MSV Duisburg - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1971/1972 - 34. Spieltag

0:1 (0:0)

Termin: Mi 28.06.1972, 15:30 Uhr
Zuschauer: 4.500
Schiedsrichter: Heinz Quindeau (Ludwigshafen)
Tore: 0:1 Bernd Nickel (75.)

 

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MSV Duisburg Eintracht Frankfurt

  • Dietmar Linders
  • Heinz-Peter Buchberger
  • Michael Bella
  • Detlef Pirsig
  • Kurt Rettkowski
  • Ronald Worm
  • Bernd Lehmann
  • Johannes Linßen
  • Johannes Riedl
  • Rudolf Seliger
  • Klaus Wunder

 


 

Wechsel
  • Werner Schneider für Rudolf Seliger (23.)
  • Djordje Pavlic für Bernd Lehmann (54.)
Wechsel
Trainer
  • Rudolf Faßnacht
Trainer

 

Eine Kopfsache

Der Zweikampf um den fünften Platz, der zur Teilnahme am UEFA-Cup berechtigt, ist am letzten Spieltag auf dem Höhepunkt angelangt. Punktgleich stehen die Hertha aus Berlin und die Eintracht vor den Auswärtsaufgaben in Bochum und Duisburg - zwei Mannschaften, für die es heute um nichts mehr geht. Die Eintracht hat den Vorteil der besseren Tordifferenz, aber auch seit dem 12. Spieltag auswärts kein Spiel mehr gewonnen. Ein Sieg ist jedoch notwendig, wenn man den fünften Platz ganz sicher haben will.

Die Bilanz der Hessen an der Wedau ist ausgeglichen: 8:8 Punkte bei vier Unentschieden in den letzten sechs Begegnungen. Das Vorrundenspiel im Waldstadion konnte die Eintracht knapp mit 2:1 für sich entscheiden. Der MSV ist vor diesem Spieltag Tabellenvierzehnter und wird – das steht jetzt schon fest – auch am Ende auf dem 14. Rang stehen.

Allerdings ist Vorsicht angesagt: Als Tabellenfünfter gehören die Frankfurter zu den arrivierten Mannschaften, und auf die hat es der MSV nun einmal abgesehen. "Es geht zwar nicht gegen die Bayern", sagt Duisburgs Trainer Faßnacht, "aber ein Sieg über eine Spitzenmannschaft ist immer ein guter Saisonabschluss." Dieser Sieg soll den "Zebras" auch ohne den im Zuge des Bundesligaskandals gesperrten Danner, den nach Berlin verkauften Buchberger und den verletzten Seliger gelingen. Dass Duisburg doch mit Jugendnationalspieler Worm antritt, der beim Finale der deutschen Jugend-Meisterschaft am Wochenende in Stuttgart zwei schwere Spiele zu bestreiten hat, kommt allerdings überraschend. Erich Ribbeck lässt seine Elf in der Aufstellung des letzten Spieltages antreten. Bernd Hölzenbein, der sich am 6. Juni im Freundschaftsspiel in Aßlar eine Knöchelverletzung zugezogen hat, bleibt wie gegen Hannover erst einmal nur der Platz auf der Ersatzbank.

Den ersten gefährlichen Torschuss kann die Eintracht aber auch ohne Hölzenbeins Mitwirkung verbuchen. In der sechsten Minute feuert Nickel in bewährter Manier einen Freistoß aus gut 20 Metern ab, der genau ins untere Eck passt, aber Torwart Linders ist auf dem Posten und zur Stelle. Dann muss freilich die Eintracht die Luft anhalten, als ein Schrägschuss von Wunder knapp Dr. Kunters Gehäuse passiert.

Dem Spiel der Eintracht merkt man die große Bedeutung der Partie an. Die Elf vom Main zeigt weder ihren gefürchteten Spielwitz noch die mannschaftliche Geschlossenheit, die man von einem Team ihrer Klasse erwarten kann. Über eine konzentrierte Abwehrarbeit sollen die eigenen Angriffe aufgebaut werden - das Konzept der Eintracht ist klar, aber es geht nicht immer vollständig auf. Es macht sich bemerkbar, dass Hölzenbein fehlt und es so wieder einmal die Aufgabe von Jürgen Grabowski und seines kongenialen Partners Bernd Nickel ist, dem Spiel der Eintracht die Glanzlichter zu verpassen, die man von dieser Elf mittlerweile gewohnt ist. Unterstützt werden die beiden immerhin von Libero Gert Trinklein, der sich immer wieder geschickt ins Angriffsspiel einschaltet. Die Eintracht erspielt sich auch deutliche technische Vorteile, wirkt aber im Angriff oft etwas umständlich. Einzelleistungen sind Trumpf. Parits kann wie zur Bestätigung mit einem prachtvollen Sololauf überzeugen, wird aber leider von Linders aufgehalten.

