FC Schweinfurt 05 - Eintracht Frankfurt

DFB-Pokal 1971/1972 - 1. Hauptrunde, Hinspiel

1:0 (0:0)

Termin: 04. 12. 1971
Zuschauer: 9.500
Schiedsrichter: Heinz Aldinger (Waiblingen)
Tore: 1:0 Meyer (58.)


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FC Schweinfurt 05 Eintracht Frankfurt

  • Winfried Böhm
  • Thaumüller
  • Brunnhuber
  • Lamprecht
  • Helmut Kraus
  • Buß
  • Brunner
  • Boden
  • Klaus Nahlik
  • Meyer
  • Wolfgang Nöth

 


 

Wechsel
  • Harald Aumeier für Meyer (63.)
  • Willi Drozdek für Wolfgang Nöth (77.)
Wechsel
Trainer
  • Kurt Koch
Trainer



Der kastrierte Cup

Nach der unerwarteten Niederlage beim Tabellenletzten in Hannover wird die Eintracht heute in der 1. Rundes des DFB-Pokals beim Regionalligisten in Schweinfurt wahrscheinlich nicht entscheidend weiteren Boden verlieren, denn der Austragungsmodus hat eine Änderung erfahren: In Hin- und Rückspiel wird seit dieser Saison in den Pokalduellen der jeweilige Teilnehmer der nächsten Runde ermittelt.

Für Borussia Mönchengladbach, das gegen Inter Mailand durch den Büchsenwurf vom Bökelberg um den Lohn eines fantastischen Spiels gebracht wurde und aus dem Pokal der Landesmeister ausgeschieden ist, ist die Änderung maßgeschneidert, meint jedenfalls Hans-Hubert Vogts, der Netzer als Kapitän vertreten muss. "Der Modus kommt uns sehr entgegen, ich weiß nicht, wer uns in Hin- und Rückspiel packen soll."


Tumulte vor der Partie in Schweinfurt

Nicht jeder ist von Idee des DFB so begeistert, wie der Gladbacher Nationalspieler. Richard Kirn, der bekannte Frankfurter Journalist, macht sich in seinen Glossen über die Änderung her und seinem Unmut deutlich Luft: "Wie schade: Holger Obermann hatte bei der Auslosung der Pokal-Vorschlussrunde den Schweinfurter Deckert am Bildschirm vor der Flinte; und drückte nicht ab. Er sprach ihn zwar auf die neuen Bestimmungen an, die von der nächsten Saison an dem Pokal jeden Reiz nehmen, weil nämlich künftig im Vor- und Rückspiel gekämpft wird … und jeder Großkopferte, der beim Außenseiter zu Fall kommt - er sprach ihn also zwar an, ließ sich aber nur bestätigen, dass das künftig also so wie in den Europapokalkämpfen … Statt Herrn Deckert hart zu fragen: Was hat sich der Spielausschuss dabei gedacht, als er den Pokal umbrachte? Warum macht der DFB etwas, was kein anderes Land auf der ganzen Fußballwelt macht? Derselbe DFB, der schon einmal Außenseiter war: fünfzig Jahre später als alle anderen Fußballnationen hat er eine echte erste Klasse eingeführt; die Bundesliga! Und jetzt gibt er ein miserables Beispiel! In England, wo sich ein viertklassiger Club durch ein 3:2 über das große Leeds United unter die letzten acht brachte, würde man schallend lachen, käme jemand mit einem solchen Anschlag geschlichen! Das war's, was ich sagen wollte: Funktionäre soll man festnageln, wo es nur geht. Schade, dass ich nicht Herrn Deckert vor mir hatte."

Schade auch, dass die Frankfurter Eintracht beim Hinspiel in Schweinfurt von Beginn an nicht ansatzweise die Entschlossenheit zeigt, die Richard Kirn in seinen Glossen an den Tag legt. Kirns kämpferische Einstellung und die Bereitschaft dem Gegner mit offenem Visier zu begegnen hat sich aber eher der süddeutsche Regionalligist zu eigen gemacht.

