Eintracht/Kickers - Real Madrid

Freundschaftsspiel 1971/1972

2:2 (1:1)

Termin: 22.09.1971
Zuschauer: 32.000
Schiedsrichter: Eschweiler (Bonn)
Tore: 0:1 Aguilar (2.), 1:1 Thomas Parits (12.), 2:1 Erwin Kostedde (49.), 2:2 Amancio (68.)

 

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Eintracht/Kickers Real Madrid

 


  • Remon
  • Zunzunegui
  • Verdugo
  • Grosso
  • Benito
  • Zoco
  • Aguilar
  • Amancio
  • Santillana
  • Grande
  • Anzarda 

 

Wechsel Wechsel
Trainer Trainer
  • Miguel Muñoz

 

Spanische Spezialitäten

Real Madrid – der Name des derzeitigen spanischen Tabellenführers und mehrfachen Gewinners des Europapokals der Landesmeister hat nicht nur in Frankfurt weiterhin einen glänzenden Klang. Dabei liegt die ganz große Zeit der Madrilenen bereits über ein Jahrzehnt zurück, als man sich fünfmal infolge die Krone der besten europäischen Vereinsmannschaft aufsetzen konnte. Doch erstens gelang der Gewinn dieses Titels zuletzt 1966 und zweitens ist auch das Abonnement auf den spanischen Meistertitel in den letzten beiden Jahren ausgelaufen.

Miguel Muñoz, Reals Trainer, muss dennoch nicht um seinen Posten, den er seit 1960 innehat, fürchten. Im Gegenteil: Der Mann ist sich seines Arbeitsplatzes und seiner selbst sehr sicher. Erich Ribbeck und Kuno Klötzer, Muñoz’ deutsche Trainerkollegen, können von solch einer Ausgangslage nur träumen, während sie ihren spanischen Gast am Tag vor dem Spiel gegen Madrid in die Mitte nehmen. Reals Trainer ist völlig entspannt, als er das angebotene Glas ansetzt und zügig leert.

Muñoz ist bei Real fast schon eine Institution. Real ohne ihn, das hat es seit über 20 Jahren nicht gegeben. 1948 kam er zu Real Madrid und erlebte bis zum Ende seiner Spielerkarriere 1958 die ganz große Zeit der Spanier auf dem Platz mit. Als Trainer führte er den Hauptstadtclub bis 1969 fast in Serie zur spanischen Meisterschaft, nur 1966 blieb ihm der Titel verwehrt. Das war ihm selbst 1965 nicht passiert, als er Härte demonstrierte und vor Saisonbeginn die Real-Legende Alfredo Di Stéfano ausmusterte. In der Folge schaffte es Muñoz aber aus jungen spanischen Fußballern, wie Pirri, Amancio, Manuel Sanchís (sen.), Zoco oder Velázquez sowie dem einzigen übrig gebliebenen Star aus den 50ern, Gento, eine erfolgreiche neue Real-Mannschaft zu formen. 1966 errang diese neue Generation unter dem Spitznamen „El Madrid ye-yé“ - wie erwähnt - zwar nicht den spanischen Titel, dafür jedoch erneut den europäischen Meistercup. Muñoz ist damit der Erste, dem dieser Titel als Spieler und Trainer zugefallen ist.


Ribbeck, Muñoz und Klötzer

In den letzten beiden Jahren lief es aber auch für den erfolgsgewohnten und –verwöhnten Muñoz nicht mehr nach Plan. 1970 sprang lediglich der Titel eines spanischen Pokalsiegers heraus und in der letzten Saison gingen die Madrilenen diesbezüglich gar leer aus. Dabei hatten sie sich bis ins Finale des Europapokals der Pokalsieger gespielt, dort allerdings nach einem 1:1 nach Verlängerung im Wiederholungsspiel gegen Chelsea zwei Tage später mit 1:2 das Nachsehen gehabt. Eine Saison ohne Titel – das kannte man bei Real seit 1964 nicht mehr.

