Eintracht Frankfurt - Arminia Bielefeld

Bundesliga 1971/1972 - 29. Spieltag

5:2 (3:1)

Termin: Sa 22.04.1972, 15:30 Uhr
Zuschauer: 7.000
Schiedsrichter: Walter Engel (Reimsbach)
Tore: 1:0 Thomas Parits (3.), 2:0 Thomas Parits (19.), 3:0 Horst Heese (22.), 3:1 Gerd Roggensack (26.), 3:2 Georg Damjanoff (57.), 4:2 Roland Weidle (71.), 5:2 Jürgen Grabowski (75., Foulelfmeter)

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Arminia Bielefeld

 


  • Dieter Burdenski
  • Georg Stürz
  • Gerd Kasperski
  • Georg Damjanoff
  • Norbert Leopoldseder
  • Karl-Heinz Brücken
  • Dieter Brei
  • Roland Stegmayer
  • Ulrich Braun
  • Gerd Knoth
  • Gerd Roggensack

 

Wechsel Wechsel
Trainer Trainer
  • Jan Notermans

 

Bruchstellen

Eine seltsame Begegnung: Die Eintracht kämpft auf dem grünen Rasen um die Teilnahme am UEFA-Cup, während die Arminen ihren Kampf um den Ligaverbleib am grünen Tisch längst verloren haben. Seit dem letzten Wochenende ist das Urteil gegen die Bielefelder rechtskräftig; die Ostwestfalen müssen wegen ihrer massiven Verstrickung in den Manipulationsskandal der vorherigen Saison absteigen.

Das Paradoxe an der aktuellen Situation ist, dass die Bielefelder unabhängig vom jeweiligen Spielausgang am Ende der Saison mit null Toren und Punkten das Ende der Tabelle zieren werden, während bei ihren Gegnern die gegen die Arminia tatsächlich erspielten Tore und Punkte zu Buche schlagen.

25:3 gegen 2:26 Punkte treten heute gegeneinander an, Heimstärke gegen Auswärtsschwäche. Trainer Ribbeck wählt deshalb auch eine offensive Taktik und lässt seine Elf im 4-2-4-System antreten. Er kann dabei nach der Wiederkehr von Jürgen Grabowski schließlich auch wieder auf die Dienste von Thomas Parits zurückgreifen. Parits hatte sich am 18. März im Heimspiel gegen Braunschweig den Kiefer gebrochen, zunächst nur flüssige Nahrung zu sich nehmen und 14 Tage gar nichts kauen können: "Ich habe trotzdem bald wieder leicht und nun 14 Tage voll trainiert. Am kommenden Samstag sind genau fünf Wochen rum, und damit soll nach Ansicht der Ärzte der Bruch verheilt sein."

Im Mittelfeld spielen der wie Heese leicht angeschlagene Bernd Hölzenbein und Thomas Rohrbach. Der in den letzten Partien müde wirkende Bernd Nickel bekommt seine verdiente Pause. Heese rückt jedoch nicht wie erwartet für Nickel ins Mittelfeld, sondern bleibt mit Parits in der Sturmmitte, während Grabowski und Weidle die Außenpositionen besetzen.

Die Eintracht legt vor 7.000 Zuschauern los, als gäbe es kein Morgen mehr. Bereits nach drei Minuten gehen die Frankfurter in Führung. Thomas Parits hat auf Vorlage von Heese getroffen. Dabei witzelte der von seinem Kieferbruch genesene Parits noch in dieser Woche: "Mit dem Essen geht es schon wieder ganz gut, nur mit Steaks bin ich noch vorsichtig. Ich hoffe aber, auch ohne Steaks am Samstag spielen zu können." Nun, er kann, und mit dem Torschießen geht es offensichtlich auch schon wieder ganz gut.

Parits lässt sich die Bielefelder Hintermannschaft gut schmecken, vernascht seine Gegenspieler nach Belieben und lässt die Bielefelder Abwehr nach Doppelpässen mit Grabowski immer wieder stehen, wie ein Diabetiker ein überzuckertes Dessert. Nur der Torhunger des österreichischen Nationalspielers ist noch nicht gestillt: In der 19. Minute lässt er seinem ersten Treffer das 2:0 folgen, dieses Mal hat Roland Weidle die Vorarbeit erledigt.


Das 3:0 durch Horst Heese

Drei Minuten später darf Horst Heese seine Kopfballstärke unter Beweis stellen, als er eine schöne Flanke von Weidle zum 3:0 verwertet. Das Spiel ist entschieden, keine Frage, und nicht wenige Fans träumen nun von einem Sieg in zweistelliger Höhe. Doch da erleidet das Spiel der Hessen einen unerwarteten Bruch. Es ist nicht zu verstehen, warum die Eintracht nach diesem Tor wieder in die überhebliche Spielweise verfällt, die sie bereits beim Heimspiel gegen Braunschweig einen Punkt gekostet hat.

