Eintracht Frankfurt - Borussia Mönchengladbach

Bundesliga 1965/1966 - 16. Spieltag

3:1 (1:0)

Termin: Sa 11.12.1965, 15:00 Uhr
Zuschauer: 16.000
Schiedsrichter: Willi Gusenburger (Saarbrücken)
Tore: 1:0 Oskar Lotz (28.), 1:1 Bernd Rupp (58.), 2:1 Jürgen Grabowski (68.), 3:1 Jürgen Grabowski (90.)

 

 

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Eintracht Frankfurt Borussia Mönchengladbach

 


  • Manfred Orzessek
  • Walter Wimmer
  • Heinz Wittmann
  • Rudolf Pöggeler
  • Werner Waddey
  • Jupp Heynckes
  • Günter Netzer
  • Herbert Laumen
  • Bernd Rupp
  • Berti Vogts
  • Albert Jansen

 

Trainer Trainer
  • Hennes Weisweiler

 

 

Eleganz gegen Athletik

Beladen mit der 0:4-Pleite in Karlsruhe vom letzen Spieltag geht die Eintracht in die Partie gegen den frechen Aufsteiger vom Niederrhein, der aber nur zu Beginn der Saison der oberen Tabellenhälfte einen Besuch abstattete, als es gegen die vier Abstiegskandidaten Neunkirchen, Berlin, Karlsruhe und Schalke ging. Insgesamt wussten die Gladbacher mit offensivem Fußball zu überzeugen, haben aber nun nach einem Zwischenspurt mit drei knappen Siegen gegen Hannover, in Lautern und gegen Stuttgart drei nicht minder knappe Niederlagen in Meiderich, gegen Köln und in Bremen im Gepäck.

Dass es aktuell nur zum 12. Platz reicht, ist der Heimschwäche der Gladbacher geschuldet, deren größte Probleme in der Abwehr liegen – die 4:5-Niederlage am Bökelberg gegen die Borussia aus Dortmund am 5. Spieltag spricht Bände. Auswärts gehört die Weisweiler-Truppe jedoch zu den stärkeren Mannschaften der ersten Liga. Immerhin wurden in bislang acht Auswärtsspielen vier Unentschieden und ein Sieg erzielt. Die Eintracht ist also gewarnt.

Trainer Weisweiler, der im Sommer 1964 am Bökelberg die Nachfolge von Fritz Langner antrat, hat die Borussia bereits in seinem ersten Jahr klug verstärkt. Den Abgängen des Verteidigers Horst-Dieter Höttges nach Bremen, der Mittelfeldspieler Heinz Crawatzo zu Schalke und Karl-Heinz Mühlhausen (30 Tore in 108 Punktspielen) zu Hannover 96 sowie Stürmer Ulrich Kohn zu Arminia Bielefeld (22 Tore in der Saison 1963/64) setzte er junge, unbekannte Talente entgegen. Wie die stürmenden Neuzugänge Bernd Rupp (22 Jahre), den 18-jährigen Linksaußen Werner Waddey sowie den 19-jährigen Josef Heynckes, den er aus der Reserve der Gladbacher holte. Alle drei schlugen ein. Heynckes ließ seinen 23 Treffern in 25 Punktspielen in den sechs Aufstiegsrundenspielen ein halbes Dutzend folgen, Bernd Rupp fügte seinen 24 Ligatreffern in der Aufstiegsrunde noch einmal vier hinzu. Außerdem absolvierte der über Burgsolms und dem SV Wiesbaden an den Bökelberg gewanderte Hesse Rupp ebenso wie Waddey alle 34 Punktspiele – kein anderer Spieler schaffte das.

