Eintracht Frankfurt - US Cagliari |
Alpenpokal 1968 - Gruppe B, 5. Spiel
2:2 (1:1)
Termin: 29.06.1968
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Kamper (Schweiz)
Tore: 0:1 Brugnera (24.), 1:1 Jürgen Grabowski (33.), 2:1 Wilhelm Huberts (81.), 2:2 Boninsegna (88.)
Eintracht Frankfurt | US Cagliari |
|
|
Wechsel |
Wechsel |
Trainer | Trainer
|
Gelungenes Comeback von Ernst Abbé Die Flaschen, die in den letzten Spielminuten von italienischen Fußballfans aus Ärger über den Eintracht-Führungstreffer durch Huberts aufs Feld geworfen wurden, waren aus doppeltem Grunde völlig verfehlt. Einmal, weil dieses letzte Spiel der Saison im Frankfurter Waldstadion zumindest in der zweiten Hälfte alles andere als müder Sommerfußball war, und zum anderen, weil die Gäste in diesem Alpenpokalwettbewerb wenig später sogar noch zum Ausgleich kamen. Beide Treffer der Mannschaft aus Sardinien übrigens waren durchaus nicht unhaltbar und zeigten erneut, wie unsicher Tilkowski am Ende der Saison geworden ist. Normalerweise hätte die schon in der ersten Hälfte technisch überlegene Eintracht (Eckballverhältnis hier 5:1, am Ende 12:5) diese Partie gegen die recht müde wirkenden Italiener klar zu ihren Gunsten entscheiden müssen, aber vorn fehlte wieder einmal der Scharfschütze (nicht immer können Blusch oder Schämer auch noch die Tore schießen!) und hinten ließ eben Tilkowski den Sieg durch die Finger rutschen. Erfolgversprechend die Rückkehr des vor Jahresfrist in Nürnberg so schwer verletzten jungen Abbé in den Eintracht-Angriff. Sein prachtvoller Rückzieher zumindest hätte ein Tor verdient gehabt. Aber Reginato in Cagliaris Tor war eben besser auf der Hut als sein Gegenüber. Neben ihm überzeugten Spielmacher Cera, der nur schwer vom Ball zu trennende Mittelstürmer, und der geschmeidige Nene auf dem rechten Flügel. Die Meinung des ehemaligen süddeutschen Schiedsrichter-Obmannes Carl Weingärtner nach dem Schlußpfiff: „Mit dem italienischen Torhüter hätte die drückend überlegene Eintracht ganz klar gewonnen." Im übrigen aber drehten sich die Gespräche im Frankfurter Stadion diesmal um etwaige Neuverpflichtungen. Dazu Eintracht-Präsident Rudi Gramlich: „Wir verstärken uns diesmal nur aus eigenen Reihen und gehen mit einer verjüngten Truppe in die neue Saison!" (Sport-Magazin vom 01.07.1968)
Der Abschied des Elek Schwartz Wie es zur Trennung kam und warum sie nicht zu vermeiden war Elek Schwartz ist ein Mann, der seine Klassiker kennt. Im Augenblick zitiert er mit Vorliebe Schiller: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehn!". Auch am Samstag, kurz bevor sein Vertrag mit der Frankfurter Eintracht auslief, beschwor er den großen deutschen Dichter als Zeugen dafür, daß Undank der Welt Lohn ist. Einige Stunden später, bei einem Abschiedsbankett am Riederwald, klang es zwar anders, und niemand vergaß, die Verdienste des scheidenden Eintracht-Trainers zu würdigen; in Wirklichkeit jedoch handelte es sich nur noch darum, das letzte Kapitel einer Geschichte, die so hoffnungsfroh begann, mit Anstand und Takt zu Ende zu bringen. Unter Freunden macht Elek Schwartz keinen Hehl daraus, daß der Mohr im Groll geht Daß er seine Schuldigkeit getan hat, steht für ihn fest. Bei der Frankfurter Eintracht war man dieser Ansicht schon lange nicht mehr. Als es in der Vor- . runde der gerade abgelaufenen Saison bedenklich bergab ging, entdeckte man plötzlich Mängel in der Amtsführung des Trainers, die vorher durch Erfolge überdeckt waren. Man nahm Elek Schwartz übel, daß er einerseits bei