Eintracht Frankfurt - 1. FC Nürnberg

Bundesliga 1967/1968 - 4. Spieltag

1:2 (1:1)

Termin: Sa 09.09.1967, 16:00 Uhr
Zuschauer: 50.000
Schiedsrichter: Edgar Deuschel (Ludwigshafen)
Tore: 1:0 Oskar Lotz (23.), 1:1 Heinz Strehl (45.). 1:2 Franz Brungs (88.)

 


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Eintracht Frankfurt 1. FC Nürnberg

 


  • Roland Wabra
  • Ferdinand Wenauer
  • Horst Leupold
  • Karl-Heinz Ferschl
  • Fritz Popp
  • Ludwig Müller
  • Heinz Müller
  • Zvezdan Cebinac
  • Heinz Strehl
  • Franz Brungs
  • Georg Volkert

 

Wechsel Wechsel
Trainer Trainer
  • Max Merkel

 

 

Ein deprimierendes Ende

In der letzten Spielzeit lange in Abstiegsgefahr, kommt der Club aus Nürnberg heute als Tabellenführer ins mit 50.000 Zuschauern sehr gut besuchte Waldstadion. 5:1 Punkte hat man bislang an der Noris eingefahren, der letzte Spieltag brachte ein glattes 4:0 gegen den HSV, so dass die Nürnberger Spieler mit breiter Brust nach Frankfurt fahren. Hinzu kommt, dass die Eintracht in der Bundesliga zu Hause bislang gegen den Club nicht gewinnen konnte: Drei Niederlagen steht nur ein Unentschieden gegenüber.

Einen Sieg haben die Nürnberger im Waldstadion freilich nicht eingeplant, dafür spricht die taktische Aufstellung, in der Wenauer von Trainer Max Merkel als letzter Mann hinter die Abwehrkette zurückgezogen wird. Die Eintracht dagegen operiert mit einer Vierkette ohne Ausputzer, was ihr ein personelles Übergewicht im Mittelfeld verleiht, welches im Spiel auch zu Buche schlägt. Das stellt insbesondere den Club-Kapitän Strehl vor Probleme, der bei Eintrachtangriffen den Auftrag hat, Friedrich abzudecken. Erfüllt er jedoch diese Aufgabe, nutzt Strehls Gegenspieler Blusch die Freiräume, um sich in die Offensivaktionen einzuschalten.

Überhaupt hängt der Nürnberger Sturm weitgehend in der Luft, schon beim Spielaufbau aus der Deckung heraus unterlaufen den Gästen viele Fehlpässe. Der von Merkel im Sommer vom PSV Eindhoven als Außenstürmer verpflichtete Zvezdan Cebinac enttäuscht ebenso wie Georg Volkert, der trotz unermüdlicher Bemühungen sich gegen den überragenden Jusufi nur selten durchsetzen kann.

Um Zvezdan Cebinac und seinen Zwillingsbruder Srdjan rankt sich eine der unterhaltsamsten Anekdoten der Liga. Als die Beiden 1965 das heimatliche Jugoslawien verlassen wollen, um im Westen Geld zu verdienen, erhält Srdjan die Einladung zum Probetraining beim 1. FC Köln. Er ist allerdings der deutlich unbegabtere der Zwillinge, und so schlüpft Zvezdan unbemerkt in die Rolle seines Bruders und überzeugt die Kölner Verantwortlichen, die daraufhin Srdjan Cebinac einen Vertrag geben. Vom Können des 'falschen' Zwillings ist man denn auch enttäuscht, so reicht es für Srdjan auch nur zu drei Bundesligaeinsätzen.

Die erste Torchance des Spiels hat dennoch Volkert, der aber in der 18. Minute aus nur acht Metern Entfernung nicht zu einem Erfolgserlebnis kommt. Vier Minuten später ist es Brungs, der eine Flanke von Volkert am Tor der Eintracht vorbei köpft. Und noch steht die Abwehr des Clubs: Popp liefert gegen Grabowski eine gute Partie ab, Wenauer gibt einen überzeugenden Libero, und Ferschl beackert Bronnert und Solz ebenso hart wie hartnäckig.


