1. FC Nürnberg - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1965/1966 - 20. Spieltag

0:0

Termin: Sa 29.01.1966, 15:00 Uhr
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter: Edgar Deuschel (Ludwigshafen)

 

 

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1. FC Nürnberg Eintracht Frankfurt

  • Roland Wabra
  • Helmut Hilpert
  • Karl-Heinz Ferschl
  • Ludwig Müller
  • Ferdinand Wenauer
  • Rudolf Bast
  • Horst Leupold
  • Georg Volkert
  • Heinz Strehl
  • Stefan Reisch
  • Manfred Greif

 


 

Trainer
  • Jenö Csaknady
Trainer

 

Kunter, der hält

In Nürnberg treffen heute mit dem Club und der Eintracht der fünfte und der sechste der Tabelle aufeinander. Doch so nah die beiden Teams sich in der Rangliste sind, so unterschiedlich sind die Voraussetzungen vor dem heutigen Spiel. Die Eintracht reist mit einem 0:3 aus dem Spiel in Dortmund an, während der Club seit dem 2. Spieltag kein Heimspiel mehr verloren hat und seit dem 12. Spieltag, als man auf Schalke ein 0:1 hinnehmen musste, kein Punktspiel.

Eintrachttrainer Schwartz bringt Hermann Höfer sowie Dieter Stinka und Richard Weber in seine ersatzgeschwächte Elf, in der beispielsweise Grabowski und Trimhold weiter verletzt ausfallen. Gegenüber dem Pokalspiel gegen Alsenborn fehlen Stein, Schämer und Blusch. Nürnbergs Coach Csaknády bringt Stefan Reisch und überraschend auch Rudolf Bast für Torjäger Franz Brungs und Gustav Flachenecker, der nach langer Verletzungspause am letzten Wochenende im DFB-Pokal für den 1:0-Siegtreffer beim TSV Schwaben Augsburg sorgte. Beide sollen nach Willen ihres Trainers in der Reserve ihren Dienst verrichten.

Diesen Tausch bereut der Fußballlehrer womöglich schon im ersten Durchgang, denn Bast trifft zwar in der 25. Minute mit einem Kopfball die Querlatte, doch das Leder springt von der Unterkante ins Feld zurück und Bast gelingt sonst nicht viel. Ein Vollstrecker wie der kopfballstarke Brungs täte dem Club gegen die verblüffend defensiv eingestellten Gäste gut.

Die Eintracht ist nicht von Kopf bis Fuß auf Liebe, sondern aufs Abwehren eingestellt. Acht Mann stehen meist vor dem eigenen Kasten und bilden einen Abwehrwall, der zwar nicht unüberwindlich, aber nur ganz schwer zu durchdringen ist, und das obwohl Stinka erst zu seinem dritten Ligaspiel in dieser Runde kommt und Weber zu seinem ersten. Vorstöße in Richtung des von Wabra gehüteten Nürnberger Heiligtums unterlassen die Frankfurter, denen mit Grabowski der Flügelstürmer fehlt, der es auch mal auf eigene Faust mit einer Überzahl von Gegnern aufzunehmen bereit ist.

Es ist ein Jammer, dass sich zwei der einst spielerisch besten Mannschaften Süddeutschlands in einem solchen Duell gegenüberstehen, in denen die eine Elf nicht bereit ist, aus ihren Schützengräben zu klettern, und der anderen die Mittel fehlen, die gut befestigten Stellungen des Gegners zu überwinden. Flacheneckers Distanzschüsse wären jetzt das Mittel der Wahl, doch auf den hat der Trainer ja verzichtet.

Auch in der zweiten Halbzeit enttäuschen die Gastgeber. Volkert hat sein Pulver bereits in der Anfangsphase verschossen und kommt längst nicht mehr an Wirth vorbei, Greif versucht es erst gar nicht in vorderster Linie, sondern lässt sich immer wieder weit zurück fallen und Reisch spielt als Halbstürmer schlicht auf der falschen Position und ist dort verschenkt.

Besserung könnte man sich von Strehl erhoffen, doch der torgefährliche Spieler, der in der Hinrunde im Waldstadion auf Vorlage des anderen Torschützen Greif den 2:1-Siegtreffer erzielte, liegt heute viel zu oft auf der Nase, als dass er vor des Gegners Tor Schaden anrichten könnte.


Kunter hält den Elfmeter von Reisch

Als Strehl jedoch in der 55. Minute wieder einmal zu Boden geht, ist es zum Schaden der Eintracht, den Schiedsrichter Deuschel, der sich den Leistungen der beiden Mannschaften angepasst hat, will ein Foul von Lutz als Ursache ausgemacht haben. Selbst die Nürnberger dürften anderer Meinung als der Unparteiische sein, aber einem geschenkten Gaul schaut man auch in Franken nicht ins Maul. Reisch, der am 16. Spieltag beim 2:1-Sieg in Meiderich einen Strafstoß verwandelt hat, tritt an, scheitert jedoch mit seinem scharf und halbhoch geschossenen Ball an Torhüter Kunter, der ganz ausgezeichnet hält und das Leder um den linken Pfosten dreht.

