Borussia Mönchengladbach - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1971/1972 - 10. Spieltag

6:2 (2:1)

Termin: Mi 13.10.1971, 20:00 Uhr
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Herbert Lutz (Bremen)
Tore: 0:1 Ender Konca (1.), 1:1 Ludwig Müller (22., Foulelfmeter), 2:1 Hans-Jürgen Wittkamp (30.), 3:1 Dietmar Danner (63.), 3:2 Jürgen Grabowski (64.), 4:2 Dietmar Danner (70.), 5:2 Jupp Heynckes (80., Handelfmeter), 6:2 Jupp Heynckes (89., Foulelfmeter)


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Borussia Mönchengladbach Eintracht Frankfurt

  • Wolfgang Kleff
  • Rainer Bonhof
  • Ulrich Surau
  • Ludwig Müller
  • Hartwig Bleidick
  • Jupp Heynckes
  • Hans-Jürgen Wittkamp
  • Ulrik le Fevre
  • Dietmar Danner
  • Christian Kulik
  • Herbert Wimmer

 


 

Wechsel
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Trainer
  • Hennes Weisweiler
Trainer

Gladbacher Fohlen überflügeln Frankfurter Adler

„Sind alles Taubenzüchter, keinen Sachverstand.“ So schimpft der Torwart der polnischen Fußballnationalmannschaft, der Debütant Tomaszewski, über seine Landsleute. Vorangegangen ist in Warschau der 3:1-Sieg der DFB-Auswahl in der Qualifikation zur Endrunde der Europameisterschafts, der gleichbedeutend ist mit der ersten Heimniederlage der seit 1968 auf eigenen Boden ungeschlagenen Polen. So ist denn auch der Trainer der polnischen Auswahl, Kazimierz Górski, sichtlich geknickt,lobt aber den Gegner in den höchsten Tönen: „Der Traum vom Viertelfinale ist ausgeträumt. Denn kein Mensch mit Verstand glaubt ernsthaft, daß wir in Hamburg durch einen hohen Sieg über Helmut Schöns Weltklasse-Truppe zum Sieger in der Gruppe 8 werden können.“

Enttäuscht fährt er fort: „Meine Leute haben mit Hingabe gekämpft. Aber gegen das fantastische Können der Deutschen war das einfach zu wenig. Was Deutschland besonders in der zweiten Halbzeit gezeigt hat, Ist an taktischer Raffinesse und spieltechnischer Perfektion nicht zu überbieten. Wenn mich nicht alles täuscht, hat Polen heute gegen den Europameister von 1972 verloren.“ Die polnische Presse stimmt in diesen Jubelchor mit ein und schwärmt ungehemmt: „Deutschlands Fußball ist Weltklasse, und sein König heißt Günter Netzer.“

„So einen Spieler habe ich überhaupt noch nicht erlebt“, bestätigt Gorski und selbst Bundestrainer Helmut Schön kommt nicht umhin, den Gladbacher Spielmacher überschwänglich zu loben: „Der Günter, der hat heute ein Super-Spiel geliefert!“ Netzer selbst übt sich in Untertreibung: „Jeder wusste, um was es ging. Jeder wusste, daß er kämpfen musste. Das war auch meine Einstellung zu diesem Spiel. Ich glaube, daß man mit mir zufrieden sein kann.“

Netzer war „Kopf und Herz“ von Schöns Truppe und auf dem Platz überall zu finden. Er trat alle Ecken, fast jeden Freistoß und bereitete die ersten beiden deutschen zwei Tore vor. Jürgen Grabowski dagegen brachte zwar den ersten Schuss auf das von Tomaszewski gehütete Tor, doch danach hing er auf seiner Außenposition wie so oft vergeblich wartend am Tropf des deutschen Spielaufbaus. Ein Tropf, der den Kapitän der Frankfurter Eintracht mit Pässen versorgen sollte, doch für ihn so ergiebig war, wie eine Küche, in der Schmalhans Kücheneister ist. Kein Wunder also, dass Grabis Fazit trotz seines dritten Länderspieltreffers nüchtern ausfällt aus: „In der ersten Halbzeit wurde ich zu wenig angespielt. Später habe ich mir dann die Bälle selbst geholt, da lief es dann besser. Nach meinem Tor zum 3:1 liefen dann auch mehr Angriffe über den rechten Flügel.“

Nur drei Tage nach dem beeindruckenden Sieg in Warschau könnten die beiden Protagonisten Grabowski und Netzer auf dem Mönchengladbacher Bökelberg erneut zusammentreffen, dieses Mal allerdings als Gegner. Doch dem Gladbacher Kapitän macht seit dem Länderspiel sein Knie zu schaffen. Am heutigen Mittwochmorgen wurde das Knie des Nationalspielers, der der Verletzung bis dahin nicht die rechte Bedeutung beimessen wollte, in Gips gelegt. Einen Innenbandschaden diagnostiziert der untersuchende Arzt. An einen Einsatz gegen die Eintracht ist nicht zu denken und auch Netzers Teilnahme am Europapokalhinspiel gegen Inter Mailand in einer Woche ist in ernster Gefahr.