seiner Ankunft in Frankfurt zur Bedingung machte, daß alle Lizenzspieler das Fußballspielen zu ihrem Hauptberuf erklärten und andererseits das Training auf höchstenfalls zwei Stunden pro Tag beschränkte. Man warf ihm sein Desinteresse am Nachwuchs und an den unteren Mannschaften vor. Man tadelte seine Neigung, lieber seine mannigfaltigen Hobbies zu pflegen, statt sich auch außer Dienst um die Belange seines Vereins zu kümmern. Man nahm indigniert seine oft unsachlichen Bemerkungen über den Gegner zur Kenntnis, die er im ersten Groll über eine unverdiente Niederlage von sich zu geben pflegte. (Und nach Ansicht von Schwartz waren alle Niederlagen der Eintracht in den letzten drei Jahren irgendwie unverdient.) Am meisten jedoch mißbilligte man sein starres Festhalten an dem von ihm erstmals hierzulande in Reinkultur praktizierten 4-2-4-System, dem System ohne „Ausputzer". Keiner dieser Vorwürfe war aus der Luft gegriffen, und die Trennung war ohne Zweifel ein Akt der Vernunft. Trotzdem scheint es notwendig, das Bild des Elek Schwartz in der Stunde des Abschieds wieder an die rechte Stelle zu rücken. Es gab Zeiten, da war Elek Schwartz der populärste Star des Frankfurter Bundesligisten. Fachleute, Presse und Publikum waren sich darin einig, daß er nach erstaunlich kurzer Anlaufzeit aus der Eintracht ein virtuoses Instrument eines avantgardistischen Systems gemacht hatte. Der Schlachtruf „Vier-zwo-vier!" war eine Huldigung des Volkes an Elek Schwartz. wie sie nur wenigen Trainern zuteil wird. Der Einfluß des Frankfurter Denkspielers reichte weit über die Grenzen der Stadt hinaus. Es gab nicht wenige Versuche, die neue Eintracht zu kopieren. Obwohl die Frankfurter vor Beginn der zweiten Saison mit Elek Schwartz, einen Lutz auf dem Gipfel seiner Laufbahn, einen exzellenten Lechner und eine „Kampfmaschine" von der Präzision des gesunden Trimhold verloren, obwohl man ihr seinerzeit nur eine Nebenrolle zutraute, lieferte sie der Braunschweiger Eintracht bis vierzehn Tage vor Torschluß ein packendes Duell um die Meisterschaft. Viele hielten diesen Erfolg in erster Linie für einen Erfolg der Schwartzschen Ideen. Es gab keine bessere Erklärung. Das "Verhängnis kam, als Schwartz in der nächsten Saison, die zu seiner letzten bei der Eintracht werden sollte, an diesen Ideen festhielt, obwohl die Voraussetzung dafür nicht mehr vorhanden waren. Eine fatale Verletzungsserie zwang zum Improvisieren. Die Risiken, die das offene Vier-zwo-vier mit sich bringt, ließen sich mit den zur Verfügung stehenden Behelfsteams nicht mehr überspielen. Der Ruf nach einem „Ausputzer" wurde von Schwartz auch dann noch mit den fadenscheinigsten Argumenten überhört, als sich die sogenannten unglücklichen Gegentore in erschreckendem Maße häuften. Die Eintracht war einfach nicht mehr brillant genug, um die Lieblingsvorstellungen ihres Trainers zu verwirklichen. Schwartz aber war in seine Lieblingsideen offenbar zu sehr verliebt, um sie auch nur vorübergehend aufgeben zu wollen. Er beugte sich erst dem Machtwort des als Nothelfer herbeigerufenen Paul Osswald. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Er hatte nur
eine andere Auffassung von dieser Schuldigkeit wie seine Arbeitgeber.
Adieu Elek! Wenn sich die gegenseitigen Ressentiments gelegt haben,
werden Sie in die Chronik der Frankfurter Eintracht als ein Missionar
eingehen, der die reine Lehre wichtiger nahm als die nüchternen
Umstände. Das ist ein Schwäche, an der viele liebenswerte
Menschen leiden. (Frankfurter Rundschau vom 02.07.1968)
|