Eintracht Frankfurt - Borussia Neunkirchen

Bundesliga 1965/1966 - 30. Spieltag

1:2 (0:1)

Termin: Sa 23.04.1966, 16:00 Uhr
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Gerhard Schulenburg (Hamburg)
Tore: 0:1 Werner Görts (2.), 0:2 Günter Kuntz (78.), 1:2 Wolfgang Solz (87.)

 

 

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Eintracht Frankfurt Borussia Neunkirchen

 


  • Willi Ertz
  • Gerd Peehs
  • Günter Schröder
  • Achim Melcher
  • Günter Heiden
  • Gottfried Peter
  • Dieter Schock
  • Günter Kuntz
  • Gerd Regitz
  • Heinz Simmet
  • Werner Görts

 

Trainer Trainer
  • Horst Buhtz

 

 

 

Rugby statt Fußball

Neben dem allerdings nur eine Halbzeit eingesetzten Friedel Lutz feierte Horst Trimhold vor drei Tagen bei dem Testspiel der DFB-Auswahl in Bremen gegen eine verstärkte ungarische B-Mannschaft einen gelungenen Einstand. „Ich bin mit dem Spiel unserer Mannschaft, in der ja wegen der Verletzungsausfälle viele neue Leute standen, sehr zufrieden“, sagte Bundestrainer Helmut Schön nach dem 1:0-Sieg, der nicht nur wegen des vom deutschen Schiedsrichter Schulenburg verhängten und von Torjäger Lothar Emmerich verschossenen Elfmeters höher hätte ausfallen können. „Über einige Spieler habe ich mich besonders gefreut. Das hohe Tempo in der ersten Halbzeit war doch beachtlich“, findet Schön dennoch und lobt neben Trimhold auch den Braunschweiger Ulsaß, die er vorher „noch nie so hart kämpfen und als Ballschlepper ackern gesehen“ habe.

Es kann nur hilfreich sein, wenn Lutz und Trimhold mit einem positiven Erlebnis an den Riederwald zurückkehren: Mit nur zwei Siegen in den letzten elf Punktspielen hat die Frankfurter Eintracht den Anschluss an das obere Tabellendrittel verloren. Gegen den heutigen Gegner, dem Tabellenvorletzten aus Neunkirchen, den die Hessen in der Hinrunde locker mit 6:1 geschlagen haben, sollte jedoch wieder ein doppelter Punktgewinn winken. Die Auswärtsschwäche der Frankfurter, die in dieser Runde bislang neben dem Erfolg in Neunkirchen nur beim Hamburger SV gewinnen konnten, wird von den Borussen nämlich noch übertroffen. Lediglich bei der Eintracht in Braunschweig gelang bislang ein Sieg – bemerkenswerterweise direkt nach der 1:6-Heimschlappe gegen die Frankfurter.

Die haben Anfang April mit ihrer 2:3-Niederlage beim Drittletzten Schalke 04 den Druck auf den heutigen Gegner verstärkt, denn die Knappen haben ihren Vorsprung auf die Saarländer auf vier Punkte ausgebaut. Bei lediglich noch vier ausstehenden Punktspielen können die Neunkirchener mit der Planung für die Regionalliga beginnen, wenn sie im Waldstadion verlieren sollten. Doch nach dem 1:9 am letzten Wochenende im heimischen Ellenfeldstadion, wo die Elf von Trainer Buhtz vom Titelanwärter TSV 1860 München demontiert wurde, sind die Aussichten auf einen Erfolg in Frankfurt denkbar schlecht.

Immerhin kann Buhtz wieder auf Heinz Simmet zurückgreifen, der am 21. Spieltag im Spiel gegen Bayern München vom 18-jährigen Hans Rigotti mit einem üblen Foul das Bein gebrochen wurde. Simmet, der als Neuling in der letzten Spielzeit in 8 Punktspielen 7 Tore erzielte und auch in dieser Runde bis zu seiner Verletzung in 18 Einsätzen 7 Mal traf, macht allerdings nach seiner Rückkehr erst sein zweites Spiel und ist von seiner besten Form noch ein gutes Stück entfernt.