Doch damit sind die Hiobsbotschaften für Gladbachs Trainer Weisweiler noch nicht zu Ende: Mit Klaus-Dieter Sieloff fehlt ein weiterer Nationalspieler. Dazu verzichtet Weisweiler ein weiteres Mal auf „Berti“ Vogts, um den angeschlagenen Spieler für den Europapokal zu schonen, obwohl er die Aufgabe gegen die Frankfurter nicht unterschätzt: „Das wird eine harte Nuss.“

Die Gladbacher werden aber auf jeden Fall, um Wiedergutmachung bemüht sein, denn das letzte Punktspiel verloren sie beim Rivalen in Köln knapp und unglücklich mit 3:4. Die bisher auswärtsschwachen Frankfurter sollen für diese Schlappe büßen. „Wir haben nur dann eine Chance, wenn wir die Borussen nicht ins Spiel kommen fassen“, erklärt Frankfurts Trainer Erich Ribbeck, dessen Eintracht in Mönchengladbach in der Bundesliga bisher von sechs Spielen nur eines verlor, beim letzten Auftritt auf dem Bökelberg aber mit 0:5 untergegangen ist. Ribbeck verändert seine Elf gegenüber dem Sieg gegen Oberhausen auf einer Position. Anstelle von Heese setzt er auf den Debütanten Stahl, der gegen Danner spielen soll.

Danner übernimmt die Position von Günter Netzer beim Gegner, den Hennes Weisweiler notgedrungen neu formieren muss. So übernimmt „Luggi“ Müller die Position des Libero, Wittkamp rückt in die Mittelreihe auf den Platz von Danner, und der erst 19-jährige Ulrich Surau kommt wie Stahl bei der Eintracht ebenfalls zu seinem Debüt.

„Oh, wenn das mal gut geht!“ stöhnt „Berti“ Vogts auf der Tribüne. 212 Bundesligaspiele hat der vor einen Monat zum Fußballer des Jahres gewählte Vogts in Folge absolviert, bevor er schon am letzten Spieltag aussetzen musste, weil die bereits am 3. Spieltag in Bochum erlittene Fußverletzung sich nicht gebessert hat.

In der Tat muss sich Vogts in seinen Befürchtungen schon nach wenigen Sekunden bestätigt sehen. Ohne dass Surau etwas dafür könnte, beginnt sein Debüt zunächst ganz anders als es sich der junge Mann und seine Mannschaftskameraden gewünscht haben. Frankfurts Neuzugang Ender Konca gelingt in seinem achten Punktspieleinsatz für die Eintracht endlich der ersehnte erste Treffer. Dieser ist - vielleicht dem Anlass angemessen - einigermaßen kurios: Grabowski schlägt eine Flanke von rechts vor das Gladbacher Tor, die von Torhüter Kleff unterschätzt wird. Kleff kommt nicht mehr richtig an den Ball und faustet diesen gegen den Körper von Konca. Der Ball prallt an Konca ab und rollt über die Torlinie zur Frankfurter Führung. Der Sekundenzeiger hat seit Spielbeginn noch nicht einmal eine volle Runde geschafft …

Die ersatzgeschwächte Gladbacher Truppe zeigt sich vom frühen Gegentor unbeeindruckt. Sie tut das, was sie am besten kann und weshalb sie in der gesamten Liga gefürchtet wird: sie stürmt! Angetrieben vom überragenden „Hacki“ Wimmer rollt ein Angriff nach dem anderen auf das von Dr. Kunter gehütete Tor. Die besseren Chancen haben in der ersten Vier¬telstunde allerdings die Frankfurter. Parits verfehlte zweimal das Ziel und Ender, der ein erstaunlich gutes Pensum liefert, hat mit einem gefährlichen Aufsetzer Pech.

Nun aber hat sich die zusammengewürfelte Gladbacher Truppe endgültig gefunden. Freilich benötigt sie einen Elfmeter, um sich nach 22 Minuten zum ersten Mal ihren Kampfgeist belohnen zu lassen. Danner hat sich ins Angriffsspiel seiner Mannschaft eingeschaltet, geht in die Spitze und kann im Strafraum vom Frankfurter Klaus-Peter Stahl nur mit einem Foul gestoppt werden. Kein glücklicher Einstand für den Frankfurter Neuzugang, der heute sein erstes Bundesligaspiel bestreitet. Den fälligen Strafstoß für die Gladbacher verwandelt „Luggi“ Müller zum Ausgleich.

In der Folge hat es den Anschein, als ob die Eintrachtspieler mit jedem weiteren Angriff der Borussen nervöser werden. Acht Minuten nach dem Ausgleich ist dann nach einer Flanke von Ulrik le Fevre, der sich auf dem Flügel gegen Jürgen Kalb durchsetzt, der frei stehende Hans-Jürgen Wittkamp zur Stelle und besorgt mit einem präzisen Kopfball in die linke Ecke des Frankfurter Tores die Gladbacher Führung.

