt Brocker. "Kurz vor dem Wechsel hatte ich zwar eine Flanke fallen lassen, hatte aber den Ball im Nachgreifen schon wieder fest in der Hand, als Weidle voll durchtrat", berichtet "Yogi" Scheid und klagt den Frankfurter an: "Hätte ich nicht voll zugepackt, wäre der Ball im Tor gewesen. Aber ein Stürmer darf doch nicht blind drauflos dreschen!"

Auch Erich Ribbeck ist nach dem Spiel erbost: "Wir haben den Sieg in der ersten Halbzeit verschlafen, als wir gute Chancen ausließen." Ribbeck gibt eine für die anwesenden Journalisten angesichts der zur Verfügung stehenden Spieler eine verblüffende Erklärung für die Niederlage: "Oberhausen war uns im Mittelfeld überlegen. Die Gastgeber liefen mehr und boten sich immer wieder an". Das allerdings ist so richtig, wie die Auswärtsschwäche von Ribbecks Mannschaft evident; Die Eintracht hat von den letzten 16 Auswärtsspielen nur ein einziges gewinnen können, aber zehn verloren. Der heutigen Niederlage verdanken die Frankfurter ihr Abrutschen in der Tabelle von Platz vier auf sechs, Oberhausen kann dagegen die rote Laterne an den HSV abgeben.

Horst Heese verkündet indes nach einem Zerwürfnis mit Trainer Ribbeck jedem, der es wissen will: "Ich werde meinen Vertrag hei Eintracht kündigen und will möglichst noch vor dem Dezember zu einem anderen Klub wechseln." Ob der FC Zürich das Rennen um Heese macht, steht aber noch in den Sternen. "Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen", erklärt Ribbeck, den das Züricher Angebot nicht vom Hocker reißt: "100.000 Mark erscheinen mir für einen so starken Spieler wie Heese zu wenig." Heese aber fürchtet, bei der Eintracht aufs Abstellgleis abgeschoben und nur noch gelegentlich eingesetzt zu werden. "Ich möchte nicht, dass es mir eines Tages so geht wie Jusufi und Huberts. Das waren Weltklassespieler. Was soll da erst aus mir werden? Ich möchte meine Karriere nicht in Wiesbaden beenden." "Ich kann doch nicht jeden Spieler verkaufen, der gerade mal auf der Reservebank sitzt. Horst macht sich mit seinen Existenzsorgen doch selbst verrückt", meint Ribbeck zu den Äußerungen seines ehemaligen Freundes. Heese, das ist bekannt, wollte aber schon vor zwei Jahren die Eintracht verlassen und bei Fortuna Köln unterschreiben: "Heute ärgere ich mich, dass ich es nicht getan habe. Ich hänge zwar an meinen Kameraden von der Eintracht, wir haben eine Pfundskameradschaft. Aber ich muss an meine Familie denken. Ich bin nicht der Typ für die Reservebank ..."


Nachtrag

Am 16.12.1972 wird in einer Schiedsgerichtsverhandlung dem Gnadenersuch der Oberhausener gegen den 5-Punkte-Abzug stattgegeben. Am Ende der Saison steigt Oberhausen dennoch ab, ohne je einen der beiden Abstiegsränge verlassen zu haben.

Trainer Brocker wird vom DFB vom 11. November 1972 bis 10. November 1974 gesperrt, weil er an der Manipulation des Bundesliga-Aufstiegsspiels zwischen Tennis Borussia Berlin und Arminia Bielefeld am 27. Juni 1970 beteiligt gewesen sein soll. Brocker, damals Trainer der bereits abgeschlagenen Berliner, hatte bereits vor einem ordentlichen Gericht ausgesagt, nichts von einer angeblichen Schiebung gewusst zu haben. Dies bekräftige er in Frankfurt erneut. Allerdings wird er von Bielefelds Spielausschuss-Mitglied Brökel und den ehemaligen Tennis-Borussia-Spielern Lunenburg und Lang schwer belastet.

Ende Januar 1973 findet die Berufungsverhandlung über die Sperre von Ex-RWO-Trainer Günther Brocker statt. Sein zweijähriges Ausbildungsverbot wird bestätigt, so dass seine Rückkehr auf den Oberhausener Trainerstuhl ausgeschlossen ist. Präsident Buttgereit spricht sich jedoch dafür aus, den gesperrten Trainer im RWO-Jugendbereich weiter zu beschäftigen: "Wir wollen Herrn Brocker auf jeden Fall dafür gewinnen. Wir sehen überhaupt nicht ein, warum ein unschuldig Verurteilter nicht auf anderem Posten bei uns weiterarbeiten soll!"

Am letzten Spieltag der Saison 1972/73 hält Trainer Brocker beim 2:1-Sieg über die Offenbacher Kickers über die Lautsprecheranlage des Stadions in der Halbzeit eine Ansprache an die verbliebenen 800 Fans des Absteigers: "(..) Die abgelaufene Saison war unselig und leidvoll. Spielerverkäufe waren zur Sanierung notwendig. Der Zuschauerschwund durch den Skandal und die Gerichtsverhandlungen gegen RWO, von denen die Spieler hin- und hergerissen worden sind, und das durch gezielte Stimmungsmache auf fremden Plätzen gegen RWO aufgebrachte Publikum sind in unliebsamer Erinnerung. Dennoch: Die Geschehnisse der letzten zwei Jahre in und um RWO müssen schnellstens in Vergessenheit geraten. RWO muss einer der führenden Vereine des Reviers bleiben! Vielen Dank für Ihr Verständnis und ihre Treue!" (Quelle: rwo-online.de) (rs)


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