Eintracht Frankfurt - Hertha BSC Berlin

Bundesliga 1968/1969 - 1. Spieltag

2:0 (1:0)

Termin: Sa 17.08.1968, 15:30 Uhr
Zuschauer: 24.000
Schiedsrichter: Ferdinand Biwersi (Bliesransbach)
Tore: 1:0 Jürgen Grabowski (45.), 2:0 Bernd Nickel (71.)

 

 

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Eintracht Frankfurt Hertha BSC Berlin

 


  • Gernot Fraydl
  • Lothar Groß
  • Uwe Witt
  • Ivan Sangulin
  • Peter Enders
  • Reinhold Adelmann
  • Karl-Heinz Ferschl
  • Franz Brungs
  • Werner Ipta
  • Rudolf Kröner
  • Dieter Krafczyk

 

Wechsel Wechsel
  • Arno Steffenhagen für Reinhold Adelmann (46.)
Trainer Trainer
  • Helmut Kronsbein

 


Grabowski erzielt das 1:0

Erste Schritte im Ribbeck-Look

Herthas zäher Widerstand • Tilkowski übertraf Fraydl, Lutz in großer Form

Die Klaue des neuen Mannes am Riederwald war auf Schritt und Tritt zu spüren. Wer die Frankfurter Eintracht der Saison 1968/69 verstehen will, muß so ziemlich alles vergessen, woran er bisher gewöhnt war. Erich Ribbeck denkt anders über modernen Fußball als sein Vorgänger Elek Schwartz, und er ließ in der kurzen Vorbereitungszeit, die ihm zur Verfügung stand, keine Minute ungenutzt, um seiner Mannschaft die Ribbecksche Auffassung „einzumerzen". Diese Auffassung beruht auf dem Primat der Abwehr, und davon ging der junge Trainer auch im Heimspiel gegen den Neuling aus Berlin nicht ab. Zwar posaunten die Sprechchöre in der Marathon-Kurve nach wie vor den ihnen lieb gewordenen Schlachtruf „Vier—zwo—vier!" in die herbstlichen Böen. Das hinderte ihre Eintracht jedoch nicht daran, ein lupenreines 1—4—2—3 zu praktizieren. Es klappte schon recht ordentlich. Die Berliner jedenfalls schossen kein einziges Tor.

Was den Gesamteindruck etwas stört: daß die Frankfurter um ein Haar ebenfalls leer ausgegangen wären. Ihre beiden Treffer beruhten im Endeffekt auf schlimmen Tormannfehlern des Berliner Hüters Fraydl aus Wien, der sein Herz in Amerika, der letzten Station seines unsteten Wanderlebens, verloren zu haben scheint. Zu einem verdienten Sieg wurde der Eintracht-Sieg erst, als die Berliner ihre Kraft in einem hektischen Zwischenspurt unmittelbar nach Wechsel sinnlos verpulvert hatten.

Dieser Zwischenspurt wurde ausgelöst von einem Grabowski-Treffer unmittelbar vor dem Wechsel, bei dem Erich Ribbeck beinahe eine Runde Bier verloren hätte. Nach seiner Wette mit dem Vorstand ist das Kopfballspiel der Eintrachtstürmer so schwach, daß man getrost größere Beträge auf die Behauptung setzen kann: wenn Eintracht-Tore fallen, dann eher mit Hilfe des Knies als mit Hilfe des Schädels. Ribbeck wiederholte damit nur, was jeder weiß, im Spiel gegen Berlin allerdings irrte der Diplomsportlehrer aus Wuppertal — und mit ihm die gesamte Riederwälder Fachwelt. Grabowski plazierte einen Kopfball beim ersten Treffer immerhin so geschickt, daß Fraydl nichts als ein schwächerer „Vorhand- Return" vor die Füße Grabowskis übrigblieb. Der Rest war ein Kinderspiel.

Nach diesem Führungstreffer gab Trainer Kronsbein seinen Berlinern Narrenfreiheit. Sie stürmten in die zweite Halbzeit, als hätten sie während der Pause auf heißen Kohlen gesessen. Sie deckten die Eintracht-Abwehr mit einer ganzen Serie von Eckbällen ein. Sie versuchten es mit der Wucht einer Ramme und mit der Eleganz von Florettfechtern. Sie standen mehr als einmal mit allen Mann in der Hälfte der Frankfurter.