Zur zweiten Halbzeit bringt Erich Ribbeck Wirth für den an diesem Tag schwächsten und leicht angeschlagenen Frankfurter Abwehrspieler Thomas Rohrbach. Der Abwehr verhilft der Coach durch diese Maßnahme jedoch nicht zu mehr Stabilität. Auch die Einwechslung von Heese für den unglücklichen Stahl nach einer knappen Stunde bringt nicht den gewünschten Erfolg, obwohl die Eintracht die Partie weiterhin offen gestaltet. Nur Ender bekommt am linken Flügel weniger Bälle als im ersten Durchgang, lässt jedoch auch in der Kondition nach.

Das trifft für die von Weisweiler trainierten Männer nicht zu und ihr unermüdliches Rackern wird erneut honoriert. In der 63. Minute schickt Wittkamp Danner steil auf den Weg zum Frankfurter Strafraum. Danner zieht ab, der Ball fliegt uns untere Toreck und der von seiner Abwehr erneut im Stich gelassene Dr. Kunter kann das Unheil nicht mehr verhindern. Die „Fohlen-Elf“ führt mit 3:1.

Sechzig Sekunden später keimt bei den Hessen aber noch einmal Hoffnung auf: Nickel tritt einen Freistoß aus gut und gern 20 Metern auf das Gladbacher Tor und Torhüter Kleff macht ein zweites Mal eine unglückliche Figur. Kleff lässt den Ball abklatschen, Grabowski ist zur Stelle und drückt den Ball über die Torlinie. Nur noch 2:3!

Die Frankfurter setzen nun alles auf eine Karte, spielen auf des Gegners Platz mit nicht weniger als vier Spitzen. Grabowski, Parits, Ender und auch Heese agieren nun in der vordersten Linie. Die Eintracht wagt alles – und verliert. Denn nach siebzig Minuten ist das Spiel endgültig entschieden. Wieder ist es Danner, der für die Gladbacher nach einer Flanke von Wimmer per Kopf zum Abschluss kommt und trifft.

In der Schlussphase kommt es für die Hessen noch dicker: In bester Torwartmanier fängt Routinier Friedel Lutz den Ball im eigenen 16er mit der Hand. Sein Namensvetter, Schiedsrichter Lutz aus Bremen, hat keine Wahl: Strafstoß für die Borussia. Heynckes tritt an und verwandelt sicher.

Doch damit nicht genug. Kurz vor Spielende entscheidet der Namensvetter von Lutz ein weiteres Mal auf Elfmeter. Wieder hat der Spieler Lutz dem Schiedsrichter Lutz keine Wahl gelassen, indem er Bonhof im Strafraum regelwidrig zu Fall gebracht hat. Heynckes stellt sich wieder dem Duell mit dem auch heute ausgezeichneten Dr. Kunter. Heynckes läuft an, schießt und … Dr. Kunter hält! Die Freude darüber ist leider nur von kurzer Dauer, weil Heynckes nachsetzt und den Ball im Nachschuss doch noch im Frankfurter Gehäuse unterbringen kann.

„Nach dem 0:1 in der ersten Minute hatte ich das Schlimmste befürchtet“, gibt Hennes Weisweiter nach dem deutlichen Sieg zu und zeigt sich überrascht von der Leistung seiner ersatzgeschwächten Mannschaft: „Das hatte ich nicht erwartet, das war wirklich ein kleines Wunder.“ Und auch Günter Netzer schwärmt: „Einfach toll, wie die Jungs gekämpft haben.“ „Luggi“ Müller dankt einstweilen den Zuschauern für ihren Anteil am Erfolg: „Die haben uns nach dem 0:1 moralisch aufgerüstet.“

Die Verantwortlichen bei Gladbach - Trainer Weisweiler, Präsident Helmut Beyer, Manager Helmut Grashoff und Alfred Gerhards - sind zufrieden im Hier und Jetzt, blicken aber bereits zuversichtlich weiter. Grund dafür liefern ihnen die Jungspunde im Kader: Christian Kulik ist 18 Jahre, Ulrich Surau, der mit Kulik von Alemannia Aachen an den Bökelberg wechselte, ist wie Rainer Bonhof 19 und Dietmar Danner zählt auch erst 20 Lenze. „Für die Zukunft haben wir richtig geplant“, klopfen sich die Mächtigen der Borussia deswegen schon einmal vorausschauend auf die eigene Schulter.

Aktuell festigt der amtierende Meister mit diesem Sieg seinen vierten Rang in der Tabelle. Die Eintracht verschlechtert sich um zwei Plätze und findet sich als 12. wieder. Trainer Ribbeck hat erneut kein Mittel gefunden, um die Auswärtsschwäche seiner Elf in den Griff zu kriegen. „Die Abwehr machte zu viele Fehler“, klagt er. Bis zum Heimspiel gegen Kaiserslautern muss das geändert werden, damit die Eintracht nicht wieder in die Abstiegszone rutscht. (rs)

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