Nun hat auch Francisco "Paco" Gento López, der im ersten Finale gegen Chelsea noch von Beginn an aufgeboten wurde, im zweiten jedoch nach dem 0:2-Rückstand lediglich eingewechselt wurde, seine Karriere beendet – nach über 500 Spielen, in denen er 150 Tore für Real erzielte. Dennoch lobt Spielevermittler Julius Ukrainczyk „Real ist wesentlich stärker als in den beiden letzten Jahren.“ Das Urteil Ukrainczyks mag allerdings etwas getrübt sein, denn er hat im Namen einer Frankfurter Brauerei das Spiel zwischen Real Madrid und einer Kombination von Spieler der Frankfurter Eintracht sowie Kickers Offenbach arrangiert. Der Vermittler hat also einen guten Grund fleißig die Werbetrommel zu rühren.

Andererseits haben die Spanier auch ohne aktuellen Titel eine Reihe von beeindruckenden Spielern in ihren Reihen. Zum Beispiel Ramón Grosso, der schon mit 15 Jahren in der Jugend von Real Madrid spielte, dann aber wegen eines angeblichen Herzklappenfehlers ein ganzes Jahr aussetzen musste. Ein verlorenes Jahr, denn der Fehler lag nicht in Grossos Herz, sondern im Untersuchungsergebnis des Arztes – eine Fehldiagnose.

1964 holte ihn Trainer Miguel Muñoz 1964 in den ersten Kader Reals und dort sollte er keinen geringeren ersetzen als den legendären Alfredo Di Stéfano. Dies gelang Grosso an der Seite von Puskás auch eindrucksvoll: Grosso wurde in seiner ersten Saison mit 27 und auch in der folgenden mit 11 Treffern der erfolgreichste Torjäger seines Teams. „El Obrero“ - der Arbeiter nennt ihn die einheimische Presse, weil er sich immer in den Dienst der Mannschaft stellt.

Mittlerweile hat Amancio Amaro Varela Grosso als Torjäger vom Dienst abgelöst. Amancio war sowohl 1968/69 und 1969/70 sogar Torschützenkönig der Primera División. Der rechte Flügelspieler wird aufgrund seiner atemberaubenden Dribblings auch „El Brujo“ - der Hexer genannt. Ein Titel, der Jürgen Grabowski aufseiten der Eintracht auch gut zu Gesicht stehen würde, wenn man die Fähigkeiten der beiden vergleicht. Der Madrilene ist in seiner Heimat bereits eine Legende. Unvergessen ist sein Auftritt im Finale des europäischen Meistercups FK Partizan Belgrad, als er nach einem sehenswerten Dribbling den Ausgleich erzielte und Real am Ende nach sechs Jahren wieder auf dem Thron Europas Platz nehmen konnte.

Aktuell erwähnenswert ist sicher auch Pirri, ein Kämpfer vor dem Herrn. Beim bereits erwähnten zweiten Endspiel gegen Chelsea im Europapokal der Pokalsieger vor wenigen Monaten konnte selbst ein Schlüsselbeinbruch den Kleinen mit dem großen Herzen nicht stoppen – er spielte mit einem bandagierten Arm weiter und hielt durch.

Die Frage ist also nicht, welche Klasse Real Madrid – immer noch – hat, sondern ob eigens für diese Partie die aus einem Bundes- und einem Regionalligisten zusammengestellte Mannschaft, mit einer europäischen Spitzenmannschaft ansatzweise mithalten kann. Auf die Antwort sind 32.000 Zuschauer gespannt, die es heute Abend ins Waldstadion gezogen hat, wo um 20.15 Uhr der Anpfiff erfolgt.

Die Partie ist keine zwei Minuten alt, als sich die Befürchtungen zu bewahrheiten scheinen, dass diese zusammengewürfelte Truppe aus sechs Frankfurtern und fünf Offenbachern nur Kanonenfutter für die spanischen Geschütze sein kann: Real geht in Führung. Francisco Javier Aguilar García heißt der Torschütze, ein 22jähriger Neuzugang der Madrilenen, der zu Beginn der Saison von Racing Santander in die Hauptstadt wechselte. Dort hat Aguilar sich auch gut eingeführt: Vor einer Woche erzielte er beim 2:1-Sieg Reals im UEFA-Cup beim FC Basel ebenfalls ein Tor.

Wer nun glaubt, Real würde „Hessens Nationalelf“ überrollen, sieht sich bald angenehm überrascht. Wider Erwarten harmonieren die von Kickers-Trainer Kuno Klötzer und Eintracht-Coach Erich Ribbeck nominierten Spieler auf dem Platz. Kunter (F); Schmidradner (O), Schmitt (O), Lutz (F), Semlitsch (O), Hölzenbein (F), Nickel (F); Grabowski (F), Parits (F), Kostedde (O) und Held (O) bieten den Gästen eine beachtliche Gegenwehr, ja, sie spielen darüber hinaus einen ansehnlichen Fußball.