Waddey, der wie sein Mannschaftskamerad Günter Netzer vom 1. FC Mönchengladbach geholt wurde, hat in dieser Saison allerdings seinen Stammplatz verloren. Und auch Gerhard Elfert, der im Sommer von Arminia Hannover nach Gladbach wechselte, kämpft um einen Platz auf der linken Seite. Der dunkelhäutige Waddey ist zwar pfeilschnell, aber körperlich nicht gerade robust. Heute allerdings setzt Weisweiler zum fünften Mal in dieser Runde auf Waddey, während Elfert nicht im Team ist. Stammspieler sind dagegen die beiden verteidigenden Neuzugänge Hans-Hubert „Berti“ Vogts und Heinz Wittmann, die beide noch keine Partie verpasst haben.

Dabei sind außerdem wieder die bei der 0:2-Niederlage in Bremen schmerzlich vermissten Heynckes und Netzer. Für sie weichen müssen Elfert und Erwin Spinnler, der gegen Werder sein Bundesligadebüt feierte. Eintracht-Trainer Schwartz lässt seine Elf, der er nach dem KSC-Spiel mit auf dem Weg gab, dass „ein Spiel (..) nicht nur durch technische Tricks zu gewinnen“ sei, fast unverändert. Im Tor steht heute allerdings der wiedergenesene Peter Kunter anstelle von Egon Loy.

Wer jedoch gedacht hat, dass diese Eintracht-Mannschaft von Beginn an darauf bedacht sein würde, die peinliche Schlappe aus Baden im Waldstadion mit einer konzentrierten Leistung auszubügeln, hat sich geirrt. Bereits in der zweiten Minute lässt sich die Hintermannschaft der Eintracht überraschen. Torwart Kunter verfehlt zudem den Ball und Josef Heynckes sieht sich unerwartet auf dem Weg zu einem frühen Führungstreffer für die Gäste. Es ist allein Dieter Lindner zu verdanken, dass Heynckes’ Schuss nicht einschlägt – Lindner köpft den Ball im letzten Moment von der Torlinie.


Wimmer stoppt Lotz

Gut zehn Minuten benötigt die Eintracht, bevor sie in diese Partie gefunden hat. Doch nach 11 Minuten – just als die Gastgeber eine dominierende Rolle einzunehmen versuchen – bleibt Walter Bechtold nach einem Zweikampf mit Werner Waddey verletzt an der Außenlinie liegen. Aber auch die Gladbacher haben einen Verletzten zu beklagen. Torhüter Orzessek verstaucht sich nach 25 Minuten zwei Finger der linken Hand. Mit schmerzverzerrtem Gesicht wird er behandelt, doch Bälle festzuhalten ist ihm unter diesen Umständen kaum noch möglich.

Orzesseks Behinderung macht sich zum Leidwesen der Mönchengladbacher bereits in der 28. Minute bemerkbar. Grabowski zieht einen Schuss auf das Gladbacher Tor, den der Keeper nur abklatschen kann. Das gibt Lotz die Chance, den Abpraller wieder auf das Tor zu köpfen, in dem kurz darauf das Leder zur Führung der Eintracht landet.

Die Eintracht hat nun ihre beste Zeit, doch es ist nicht zu übersehen, dass die Abstimmung im Sturm fehlt – vor allem die Außen werden nicht rechtzeitig eingesetzt. Der vorübergehenden Frankfurter Überlegenheit begegnen die Borussen zudem mit entschlossener Härte, die Gastgeber zahlen mit ähnlicher Münze zurück. Dabei artet die Partie jedoch zu keinem Zeitpunkt aus, obwohl Walter Wimmer seinen Gegenspieler Walter Bechtold kurz nach dem 1:0 hart stoppt und der Mittelstürmer der Hessen nach einer über zehnminütigen Behandlungspause erst in der 41. Minute humpelnd aufs Feld zurückkehrt.

Dass die Fouls ansonsten im Rahmen bleiben, kann sich Schiedsrichters Gusenberger aus Saarbrücken nicht an sein Revers heften. Im Gegenteil: Er ist der schlechteste Mann auf dem Feld. Es ist allein den Spielern zu verdanken, dass es ein durchaus temperamentvolles und kampfbetontes Spiel ist, aber nicht zu einer Knüppelei wird. Der Respekt vor dem Gegner geht nie verloren. Schön ist die Szene, in der Willi Huberts den Kopf des von Schmerzen gepeinigten Gäste-Goalie tröstend an seine Brust drückt.

