Fortuna Düsseldorf - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1972/1973 - 4. Spieltag

2:2 (1:2)

Termin: Sa 30.09.1972, 15:30 Uhr
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Volker Roth (Salzgitter)
Tore: 1:0 Werner Lungwitz (7., Foulelfmeter), 1:1 Bernd Hölzenbein (26.), 1:2 Uwe Kliemann (43.), 2:2 Reiner Geye (66.)

 

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Fortuna Düsseldorf Eintracht Frankfurt

  • Wilfried Woyke
  • Heiner Baltes
  • Werner Lungwitz
  • Werner Kriegler
  • Egon Köhnen
  • Klaus Budde
  • Fred Hesse
  • Dieter Herzog
  • Gerd Zewe
  • Peter Biesenkamp
  • Reiner Geye

 


 

Wechsel
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Trainer
  • Heinz Lucas
Trainer

Luschentore

Nur drei Tage nach dem unglücklichen Ausscheiden im UEFA-Cup gegen den FC Liverpool steht für die Frankfurter das Auswärtsspiel in Düsseldorf an. Trainer Ribbeck nimmt gegenüber dem Dienstagspiel zwei Änderungen vor: Rohrbach kommt für Reichel in die Mannschaft und Nickel ersetzt Heese, von dem erst später bekannt wird, dass er aufgrund einer Roten Karte im Turnier auf Mallorca vor einigen Wochen vom DFB für zwei Spiele gesperrt wurde. Der am Knöchel verletzte Kapitän Jürgen Grabowski fehlt weiterhin.

Dabei könnte ihn seine Mannschaft heute gut gebrauchen, denn die Fortuna ist auch für auswärtsstärkere Teams als die Eintracht kein auf die leichte Schulter zu nehmender Gegner. Außerdem würden die Rheinländer zu gerne die erste Saisonniederlage vom letzten Wochenende ausgleichen, als man dem Vizemeister auf Schalke deutlicher unterlegen war, als es das 1:3 aussagt. "Meine Mannschaft muss und wird beweisen, dass sie ihre gute Eigenschaft nicht verloren hat, gestärkt aus einer Niederlage hervorzugehen", verspricht Trainer Lucas.

Tatsächlich haben die Gastgeber sofort nach dem Anpfiff die erste Chance. Geye flankt und Biesenkamp schießt, Dr. Kunter kann den Ball zwar nur von den Fäusten abprallen lassen, verhindert aber immerhin so den Rückstand. Beeindruckt zeigen sich die Frankfurter nicht vom stürmischen Beginn der Düsseldorfer. In der 4. Minute kommen sie sogar selbst zu einer ersten Torchance, doch Kalb köpft den Freistoß von Weidle über die Latte. Kurz darauf macht sich Kliemann auf den Weg, zielt nach einem ausgiebigen Dribbling aber ebenfalls über den Kasten der Fortuna.

Trotz dieser Chancen ist die taktische Vorgabe Ribbecks deutlich: Die Frankfurter sollen sich weitgehend auf die Sicherung ihres eigenen Tores beschränken. Diese Sicherung fliegt jedoch bereits in der siebten Minute das erste Mal heraus, als Kriegler im Zweikampf mit Rohrbach im Strafraum zu Fall kommt. Schiedsrichter Roth aus Salzgitter entscheidet zu Recht auf Strafstoß für die Düsseldorfer. Lungwitz ist ein sicherer Elfmeterschütze, der in der letzten Spielzeit zwei Elfmeter für die Fortunen verwandelt hat. Auch heute versagen ihm am Elfmeterpunkt nicht die Nerven.

Doch damit ist es noch nicht genug für die Frankfurter: Sechs Minuten später muss Thomas Rohrbach den Platz verlassen, seine alte Leistenverletzung ist wieder aufgebrochen, Friedel Lutz kommt für ihn in die Partie. Weidle, der über den Flügel für Druck sorgt, wird in derselben Minute im Strafraum von Lungwitz gelegt, aber diesmal lässt Schiedsrichter Roth das Spiel weiterlaufen. Immerhin drückt Roth auch beide Augen zu, als Konca Baltes beidhändig umstößt.

In der 23. Minute liegt das 2:0 für die Fortuna in der Luft: Nach einem von Geye getretenen Eckball köpft Biesenkamp knapp über die Fäuste von Dr. Kunter an die Latte. Die Nachlässigkeit der Gastgeber in der Chancenverwertung bestrafen die Hessen nur drei Minuten später durch Bernd Hölzenbein. Der Ausgleichstreffer kommt allerdings glücklich zustande: Hölzenbein riskiert einen Schrägschuss von links, der von Lungwitz abgefälscht wird, sich - eine Kurve beschreibend - ins untere Toreck dreht und dort von der Pfosteninnenseite ins Netz springt. Es ist bereits Hölzenbeins drittes Tor im vierten Ligaspiel.