Die Kombination aus den Teams der beiden Vereine, die die Finalisten um die Deutsche Meisterschaft des Jahres 1959 stellten, erweist sich im Angriff als hochexplosive Mischung. Eine Mischung, die in der 12. Minute das erste Mal in Reals Strafraum so richtig zündet. Hölzenbein flankt und der am Fünfmeterraum ungedeckte Parits hat keine Mühe aus kurzer Distanz den Ausgleich zu erzielen. Mit dem rechten Fuß schießt er den Ball ins Tor.


Parits zum 1:1

Es entwickelt sich eine Partie mit Rasse und Klasse. Die Zuschauer bereuen ihr Kommen nicht, denn das ist ein Freundschaftsspiel, wie man es sich wünscht: Hohes technisches Niveau trifft – zumindest streckenweise – auf zügiges Tempo. Das kann man sich gefallen lassen.

Nach der Pause gehen die Hessen sogar in Führung. Erwin Kostedde, den die Kickers von Standard Lüttich zurück nach Deutschland geholt haben, schlägt in der 49. Minute zu. Das dritte Tor am heutigen Abend und zum dritten Mal hat es ein Neuzugang erzielt, denn auch Thomas Parits trägt erst seit dieser Saison die Farben der Eintracht.

Einem anderen Neuzugang der Offenbacher ist ein Treffer nicht vergönnt, aber auch ohne Torerfolg bleibt er den Zuschauern in guter Erinnerung. Sigi Held, der Nationalspieler, der von Borussia Dortmund den Weg zum Regionalligisten gefunden hat, spielt eine überragende Partie.

In der Abwehr müht sich dagegen ein Kollege Helds mit Santillana. Semlitsch hat gegen den ausgezeichneten Kopfballspieler seine liebe Mühe. Santillana ist wie Aguilar zu Beginn der Saison zu Real gewechselt und wie Aguilar hat auch er sich gut eingeführt: Er schoss das andere Tor beim Sieg in Basel. Carlos Alonso González lautet der Name des am 23. August 19 Jahre alt gewordenen Stürmers. Seinen Spitznamen hat er wegen seines Geburtsortes: Santillana del Mar in Cantabria


Santillana, Semlitsch

Den erneuten Ausgleich erzielt jedoch ein Anderer, der zweimalige Torschützenkönig der Primera Division: Amancio. Nach 68 Minuten ist es soweit und so recht mag man sich als Hesse über diesen Treffer nicht ärgern, auch wenn ein Sieg gegen Real eine schöne Sache wäre. Diese Partie verdient zwei Sieger, und da es die im Fußball nicht geben kann, ist ein Unentschieden hier ein gerechtes Ergebnis und ein schöner Lohn. Den haben sich neben Held besonders Grabowski und Lutz auch Schmitt und Schmidradner sowie die beiden Torleute Dr. Kunter und Bockholt verdient.

„Das war ein Spiel fürs Herz“, schwärmt Trainer Klötzer denn auch nach den 90 Minuten, „und ein Spiel der guten Nachbarn Eintracht und Kickers, die sich blendend verstanden. Von meinen Leuten möchte ich Sigi Held besonders loben.“ Eintracht-Trainer Ribbeck ist ebenfalls begeistert: „Das Spiel war eine Delikatesse. Auch für die Spieler, die hier einmal unbelastet spielen konnten.“

Beim Veranstalter, der Frankfurter Brauerei Henninger, dürfte man nach diesem Fußballfest auch zufrieden sein. Henninger hatte das finanzielle Risiko des Freundschaftsspiels zu tragen, hat sich damit jedoch nicht übernommen. Bei rund 70.000 DM Kosten für Real Madrid, je 15.000 DM für die beiden deutschen Clubs und rund 50.000 DM Abgaben, kann die Garantiesumme von 50.000 DM für die Frankfurter Sporthilfe leichten Herzens gezahlt werden.

Die Sporthilfe freut sich über den dicken Scheck, die Fans über den guten Zweck und Spielvermittler Ukrainczyk schon heute über den nächsten festen Auftrag: Im nächsten Jahr soll Inter oder AC Mailand nach Frankfurt geholt werden. (rs)

 

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