Bei den Duisburgern geht fast alle Gefahr von Worm am linken Flügel aus. Es soll Menschen geben, die Zebras mit der Hand fangen können, Rohrbach muss es beim Zebra "Worm" mit Köpfchen und seinen Füßen versuchen, was ihm nicht leicht fällt. Worm ist kaum zu stoppen, richtet aber auch keinen bleibenden Schaden in Form eines Treffers an. Die klarste Torgelegenheit verpasst Riedl vor dem Frankfurter Kasten, als er mit einem Spreizschritt nicht an eine scharfe Flanke herankommt.

In der 23. Minute muss dann Trainer Faßnacht das erste Mal auswechseln. Für Rudi Seliger geht es verletzungsbedingt nicht weiter. Der erst 17-jährige Werner Schneider, der vor fünf Tagen gegen Köln in der Bundesliga debütierte, kommt für Seliger und somit zu seinem zweiten Einsatz in der höchsten deutschen Spielklasse.

Gute Szenen hat die Eintracht dann in der 37. Minute, als erst Grabowski gestoppt wird, dann Heese zweimal köpft und auch mit seinem langen Bein den Ball nicht über die Linie bringt. Die Eintracht hat jetzt ganz klare Vorteile und erarbeitet ihre größte Torchance zwei Minuten vor der Pause. Grabowski ist nach einem Heese-Kopfball in Schussposition und zieht wuchtig ab. Statt ins Tor trifft er jedoch lediglich Torwart Linders Schädel voll – Schieben anstelle von Schießen wäre hier sinnvoller gewesen. Im Gegenzug kommt auch Bella noch einmal zu einer Chance, doch sein Ball geht über die Latte des Frankfurter Tores.

"Der Grabowski knallte mir den Ball aus drei Meter Entfernung an den Kopf, obgleich er im Abseits stand", schimpft der erboste Torhüter Linders in der Pause über "Grabis" Gewaltschuss vor dem Seitenwechsel. Zur Halbzeit steht es im Wedau-Stadion trotz der Aufregung des MSV-Keepers 0:0 unentschieden, in Bochum liegt jedoch die Hertha gegen den VfL mit 0:2 hinten. Kurz nach dem Wiederanpfiff kommt dann aber die Kunde, dass die Berliner auf 1:2 verkürzt haben.

Der mit etlichen jungen Kräften angetretene MSV zeichnet sich auch in der zweiten Hälfte durch großen Kampfgeist aus, der manchmal jedoch in Übereifer und blinden Einsatz ausartet. Außerdem verstehen es die Duisburger nicht, die wenigen Chancen zu nutzen, die sich ihnen bieten. In der 54. Minute tauschen die Duisburger ihren zweiten Mann aus. Pavlic kommt für Lehmann, und zwei Minuten später wechselt auch die Eintracht, Hölzenbein kommt für Heese auf den Platz.

Wechsel hin, Wechsel her - die Eintracht bleibt auch in der zweiten Halbzeit die bessere Mannschaft. Bei ihr läuft der Ball fließend über die Stationen, während das Spiel der Duisburger viel holpriger und blasser wirkt. Die Führung will den Hessen aber nicht gelingen, Koncas Schuss knallt gegen die Latte, doch wieder nicht ins Tor.

Mitte der zweiten Halbzeit verliert die Eintracht dann ihren Stammtorwart. Dr. Kunter muss nach einem Zusammenprall mit Linssen mit Verdacht auf Gehirnerschütterung vom Platz gehen. Siegbert Feghelm, der den Verein verlassen wird, steht nun für Kunter zwischen die Pfosten.

Die größte Chance des MSV vergibt etwa eine Viertelstunde vor dem Spielende Schneider, der einen herrlichen Querpass von Klaus Wunder nicht erreicht. Jener Klaus Wunder übrigens, der vor Wochen auch von der Eintracht umworben wurde, jedoch nicht an den Main wechseln wird.

Kurz nach dieser Duisburger Großchance ist es dann Bernd Nickel, der die Entscheidung herbeiführt. In der 75. Minute tritt Dr. Hammer aus fast 30 Metern die Kugel auf das Tor des MSV, im Bogen fliegt der Ball auf den Kasten zu, wird von Linders falsch berechnet, setzt tückisch dicht neben dem Pfosten auf und springt über den Torhüter hinweg ins Netz.

Feghelm kann jetzt in seinem "Abschiedsspiel" beweisen, dass er durchaus ein zuverlässiger Torwart ist. Er bekommt gegen die am Schluss noch einmal aufdrehenden Westdeutschen mehr zu tun, als Kunter in den 67 Minuten davor. Dabei könnte er sich einen Patzer leisten, denn die Hertha liegt in Bochum mittlerweile mit sage und schreibe 1:4 in Rückstand! Der Eintracht würde also auch eine Niederlage nichts mehr kaputt machen können, doch sicher ist sicher, und sie hat gut daran getan, sich nicht auf fremde Schützenhilfe zu verlassen.