Die Frankfurter werden durch diesen Treffer selbstbewusster und spielen nun frecher nach vorne. Hölzenbein hat sogar das 1:2 auf dem Fuß, verzieht jedoch - von Kalb eingesetzt - den Ball, der am langen Toreck vorbei ins Toraus rollt. Nach einer halben Stunde lässt Trinklein Geye über die Klinge springen, was ihm eine Gelbe Karte einbringt. Hesse schießt in der Folge wuchtig aus dem Hinterhalt, verfehlt aber sein Ziel denkbar knapp.

Ab der 35. Minute geraten die Gäste wieder ins Schwimmen, zu viele Pässe finden ihren Adressaten nicht. Die Fortuna drückt einige Minuten sehr, kann aber keinen Vorteil aus ihrem Übergewicht schlagen und hat Pech, als Dr. Kunter bei einer flachen Hereingabe vorbei greift, das Leder aber nicht ins Tor, sondern daran vorbei geht.

Bernd Nickel kommt nach zögerndem Beginn jetzt immer besser ins Spiel. Kurz vor der Pause visiert er aus 25 Metern den Torwinkel an, doch Woyke lenkt das Leder zur Ecke. Kalb schlägt den Ball nach innen, Kliemann reckt sich höher als die Fäuste von Fortuna-Keeper Woyke und sein Kopfball fliegt ins leere Tor. Uwe Kliemann, der zweifellos beste Neuzugang der Eintracht, überragt seine Mitspieler erneut nicht nur an Körpergröße: Hinten ist er der Fels in der Brandung und vorne ist er torgefährlich.


Kliemann bejubelt das 1:2

Kurz vor der Pause stellt Kliemann dann wieder im eigenen Strafraum seinen Wert für diese Eintracht-Elf unter Beweis. Geye ist zum wiederholten Mal Schämer entwischt, doch Kliemann holt den Entlaufenen trotz dessen Vorsprungs mit gewaltigen Sätzen ein, und bevor Geye abziehen kann, hat der Libero im letzten Moment sein Bein dazwischen. Die Würdigung von Kliemanns Leistung bedeutet keinen Abstrich an der glänzenden Partie des Dr. Kunter, an dem soliden Verteidigungspart von Lutz oder an der vortrefflichen Vorstopper-Partie von Gert Trinklein. Auf der linken Abwehrseite aber ist die Einbruchstelle, dort, wo der schnelle Geye immer wieder Lothar Schämer versetzt. Dennoch geht die Eintracht mit der knappen Führung in die Pause.

"Biesenkamp hatte die Aufgabe, bei Eckbällen und Freistößen Kliemann zu beschatten. Aber bei dem Eckball, der dann zum 1:2 führte, kam unser langer Mann nicht heran", erklärt Düsseldorfs Mannschaftsbetreuer Werner Fassbinder. Düsseldorfs sonst so ruhiger Trainer Heinz Lucas ist sichtlich bedient und macht seinem Ärger Luft: "Meine Mannschaft spielte begeisternd, konnte 2:0 oder gar 3:0 führen, und liegt jetzt durch zwei Luschentore 1:2 zurück."

Lucas versucht es in der zweiten Halbzeit mit einer Umstellung: Verteidiger Köhnen geht ins Mittelfeld und soll so für mehr Druck sorgen. Doch das Vorhaben gelingt nicht. Stattdessen stürmt die Eintracht gleich nach Wiederbeginn, als läge sie im Rückstand. Die Fortuna-Spieler werden oft zum Zuschauen verurteilt, wenn das Frankfurter Mittelfeld mit Kalb, Nickel und Hölzenbein sein schnelles Kombinationsspiel aufzieht. Nun lebt jenes Pfeifkonzert wieder auf, mit dem die enttäuschten Fortuna-Fans ihre Mannschaft bereits bei ihrem Weg in die Pause begleitet hatten.

Doch auch wenn im Mittelfeld die Fäden wieder besser als zuvor bei Bernd Nickel zusammenlaufen und Bernd Hölzenbein nach einer ersten Halbzeit, in der das Spiel an ihm vorbeilief, im zweiten Durchgang zum gefährlichsten Eintracht-Stürmer wird, liegt die Stärke der Eintracht in der Abwehr, zumal Mittelstürmer Parits noch nicht wieder zu seiner früheren Gefährlichkeit zurückgefunden hat und der fast lustlos scheinende Konca wie ein Fremdkörper wirkt. In der 60. Minute arbeitet Hölzenbein eine gute Chance heraus, Kalb kann frei köpfen, aber der Ball fliegt über die Latte. In ähnlicher Situation verfehlt auch Konca nach Vorlage Hölzenbeins das Tor. Dann wird Hölzenbein noch eindeutiger als Weidle im ersten Durchgang im Strafraum gelegt, aber Schiedsrichter Roth bringt wieder nicht den Mut auf, einen zweiten Strafstoß zu verhängen.