Statt ihre Angriffe weiter konsequent vorzutragen, verzetteln sich die Riederwälder, übertreiben das Klein-Klein-Spiel und laden den Gegner aus Ostwestfalen geradezu zum Widerstand ein. Der beste Bielefelder Stürmer Gerd Roggensack lässt sich nicht zweimal bitten, als Thomas Rohrbach den Ball im Mittelfeld leichtfertig gegen Knoth vertändelt. Roggensack schnappt sich das Leder, zieht ungehindert davon und lässt sich vom herausstürzenden Frankfurter Keeper nicht mehr aufhalten: An Dr. Kunter vorbei schiebt er die Kugel von der Strafraumgrenze ins Tor, und nach 26 Minuten steht es nur noch 3:1 für die Eintracht.

Was sich nun abspielt, ist einfach nur zum Haareraufen: Die bislang hoffnungslos unterlegenen Bielefelder übernehmen das Kommando, und die Frankfurter Abwehr gerät so sehr ins Schwimmen, dass man einen Bademeister rufen möchte, um wieder Ordnung in diesen disziplinlosen Haufen zu bringen. Die Bielefelder Halbstürmer Braun und Knoth bleiben sträflich ungedeckt, und Stegmayer überläuft am linken Flügel Peter Reichel ein ums andere Mal. Friedel Lutz und Gert Trinklein können nur eingeschränkt den Ansprüchen genügen, allein der Routinier Lothar Schämer ist hinten angesichts der Bielefelder Flutwellen Richtung Frankfurter Tor noch der Fels in der Brandung.

So beschäftigungslos wie bei seinem letzten Bereitschaftsdienst beim Roten Kreuz in Sossenheim – nur wenige Stunden nach dem letzten Heimspiel – ist der Zahnarzt Dr. Kunter als Torhüter zu seinem Leidwesen heute nicht. Dr. Kunter hält, was zu halten ist, doch in der 57. Minute ist der Frankfurter Schlussmann machtlos. Der aufgerückte Libero der Arminia, Georg Damjanoff, verkürzt mit einem Weitschuss aus circa 25 Metern auf 2:3. Dr. Kunters Erklärung für den haltbar scheinenden Ball lautet: "Mir war die Sicht genommen."

In dieser Drangperiode - zwischen der 50. und 60. Minute, als die Ostwestfalen mit Mann und Maus zum Sturm antreten – vergisst das Eintracht-Mittelfeld, dass zum erfolgreichen Spiel auch ein gerüttelt Maß an solider und verlässlicher Deckungsarbeit gehört. Wenig später scheint die Hessen die gerechte Strafe für ihre Überheblichkeit zu ereilen, doch Leopoldseders Schuss findet nur den Weg aufs, doch nicht ins Frankfurter Tor: Der Ball knallt an den rechten Innenpfosten. Ribbeck treibt es zum Spielfeldrand, um seinen Männern lautstarke Anweisungen zu geben.

Doch auch die Zuschauer sparen nicht mit Kritik an der eigenen Elf, während bei den Gästen für ihre couragierte Vorstellung an Beifall nicht gespart wird. Der Ausgleich könnte die Partie nun gänzlich kippen lassen ... Der Mann, der die Zerfallserscheinungen vielleicht bereits im Keim ersticken könnte, Regisseur Bernd Nickel, sitzt derweil auf der Auswechselbank: Er darf zehn Tage nicht trainieren, um sich zu erholen und wieder zu Kräften zu kommen. Die Bielefelder wollen die Schwäche der Eintracht ausnutzen, verstärken ihre Angriffsbemühungen daraufhin und laufen damit den Gastgebern ins offene Messer.

Die technisch haushoch überlegenen Frankfurter decken nun wieder die Abwehrschwächen der Gäste gnadenlos auf. Es bedarf allerdings einer Einzelaktion, um das Spiel zugunsten der Hessen zu entscheiden. In jener labilen Phase hilft die Courage des unermüdlichen Roland Weidle. Der Ex-Stuttgarter nimmt nach 71 Minuten den Ball von Parits auf, zieht aus der zweiten Reihe ab, und der reaktionsschnelle, aber noch recht unbedarfte Burdenski wird ein weiteres Mal zum nutz-, weil chancenlosen Flieger. Die Eintracht führt 4:2. Jürgen Grabowski ist es vorbehalten, vier Minuten danach auf 5:2 zu erhöhen. Der Kapitän verwandelt den Foulelfmeter, den Georg Stürz durch sein Foulspiel an ihm verursacht hat.