10.000 Zuschauer werden Zeuge wie die in spinatgrünen Trikots angetretenen Schweinfurter dem Bundesligisten mit viel Einsatz, Laufbereitschaft und Kampfkraft erfolgreich Widerstand leisten. Die technische Überlegenheit der Eintracht ist natürlich dennoch sichtbar und das Spiel der Eintracht in des Gegners Hälfte ist durchaus schön anzuschauen. Allein, es fehlt die Zielstrebigkeit und die Durchschlagskraft.

Sicher, Erich Ribbeck fehlen mit dem an Grippe erkrankten Grabowski, dem gesperrten Nickel und Ender Konca, der für die Türkei gegen Polen antreten muss, drei Stammspieler, aber warum drängt sich in der vom Trainer umgestellten Elf niemand aus der zweiten Reihe für spätere Aufgaben auf? Jürgen Kalb beispielsweise findet überhaupt nicht ins Spiel, wobei sich der Trainer auch fragen muss, ob Kalb auf seiner Außenposition gut aufgehoben ist. Dem Mittelfeld mit Heese, Weidle und Trinklein gelingt es zudem nicht, den Sturm mit verwertbaren Vorlagen zu füttern. Wäre Mittelstürmer Parits eingemauert, es könnte ihm nicht schwerer fallen als in Schweinfurt, seiner Arbeit nachzugehen und Tore zu schießen.

Frankfurts Torhüter Dr. Kunter fordert in der Halbzeit ein geändertes taktisches Verhalten von seiner Mannschaft: "Wir müssen die Schweinfurter mehr kommen lassen. Wir dürfen uns nicht nur in ihrer Hälfte aufhalten." Auch Trainer Ribbeck versucht, einen neuen Impuls zu geben und wechselt den im Sommer von Viktoria Aschaffenburg zur Eintracht gewechselten Klaus-Dieter Stahl für Horst Heese ein. Es ist Stahls zweiter Pflichtspieleinsatz, nachdem er beim 2:6 in Gladbach nach einer knappen Stunde ausgewechselt wurde.

Positiv zu verändern vermag das alles für die Eintracht nicht. Im Gegenteil, die Gastgeber werden nun deutlich stärker, viel stärker als es den Frankfurtern lieb sein kann. Die Schweinfurter übernehmen das Ruder nicht nur, sie reißen es komplett herum. Konnten die Riederwälder vor der Pause wenigstens noch in des Gegners Hälfte mit ihrem Kurzpassspiel glänzen, so reißt bei Ribbecks Truppe nun auch in der Offensive der Faden, der ihr Spiel leidlich zusammengehalten hat.

Die Schweinfurter drängen nun wuchtig auf Dr. Kunters Tor und suchen die Entscheidung. Was auch immer sie im Rückspiel erwarten mag, dieses Spiel hier und heute wollen sie gewinnen. Nach 58 Minuten ist es dann soweit, die Bemühungen der Mannen von Trainer Kurt Koch werden belohnt. Bedanken können sich die 05er beim Thomas Rohrbach, dem eine Rückgabe misslingt. Siegfried Meyer, ehemals Amateur beim Club aus Nürnberg, erläuft sich im Spurt die Kugel und lässt Dr. Kunter mit einem gezielten Schuss ins lange Eck keine Abwehrchance.

Siegfried, ein passender Vorname zum strahlenden Helden der Schweinfurter, der sich der Gratulanten nun kaum erwehren kann. Selbst Zuschauer stürmen aufs Feld und umarmen dankbar ihren Torschützen!