Im Laufe des Spiels wird sichtbar, dass der Eintracht trotz des Dauerläufers Weidle wie in der Vorsaison auf der Schlussgeraden manchmal die Puste ausgeht. Die Fortunen sind konditionell klar im Vorteil und haben mehr zuzulegen als ihre Kontrahenten vom Main. Allerdings gehen sie mit ihren Chancen weiterhin allzu leichtfertig um. Wieder geht Geye auf und davon, doch Biesenkamps Schuss kratzt Dr. Kunter aus dem Winkel und wehrt auf Kosten eines Eckballs ab.


Ender Konca und eine
Schauspieleinlage von Baltes

Die Düsseldorfer versuchen, die Verzögerungstaktik der technisch überlegenen, aber kräftemäßig nachlassenden Eintracht immer wieder mit steilen und schnellen Pässen zu durchbrechen. In der 66. Minute werden Geye und die Düsseldorfer Zuschauer endlich erlöst: Geye trifft nach einer Flanke von Herzog zum verdienten Ausgleich. Trainer Ribbeck entscheidet sich erst jetzt, und damit zu spät, das Loch, das Geye permanent gegen Schämer reißt, durch einen Positionstausch mit Jürgen Kalb zu stopfen. Lucas kontert und schickt Geye auf den linken Flügel, aber Kalb bleibt am Ball und damit an Geye.

Dafür treibt Gerd Zewe, der zu Saisonbeginn von Borussia Neunkirchen zur Fortuna gewechselt ist, die Fortuna weiter an, und Dieter Herzog macht im Sturm eine tolle Partie. Die Düsseldorfer besitzen in diesem Spiel eine Vielzahl von Chancen, doch sie besitzen nicht einen Torhüter von der Klasse Dr. Kunters. Im Gegensatz zum Woyke, der bei beiden Toren der Hessen einen nicht geringen Anteil hatte, vereitelt der Frankfurter Keeper mit drei Glanzparaden einen dritten Treffer der Gastgeber.

In der 75. Minute hat auf der Gegenseite Uwe Kliemann Pech: Aus 25 Metern zieht er ab und trifft die Latte des Tores. Die Eintracht spielt einen cinemascopeartigen Fußball, zu sehr in die Breite anstatt in die Spitze. Nur wenn Kliemann nach vorne geht, wird es brenzlig für die Gastgeber. Aber Weidle kann die Flanke seines Mitspielers nicht verwerten und köpft an Woykes Kasten vorbei.

In der Schlussminute scheinen sich die vergebenen Chancen zu rächen, denn Düsseldorf steht kurz vor dem Siegtreffer. Hier kommt selbst der ausgezeichnete Torwart der Eintracht zu spät, Buddes Kopfball ist für ihn unerreichbar. Doch das Glück ist mit dem Tüchtigen: Die Kugel klatscht an die Latte des Frankfurter Tores und der erhoffte erste Auswärtspunkt der Saison ist unter Dach und Fach.

Mit diesem Unentschieden festigen beide Mannschaften ihre Platzierungen in der Tabelle: Die Eintracht bleibt 6. und die Fortuna 8. "Ich bin traurig über das Ergebnis", sagt Düsseldorfs Trainer Lucas und fügt hinzu: "Wir haben in der ersten Halbzeit den Sieg vergeben, als wir dem 2:0 greifbar nahe waren. Ich habe auch in der Halbzeit an ein Unentschieden geglaubt, weil meine Mannschaft eine gute Moral hat. Insgesamt war es ein temporeiches Spiel mit vielen spannenden Torszenen. Als Zuschauer wäre ich begeistert gewesen und hätte bestimmt nicht gepfiffen, wie es einige Fortuna-Anhänger taten."

Eintracht-Trainer Ribbeck findet, dass die Fortuna mit dem Unentschieden gut bedient ist: "Wir haben besser gespielt." "Wir haben uns diesen Punkt redlich verdient", sagt Ribbeck und erklärt seine misslungene taktische Vorgabe: "Ich habe zu Beginn der zweiten Halbzeit mit Absicht noch einmal stürmen lassen, um den Vorsprung auszubauen, weil ich fürchtete, dass unsere Kräfte auf Grund der ständigen Aufeinanderfolge von englischen Wochen nachlassen würden. Leider ist uns das 3:1, zu dem wir durchaus die Möglichkeit hatten, nicht geglückt." "Rohrbach hat eine Muskelzerrung erlitten und musste deshalb gegen Lutz ausgetauscht werden, der sich in der Manndeckung sehr gut schlug", lobt der Trainer seinen erfahrenen Spieler und vergisst nicht den besten zu erwähnen: "Kliemann war unser Prellbock und auch der Schütze eines wichtigen Tores."

Am Ausgang des Düsseldorfer Rheinstadions haben sich ein halbes Dutzend Frankfurter Fans aufgestellt. Als der Torwart herauskommt, stimmen sie an: "Kunter ist der Größte, Kunter ist der Allergrößte." Für den Libero Kliemann haben sie außer "Uwe, Uwe" noch keinen Vers, doch der wird bei dem Publikumsliebling nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wenn es einen Fortschritt zur Eintracht der letzten Saison gibt, dann trägt dieser Fortschritt den Namen Kliemann. Der "Funkturm" machte auch heute den Unterschied. (rs)

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