Die drei Wunschchancen der Zeit vor dem Wechsel jedoch kehrten nicht wieder, und als sich die Berliner ausgetobt hatten, war endlich die Bahn für die Frankfurter frei. In der 72. Minute verlor Ribbeck sein Bier wirklich. Nach einer schwachen Faustabwehr Fraydls plumpste der Ball akkurat auf den Kopf Nickels und flog in wohltemperiertem Tempo hoch über alle Berliner zurück zum 2:0 ins Netz. Ein Rettungsversuch Witts kam zu spät. Die neue Masche der Eintracht war gerechtfertigt.

Keiflers Duell mit Brungs

Daß es diesmal noch so lange dauerte, bis sie zum Erfolg führte, lag an den beiden Hauptfiguren des Ribbeck-Plans, die in der Praxis Nebenfiguren blieben. Hauptfigur Nr. l: Keifler. Entgegen früheren Absichten kam er in letzter Minute doch noch in die Elf, und zwar mit dem ausdrücklichen Auftrag, den gefährlichen Brungs zu „verhaften". Das gelang ihm so gut wie nie. Und wenn Brungs seinen Bewacher abgeschüttelt hatte, dann hatten die Berliner plötzlich einen Angreifer mehr im Spiel. Die dadurch entstehenden Gefahren verschärften sich noch dadurch, daß die Abwehrmänner der Frankfurter zu Anfang des Spiels selbst in höchster Not „ihren Mann" weiterdeckten, obwohl anderswo der Dachstuhl des Abwehrgebäudes in Flammen stand.

Aber schon während des Spiels erkannte man Fortschritte. In der zweiten Halbzeit waren die Frankfurter am Brennpunkt fast immer in der Uebermacht. Einem Lutz, dem der Tatendrang aus allen Poren sprüht, ist es in erster Linie zu verdanken, daß während des heiklen Uebergangsstadiums nichts passierte. Lutz spielte beinahe schon wieder, als sei sein Leidensweg nach München und zurück nie gewesen. Daß er sich als freier Mann hinter der Viererkette hin und wieder unterbeschäftigt fühlt, ist sein einziger Kummer. Manchmal gingen ihm die Gäule durch. Dann ritt er aus lauter Spaß an der Freud' forsche Attacken ä la Beckenbauer, wenn auch nicht so effektvoll. Dafür stand er bei jedem Gegenstoß wieder rechtzeitig auf seinem Posten.

Bei der zweiten Hauptfigur, die in ihrer Rolle überfordert war, handelte es sich um Willi Huberts. Huberts ist kein Netzer. Das weiß Erich Ribbeck selbst am besten. Zu, seinem Spiel mit den drei Spitzen braucht er aber einen Mann, der wenigstens einige Netzer-Qualitäten mitbringt. Die gingen Huberts an diesem Tag, an dem er körperlich noch nicht wieder ganz auf der Höhe ist, zumindest bis zu einem gewissen Grade ab. Zuviel rollte an ihm vorbei. Zuwenig brachte er ins Rollen. So fühlte sich Bellut berufen, das Zepter im Mittelfeld zu schwingen. Nach ermutigenden Anfängen jedoch verschwand er stück für Stück unter der Grasnarbe. Die Eintracht gewann erst wieder festen Halt im Mittelfeld, als Kraus seinen Vorgänger in der 72. Minute ablöste.

Frankfurts bessere Einzelspieler

Dennoch gewannen die Frankfurter in erster Linie dadurch, daß sie die Größeren in ihren Reihen hatte. Einen Tilkowskl, der hinter Lutz wieder neu aufgelebt ist, einen Lutz, einen Jusufi, der nur deshalb nicht den vollen Segen seiner Freunde erhielt, weil er zuviel tat, einen Grabowski, für den ähnliches gilt und einen Nickel, der sich als Linksaußen (Lotz saß auf der Reservebank) von Minute zu Minute steigerte, hatte die Berliner Hertha nicht. Sie hatte nur einen Brungs, der höchste Bundesligaansprüche erfüllte, einen Brungs und einen verbesserungsfähigen Grundstock, mit dem man auch in der höchsten Klasse noch lange nicht verloren ist. ('Frankfurter Rundschau' vom 19.08.1968)

 

 

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