Bis zum Ende der Partie bleibt es beim verbissen geführten Kampf der Eintracht, dem die Hausherren nur ein allzu umständliches Spiel entgegenzusetzen haben. Wer in der eigenen Hälfte, ja selbst vor dem eigenen Strafraum den Ball quer statt steil spielt, muss sich am Ende nicht wundern, wenn er ohne Torerfolg und mit fast leeren Händen da steht.

Die Zuschauer nehmen das Gekicke mit Humor und pfeifen auf das Spiel. Auf ihren Abpfiff fünf Minuten vor Schluss reagieren die Spieler aber leider nicht und erwarten geduldig, das Deuschel der Nullnummer ein Ende bereitet. Das tut er immerhin pünktlich, was den Frankfurtern den erhofften Punkt beschert. Dass sie auch im dritten Punktspiel infolge ohne Treffer geblieben sind, können sie dieses Mal noch verschmerzen. Andererseits ist es trotz der Ausfälle von Rang und Namen bedenklich, dass die Schützlinge von Schwartz in diesem Jahr in der Liga nur ein einziges Mal getroffen haben.

Nach dem Schlusspfiff berichtet Reisch von seinem Fehlschuss: „Strehl, unser Elfmeterschütze vom Dienst, war selbst gefoult worden, Volkert, unserem kommenden Mann, wollten wir die Vorwürfe ersparen, die er bei einem möglichen Versagen erhalten hätte. Ich dachte, gegen Vorwürfe sei ich abgebrühter und schoss, platziert, scharf und diesmal nicht wie gewohnt nach links, sondern nach rechts. Es war leider Torwart Kunters starke Seite ... er hielt“, erzählt Reisch, während Eintracht-Präsident Gramlich immer noch mit dem Pfiff des Unparteiischen hadert: „Das war nie ein Elfmeter! Wehe, wenn dadurch das Spiel entschieden worden wäre! Wir haben das Unentschieden redlich verdient.“

Das sieht auch Elek Schwartz so und ist mit der Punkteteilung zufrieden, weil er nicht auf seine besten Spieler zurückgreifen konnte: „Wir mussten mit viel Ersatz antreten. So berechnet war das 0:0 schon ein Erfolg für uns. Meine Mannschaft hat gut gekämpft.“ „Der Club hat eine gute Mannschaft“, erklärt er, „aber es war schwer, durch unsere Abwehr zu schießen.“ „Wenn wir offen gespielt hätten, hätten wir mit drei Toren verloren“, glaubt er.

Über die Taktik der Gäste ist beim Club besonders Fußballobmann Fred Böhm erbost, der wahrscheinlich noch im Ohr hat, wie Bayern-Trainer Cajkovski Ende Oktober nach dem 0:0 im Heimspiel gegen die Nürnberger wie ein Rohrspatz schimpfte, und beschwert sich: „Wenn wir so verteidigt hätten, dann hätte man uns überall als Maurer beschimpft. Aber was hat die Eintracht denn heute getan? Nur vielbeinig verteidigt!“ „Aber wir haben einen Punkt“, freut sich der Frankfurter Mannschaftsführer Höfer und Trainer Schwartz kontert Böhms Vorwurf: „Bei unserem letzten Heimspiel haben wir einen Punkt abgegeben, weil „Tschik“ Cajkovski seine Bayern-Mannschaft betont defensiv eingestellt hatte und 4-3-3 spielte. Jetzt haben wir es auch getan und einen Punkt geholt. Nur das zählt.“

„So ein Riegel kann geknackt werden. Seit einem halben Jahr üben wir, wie man Riegel knackt. Aber es klappte nicht. Das wie, müssen wir noch weiter lernen“, kommentiert Schwartz’ Trainerkollege Csaknády gelassen: „Es war kein Unglück, sondern Unvermögen, dass Frankfurt nicht geschlagen wurde.“ Die Eintracht kommt übrigens in Augen leidlich neutraler Beobachter nicht einmal schlecht weg, denn die „Bild“ beruft neben dem famosen Verteidiger Lutz auch noch Außen Solz in die „Nationalelf der Woche“.


Epilog

Richard Weber hat sein 29. und letztes Bundesligaspiel für die Eintracht bestritten. Für Dieter Stinka, der 1959 mit der Eintracht Deutscher Meister wurde, und der in Nürnberg mit Weber das Mittelfeldpärchen bildete, ist es der vorletzte Einsatz in der Bundesliga.

Auf Nürnberger Seite ist es auch für Rudolf Bast das letzte erstklassige Spiel. Nach nur neun Einsätzen in der 1. Bundesliga, in denen ihm ein Treffer gelang, löst der Torjäger, der zu Saisonbeginn vom VfR Mannheim an die Noris gewechselt war, zum Rundenende seinen Zwei-Jahresvertrag vorzeitig auf, und wechselt zurück in die Regionalliga Süd zum SSV Reutlingen. (rs)


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