Tasmania 1900 Berlin - Eintracht
Frankfurt |
Bundesliga 1965/1966 - 31. Spieltag
0:3 (0:1)
Termin: Sa 30.04.1966, 16:00 Uhr
Zuschauer: 4.000
Schiedsrichter: Rolf Seekamp (Bremen)
Tore: 0:1 Wilhelm Huberts (32.), 0:2 Wilhelm Huberts (54.), 0:3 Jürgen Grabowski (71., Foulelfmeter)
Tasmania 1900 Berlin | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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„100“ Mehr als 80.000 Zuschauer sahen die Tasmania bei ihrem 2:0-Auftaktsieg gegen den KSC im Berliner Olympiastadion, heute zum Gastspiel der Frankfurter Eintracht verlieren sich bei sommerlichen Temperaturen nur noch 4.000 Zuschauer im weiten Rund. Das sind aber immerhin 8 Mal so viel wie am 15.1. dieses Jahres, als sich bei Eiseskälte zum torlosen Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach gerade einmal 827 Besucher einfanden. Damit hat Tasmania in der Bundesliga wohl einen Negativrekord für die Ewigkeit aufgestellt. Doch nicht genug, dass die Zuschauer wegbleiben, auch ein halbes Dutzend Spieler der Tasmania haben bereits ihren Abschied angekündigt. Stünden die Berliner nicht bereits als Absteiger fest, es hätte wohl keiner der Beteiligten Lust, sich in der Bundesliga ein weiteres Jahr nach Strich und Faden vermöbeln zu lassen. Selbst beim um den Klassenerhalt kämpfenden KSC ging man zum Rückrundenauftakt mit 0:3 unter, in Hannover gab es eine 0:5-Klatsche und zu Hause setzte es gegen den HSV vier und gegen Meiderich vor einem Monat gar neun Gegentreffer, ohne dass man selbst nur einen hätte landen können. Achtungserfolge konnte die Truppe seit der 0:4-Niederlage in Frankfurt Ende November neben dem bereits erwähnten 0:0 gegen Gladbach nur gegen Kaiserslautern und im letzten Heimspiel gegen Bremen erringen: Beide Partie endeten 1:1. Mit einem solchen Ergebnis rechnen heute aber nur unverbesserliche Optimisten. Nach dem 0:4 beim Meisterschaftsanwärter TSV 1860 München am letzten Wochenende muss Trainer Heinz-Ludwig Schmidt mit Wolfgang Rosenfeldt und Wulf-Ingo Usbeck zwei Stürmer ersetzen, die mit zwei bzw. vier Treffern die Hälfte der bislang insgesamt von Tasmania geschossenen Bundesligatore erzielt haben. Dafür kehrt neben Jürgen Wähling mit Horst Szymaniak zwar der stärkste Berliner Akteur in die Elf zurück, doch der Nationalspieler kann kaum mehr tun, als sich Woche für Woche in einem überforderten Team die Bestnote zu sichern. Während bei den Gastgebern außerdem noch Helmut Fiebach Jürgen Linders Platz in der Defensive einnimmt, sieht Eintracht-Trainer Schwartz keinen Grund, seine Elf nach dem 2:2 in Braunschweig am Dienstagabend zu ändern. Das bedeutet, dass Friedrich weiter anstelle Sztanis in der Mannschaft bleibt und Grabowski nach seinem siebenwöchigen Ausfall das dritte Pflichtspiel in nur acht Tagen hinter sich bringen muss. Sein Trainer ist offensichtlich der Meinung, dass der junge Mann das wegstecken und nach zwei schwächeren Leistungen zur alten Form zurückfinden wird. Das sollte ihm gegen eine Abwehr, die bis zum heutigen Tag bereits 97 Gegentreffer kassiert hat, ebenso möglich sein wie der Eintracht der nächste Bundesligasieg, auf den die Frankfurter seit einem Monat warten. Doch leider erlegen die Hessen die leichte Beute nicht sogleich, sondern ergötzen sich wie in der Hinrundenpartie an der eigenen Fußballkunst und am Spiel des Hasen mit dem Igel. Dabei vernachlässigen sie trotz eines Pfostenschusses das Toreschießen gegen die mit Abstand schlechteste Abwehr der Liga und haben Glück, dass Neumann in der 24. Minute die große Torchance zum Führungstreffer der Berliner vergibt: Aus wenigen Metern schießt er hoch über das leere Frankfurter Tor … Das machen die Gäste acht Minuten später erheblich besser. Nach einigem Hin und Her im Strafraum Tasmanias erwischt Huberts die Vorlage Grabowskis und schießt das Leder aus 12 Metern fast aus dem Stand halbhoch in die rechte Ecke – unhaltbar für Torhüter Rohloff. Wieder befindet sich Tasmania auf dem nur zu gut bekannten Weg, der Verliererstraße … Die Eintracht beherrscht in der Folge mit den fleißigen Trimhold und Friedrich das Mittelfeld noch klarer und zieht das Spiel immer wieder weit auseinander, so dass den Tasmanen nur das Hinterherlaufen bleibt. Auf der anderen Seite finden Szymaniaks