In der Halbzeit werden die Blessuren gepflegt, soweit das möglich ist. Bechtold ist jedoch beim besten Willen nicht wieder herzustellen. Er ist so stark eingeschränkt, dass seine Rolle für den Rest der Partie über die eines Statisten nicht mehr hinausgehen wird. Bechtold ist mächtig sauer und macht der robusten Gästeabwehr unverhohlene Vorwürfe, dass die drei schweren Fouls gegen ihn nicht unbeabsichtigt waren. „Immer auf denselben Knöchel“, schimpft er. Auf der Gegenseite ist Orzesseks linke Hand geschwollen und schimmert grün und blau. Eine schmerzstillende Spritze soll ihm helfen, das Spiel bis zum Ende durchzustehen.

Auch nach Wiederanpfiff sind die Frankfurter insgesamt technisch und spielerisch besser. Die Robustheit der Gäste macht ihnen aber weiterhin zu schaffen und die steilen Gegenstöße des großartigen Innensturms der Borussia stellt die Eintracht-Abwehr vor nicht eben geringe Probleme. Der Mönchengladbacher Sturm hat überdies einen furiosen Start in die zweite Halbzeit. Heynckes glänzt als Antreiber und Passgeber und Günter Netzer, der in der letzten Saison mit 17 Punktspieltreffern erfolgreichste Mittelfeldspieler der Borussia, ist kaum vom Ball zu trennen, allein der schnelle Lutz ist in der Lage, dem Gladbacher Paroli zu bieten. Es ist dann auch Netzer, der den Ausgleich nach knapp einer Stunde vorbereitet. Mit seinem Pass geht Rupp an Lindner und Lutz vorbei und lässt – dem nach seinem Patzer zu Beginn des Spiels hervorragenden – Kunter keine Abwehrchance.

Der Ausgleich der Gäste ist nicht unverdient, doch er ruft die Eintracht auf den Plan, bei der Huberts und Lechner zwar nachlassen, aber Trimhold weiter wirkungsvoll agiert. Und die verstärkten Bemühungen der Riederwälder werden bereits in der 68. Minute belohnt, als Trimhold eine genau getimte Flanke in den Strafraum schickt und Grabowski das Präsent per Kopf zum 2:1 im Gladbacher Tor abliefert. Diesen Gruß wollen nun wiederum die Gäste nicht unerwidert lassen. Bernd Rupp bietet sich zwei Mal die Chance, den Gleichstand wiederherzustellen. Doch der Gladbacher Stürmer scheitert in der 77. und der 80. Minute jeweils an Kunter, der den Gästen einen zweiten Treffer offensichtlich nicht gestatten will.


Huberts im Zweikampf mit Heynckes

 

Um der Wahrheit die Ehre zu geben, sind Weisweilers Mannen in der Schlussphase näher an ihrem zweiten Tor als die Elf von Schwartz am dritten. Doch was nützt es, wenn der Ausgleich förmlich in der Luft liegt, der Ball am Ende dann aber im eigenen Tor? Bechtold verabschiedet sich in der Schlussminute für einen Moment von seiner Statistenrolle und nimmt das nächste Foul an ihm hin: Wimmer fällt den ohnehin angeschlagenen Stürmer ein weiteres Mal. Den folgenden Freistoß, den Jürgen Grabowski auf das Gladbacher Tor zimmert, wird von Orzessek zwar erreicht, doch ins eigene Netz gefaustet. Und Sekunden später – gerade jetzt, wo das Zittern um den Frankfurter Sieg ein Ende hat – pfeift der Schiedsrichter ab.