Horst Heese in Aktion,
doch das 6:2 fällt nicht

Nach Grabowskis erfolgreichem Elfmeterschuss spaziert die Eintracht wieder munter durch die offenen Reihen der Arminen. Grabowski, Heese und Parits bieten sich treffliche Erfolgsmöglichkeiten. Mit Glück und Geschick bleibt Burdenski ein noch größeres Debakel erspart. Heese taucht oft im Bielefelder Strafraum auf. Bei seinen gefährlichen Kopfbällen ist er freilich meist unbehindert. Um Haaresbreite erzielt er das 6:2, nachdem ihm Parits das Leder maßgerecht serviert. Damjanoff, der unsichere Bielefelder Libero, sowie Stürz sind zu ungünstig platziert, um Heese an der Aktion hindern zu können, doch die Gäste haben Glück - das halbe Dutzend Gegentreffer bleibt ihnen erspart.

Bernd Hölzenbein, dem schneidige Flügelläufe gelungen sind, der aber auch zwei todsichere Tormöglichkeiten versiebt hat, steht sowohl für die Überlegenheit der Eintracht, als auch für ihre Unfähigkeit, diese Dominanz auch in Toren auszudrücken. Jürgen Grabowski, weit weniger Stürmer als gewohnt, erkennt in der vergangenen Bielefelder Offensivphase grundsätzliche Mängel im Spiel seiner Mannschaft: "Wir sind einfach noch nicht clever genug, um kaltblütig zu kontern."

Thomas Rohrbach wankt in der 81. Minute benommen vom Platz, bei einem Zweikampf ist ihm das Jochbein gebrochen. Dieter Ungewitter kommt für Rohrbach aufs Feld, die Eintracht ist wieder vollzählig, doch am Ergebnis ändert sich nichts mehr.

Für die Gäste aus Bielefeld gibt es aufgrund des DFB-Urteils keine Punkte und keine Tore, doch nach dem Spielende dafür freundlichen Applaus vom Frankfurter Publikum für die beherzte Darbietung. Auf ihrer Abschiedstournee durch die Bundesliga haben die Arminen heute unterstrichen, dass sie sportlich immer noch dazugehören und die Spiele nicht völlig kampf- und wehrlos herzuschenken bereit sind. Die Eintracht verteidigt mit diesem Sieg ihren fünften Tabellenplatz. Dabei hat sie nun zwar schon zum sechsten Mal im Waldstadion zwei Gegentore kassiert, dabei aber – mit Ausnahme des 2:2 gegen Köln –jedes Mal gewonnen.

Trainer Ribbeck lässt sich vom hohen Sieg seiner Elf nicht blenden: "Das 5:2 zeigt nicht, wie schwer uns dieser Sieg fiel. Es ist nicht einfach gegen eine Mannschaft zu spielen, für die es um nichts mehr geht." Angesichts der 20 konfusen Eintracht-Minuten nach dem Wechsel resümiert Ribbeck: "Zu diesem Zeitpunkt fehlte die ordnende Hand im Mittelfeld." "Niemand ist mehr gelaufen", wundert sich auch Hölzenbein. Arminia war nach den beiden Gegentoren plötzlich die dominierende Mannschaft, so dass Trainer Ribbeck feststellt: "Danach ist meine Mannschaft völlig nervös geworden. Plötzlich waren wir in Schwierigkeiten. Es hätte nicht viel gefehlt, und die Bielefelder hätten sogar noch den Ausgleich erzielt." "Unsere Abwehr war anfangs zu offen", kommentiert Bielefelds Trainer Notermanns die deutliche Niederlage, "aber im Ganzen war der Frankfurter Sieg verdient. Mein Kollege Ribbeck hat da schon eine ausgezeichnete Truppe beisammen. Ich beneide ihn direkt um diese Mannschaft."

Der alte Recke Lothar Schämer schafft in seinem sechsten Saisoneinsatz zum ersten Mal den Sprung in die "Elf des Tages", eine Ehre, die Jürgen Grabowski bereits zum achten Mal in dieser Spielzeit zuteil wird. "Grabi" ist auch nach seinen beiden Verletzungen, die ihn wochenlang zum Aussetzen zwangen, unbestritten der überragende Spieler seiner Elf und einer der wertvollsten Akteure der ganzen Liga.

Trainer Ribbeck besucht am frühen Sonntagabend seinen verletzten Schützling Rohrbach in der Höchster Klinik. Nach Ribbecks Aussage wird Rohrbach wahrscheinlich nicht um eine Operation herumkommen. Rohrbach liegt zwar in der Augenklinik, doch glücklicherweise wurde das Auge selbst nicht in Mitleidenschaft gezogen, wie zuerst befürchtet worden war. Ribbeck meint jedoch, dass Rohrbach auch so auf jeden Fall für den Rest der Saison ausfallen wird. (rs)


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