Das 1:0 durch Lotz

Bis zur 23. Minute hält dieses Bollwerk. Dann legt sich Bechtold den Ball vor und zieht vehement ab. Wabra im Tor der Nürnberger kann diesen Scharfschuss zwar noch parieren, aber das Leder nicht festhalten und muss es nach vorne abprallen lassen. Seine Abwehrspieler Ferschl und Leupold können den Ball zwar nicht erreichen, dafür aber der Frankfurter Lotz, der den Führungstreffer für die Eintracht besorgt.

Nach einer knappen halben Stunde bietet sich Lotz fast die Möglichkeit, zum zweiten Mal einzunetzen, doch er kommt nach Bronnerts Flanke etwas zu spät. In der 38. Minute hat Lotz dann das 2:0 auf dem Fuß, nachdem Grabowski den Ball von der Torlinie maßgerecht zurück gelegt hat. Aus acht Metern knallt Lotz die Kugel auf Wabras Heiligtum, doch er zielt eine Spur zu hoch und der Ball geht eine Handbreit über den Querbalken.


Heute bester Frankfurter:
Fahrudin Jusufi

Wohl schon im Gedanken in der Kabine ist die Frankfurter Defensive unmittelbar vor dem Halbzeitpfiff. Anders lässt es sich nicht erklären, dass Strehl nach einem Zuspiel von Wenauer gleich drei Gegenspieler narren kann und mit seinem Schuss von der Strafraumlinie genau ins rechte obere Toreck trifft. Dieser Ausgleich zum 1:1 kommt selbst für die Nürnberger überraschend. Der Torschütze Strehl dagegen sieht durch den Treffer die ausgleichende Gerechtigkeit im Fußball bewiesen, da er im letzten Spiel gegen den HSV ein ähnliches Kaliber an die Querlatte gedonnert hatte.

In der Pause gibt es eine fußballuntypische Abwechslung: Der argentinische Boxchampion Oscar Bonavena stellt sich dem Publikum vor. Bonavena tritt in einer Woche in der angrenzenden Radrennbahn gegen den deutschen Europameister Karl Mildenberger an. Dieser Fight ist Teil des Ausscheidungswettkampfes um den vakanten Titel des Schwergewichtsweltmeisters im Boxen. Bonavena präsentiert sich dazu den 50.000 Zuschauern auf der Tribünen-Terrasse des Waldstadions. Dort lässt er seine Fäuste fliegen und seine Muskeln spielen. Teil der Show ist auch, dass er in Anlehnung an die Vorhersagen des wegen seiner Kriegsdienstverweigerung gesperrten und entthronten Weltmeisters Muhammad Ali ankündigt, in welcher Runde er Mildenberger zu Boden schicken will. Mit den fünf Fingern der linken Hand und dem rechten Daumen bedeutet er, dass er den Kampf in der 6. Runde beenden will.

Weiter geht es danach wieder mit dem Fußball. Und da gehören die ersten Minuten nach dem Wechsel den durch den Ausgleich motivierten Nürnbergern. Nach 62 Minuten eröffnet sich Brungs eine vortreffliche Gelegenheit, den Führungstreffer zu markieren, doch er zögert so lange, bis Schämer ihm den Ball weg spitzeln kann.

Danach übernimmt die Eintracht wieder das Kommando auf dem Platz. Das junge Mittelfeld der Riederwälder mit Friedrich und Bechtold liefert eine gute Partie ab, im Sturm hapert es allerdings mit dem Ausnutzen der Torchancen. Ein ums andere Mal wird quer gespielt, wenn ein Schuss angebracht wäre, und wenn sich einer der Stürmer für den Abschluss entscheidet, erfolgt dieser oft überhastet und ungenau. Zudem steht mit Wabra der beste Nürnberger zwischen den Pfosten: In der 76. Minute lenkt er einen mächtigen Schuss von Lotz in meisterlicher Manier mit einer Hand zur Ecke.


Wabra in Glanzform

Lotz ist heute bester Angreifer der Frankfurter. Er bereitet seinem Gegenspieler Leupold Probleme, während der zur zweiten Halbzeit für Bronnert eingewechselte Abbé als Mittelstürmer immer am rechten Ort ist, sich aber - verständlich in Anbetracht seiner Jugend - noch nicht durchzusetzen weiß. Behaupten kann sich dagegen neun Minuten vor Spielende Solz, doch sein Schuss landet am Pfosten. Es ist – wie man später erfahren wird – ein gänzlich unglücklicher Tag, für den „Brasilianer“ in Reihen der Frankfurter.