Hertha verliert mit 2:4 in Bochum, die Eintracht wird mit zwei Punkten Vorsprung auf die Berliner Fünfter und spielt in der nächsten Saison im UEFA-Cup. Der fünfte Platz der Eintracht kennzeichnet den gewaltigen Sprung, den die Mannschaft von der Abstiegszone des letzten Jahres bis zum Ende dieser Saison gemacht hat. Bei aller Freude und Begeisterung sollte man jedoch nicht vergessen, dass die Qualifikation für den europäischen Wettbewerb nur möglich wurde, weil die vom Bundesligamanipulationsskandal gebeutelte Hertha an den letzten beiden Spieltagen mit einer Notelf antreten musste, die wenig mit der Mannschaft gemein hatte, die zu Beginn der Saison die Farben der Berliner vertreten sollte. Aus den letzten beiden Spielen gegen den Zwangsabsteiger Bielefeld und den Neuling Bochum holte die Hertha nur noch einen mageren Punkt. Die Ausfälle der ab dem 21. Juni gesperrten Volkmar Groß, Peter Enders, Wolfgang Gayer, Arno Steffenhagen, Karl-Heinz Ferschl, Jürgen Weber, Michael Kellner, Jürgen Witt und Hans-Jürgen Sperlich waren nicht mehr zu verkraften, nachdem aus demselben Anlass zuvor bereits zu Saisonbeginn Tasso Wild und Bernd Patzke sowie seit dem 23. Januar Jürgen Rumor, Laszlo Gergely und Zoltan Varga nicht mehr zur Verfügung standen.

Nichtsdestotrotz – die Eintracht stand seit Gründung der Bundesliga lediglich 1964 als Dritter und 1967 als Vierter besser als heute und erzielte bisher nie so viele Tore wie in dieser Saison – 71, davon 50 im Waldstadion. Die 61 Gegentore stellen auch einen Rekord dar, allerdings einen negativen. In der zweiten Bundesligaspielzeit gab es 58 Gegentreffer, in der letzten, als man fast abgestiegen wäre, 56. Dieser "Höhepunkt" wird Ribbeck etwas weh tun, legt der junge Coach doch so viel Wert auf die Abwehrarbeit.

Die Stimmen der Trainer fallen am Saisonende aber der Stimmung entsprechend aus und die ist hüben wie drüben entspannt. "Sowohl vom Spielerischen her als auch von den Chancen waren wir besser", kommentiert ein zufriedener Erich Ribbeck das letzte Saisonspiel. "Es war ein recht ordentliches und vom Tempo her bemerkenswertes Spiel", findet Ribbecks Duisburger Kollege Faßnacht.

Bemerkenswert ist auch die Einschätzung des Sportmaganzins "Kicker" über die deutschen Rechtsaußen der Bundesliga: Trotz zweier Verletzungen und obwohl ihn Bundestrainer Schön im EM-Finale gegen die UdSSR nicht eingesetzt hat, ist Jürgen Grabowski für den "Kicker" der beste Rechtsaußen der Liga und der einzige, dem auf dieser Position das Prädikat "internationale Klasse" zugebilligt wird. "Im weiteren Kreis" wird Libuda aufgeführt, ebenfalls allein. "Rechtsaußen gibt es weder in Masse noch gar in Klasse", schreibt der "Kicker" und lobt: "Jürgen Grabowski (..) behielt seinen einsamen Platz an der Sonne. (..) Die Lücke dahinter aber ist riesengroß und zukuntsdüster."

Nach dem Spiel ist diesmal nicht vor dem Spiel, sondern vor der neuen Saison. Und die wird einen veränderten Kader der Frankfurter Eintracht erleben. Als Neuzugänge für die neue Spielzeit stehen bereits Torhüter Wienhold (Singen 04), Uwe Kliemann (Rot-Weiß Oberhausen), Karl-Heinz Körbel (FC Dossenheim) und Wolfgang Kraus (eigene Jugend) fest. Außerdem kommen Krauth (FC Neureut), Markert (FC Großwallstadt) sowie Hofmeister (FC Freiburg), während Ritter, Diehl, Ungewitter, Aust, Hofmann und Feghelm den Verein verlassen werden. Der Abgang von Wirth steht noch nicht endgültig fest, Klaus Stahl, zum Lizenzspielerkader der Frankfurter Eintracht gehörender Amateur-Fußballspieler, hat sich dagegen bereits dem FSV Frankfurt angeschlossen. Während Stahl freiwillig absteigt, kehrt die Diva vom Main in der nächsten Spielzeit auf eine Bühne zurück, auf der sie in der Saison 1959/60 für Furore sorgte. Der UEFA-Cup ist zwar nicht der Landesmeisterpokal, aber ein europäischer Wettbewerb ist und bleibt etwas Besonderes. Und vielleicht können Grabowski, Nickel und Hölzenbein ja in die Fußstapfen von Kress, Pfaff und Stein treten. (rs)

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