Ob es daran liegt, dass die Frankfurter all diese Vorzeichen zu ihren Gunsten deuten und den Gegner auf die leichte Schulter nehmen, oder die Gäste mit dem Mute der Verzweiflung nach diesem letzten Strohhalm greifen, als könnten sie sich durch ihn aus dem Abstiegsstrudel befreien? Auf jeden Fall ist der Rückpass Dieter Lindners, der zuvor zögerte und im Zweikampf abdrehte, auf Torwart Loy viel zu lässig, was den pfeilschnellen Werner Görts auf den Plan ruft. Vor Loy kommt Görts an den Ball, geht am Schlussmann vorbei und schon nach zwei Minuten liegt der Ball im Netz und der Außenseiter in Führung. Es ist im 24. Erstligaeinsatz das erste Bundesligator des Stürmers, der zu Saisonbeginn von Bayer Leverkusen zur Borussia wechselte, und ein denkbar ungünstiger Auftakt für Loy, der heute anstelle des zuletzt nicht immer sicheren Kunter eingesetzt wird.

Den meisten unter den 10.000 Zuschauern ist damit bereits früh die Laune verhagelt, denn ihrer Mannschaft hat es wohl die Sprache verschlagen, denn sie findet auf den Rückstand keine rechte Antwort. Kaum zu glauben, dass diese Eintracht vor 17 Tagen der argentinischen Nationalmannschaft in Buenos Aires nur mit 2:4 unterlag und eine Woche später die fast in Bestbesetzung angetretenen „Gauchos“ sogar mit 3:1 bezwingen konnte. Nicht nur Loy, der bei diesem Sieg von den Argentiniern als „Held des Tages“ gefeiert wurde, schaut dank des Rückstandes gegen den Abstiegskandidaten dumm aus der Wäsche.

Die Saarländer verteidigen ihr Heiligtum mit allem, was sie haben. Die Elf von Buhtz operiert mit einem Doppelstopper, wobei Heiden den Ausputzer gibt. Die Angreifer der Gastgeber müssen sich hautnaher Bewachung erwehren, was ihnen nicht behagt und auch nicht gelingt. Spielmacher Huberts wird durch Neunkirchens Halblinken Gottfried Peter genau markiert und hart angegangen, was dem fußballerischen Feingeist überhaupt nicht bekommt. Auch Trimhold bekommt die Härte der Saarländer zu spüren, als ihm Regitz nach einer knappen halben Stunde im Zweikampf so zusetzt, dass der Frankfurter erst nach dreiminütiger Behandlung aufs Spielfeld zurückkehren kann.

Ohne Huberts’ Ideen und den Tricks der lahm gelegten Solz und Grabowski sowie der kalt gestellten Lechner und Trimhold hat die Eintracht nur ein Rezept, um der Gästeabwehr beizukommen, und das ist ein ebenso einfallsloses wie untaugliches: Hohe Flanken in den Strafraum der Borussia. Die werden die Beute von Willi Ertz, der mit 191 cm bekanntlich nicht gerade der Kleinste unter den Torleuten ist und die Frankfurter Angreifer um Haupteslänge überragt.

Trainer Schwartz wird auch darüber enttäuscht sein, dass Jürgen Grabowski und Georg Lechner, die er für Oskar Lotz und Jürgen Friedrich in die Mannschaft genommen hat, dem Offensivspiel der Eintracht keine Impulse verleihen können. Vom nach siebenwöchiger Krankheit genesenen Grabowski darf man normalerweise mehr erwarten und der erstmals nach seinem Mitte März bekannt gegebenen Wechsel zu Schwaben Augsburg wieder in einem Pflichtspiel aufgebotene Georg Lechner kann ebenfalls überzeugen.

Erst nach dem Seitenwechsel erkennen die 10.000 Zuschauer, dass sich die Elf von Elek Schwartz auf ihren Gegner eingestellt hat und den Kampf aufnimmt. Die Zeit aus der 1. Halbzeit ist jedoch unwiederbringlich verloren und fehlt im Wettlauf mit der Uhr, zumal die Angriffe der Eintracht in der Mehrzahl weiterhin zu langsam vorgetragen werden. So ist der sicheren Deckung der Saarländer nicht beizukommen, die sich immer wieder in aller Ruhe formieren kann.