Die vorletzte Minute wird der Eintracht dann zum Verhängnis. Nach einem Zuspiel von Cebinac versetzt Brungs den unentschlossen eingreifenden Schämer, Tilkowski kommt aus dem Tor und der Nürnberger Stürmer lenkt den Ball am Torhüter vorbei an den rechten Innenpfosten, von wo er zum 2:1 für die Gäste ins Tor trudelt. In den verbleibenden drei Minuten bleiben weitere Treffer aus, so dass die Nürnberger beide Punkte aus dem Waldstadion entführen und das Spiel für die Frankfurter ein deprimierendes Ende findet.

Gewohnt grantelig und ausgestattet mit einer exklusiven Sicht der Dinge stuft Gästetrainer Max Merkel den Sieg seiner Mannschaft als verdient ein, da er die klareren Chancen bei seinem Team gesehen habe. Die Leistung der Eintracht skizziert er allerdings recht treffend: "Im Mittelfeld waren sie schon stärker und gespielt haben sie auch besser, aber sonst halt wie gehabt. Im Strafraum des Gegners können sie ihre Chancen wie eh und je nicht ausnutzen. Das aber gehört auch zum Fußballspiel, wenn man gewinnen will."

In ihrer Kabine ärgern sich die Frankfurter über die verpasste Chance, den Club in der Bundesliga zu Hause erstmals zu schlagen: „Wir hatten sie in der Tasche. Jeden Moment musste das Tor, unser Siegestor fallen. Aber dann kam das Unglück.“ Während seine Spieler das eigene Unglück bejammern, macht Trainer Schwartz den Gegner als einmalige Günstlinge der Göttin Fortuna aus: „Wir stürmen, stürmen! Der Club aber riskiert drei Schüsse und macht zwei Tore. So viel Glück wie die Nürnberger kann man nur einmal haben.“ Merkel lenkt nun ein:„Gegen eine gute Eintracht haben wir einen späten, wenn auch glücklichen Sieg errungen. Aber mit dem Glück des Tüchtigen.“

Trainer Schwartz ereifert sich über die beiden Gegentore: „Diese Unaufmerksamkeiten in der Schlussminute der ersten Halbzeit und in der vorletzten Minute des Spieles! Brungs durfte beim zweiten Tor nie zum Schuss kommen, aber Schämer scheute sich, ihn hart zu nehmen.“ „Unser ganzer Angriff drängte nach innen. Aber in der Mitte fehlt uns ein richtiger Reißer. Bis jetzt ist jeder Versuch noch fehlgeschlagen“, kann sich der Fußballlehrer kaum darüber beruhigen, dass seine Spieler dieses Spiel aus der Hand gegeben haben: "Verloren hat das Spiel diesmal nicht die Verteidigung, sondern der Sturm, der aus so vielen Chancen einfach mehr Tore machen musste. Wir hätten bis zur Pause 2:0 oder 3:0 führen müssen und waren auch in der zweiten Hälfte überlegen. Diesmal war der Club keineswegs unser Angstgegner."

Der Wiener Adolf Patek, der die Eintracht zwei Spielzeiten lang von 1956 bis 1958 trainierte und den Grundstock für die Meistermannschaft Paul Osswalds bildete, pflichtet Schwartz bei: "So viel Glück hatte der Club noch nie. Imponiert hat mir hinten nur Wenauer. Mit diesem Ausputzer hätte die Eintracht glatt gewonnen."

„Ich bin mit meiner Mannschaft zufrieden. Ja, wenn das Spiel noch schneller wird, dann können wir sogar an die Meisterschaft denken“, frohlockt Merkel, der seine Spieler nur 18 Stunden nach dem Auswärtssieg in Frankfurt im Training 90 Minuten über den Platz scheucht: „Die bleiben die ganze Woche im Trainingslager. Das sind doch Profis ...“

Abseits der markigen Sprüche Merkels, der für seinen Ruf mittlerweile fast so viel tut wie er auf dem Trainingsplatz arbeiten lässt, gibt es anderes, wirklich Wichtiges. Wolfgang Solz, der Mannschaftskapitän der Frankfurter Eintracht, erfuhr unmittelbar vor Spielbeginn vom Tod seiner Mutter. Trainer Schwartz ist froh, dass sich Solz dennoch in den Dienst der Mannschaft gestellt hat: „Unter diesen Umständen konnten wir von ihm keine Glanzleistung erwarten.“ (fgo/rs)

 

 

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