Pässe, mit denen er die Berliner wenigstens zeitweise im Spiel gehalten hat, nun keine Abnehmer mehr. Die Abwehr der Eintracht kann unter der strahlenden Sonne Berlins einen entspannten Nachmittag verbringen. Im zweiten Durchgang setzt sich der deutlich sichtbare Klassenunterschied zwischen den beiden Mannschaften fort. Unverändert bleibt auch, dass die Eintracht bei aller technischen Brillanz das Ziel des Spiels aus den Augen verliert, was ihr gegen stärkere Gegner als Tasmania nicht nur einmal zum Nachteil gereicht hat. Dieses Mal jedoch bleibt das ziellose Spiel der Hessen vor dem gegnerischen Kasten ohne negative Folgen für die Diva vom Main. In der 54. Minute fällt eher nebenbei das 0:2. Am rechten Flügel zieht Grabowski im Stil des Klassemannes an seinem 19 Jahre alten Gegenspieler Volker Becker vorbei, flankt und findet Huberts, der ohne Anstrengung zu seinem zweiten Treffer kommt. Die Partie ist endgültig entschieden, denn auch ein Glückstreffer würde den Gastgebern nun nicht mehr zu einem Punktgewinn reichen. Dass die Partie mit 0:3 endet, liegt aber nicht am Glück oder der Eintracht, sondern vor allem an Schiedsrichter Rolf Seekamp. Der sieht 20 Minuten vor dem Ende in einem Rempler von Hans-Günter Beckers gegen Blusch, das den Frankfurter unmittelbar an der seitlichen Strafraumgrenze zu Fall bringt, ein ahndungswürdiges Vergehen und entscheidet auf Strafstoß. Jürgen Grabowski, der die ersten beiden Tore durch Willi Huberts vorbereitet hat, bleibt es vorbehalten, in der 71. Minute den Elfmeter zu verwandeln und damit den 100. Gegentreffer der Tasmanen zu erzielen. Das trifft zumindest diejenigen im Publikum nicht unvorbereitet, die eine goldbekränzte „100“ mit Trauerflor mitgebracht haben und nun zum Einsatz bringen. „Mit den 0:3 können wir zufrieden sein“, meint Tasmania-Trainer Schmidt zur 26. Niederlage seiner Elf am 31. Spieltag: „Meine Mannschaft ist am Ende ihrer Substanz angelangt. Die Verletzungen Rosenfeldts und Usbecks schwächten den ohnehin nicht wuchtigen Sturm noch mehr.“ „Wenn wir bloß zwei Stürmer vom Kaliber der Huberts, Grabowski oder Solz hätten ...“, seufzt Schmidt. Doch gerade mit der Ausbeute seiner Offensive ist Eintracht-Trainer
Elek Schwartz nicht einverstanden: „Natürlich hätte meine
Mannschaft mehr Tore schießen müssen.“ „Die Mannschaft
hat sich viel zu schnell dem schlechten Niveau des Gegners angepasst“,
kritisiert Schwartz außerdem: „Nur in der zweiten Halbzeit
war ich zeitweise zufrieden.“ Er gibt aber auch zu bedenken: „Es
war das dritte Spiel für uns in acht Tagen.“ Epilog „Torhüter Rohloff war der beste Mann der
Abwehr“, lobt nach der Niederlage gegen die Eintracht Trainer Schmidt
den Schlussmann der Tasmania. Rohloff erinnert sich im Fußballmagazin
„11 Freunde“ Jahrzehnte später: „Schon als Kind
hatte ich davon geträumt, Profi-Torwart zu werden. In die Bundesliga
habe ich es geschafft – wenn auch als Ritter von der traurigen Gestalt.
Dass Tasmania eine solch rabenschwarze Serie hinlegte und ich mittendrin
war, beruhte allerdings auf einem Zufall. Ich spielte damals noch beim
Bonner SC und bewirtschaftete nebenher die Vereinskneipe. Eines Tages
kam Schatzmeister Hubert Claasen zu mir und sagte: ‚Wir brauchen
Geld, ich möchte dich verkaufen. Du kannst zu Schalke, zum KSC oder
nach Berlin wechseln. Wo willste hin?’ Ich wollte schon immer mal
nach Berlin, also entschied ich mich für Hertha BSC. Doch die Hertha
wurde bald darauf wegen Manipulationen zum Zwangsabstieg verurteilt. Der
DFB wollte trotzdem einen Hauptstadtverein in der Bundesliga haben. Also
wurde die Tasmania, seinerzeit einer der beliebtesten Berliner Vereine,
aus der Regionalliga nach oben geholt – und ich als Torwart dorthin
transferiert.“ „Unsere Fans (..) legten nach diesem Tor hinter mir einen Trauerkranz nieder, mit Gold verziert und mit einem Schild, auf dem die „100“ stand“, erinnert sich Rohloff an den Jubiläums-Gegentreffer durch Grabowski. Am Ende der Saison stieg Tasmania mit 15:108 Toren und 8:60 Punkten ab – keine Mannschaft schnitt in 50 Jahren Bundesliga schlechter ab, was Rohloff treffend kommentiert: „Wir waren nicht die Besten, aber die Schlechtesten. Das ist doch auch ein Rekord.“ (rs)
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