Zwei Minuten später erhält Meyer ein weiteres Mal den prasselnden Beifall der begeisterten Fans. Mit einer Knieverletzung humpelt er in die Kabine. Dass aus ihm kein tragischer Held wird, dafür sorgen nun seine um Harald Aumeier verstärkten Kameraden, die die Führung gegen die Eintracht verteidigen. Willi Drozdek kommt außerdem in der 77. Minute für Wolfgang Nöth, während bei der Eintracht kurz darauf der bei den beiden Freundschaftsspielen in der Türkei verletzte Manfred Diehl aufs Feld kommt. Kalb verlässt für ihn den Platz und Diehl erhält endlich die Chance, sich in einem Pflichtspiel zu bewähren. Doch die Zeit, die ihm dazu bleibt, ist natürlich nicht ausreichend. Die Eintracht dagegen könnte heute wohl noch eine ganze Weile spielen, ohne einen Treffer zu landen. Der Bundesligist bemüht sich nur in einem überschaubaren Rahmen und verlässt sich ganz offensichtlich auf das Rückspiel in Frankfurt. Der Sieg ist den Schweinfurtern so nicht mehr zu nehmen und hochverdient.

"Es war doch beim besten Willen kein Unterschied zu sehen zwischen dem Regionalligisten Schweinfurt und dem Bundesligisten Frankfurt", ist Erich Ribbeck nach der Niederlage erbost. Besonders der Gegentreffer, der die Partie entschieden hat, lässt ihn den Kopf schütteln: "Da spielt meine Abwehr sieben Jahre in der Bundesliga und lässt sich dann so billig auseinandernehmen. Dieses Tor war doch geschenkt." Die fehlenden Stammspieler will er als Begründung für das schwache Spiel seiner Elf nicht gelten lassen. "Unsere Ersatzleute waren noch nicht einmal die schlechtesten. Da gab es größere Ausfälle", schimpft Ribbeck, ohne konkret zu werden und Namen zu nennen.

Ribbeck ärgert sich, Helmut Kraus strahlt. Für ihn ist das Spiel und der Sieg eine ganz besondere Freude. Zum Start der Bundesliga war der damals 24jährige von Schweinfurt an den Main gewechselt, wo er in seinen sechs Jahren auf Einsätze und Tore in der Bundesliga, dem DFB- und sogar Europapokal kam, sich jedoch nie so rechts als Stammspieler zu etablieren vermochte. 1969 kehrte Kraus nach Schweinfurt zurück und heute erlebt er gegen die alten Kollegen einen Triumph, den er bestimmt in vollen Zügen genießt.


Torhüter Böhm wird nach
dem Spiel gefeiert

Und damit ist er natürlich nicht allein. Das beschriebene Bild klingt vielleicht etwas schief, aber bei der Weihnachtsfeier der Schweinfurter herrscht tatsächlich eitel Sonnenschein. Der Sieg über Frankfurt und 400 Mark Siegprämie, was will man mehr? Vielleicht den Torschützen fragen, wie er das Tor gemacht hat? "Alles Instinkt. Wie beim Hund, wenn’s um die Wurst geht", antwortet Siegfried Meyer.

Richard Kirn ist dagegen nicht zum Feiern zumute, geht aber dennoch erneut ans Eingemachte. "Unter den besiegten Bundesligaclubs waren am Samstag Bayern München und Eintracht Frankfurt ... eine Reihe anderer Spiele endeten unentschieden", bilanziert Kirn die Hinspiele des "kastrierten Cups", der die Zuschauer um "schöne Sensationen" bringt: "Das Beste am Pokal war immer die glorreiche Ungewissheit. Mancher Kleine wuchs über sich hinaus und gab der ganzen Chose eine Würze. (..) Bei uns kann man alles im Voraus berechnen. Wer würde daran zweifeln, dass im Rückspiel der VfB Stuttgart die Heilbronner schlagen wird? Kaiserslautern die Wuppertaler, Bayern München die Fortunen und Eintracht die Schweinfurter?"

"Das, was mich mit grimmigem Vergnügen erfüllt: Das Publikum hat die Veränderung nicht honoriert. Unsere Pokalspiele am Samstag durch die Bank mäßig besucht. Geschieht ihnen recht", tritt Kirn den DFB-Funktionären noch einmal kräftig vor das Schienbein und rechnet vor: "Gab es voriges Jahr noch einen Durchschnitt von 17.000 Zuschauern, so waren es diesmal nur 9.000. Nicht einmal das also haben die Väter der neuen Spielart fertiggebracht: die Kassen zu füllen." (rs)


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