„Mit sieben Mann in der Abwehr, harter Manndeckung, robuster Härte und kompromissloser Einsatzfreude“, wie der für den „kicker“ über die Begegnung berichtende Karl Seeger notiert, wehrt Neunkirchen die Angriffe der Eintracht ab, die von Blusch unterstützt werden. Der Verteidiger nutzt den Umstand, dass er keinen direkten Gegenspieler hat, weil die Gäste mit Simmet, Görts und Kuntz nur drei Stürmer aufgeboten haben, um bei der Eintracht zu dem Schützen zu avancieren, der die meisten Schüsse auf das Gäste-Tor abgibt. Ohne Erfolg allerdings.

Neunkirchen gibt das Defensivkonzept nur selten auf und beschränkt sich auf wenige Gegenstöße. Bei einer dieser seltenen Attacken wird nach einer Stunde Günter Kuntz im Zweikampf mit Loy verletzt, kann jedoch nach kurzer Behandlung weitermachen. Das zahlt sich aus, denn ein weiterer Angriff der Gäste führt in der 78. Minute durch Kuntz zur Vorentscheidung. Nach einem schnellen Konter betätigt sich Görts dieses Mal als Vorbereiter. Er flankt von Links an Lutz vorbei und bedient Kuntz maßgerecht. Der steht vollkommen frei, umspielt Loy und schießt dann den Ball in den leeren Kasten.


Brennende Fahne

Drei Minuten vor dem Spielende bedient Grabowski Sztani, auf dessen Flanke der blank stehende Solz per Kopfball doch noch einen Treffer für die Eintracht erzielen und auf 1:2 verkürzen kann. Das lässt für kurze Zeit Hoffnung aufkeimen, die jedoch enttäuscht wird. Schiedsrichter Gerhard Schulenburg pfeift ab und die Sensation ist perfekt: Die Gäste entführen beide Punkte aus dem Waldstadion. Nicht zum ersten Mal am heutigen Tag gibt es reichlich Pfiffe für die Eintracht, in deren Fankurve eine Fahne brennt.

Selbst gewonnen, während Konkurrent Schalke 04 auf eigenem Platz gegen Eintracht Braunschweig mit einem 1:1 einen wichtigen Punkt abgibt – da atmet Neunkirchens Trainer Buhtz auf: „Das gibt uns doch wieder Hoffnung!“ „Dabei haben wir mit einer Spielweise gewonnen, die wir kaum kennen“, ist er über den Erfolg fast verwundert: „Ganz gegen unsere Gewohnheit spielten wir von Anfang bis zum Schluss stur defensiv.“ „Meine Elf hat bis zum Umfallen gekämpft“, lobt er, „es hat sich gelohnt.“

Sein Frankfurter Kollege beklagt derweil besonders das harte Einsteigen der Gäste und die allzu großzügige Leitung von Schulenburg: „Das war ja mehr Rugby als Fußball. Wir hatten viele Verletzte.“ „Die größte Enttäuschung war der Schiedsrichter, der diese Neunkirchener Hackerei zuließ“, findet Schwartz und findet bei Karl Seeger Bestätigung: „Schiedsrichter Schulenburg passte sich dem Niveau durch mehrere zweifelhafte Entscheidungen (besonders bei Zweikämpfen) an“, kommentiert der Sportreporter.

Schwartz ist bei aller Verärgerung aber zu sehr Gentleman, um dem Unparteiischen oder der rauen Gangart des Gegners die Schuld an der Niederlage zuzuweisen und fügt hinzu: „Aber gegen eine solche Mannschaft hätten wir mit fünf, sechs Toren Unterschied gewinnen müssen. Wir haben sehr schlecht gespielt. Die blamable Vorstellung meiner Elf ist durch nichts zu entschuldigen.“ „Nach dem 0:1 wurde ohne jedes Konzept gespielt. Keiner wollte ein Risiko eingehen“, wirft er seiner Mannschaft vor.


Epilog

Borussia Neunkirchen gewinnt am folgenden Spieltag auch gegen Eintracht Braunschweig, verspielt aber danach mit Niederlagen bei Schalke 04 und beim Tabellenletzten Tasmania Berlin, der damit erst seinen zweiten Saisonsieg feiert, die letzten Chancen auf den Klassenerhalt. Der 1:0-Erfolg gegen den KSC am letzten Spieltag kann den Abstieg nicht mehr verhindern. (rs)

 


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