Doch dieser dritte Treffer, mit dem Grabowski bei der Eintracht mit dem bislang mit 8 Toren führenden Willi Huberts gleich zieht, schmerzt den Gästetorwart fast noch mehr als seine Hand. „Ich wollte den Ball beidhändig wegboxen. Aber nur meine gesunde Rechte traf den Ball. Meine verletzte Linke war nicht zu gebrauchen. So kam der Ball in die falsche Richtung“, erklärt Orzessek geknickt: „Die Schmerzen kosteten mich zwei Tore, das erste und das letzte.“

„Wir hatten es schwer“, zollt Eintracht-Trainer Schwartz dem Gegner das verdiente Lob, „aber ich freue mich, dass unsere elegant – manchmal zu elegant! – spielende Mannschaft doch gegen diese Athleten gewonnen hat.“ „Wir sind für die Bundesliga nicht athletisch genug“, stellt Schwartz fest und sagt vorher: „Gegen einen körperlich so gut durchgebildeten Gegner werden wir es immer schwer haben. Trotzdem war ich mit der Leistung zufrieden.“ Den Grund für die großen Schwierigkeiten, die seiner Mannschaft vom Aufsteiger bereitet wurden, hat Elek Schwartz ebenfalls erkannt: „Diese genaue Manndeckung hat unteren Spielern gar nicht behagt. Unser Sieg geht aber durchaus in Ordnung.“

„Wir hatten ein Unentschieden verdient“, meint Gladbachs Trainer Weisweiler und hadert mit dem Spielverlauf: „Als wir dem 2:2 nahe waren, gelang Frankfurt das dritte Tor.“ Er bleibt aber optimistisch: „Die Punkte, die wir zum Erhalt der Bundesliga noch brauchen, werden wir schon holen.“ DFB-Trainer Dettmar Cramer beurteilt das Spiel mehr von der fußballtheoretischen Seite: „Die Mönchengladbacher zeigten, wie man die Abwehr einer 4-2-4-spielenden Mannschaft gefährdet: mit einem echte Spitze spielenden Mittelstürmer wie Rupp, der sich geschickt in die Lücke zwischen den beiden Innenverteidigern – hier Lindner und Lutz – stellte und so ja auch ein Gegentor erzielen konnte.“

Cramers Analyse mag richtig sein, doch was die Gäste nicht zeigten, war, wie man einer 4-2-4-spielenden Mannschaft die Punkte abnimmt. Mit jenen zwei Punkten mehr festigt die Eintracht ihren 6. Rang in der Tabelle, während die Mönchengladbacher auf Platz 13 abrutschen. Gleichstand erreichen beide nur in der von „Bild“ zusammengestellten „Nationalelf der Woche“, in der mit Netzer und Grabowski je ein Vertreter beider Mannschaften vertreten ist. Doch auch hier ist die Eintracht den Gladbachern voraus: Grabowski wurde bereits zum dritten Mal nominiert, Netzer jedoch ist erst zum zweiten Mal dabei.

Epilog

„Er hat damals die richtigen Leute geholt und eine Mannschaft daraus geformt“, lobt Werner Waddey noch Jahrzehnte später seinen ehemaligen Trainer Weisweiler: „Wir hatten damals eine Mannschaft der Namenlosen, wurden als Abstiegskandidat gehandelt. Umso schöner war es am Ende der Saison, aufzusteigen.“ Waddey erinnert sich gerne an seine erste Saison in der Regionalliga zurück, in der Bundesliga hat er sich nicht durchsetzen können: „Ich war damals recht klein und schmächtig, deswegen habe ich in der Bundesliga meine Stärken nicht mehr so einbringen können wie in der Regionalliga.“ Nach 3 Jahren und insgesamt 22 Erstligaspielen kehrt er in die Regionalliga zurück, wo er für den Bonner SC, Fortuna Köln und die DJK Gütersloh antritt. 1975 beendet er beim 1. FC Viersen in der Oberliga seine Fußballerlaufbahn. Nach einer aktiven Karriere ist Waddey bis zu seiner Frühpension in der Lohn- und Finanzbuchhaltung tätig. (rs)


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